Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 546 - Katja von Seeberg - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 546 E-Book

Katja von Seeberg

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Beschreibung

Das süße Lied des Sommers ist verklungen. Und wie schön klang es für zwei liebende Seelen, die blutjunge Ilja Baroness von Wardenleben und den erfolgreichen Schriftsteller Peter Bastian. Sie sei noch viel zu jung für eine feste Bindung und müsse sich erst selbst finden, sagte Peter zu ihr, als es ernst wurde. Und da zerbrach das große Glück.
Zu spät erkennt Peter, was für ein ausgemachter Dummkopf er war. Dieses Mädchen ist die Liebe seines Lebens, und nun ist sie ihm für immer verloren. Auf seine Briefe antwortet Ilja ihm nicht. Wenige Monate später trifft er sie wieder - in der feudalen Villa eines guten Bekannten, der ihm dieses zauberhafte Wesen als seine Braut vorstellt ...


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Inhalt

Cover

Ich lege dir mein Schloss zu Füßen

Vorschau

Impressum

Ich lege dir mein Schloss zu Füßen

Doch kann er sie auch glücklich machen?

Das süße Lied des Sommers ist verklungen. Und wie schön klang es für zwei liebende Seelen, die blutjunge Ilja Baroness von Wardenleben und den erfolgreichen Schriftsteller Peter Bastian. Sie sei noch viel zu jung für eine feste Bindung und müsse sich erst selbst finden, sagte Peter zu ihr, als es ernst wurde. Und da zerbrach das große Glück.

Zu spät erkennt Peter, was für ein ausgemachter Dummkopf er war. Dieses Mädchen ist die Liebe seines Lebens, und nun ist sie ihm für immer verloren. Auf seine Briefe antwortet Ilja ihm nicht. Wenige Monate später trifft er sie wieder – in der feudalen Villa eines guten Bekannten, der ihm dieses zauberhafte Wesen als seine Braut vorstellt ...

Inge Reuter hatte eine Karte bekommen. Darauf stand:

»Du bist herzlich zur Einweihungsfeier in meiner neuen Behausung eingeladen. Vier Uhr zum Kaffee! Deine Ilja.«

Keine Ahnung hatte sie gehabt, dass ihre Freundin, Ilja Baroness von Wardenleben, umgezogen war. Mit einiger Spannung stieg sie also die Treppen zum zweiten Stock des Mietshauses empor.

Zuerst einmal stieß sie an der Etagentür mit einem bebrillten Wesen zusammen, das »Guten Tag« raunte und sich über die Treppe entfernte.

»Wer war denn das?«, staunte sie.

»Unsere Mieterin, Studienrätin Krause«, sagte Ilja bescheiden.

Inge riss die hellen Augen auf.

»Mieterin? Höre ich recht? Ihr habt vermietet? Ja, was denn? Das Herrenzimmer? Und warum?«

»Um das Schulgeld für mich zu erübrigen«, erklärte Ilja, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt.

»Das Schulgeld? Was für Schulgeld? Du willst auf eine Schule gehen? Etwa zur Modefachschule?«

»Ja, zur Modefachschule!«

»Mensch!«, staunte Inge. »Das wirft mich um!«

Baroness Ilja fasste ihre Freundin am Arm.

»Komm, setz dich auf meine Couch«, sagte sie und zog die völlig Verblüffte in ihr neues Reich.

Die »Couch« war eine Matratze auf Beinen, aber mit der bunten Decke sah sie trotzdem stilvoll aus.

Ansonsten war der kleine Raum hell gestrichen – das Werk der Baroness – und enthielt außer Tisch, Stühlen und Schrank eine geschmackvolle Wandvase, zwei schöne Bilder und eine Tonschüssel voller Kakteen.

