Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 532 - Ina Ritter - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 532 E-Book

Ina Ritter

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Beschreibung

Jeden Tag reitet Cordula Komtess von Denkow heimlich vom Schloss zu dem kleinen Haus am Moor und fliegt ihrem geliebten Nikolaus Baron von Schellhardt in die Arme. So geht das nun schon seit Monaten, und Cordula setzen die Heimlichkeiten furchtbar zu. Sobald sie Nikolaus aber bittet, endlich bei ihren Eltern vorstellig zu werden, findet der junge Mann tausend Ausflüchte. Er könne als Sprössling einer verarmten Adelsfamilie unmöglich bei ihren Eltern um sie anhalten, sei zudem im Augenblick ohne Beschäftigung und lebe nur von einem kleinen Erbe. Doch den wahren Grund, dem Grafen nicht unter die Augen treten zu wollen, den verschweigt er Cordula. Erst als die Umstände die beiden schließlich zwingen, sich zu ihrer Liebe zu bekennen, kommt die schreckliche Wahrheit ans Licht ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Die Eltern waren ahnungslos

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: LightField Studios / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0716-9

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Die Eltern waren ahnungslos

Ein fesselnder Liebes- und Schicksalsroman

Jeden Tag reitet Cordula Komtess von Denkow heimlich vom Schloss zu dem kleinen Haus am Moor und fliegt ihrem geliebten Nikolaus Baron von Schellhardt in die Arme. So geht das nun schon seit Monaten, und Cordula setzen die Heimlichkeiten furchtbar zu. Sobald sie Nikolaus aber bittet, endlich bei ihren Eltern vorstellig zu werden, findet der junge Mann tausend Ausflüchte. Er könne als Sprössling einer verarmten Adelsfamilie unmöglich bei ihren Eltern um sie anhalten, sei zudem im Augenblick ohne Beschäftigung und lebe nur von einem kleinen Erbe. Doch den wahren Grund, dem Grafen nicht unter die Augen treten zu wollen, den verschweigt er Cordula. Erst als die Umstände die beiden schließlich zwingen, sich zu ihrer Liebe zu bekennen, kommt die schreckliche Wahrheit ans Licht ...

An einem wunderschönen Frühlingstag betrat Graf Denkow unangemeldet das Büro seines Rendanten und verlangte, die Bücher zu sehen.

»Die Bücher?« Herbert Roggenkamp, ein blonder Mann mit nettem Gesicht, schaute ihn verstört an. »Aber wieso denn? Sie haben meine Bücher doch erst vor vier Wochen kontrolliert.«

Graf Denkow reckte seine schlanke Reitergestalt noch höher und warf einen vernichtenden Blick auf den jungen Mann.

»Wollen Sie mir vorschreiben, wie oft ich Ihre Bücher kontrollieren darf, mein Lieber?«, fragte er kalt.

»Selbstverständlich nicht, Herr Graf, nur heute ... Ich bin mit den Buchungen noch nicht fertig.«

Es gehörte zu Graf Denkows Charakterzügen, dass er den Menschen misstraute. Und dieser Roggenkamp machte einen sehr nervösen Eindruck.

»Ziehen Sie einen Schlussstrich! Öffnen Sie den Tresor, und während Sie rechnen, werde ich die Kasse zählen.«

»Selbstverständlich, Herr Graf. Könnten Sie nicht lieber morgen ... Es ist heute schon spät.«

»Es wird nicht lange dauern. Weshalb sind Sie so nervös?«

Herbert Roggenkamp hatte nicht mit einer Revision gerechnet. Die Kasse stimmte nicht. Es fehlten vierhundert Mark.

Der Schweiß lief ihm in kleinen Bächen über das Gesicht. Verzweifelt suchte er nach einer Erklärung, aber sein Kopf war wie leer gefegt.

»Was stimmt hier nicht, Roggenkamp?«, fragte Denkow drohend. »Heraus mit der Sprache, mein Lieber.«

Der junge Mann wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.

Friedrich-Wilhelm von Denkow schaute ihn durchdringend an.

»Sie haben doch nicht etwa Unterschlagungen begangen?«, fragte er. »Roggenkamp, das kann doch nicht möglich sein. Schon Ihr Vater hat für uns gearbeitet, wir kennen Sie von klein auf ... Nun reden Sie schon!«

»Ich wollte das Geld am Ersten zurücklegen. Von meinem Gehalt. Sie müssen mir glauben, dass ich kein Betrüger bin. Aber ...« Hilflos schaute er auf seinen Dienstherrn.

