Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 562 - Yvonne Uhl - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 562 E-Book

Yvonne Uhl

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Beschreibung

Die junge Felicitas von Berg, ein graziles, anmutiges Mädchen, das von allen liebevoll Fee gerufen wird, ist als Pflegetochter auf Schloss Rüttgenstein aufgewachsen. Sie lebt dort mit Georg Graf Rüttgenstein und seiner Tante ein harmonisches, ruhiges Leben. Graf Georg ist mit Leib und Seele Landwirt, und er liebt die bezaubernde Felicitas von Herzen. Er hofft, dass sie seine Liebe eines Tages erwidern und die Herrin seines Schlosses werden wird.
Doch dann kehrt Hellwig Graf Rüttgenstein von einer langen Auslandsreise aufs Schloss zurück. Hellwig, der Cousin von Georg und der Miterbe des Schlosses, ist ein Abenteurer und gewinnt mit seinem Charme alle Frauenherzen. Als er Fee nach Jahren wiedersieht, entflammt sein Herz sofort für sie - und das unerfahrene Mädchen hält seine Leidenschaft für wahre Liebe ...


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Inhalt

Cover

Sie sehnte sich nach seinem Kuss

Vorschau

Impressum

Sie sehnte sich nach seinem Kuss

Ein junges, unerfahrenes Mädchen begegnet der Liebe

Die junge Felicitas von Berg, ein graziles, anmutiges Mädchen, das von allen liebevoll Fee gerufen wird, ist als Pflegetochter auf Schloss Rüttgenstein aufgewachsen. Sie lebt dort mit Georg Graf Rüttgenstein und seiner Tante ein harmonisches, ruhiges Leben. Graf Georg ist mit Leib und Seele Landwirt, und er liebt die bezaubernde Felicitas von Herzen. Er hofft, dass sie seine Liebe eines Tages erwidern und die Herrin seines Schlosses werden wird.

Doch dann kehrt Hellwig Graf Rüttgenstein von einer langen Auslandsreise aufs Schloss zurück. Hellwig, der Cousin von Georg und der Miterbe des Schlosses, ist ein Abenteurer und gewinnt mit seinem Charme alle Frauenherzen. Als er Fee nach Jahren wiedersieht, entflammt sein Herz sofort für sie – und das unerfahrene Mädchen hält seine Leidenschaft für wahre Liebe ...

Der heiße Augustwind wehte ihnen entgegen, als Felicitas von Berg und Georg Graf Rüttgenstein den schmalen Pfad hinaufschritten, immer Schloss Rüttgenstein vor Augen.

Der Schlossbesitz war längst auch Felicitas' Zuhause geworden. Sie konnte sich kaum noch daran erinnern, dass sie als Kind mit ihrer kranken Mutter in dem engen Haus in der Stadt gewohnt hatte.

Immer wieder blickte Georg das junge Mädchen von der Seite an. Er wagte es noch nicht, ihr seine Liebe zu gestehen. Sie war doch erst neunzehn Jahre alt und noch ein halbes Kind.

»Ist es wirklich wahr, Georg?«, fragte sie gerade mit heller Stimme und blieb stehen. »Hellwig kehrt heim? Für immer?«

»Ich weiß nicht, ob er für immer bleibt.« Georg zuckte die Schultern. Hellwig, sein Cousin, war sehr unstet, aber ein fröhlicher Geselle und immer zu Späßen aufgelegt.

»Dann wird's lustig zugehen!«, rief Felicitas mit strahlendem Gesicht. »Glaubst du nicht auch, Georg?«

»Und ob.« Der fünfundzwanzigjährige Graf schmunzelte. Doch plötzlich stellte er sich die Frage, ob er vielleicht wegen seines Ernstes so wenig Beachtung bei Felicitas fand. Ein Schatten legte sich auf seine Züge.

Als sie oben beim kleinen Steintempel im Schlosspark ankamen, hängte sich Felicitas in seinen Arm.

»Was hast du denn plötzlich, Georg?«, fragte sie ihn.