»Nein«, sagte Inge verdutzt, »wie ist so etwas möglich! Ich habe gedacht, dass eher die Welt unterginge, als dass aus dem gefügigen Schäfchen, das du warst, ein Wesen mit eigenem Willen und Geschmack würde. Wer hat denn dieses Wunder vollbracht?«

»Das Leben«, erwiderte Ilja mit ironischer Betonung und schlug die Beine übereinander.

Die Freundinnen saßen auf der Couch, und Inge musterte Ilja vom Kopf bis zu den Füßen. Sie trug dasselbe blaue Sommerkleid, das sie schon unzählige Male getragen hatte. Ihr Garderobenvorrat war eben nicht groß. Aber die Art, wie sie es trug, war neu.

Sie saß da mit einer Haltung der Schultern, die lässig und selbstbewusst zugleich war. Die hübschen Beine hätte sie früher nicht übereinandergeschlagen, weil das nach der Meinung ihrer Mutter herausfordernd ausgesehen hätte.

Ja, eigentlich hatte die ganze Ilja etwas Herausforderndes bekommen! Herausfordernd war das einzig richtige Wort für diesen neuartigen Zustand. Es war, als wollte sie die Welt zum Kampf herausfordern, um ihre Kräfte zu messen.

»Donnerwetter!«, staunte Inge kopfschüttelnd. »Dieses ›Leben‹ muss ein toller Mann gewesen sein, ein ganz unerhörter Mann, Schätzchen! Wo hast du den denn aufgegabelt?«

Inge verstand sich aufs Beobachten. Ihre Ausdrucksweise war recht salopp, das gehörte nun einmal zu ihr. Und was Baroness Ilja bei jeder anderen Art von Anteilnahme unmöglich gewesen wäre, das fiel ihr hier leicht. Sie gestand ihr das ganze törichte Geheimnis ihrer Liebe.

Mit ihrer Mutter, der verwitweten Baronin Wilhelmine von Wardenleben, die bescheiden von einer Rente leben musste, war sie ins Gebirge gefahren. Und dort war sie dem Schriftsteller Peter Bastian begegnet, der ein kleines Haus auf einer Bergwiese hatte und von einer alten Frau betreut wurde.

In vollkommener Einsamkeit lebte er dort, ließ sich von der Landschaft inspirieren und arbeitete an Büchern, die die Welt schätzte.

Eine Liebe auf den ersten Blick war es zwischen den beiden gewesen. Aber dann hatte Ilja gemerkt, dass ein Künstler wie Peter Bastian nicht mit normalen Maßstäben zu messen war.

Er liebte sie zwar, aber von Heiraten redete er nicht. Ganz und gar unseriös war es gewesen, was er ihr vorgeschlagen hatte: Sie sollten eine Zeit lang gute Freunde bleiben, und dann würde man ja sehen, wie sich alles entwickelte.

Inges Aufmerksamkeit war ungetrübt. Aber je weiter Ilja mit ihrer Schilderung kam, desto unzufriedener wurde ihr Gesichtsausdruck.

»Tja, ein Schaf warst du schon immer«, bemerkte Inge zum Schluss ganz unverhohlen. »Aber in diesem Falle hast du dich auch noch wie eine dumme Gans benommen!«

»Und wieso?«, fragte Ilja und funkelte ihre Freundin böse an.

»Weil alles, was dieser Mann gesagt hat, Hand und Fuß hat und du nur zu töricht warst, das einzusehen!«

Das war Baroness Ilja zu viel. Sie wollte bedauert werden, denn schließlich hatte sie ihren ersten Liebesschmerz erlitten und sich mühsam zum Entsagen durchgerungen.

Sie sprang erregt auf, aber das kleine Zimmerchen erlaubte ihr keine großen Runden um den Tisch, und so musste sie sich damit begnügen, sich schmollend an den Schrank zu stellen.

»Ich hatte wirklich mehr Verständnis von meiner besten Freundin erwartet«, erklärte sie enttäuscht.