»Sie haben Geld genommen?« Friedrich-Wilhelm von Denkow schüttelte den Kopf. »Das kann ich mir bei Ihnen einfach nicht vorstellen. Warum denn, um Himmels willen?«

»Ich bin verlobt, und die Mutter meiner Braut ... sie liegt im Krankenhaus, und man hat einen Vorschuss verlangt. Vierhundert Mark. Und meine Braut hatte nicht so viel Geld, und ich ... Wir haben uns Möbel gekauft, verstehen Sie, wir wollen ja bald heiraten.«

»Das gehört nicht hierher!«, fiel Graf Denkow ihm ins Wort und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Sie haben mich bestohlen. Sie, dem ich vertraute, Sie haben Geld aus dem Tresor genommen. Packen Sie Ihre Sachen. Sie sind fristlos entlassen.«

Herbert Roggenkamp wich bis zur Wand zurück.

»Herr Graf, bitte, haben Sie Verständnis ...«

»Für Diebstahl?«, fragte der Graf schneidend.

»Wenn Sie mich jetzt entlassen ... es wird sich herumsprechen, weshalb Sie mich fortgejagt haben. Ich kann niemandem mehr in die Augen schauen.«

»Das hätten Sie sich früher überlegen müssen. Einen Dieb dulde ich nicht auf Gut Denkow. Was werden Ihre Eltern von Ihnen denken, Roggenkamp, Ihr alter ehrlicher Vater?«

»Er darf es nie erfahren, Herr Graf.«

In seiner Verzweiflung stürzte Herbert Roggenkamp auf Denkow zu und versuchte, vor ihm niederzuknien und seine Hand zu küssen.

»Lassen Sie das Theater! Heute Abend wünsche ich Sie hier nicht mehr zu sehen, verstanden? Auf ein Zeugnis verzichten wir unter diesen Umständen wohl.«

»Ohne Zeugnis bekomme ich doch nirgendwo eine neue Stellung, Herr Graf. Wir wollen heiraten, Karin und ich. Es war nicht richtig, das Geld einfach zu nehmen, Herr Graf, aber ich wollte es ja zurücktun.«

»Das spielt keine Rolle. Geben Sie mir auf der Stelle den Schlüssel für den Tresor.« Er streckte fordernd die Hand aus.

Der junge Mann zitterte wie Espenlaub.

»Ich bin erledigt, wenn Sie mich fortjagen. Haben Sie doch Einsehen, Herr Graf. Ich bin doch kein Dieb.«

»Die Schlüssel!«, herrschte Friedrich-Wilhelm von Denkow ihn an.

Herbert Roggenkamp schluckte. Er öffnete eine Schreibtischschublade und holte zögernd den Tresorschlüssel heraus.

»Wollen Sie es sich nicht doch noch einmal überlegen?«, fragte er demütig.

Graf Denkow nahm den Schlüssel, drehte sich um und ging hinaus.

♥♥♥

»Schon fertig mit der Revision?«

Gräfin Nora zog erstaunt die Brauen in die Höhe. Sie war noch immer eine schöne Frau, obwohl sich schon einige graue Fäden in ihr dunkelblondes Haar mischten.

»Ja. Ich habe Roggenkamp fristlos entlassen müssen.«

Der Mann setzte sich, nahm eine Zigarre aus dem Kistchen auf dem Tisch und zündete sie an.

»Roggenkamp?«, fragte seine Frau. »Aber warum denn?«

In seiner knappen Art erzählte Denkow es ihr.

»Ich glaube, das hättest du nicht tun dürfen.«

Die Gräfin ließ sich nur selten dazu hinreißen, eine Entscheidung ihres Mannes zu kritisieren. Aber Herbert Roggenkamp war ein so netter junger Mann, dass sie versuchte, Verständnis für ihn aufzubringen.

»Wenn ich so etwas durchgehen lasse, geht bald alles drunter und drüber. Roggenkamp hat gewusst, was er riskierte. Er muss jetzt auch die Folgen tragen.«

»Wie hart du bist!« Frau Nora senkte den Kopf, als ihr Mann sie anschaute. »Verzeih, ich habe es nicht so gemeint«, entschuldigte sie sich.

Also auch sie hält mich für hart und unmenschlich, dachte der Graf. Stand er denn mit seinen Ehrbegriffen ganz allein? Sollte man alles hinnehmen? Nein, das konnte er nicht.