»Es ist nichts. Ich habe mich nur gerade gefragt, ob es dir hier im Schloss nicht zu einsam ist. Du bist jung und möchtest vielleicht auch einmal durch eine Stadt bummeln und ein Theater besuchen. Vielleicht waren Tante Mathilde und ich immer zu egoistisch und haben es wie selbstverständlich erwartet, dass dir die Einsamkeit genauso gefällt wie uns.«

»Was redest du denn da?«, gab Felicitas erstaunt zurück. »Ich möchte nirgendwo anders sein als hier. Ich danke jeden Morgen dem Schicksal dafür, dass ihr alle so gut zu mir seid und mich als Pflegetochter hier aufgenommen habt.«

»Als Pflegeschwester«, verbesserte Georg sie scherzend. »Aber du hast recht. Du gehörst hierher. Ohne dich wäre alles trist und öde. Sobald Hellwig hier ist, werden wir einen schönen Herbstball veranstalten, auf dem du dein schönstes Tanzkleid tragen kannst.«

»Au fein«, freute sich Felicitas. »Hoffentlich können wir im Freien tanzen wie letzten Sommer. Und du, Georg, darfst dann auch nicht nur neben der Tanzfläche stehen und zusehen. Du musst tüchtig mithalten.«

Sie strahlte ihn an. Böse Erfahrungen hatte die Neunzehnjährige noch nie gemacht. Alle Menschen mochten sie. Auch Mathilde Gräfin Rüttgenstein, die beste Freundin ihrer verstorbenen Mutter, liebte das Mädchen und hatte die achtjährige Waise nach dem Tode Margot von Bergs zu sich aufs Schloss genommen.

Und Georg und Hellwig hatten Felicitas beide ins Herz geschlossen.

Hellwig hielt es nie lange zu Hause aus, und er verstand auch nichts von der Arbeit auf dem Schlossgut, der sich Georg mit Hingabe widmete.

Seit drei Jahren war Hellwig fast ständig auf Reisen. Er hatte viele Freunde, die er abwechselnd besuchte.

Nun war er nach einem halben Jahr Abwesenheit auf der Heimreise von Brisbane, wo er die letzten vier Monate bei seinen beiden Freunden, den Zwillingen Jonasson, gelebt hatte.

Felicitas freute sich sehr auf seine Heimkehr! Sie wusste nicht, ob sie Georg oder Hellwig lieber mochte. Diese Frage stellte sie sich gar nicht. Beide waren die Herren von Schloss Rüttgenstein, durch das Testament des letzten Schlossherrn Robert Graf Rüttgenstein, Georgs Vater, gleichberechtigte Erben.

Georg war stehen geblieben. Die Abendsonne lag auf Schloss Rüttgenstein.

Im Ostflügel lag eine ebenerdige, große Terrasse, die der Gärtner mit Rosen, Nelken und blühendem Buschwerk geschmückt hatte. Der Westflügel hatte als Merkmal einen großen, runden Turm mit Spitzdach und Pechnasen.

Prächtig war die Fassade, die dem Park direkt gegenüberlag. Schlicht war die Aufteilung der stuckverzierten Fenster, und genau in der Mitte des Schlosses befand sich das steinerne Portal mit dem wuchtigen Überbau.

Die Rückfront des Schlosses führte mit ihren Stufen zum Hof hinunter, wo sich ein mittelalterlicher Brunnen und die Stallungen befanden. Auch die Garagen – umgebaute ehemalige Remisen – waren hier zu finden.

»Ich hoffe«, sagte Georg lächelnd, »dass Hellwig seine Reisen endgültig satthat und nun ein bisschen sesshaft wird.«

Wenn er hierbleiben würde, fügte er in Gedanken hinzu, könnte er mir etwas von meiner Arbeit abnehmen, sodass ich mich mehr mit Felicitas befassen kann.

Oh, er wusste, dass sie ihn sehr schätzte, aber er wollte, dass nicht nur geschwisterliche Freundschaft sie verband, sondern Liebe.

Er begehrte kein anderes Mädchen als sie. Und er wollte geduldig warten, bis sich ihm ihr scheues Mädchenherz öffnete und bereit für die große Liebe war.