»Dann hast du dich eben geirrt, Schäfchen«, gab Inge ungerührt zurück und lehnte sich mit Genuss in die von Ilja genähten Kissen. »Verstehen kann ich dich wohl, aber billigen nichts!«

»Du an meiner Stelle wärst also auf das Angebot einer langjährigen ... hm ... Freundschaft eingegangen?«

»Ja, unbedingt.«

»Ich bin mir aber zu schade dazu! Ich will mich nicht vergeuden!«

»Vergeudest du dich, wenn du auf einen Mann wartest, den du liebst?«

»Das nicht, aber es ist ja ein unbestimmtes Warten. Wenn ich seine Braut wäre, könnte ich warten, jahrelang!«

»Aha, du willst also Sicherheiten! Ohne Garantien ist dein Gefühl wohl zu schwach? Ein Ring an deinem Finger wäre eine solche Sicherheit.«

»Du bist boshaft!«

»Nein, ehrlich.«

»Inge, ich bewahre mich für ihn auf, und er genießt sein Leben. Am Ende war alles Warten umsonst, weil er findet, dass eine andere besser zu ihm passt.«

»Das kann passieren. In der Liebe gibt es keine Sicherheiten. Auch wenn du verheiratet bist, kann er sich in eine andere verlieben und verschwinden.«

»Aber dann habe ich Rechte!«

»Rechte? Welche? Auf sein Geld, aber nicht auf sein Herz. Auf Herzen gibt es keine Garantie, begreife das doch! Dieser Peter Bastian hat es begriffen. Wer weiß, durch wie viel Enttäuschungen er schon hindurchgegangen ist! Und deswegen will er einen Menschen, der das Leben kennt und gefestigt ist. Deswegen will er eine Frau, die mit allem rechnet und allem gewachsen ist und kein Schäfchen!«

Baroness Ilja war sehr blass. Diese Auseinandersetzung mit Inge ging ihr nahe. Ihre Augen brannten dunkel, und Tränen kündigten sich schon in feuchtem Glanz an.

»Das ist alles so kalt«, sagte sie leise, »so verstandesmäßig, so wohlüberlegt und vernünftig, aber Liebe ist das nicht!«

Nun schluchzte sie und lehnte hilflos am Schrank.

In diesem Augenblick ging es Inge Reuter auf, warum dieser Peter Bastian ein Mädchen wie Ilja liebte und ein Mädchen wie Inge Reuter niemals lieben würde.

Es war der Schwäche wegen, der rührenden, hilflosen Zartheit wegen, die das Gefühl der Männlichkeit ruckartig in die Höhe schnellen ließ. Wenn Peter Bastian einem Mädchen wie Ilja gegenüberstand, fühlte er sich vollkommen als Mann, als der Überlegene, Erfahrene, Imponierende. Und dann kam er in die Gefahr, diese Seite seines Wesens zu überspielen.

Das begriff Inge blitzartig bei dem rührenden Anblick, den Ilja bot.

»Wenn du so vor ihm geweint hast, Schäfchen, hätte er ja ruhig ein wenig nachgeben und deiner Mutter seine Aufwartung machen können!«, meinte Inge lächelnd. »Aber der ist nun mal so, der verrennt sich in etwas, und dann bleibt er dabei!«

Sie stand auf und nahm Ilja in die Arme. Das hätte der kluge, standhafte Peter auch ruhig tun können. Inge führte Ilja zur Couch und streichelte sie sanft, bis sie sich beruhigt hatte, und dachte: Sicher hat sein Wesen noch eine andere Seite, und sie ist genauso weich, kindlich, sensibel und leicht verletzbar. Und deswegen haben solche Männer Angst vor so kaltschnäuzigen Weibsbildern, wie ich es bin. Schade, ich werde nie einem Dichter begegnen!

Inge Reuter besaß die Fähigkeit, über sich selber zu spotten.