»Er tut mir leid, Friedrich-Wilhelm. Vielleicht hast du seine ganze Zukunft vernichtet.«

»Ich? Nein, das hat er selbst getan. Ich möchte jetzt nicht mehr über diesen hässlichen Fall sprechen. Wo sind die Kinder?«

»Draußen. Cordula und Eduard sind vorhin fortgeritten. Warum?«

»Es war nur so eine Frage.« Denkow nahm seine Zigarre und erhob sich. »Ich werde auch noch ein bisschen reiten. Und was machst du?«

»Ich kümmere mich um das Abendbrot. Bleib nicht so lange und reite vorsichtig, hörst du. Du hast dich aufgeregt, lass es nicht an deinem Pferd aus.«

»Ich war Kavallerist.«

Friedrich-Wilhelm von Denkow gestattete sich ein kleines Lächeln. Die gute Nora machte sich entschieden viel zu viel Sorgen um ihn. Aber so waren Frauen nun einmal, man musste es ihnen nachsehen.

♥♥♥

Komtess Cordula und ihr Bruder – genauer gesagt ihr Stiefbruder Eduard – waren zwar auf ihren Rassepferden fortgeritten, aber nicht zusammen.

Eduard war ein leidenschaftlicher Landwirt, der heimlich davon träumte, Gut Denkow einmal allein bewirtschaften zu können.

Im Augenblick war allerdings nicht daran zu denken, dann sein Vater würde das Heft niemals aus der Hand geben, solange er sich gesund fühlte.

Cordula hatte es sehr eilig gehabt, ihr Ziel zu erreichen. Es war ein abseitsstehendes Haus am Rande des Moores, nicht allzu groß, aber komfortabel eingerichtet.

Sie schaute sich scheu um, bevor sie aus dem Sattel sprang und ihr Pferd anpflockte. Diese Heimlichkeiten lagen ihr ganz und gar nicht, aber Nikolaus hatte ihr klargemacht, dass es nicht anders ginge.

Und als sie die Tür aufdrückte und eintrat, da hatte sie alle Gewissensbisse vergessen. Aus dem Wohnzimmer, das rechts von dem breiten Flur abging, hörte sie Musik.

Jemand spielte Geige, und dieser Jemand war der Mann, den Cordula über alles liebte.

Bevor sie die Hand auf die Klinke legte, schloss sie einen Moment die Augen.

Im Geiste sah sie ihn vor sich, das schmale Gesicht mit der braun gebrannten Haut, die graugrünen Augen mit den Fältchen an den Rändern. Sein Haar, wie es sich für einen Märchenprinzen gehörte, dunkel, fast schwarz.

Und wie er spielte! Es war eine Romanze, die Cordula gut kannte.

Ganz leise drückte Komtess Cordula die Tür auf. Nikolaus stand vor dem Notenpult, der Tür drehte er den Rücken zu. Er spielte selbstvergessen, den Blick auf das Notenblatt gerichtet, blind und taub für seine Umgebung.

Auf Zehenspitzen ging Cordula auf ihn zu und legte dann spitzbübisch die Hände von hinten über seine Augen.

»Wer bin ich?«, fragte sie mit verstellt tiefer Stimme.

Nikolaus von Schellhardt ließ Geige und Bogen sinken.

»Mariechen? Oder Wilhelmine? Oder Herta?«

»Du gemeiner Kerl!« Cordula ließ die Hände lachend sinken. »Wie viele Mädchen kennst du eigentlich?«

Nikolaus von Schellhardt nahm sie in den Arm.

»Seit einem Vierteljahr nur dich. Wie schön, dass du noch gekommen bist. Ich hatte schon die Hoffnung aufgegeben.«

Cordula hob sich auf die Zehenspitzen und bot ihm ihren roten Mund. Sie schloss die Augen, als er sie küsste, und schmiegte sich ganz fest an ihn.

»Wie hübsch du wieder bist«, sagte er. »Haben deine Eltern nicht bemerkt, dass du fortgeritten bist?«

»Doch, aber sie wissen ja nicht, wohin ich geritten bin. Warum bist du eigentlich so ängstlich, Nikolaus? Vater ist manchmal etwas kurz angebunden, aber im Grunde genommen meint er es nicht so. Man muss ihn nur zu nehmen wissen.«

Das Lächeln schwand vom Gesicht des Mannes. Er legte die Geige auf den Tisch.

»Es wäre vielleicht besser, ich hätte dich niemals kennengelernt«, sagte er düster.

»Liebst du mich denn nicht mehr?«, wollte Cordula erschreckt wissen.

»Doch. Viel zu sehr, aber ich bin nicht gut genug für dich, Kleines. Du hättest einen besseren Mann verdient, einen, der es im Leben zu etwas gebracht hat.«

»Aber ich will nur einen haben, der schön Geige spielen kann und der mich lieb hat.«

Cordula schlang die Arme um seinen Nacken und küsste ihn.