♥♥♥

»Er ist da, Georg!«, jubelte Felicitas. Sie eilte schwungvoll zum Portal und riss die Tür auf. »Du erkennst ihn nicht wieder, Georg«, rief sie über die Schulter. »Er ist braun gebrannt.«

Sie eilte die Freitreppe hinunter auf das Taxi zu, aus dem der Fahrer soeben die Koffer auslud.

In diesem Augenblick wandte sich der schlanke, mittelgroße Herr um. Er trug einen hellgrauen Zweireiher mit saloppem Rollkragenpullover darunter.

Als er Felicitas entdeckte, hoben sich seine Brauen erstaunt, und er ging ihr entgegen.

»Hellwig, da bist du ja endlich«, rief sie atemlos.

War das wirklich die kleine Felicitas?, fragte Hellwig sich. Dieses schöne Mädchen mit dem dunkelblonden Seidenhaar, mit der aufregend schmalen Wespentaille und den langen, schönen Beinen?

»Ja, da bin ich.« Er trat zu ihr, nahm sie in die Arme und küsste sie auf den Mund.

Der Kuss dauerte eine Winzigkeit länger, als Küsse es sonst unter Freunden oder Verwandten üblich sind.

Als er Felicitas freigab, war sie über und über rot geworden.

»Was ist mit dir?«, neckte er sie. »Hast du keine Luft mehr bekommen?«

Da sah er Georg die Treppe herunterkommen.

»Ah«, entfuhr es ihm, »der gute Georg ist ja auch schon da. Hallo, mein Alter. Wie geht es dir?«

Die Cousins begrüßten einander, indem sie sich sekundenlang umarmten und auf die Schultern klopften.

»Und was macht Tantchen? Ist sie am Ende gar nicht da?«, erkundigte sich Hellwig lachend.

Er sah blendend aus. Die grünen Augen schimmerten wie leuchtende Smaragde. Seine federnde Gestalt wirkte kräftig und elegant zugleich.

Natürlich sind alle Mädchen hinter ihm her, dachte Felicitas und musste an den Kuss denken, den er ihr gerade gegeben hatte.

Inzwischen hatte Hellwig den Taxifahrer bezahlt. Georg sah zum Portal hinauf, wo Friedrich Kraus, der Butler, stand.

»Schicken Sie jemanden für das Gepäck, Friedrich«, befahl Georg.

»Sehr wohl, Herr Graf. Heckmann ist schon unterwegs.«

»Dann komm, Hellwig«, forderte Georg den Cousin auf. »Sicherlich hast du viel zu erzählen. Ich widme dir den ganzen Nachmittag und Abend. Ich muss nur nachher noch einmal zum Gut hinüber und eine kurze Besprechung mit dem Großmühlenbesitzer Herrmann führen.«

»Dann wird mir Felicitas Gesellschaft leisten«, erwiderte Hellwig Graf Rüttgenstein und legte, als sie die Freitreppe hinaufgingen, den Arm um die Schultern der Pflegeschwester. »Unsere kleine Fee hat sich herausgemacht, Georg«, fuhr er fort. »Ich wollte vorhin meinen Augen nicht trauen, als sie mir entgegenlief.«

»Ach, du übertreibst«, sagte Felicitas verlegen.

Georg fühlte sich höchst unbehaglich.

»Das war doch zu erwarten, dass sie immer hübscher wird«, meinte er. »Sie war ja auch ein hübsches Kind.«

»Na, erlaube einmal«, rief Hellwig und brach in lautes Gelächter aus, »sie war dürr wie eine Bohnenstange, hatte lange Zöpfe und ein blasses Gesicht. Nein, sie war durchaus kein hübsches Kind.«

»Ich fand sie immer hübsch«, ereiferte sich Georg, und seine Stimme klang bissig.

Eifersucht stieg in ihm auf, weil Hellwig noch immer seinen Arm um Felicitas' Schultern gelegt hatte.

In der Schlosshalle angekommen, nahm Hellwig endlich den Arm von den Schultern des Mädchens und sah sich um.