Als Baroness Ilja sich beruhigt hatte, sprachen sie von der Modefachschule.

Inge hatte nun begriffen, dass ein solches Mädchen wie Ilja niemals dazu geschaffen war, lange und tapfer auszuharren.

Also war es ganz gewiss das Beste, Ilja stürzte sich in eine Tätigkeit und die Entdeckung der eigenen Persönlichkeit. Inge musste wieder lächeln, denn damit tat die Freundin ja genau das, was Peter Bastian ihr geraten hatte, als er gesagt hatte: »Du bist noch zu jung. Du musst dich erst selber entdecken!« Aber sie hütete sich, das zu sagen.

»Von Männern habe ich genug«, erklärte Baroness Ilja und putzte sich ihr gerötetes, kleines Näschen. »Die können mir gestohlen bleiben. Aber zeigen möchte ich ihnen, was in mir steckt! Wissen sollen sie, dass sie mit mir nicht spielen können!«

»Jawohl!« Inge nickte zustimmend. »Das sollen sie! Es ist einfach herrlich, wie du deine konservative Mutter umgekrempelt hast und euren ganzen verstaubten Haushalt! Nun sei mal eine tüchtige Modeschülerin, dann wirst du deinen Kummer vergessen, und vielleicht gewinnst du mal das große Los, dann machst du ein Atelier auf!«

»Genau das mache ich«, erklärte Ilja entschlossen. »Darauf kannst du dich verlassen!«

Das Herausfordernde war wieder um sie, die gekränkte Liebe, die der ganzen Welt beweisen wollte, was Ilja Baroness von Wardenleben für ein Kerl war.

Und Inge widersprach ihr nicht. Sie behielt den Gedanken schön für sich, dass nun wahrscheinlich bald der Nächste kommen würde, der Peter Bastian Konkurrenz machte. Denn solch eine leibhaftige Herausforderung an die Welt und die Männer, wie Ilja sie darstellte, verhallte ja nicht ungehört.

♥♥♥

Peter Bastian reiste nach Berlin. Über Nacht hatte er sich dazu entschlossen und seine Koffer gepackt. Er streifte die Krachledernen ab und zog den Stadtmenschen an. Im D-Zug sah ihm niemand mehr den Bergwiesen-Bauern an.

In Berlin fuhr er zum Zoo. In der Pension »Urbanus« in der Joachiamsthaler Straße stieg er immer ab, wenn er hier war. Da kannten sie ihn schon.

Er kam öfter einmal nach Berlin, denn in der Cicerostraße wohnte sein Verleger. Dieser Dr. Georg Grassmann war ein kluger Dreißiger und ihm in Freundschaft zugetan.

»Sieht man Sie auch einmal wieder, Herr Bastian?«, sagte er erfreut, als der Schriftsteller in sein Arbeitszimmer trat, und dann holte er gleich den alten Weinbrand hervor und zwei Gläser.

Während sie genussvoll tranken, beobachtete Peter seinen Verleger durch die blitzende Brille. Schön war dieser Dr. Grassmann gerade nicht.

Der Schädel, den bei Peter blonde Haarsträhnen in eigenwilligem Gewirbel bedeckten, war bei dem Gleichaltrigen fast kahl, nur von einer dünnen Schicht farblosen Haares bedeckt, durch die die glänzende Kopfhaut rosig schimmerte. Die Augen waren grau und kurzsichtig, aber es saß ein vergnügtes Blinzeln in ihnen, und die dicken, geschliffenen Brillengläser passten so recht dazu.

Der Mund war klein und gespitzt, passend für eine rechte Spottdrossel, und die wohlgepolsterten Bäckchen wiesen ihn als einen Liebhaber kulinarischer Genüsse aus. Mittelgroß war er, fast einen halben Kopf kleiner als Peter, und von lebhafter Behändigkeit und Wendigkeit, händereibend, kopfnickend und ein wenig tänzelnd im Gang.