»Wenn ich nur wüsste, wie es mit uns weitergehen soll«, stieß Nikolaus bedrückt hervor. »Wenn ich Geld hätte, wäre alles kein Problem. Aber so – mein Einkommen ist nur klein ...«

»Sprich doch nicht immerzu vom Geld, als wäre es das Wichtigste. Wichtig ist doch nur, dass wir uns lieben. Gleich, als ich dich das erste Mal sah, wusste ich, dass wir beide zueinander gehören. Erinnerst du dich noch?«

»Wie könnte ich das wohl jemals vergessen? Wir haben viel miteinander getanzt, und noch am gleichen Abend habe ich dich geküsst.« Und später habe ich mich dann in dich verliebt, fügte er im Stillen hinzu.

»Du hast Angst vor Vater«, hörte er Cordula sagen. »Und das verstehe ich nicht. Wann wirst du endlich zu ihm gehen und ihm sagen, dass wir uns lieben?«

Der Mann starrte gequält vor sich hin.

»Diese Heimlichkeiten gefallen mir nicht. Ich lüge nicht gern, Nikolaus. Ich finde es schrecklich, die Unwahrheit zu sagen. Und natürlich wird Mutter mich fragen, wo ich heute Nachmittag war.«

»Und das alles meinetwegen.« Der Mann fuhr sich müde über die Augen. »Ich bin es gar nicht wert, dass du mir solche Opfer bringst.«

»So habe ich das nicht gemeint. Es sind ja keine Opfer, aber wir kennen uns jetzt genau drei Monate und vier Tage. Und wir sehen uns täglich, und immer komme ich zu dir. Verstehst du, dass das irgendwie nicht richtig ist?«

»Du hast recht, es ist nicht richtig«, stimmte Nikolaus ihr zu. Er legte die Geige in den Kasten und verschloss ihn sorgfältig.

»Dann ändere es doch! Schließlich bist du ein Baron Schellhardt, aus bester Familie.«

»Aus total verarmter Familie. Hätte ich nicht die kleine Rente aus dem Nachlass meiner Tante, wüsste ich nicht, wovon ich leben sollte. Und ein paar Hundert Mark im Monat reichen nur für das Allernotwendigste.«

»Geld haben wir genug, und Vater schaut auch nicht auf das Geld. Er verlangt von den Menschen nur eines: dass ihre Ehre fleckenlos ist.«

»Möchtest du roten oder lieber weißen Wein?«

»Das ist mir gleichgültig, Nikolaus. Wir müssen heute einmal über unsere Zukunft sprechen. Ich will dich nicht drängen. Ich weiß, dass Männer das nicht mögen. Aber dennoch ...«, sagte sie.

»Ich hole eine Flasche Rheinwein. Wie lange kannst du bleiben?«

»Zwei Stunden. Zum Abendessen muss ich zu Hause sein, sonst gibt es Krach. Vater verlangt Pünktlichkeit von uns.«

Nikolaus ließ Cordula allein und ging in den Keller, um eine Flasche Wein heraufzuholen. Er ließ sich viel Zeit dabei, obwohl alles ihn zu Cordula zurückzog.

Er hatte ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen. Er liebte sie, wie er noch nie eine Frau geliebt hatte, aber er konnte nicht bei ihrem Vater um sie anhalten.

Langsam stieg er die Kellertreppe wieder herauf.

»Du hast dir aber Zeit gelassen.« Cordula hatte sich über ihren Reitanzug eine Schürze gebunden und war dabei, den Tisch für zwei Personen zu decken.

Der Mann zog sie an sich.

»Cordula, es wäre am besten, wenn du nicht wiederkämst.«

Das Mädchen riss die Augen erschrocken weit auf.

»Ist das dein Ernst?«, fragte sie mit brüchiger Stimme.

»Nein, nein, es war wohl nur ein Scherz.«

Nikolaus von Schellhardt schüttelte den Kopf. Er hatte es ernst gemeint. Es wäre besser für Cordula, wenn sie ihn nicht mehr heimlich besuchte.

»Das Kaffeewasser kocht gleich. Ich muss morgen unbedingt ins Dorf und frischen Kaffee holen. Deiner Küche merkt man an, dass die Hausfrau fehlt. Du hast keine Vorräte.«

»Ja.«

Der Mann war mit seinen Gedanken weit fort. Er war gut zehn Jahre älter als Cordula und kannte das Leben. Die Frauen vergötterten ihn, denn er besaß eine angeborene Gabe, Frauen zu betören, ohne dass er es bewusst tat. Und die Männer verachteten ihn. Sie spürten wohl, dass hinter seiner glänzenden Fassade nicht viel war.