Um diesen Dr. Grassmann war immer Betrieb und Leben, Wirbel und Tempo, aber er verlor sich selbst nicht dabei.

»Hm«, brummte er und legte den Kopf auf die Seite, liebenswürdig grinsend. »Sehr zufrieden sehen Sie gerade nicht aus, mein lieber Bastian! Haben Sie Sorgen?«

»Nein«, antwortete Peter kurz und trank einen Schluck.

»So, so«, murmelte der Doktor nachdenklich und fügte hinzu: »Die letzten Abrechnungen waren doch ganz gut, nicht?«

»Ja, ganz gut«, pflichtete Peter Bastian bei.

Dann tranken sie wieder einen Schluck. Der Verleger besah nachdenklich den Boden seines Glases.

»Wurde es Ihnen zu einsam in den Bergen?«

»Ja, zu einsam!«, bestätigte Peter düster und wortkarg.

Dr. Grassmann hatte für Peter Bastian immer Zeit, und jetzt war außerdem Abend, aber es lag seinem Temperament nun einmal nicht, so lange um den heißen Brei herumzuschleichen. Denn dass in dem Schriftsteller etwas kochte und brodelte, das hatte er sofort gemerkt.

»Führt Sie etwas Bestimmtes zu mir?«, fragte er darum geradeheraus. »Haben Sie vielleicht eine neue Arbeit fertig? Ich bin jederzeit an einem Bastian interessiert.«

»Nein, leider«, sagte Peter unwirsch, »ich komme nicht vom Fleck mit meinem Südamerika-Roman. Was ich heute schreibe, zerreiße ich morgen wieder. Es gefällt mir nichts.« Dann trank er wieder einen Schluck, und das Glas war leer.

»Hm!«, brummte der Doktor und goss ihm von Neuem ein. »Schicken Sie's trotzdem, zerreißen kann auch ich! Vielleicht ist es doch was wert, nur Ihnen gefällt es nicht. Für das Weihnachtsgeschäft ist es ja schon zu spät, aber zum Frühjahr könnte ich was brauchen.«

»Nein«, beharrte der Schriftsteller, »es ist nichts. Ich werfe das ganze Ding in den Ofen!« Und dann trank er wieder.

Vom Kurfürstendamm klingelte die Bahn herüber. Das an- und abschwellende Geräusch vorüberhuschender Autos schlug an den Häuserwänden der Cicerostraße hoch. Der Herbstwind fegte durch die Baumkronen und klapperte an den zu lose befestigten Rollladen. Die rechte Hälfte des gegenüberliegenden Hauses war von der Lichtreklame erhellt, die an der Ecke des Ku'dammes lockte.

Die Gardine war ein Stück beiseitegezogen, und Peter schaute von seinem Sessel in die schnörkelige Architektur dieses Jugendstil-Baues hinein. Er seufzte und trank wieder.

Die Flasche wird heute leer, dachte der Doktor. Ich lasse mich hängen, wenn der nicht Liebeskummer hat!

»Ich hätte einen Auftrag für Sie!«, sagte er dann laut. »Was halten Sie von einem Bergarbeiter-Roman? Vom Sozialen her betrachtet, mit vielen Milieu-Schilderungen, das Hohelied der Knappentreue etwa, hm?«

»Wieso?«, fragte Peter. »Wird das gefragt? Ich habe mich noch nie mit solch einem Stoff beschäftigt.«

»Dann tun Sie es! Das Ruhrgebiet ist das Richtige!« Der Doktor trank in kleinen Schlucken, die Blume genüsslich einatmend.

»Tja, es wäre nicht das Schlechteste«, erwiderte Peter. »Konzentriertes Arbeiten, Vorstudien, sehr sachliche Angelegenheit. Sachlich ist überhaupt sehr gut.«

»Schon, aber ohne Gemüt kein Dichter! Ihnen scheint übrigens ein Wurm ins Gebälk gekrochen zu sein.«

»Wieso?«, wehrte sich Peter Bastian bockig. »Und dieser Bergarbeiter-Roman – gibt's da Vorschuss? Ich meine, die Vorarbeit kostet doch allerhand, nicht?«

»Natürlich!« Der Doktor grinste. »Die Gewerkschaft schießt was zu, auch die Sozialämter sind interessiert. Wollen Sie es machen?«

»Ich weiß nicht ...« Es klang unentschlossen und verdrießlich.

»Menschenskind, was ist mit Ihnen los?«, fuhr der Doktor heraus. »Sie sind ausgesprochen mieser Laune, mein Bester. Was hat Ihnen denn so die Petersilie verhagelt?«

Er füllte die Gläser zum dritten Mal.

»Habe privaten Ärger«, gab Peter Bastian widerwillig zu, obwohl er im Grunde genommen nach einer Aussprache lechzte. Aber er meinte, sich zieren zu müssen wie eine alte Jungfer.

»Privat heißt immer, mit einer Frau!«, erklärte der Doktor ein bisschen weinbrandselig. »Ist sie Ihnen durchgegangen?«

»Nein!«, sagte Peter entrüstet und weinbrandkühn, »mir ist noch nie eine durchgegangen. An mir hängen die Frauen wie die Kletten, jawohl! Sie reißen sich geradezu um mich.«

»Ja«, meinte der Doktor schmunzelnd, »danach sehen Sie auch aus, Sie Trauerkloß!«

»Bitte, keine Beleidigungen«, drohte Peter mit dem Zeigefinger.

»Das ist nur Freundschaft!«, versicherte der Doktor. Und dann stießen sie wieder miteinander an.

Peter Bastian war nun schon ein wenig lockerer geworden. Ein deftiges Männerwort tat wohl in der Atmosphäre von selbstquälerischen Grübeleien, die ihn in den letzten Wochen umgeben hatten.

»Den Bergarbeiter-Roman mache ich!«, rief er und hieb auf den Schreibtisch. »Jawohl, den mache ich, Arbeit ist Medizin, Doktor! Sie müssen mir nur genau sagen, was Sie alles drin haben wollen!«

»Nicht jetzt!«, sagte der Doktor. »Darüber sprechen wir morgen! Jetzt müssen Sie mir sagen, warum sie weg ist!«

»Wer?«

»Nun, die Frau oder das Mädchen!«

»Ach, ein Mädchen, Doktor, ein Mädchen! Mein Gott, so ein Mädchen gibt's ja gar nicht wieder! So etwas Süßes und Feines, Unschuldiges und Zartes! Einfach ein Wunder von einem Mädchen!«

»Donnerwetter, Sie sind ja schön verknallt!«

»Ich will sie heiraten, Mensch!«

»Oho!«

»Jawohl! Die oder keine! Sie heißt Ilja!«

»Und wo ist Ilja?«

»Weg!« Peter Bastian trank einen großen Schluck.

»Weg! Ich denke, Ihnen läuft keine Frau weg, haha!« Der Doktor lachte, dass sein Bäuchlein wackelte.

»Ich habe sie doch selber weggeschickt«, sagte der Schriftsteller düster.

»Das ist mir zu hoch«, erklärte der Doktor. »Wenn Sie diese oder keine heiraten wollen, warum schicken Sie sie dann weg?«

»Sie ist erst achtzehn Jahre alt«, erklärte Peter, »ich dagegen bin ein alter Mann und kenne das Leben. Aber sie ist völlig ahnungslos. Glauben Sie, dass sie in einer Ehe mit mir glücklich geworden wäre?«

Inständig fragend sah er den fröhlichen Doktor an.

»Ich weiß nicht ...«, gestand dieser ehrlich und skeptisch. »Das kommt auf die Liebe an. Wenn diese Ilja Sie liebt ...«