»Was ist heute mit dir los?«, schalt Cordula, als sie gegessen hatten. »Habe ich dich gestört? Möchtest du wirklich, dass ich jetzt schon wieder gehe? Ich habe noch eine Stunde Zeit.«

Sie erhob sich, ging um den Tisch herum und setzte sich auf seine Knie.

»Sag mir etwas Nettes«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Sag mir, dass du mich lieb hast. Sag mir, dass du nach mir niemals mehr eine andere Frau anschauen wirst.«

Es war wie immer, ihre Nähe machte alle guten Vorsätze des Mannes zunichte. Als sie ihr Gesicht an seine Wange schmiegte, als ihr Mund später seine Lippen suchte, da vergaß er, wer er war, und er vergaß, wer Cordula war.

♥♥♥

»Träumst du?«

Die Stimme des Vaters riss Cordula unversehens aus ihren Träumen. Ihr Pferd machte einen erschreckten Satz zur Seite, und die junge Dame hatte Mühe, es wieder in ihre Gewalt zu bekommen.

»Mein Gott, hast du mich erschreckt!«, stieß sie hervor. »Ich habe dich gar nicht kommen sehen.«

Graf Friedrich-Wilhelm lächelte nachsichtig.

»Wer reitet, sollte seine Gedanken nicht fortfliegen lassen«, sagte er freundlich. »Ich werde dich nach Hause begleiten, sonst kommen wir zu spät zum Abendessen. Wo warst du übrigens?«

»Wo ich war?«, wiederholte Cordula. »Nirgendwo. Ich bin herumgeritten.«

Graf Denkow nickte. Cordulas Antwort genügte ihm vollkommen, denn auch er ritt häufig ohne ein bestimmtes Ziel über sein Land.

»Vielleicht treffen wir Eduard noch unterwegs. Ich dachte, ihr wäret zusammen fortgeritten.«

»Wir haben uns nachher getrennt. Ich wollte ihn nicht stören ...« Wie schwer ist es nur, Vater anzulügen, dachte Cordula.

Besonders schwer deshalb, weil der Mann so völlig arglos war. Sein Vertrauen in ihre Aufrichtigkeit war für Cordula eine schwere seelische Belastung.

Auf dem Gutshof standen die Leute in kleinen Gruppen zusammen. Als Vater und Tochter sich auf ihren Pferden näherten, verstummten die Gespräche abrupt.

Alle schauten ihnen entgegen, und irgendwie lag etwas Herausforderndes in ihrer Haltung.

»Was ist denn da los?«, fragte Cordula. »Um diese Zeit essen die Leute doch sonst.«

Graf Friedrich-Wilhelm sprang aus dem Sattel, half seiner Tochter und reichte dem Stallknecht die Zügel.

Kein Muskel seines scharf geschnittenen Gesichtes regte sich. Über die Leute schaute er hochmütig hinweg.

Keiner sprach ihn an, aber es war, als schlüge ihm eine Welle von Abneigung aus ihren Reihen entgegen.

Cordula ahnte, dass irgendetwas geschehen war.

In der Halle wartete Gräfin Nora auf sie. Die Frau war totenblass.

»Sie haben gerade Roggenkamp gefunden«, empfing sie die beiden. »Er ist tot.«

Friedrich-Wilhelm von Denkow presste die Lippen fest aufeinander.

»Wie ist das geschehen?«, fragte er ein paar Sekunden später.

»Man hat ihn am Ufer des Sees gefunden. Und die Leute sagen, es sei kein Unfall, sondern Selbstmord gewesen.«

»Aber weshalb sollte Herr Roggenkamp sich umbringen?«, fragte Cordula verwirrt. »Das glaube ich nicht. Es muss ein Unfall gewesen sein. Seine arme Braut. Sie wollten in vier Wochen heiraten.«

»Weißt du etwas davon, Friedrich-Wilhelm?«, fragte Frau Nora ihren Mann beklommen. »Du hast doch zuletzt mit ihm gesprochen. Hat er irgendetwas angedeutet? Er muss ja total verstört gewesen sein. Könnte es wirklich sein, dass er ...?«

»Ich weiß es nicht.«

Der Gutsherr fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn, als wolle er irgendwelche Gedanken fortwischen.

»Schau mich nicht so an, Nora. Ich habe es nicht gewollt. Er hätte andere Möglichkeiten gehabt, so etwas tut man nicht. Nur Feiglinge schleichen freiwillig aus dem Leben.«