»Das gute, alte Gemäuer«, spottete er. »Es hat mich wieder! Es riecht nach Tradition und Moder.« Er verzog das Gesicht. »Ich kann mir nicht helfen, aber wir sollten den Kasten endlich einreißen und ein elegantes Haus mit großen Fenstern bauen.«

»Nein«, widersprach Felicitas erschrocken. »Wie kannst du das nur vorschlagen, Hellwig? Schloss Rüttgenstein steht unter Denkmalschutz. Alle Leute bewundern es und beneiden uns, weil wir hier leben dürfen.«

Hellwig hob die Brauen. Dann suchte sein Blick den Cousin.

»Unsere Fee ist doch noch sehr naiv, Georg«, murmelte er. »Sie redet wie eine Dreizehnjährige! Hat sie schon einen Liebsten?«

»Ich bitte dich, sie ist doch gerade erst neunzehn geworden, Hellwig«, erwiderte Georg.

Jetzt kam Gräfin Mathilde die geschwungene Treppe herunter. Sie hatte schon eine Weile oben an der Galerie gestanden und zur Schlosshalle hinuntergeblickt.

»Da bist du ja, mein Junge!«, rief sie fröhlich.

»Tante Mathilde!« Hellwig ging zum Fuß der Treppe. »Wie schön, dich wiederzusehen.«

Er verstand es, sein Erschrecken über ihr Aussehen zu verbergen. Sie, die einzige Schwester seines Vaters, sah kränklich aus. Ihr Haar war inzwischen ganz weiß geworden. Ihre ungesunde Blässe verriet, dass sie entweder eine schwere Krankheit überwunden hatte oder an einem chronischen Gebrechen litt.

»Mein Junge! Du siehst blendend aus!«, sagte sie und kam ihm lächelnd entgegen.

Sekundenlang sah er sie an, dann küsste er ihr die Hand. Hellwig mochte sie nicht umarmen. Er hasste Krankheiten und hatte ständig Angst, sich anzustecken.

»Immer ein vollendeter Kavalier«, scherzte die Gräfin. »Jetzt wird es hier im Schloss etwas lebhafter zugehen, nicht wahr, Georg? Er will dir zu Ehren einen Ball geben, Hellwig.«

»Wirklich?« Hellwig lachte und zwinkerte Felicitas zu. »Dann werden wir eine kesse Sohle aufs Parkett legen, ja, Fee?«

Felicitas nickte und geriet schon wieder in Verlegenheit. Sie war sich nicht klar darüber, dass Hellwig in ihren Träumen immer die Hauptrolle spielte, dass er der Held war, der große Abenteuer erlebte und dem die ganze weite Welt zu Füßen lag.

»Jetzt wollen wir erst einmal auf der Terrasse Kaffee trinken«, schlug Georg vor.

»Eine gute Idee«, entgegnete Hellwig. Er bot Gräfin Mathilde den Arm. »Darf ich bitten, liebe Tante?«

»Hellwig«, lobte die Gräfin ihn, »ich finde dein Benehmen hinreißend. Du gibst einer Dame wirklich das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Sogar mir alten Person.«

»Aber Tantchen! Wer wird denn angesichts unserer frohen Runde vom Alter reden?«, rügte Hellwig die Tante.

♥♥♥

Eine Stunde etwa hatten sie alle bei Kaffee und Kuchen auf der Terrasse miteinander geplaudert, dann musste sich Georg verabschieden. Er wollte mit dem Geländewagen zum Gut hinüberfahren.

»Ich werde die Damen inzwischen unterhalten, Georg«, rief ihm Hellwig nach. Er begleitete die Gräfin und Felicitas in das große Wohnzimmer, das gleich hinter der Terrasse lag. Es war der frühere Standartensaal und besaß Ausmaße wie ein Tennisfeld.

Georg hätte es lieber gehabt, wenn Hellwig ihn zum Gut begleitet hätte, doch sein Cousin hatte diesen Vorschlag abgelehnt.

Während Georg hinüberfuhr, versuchte er seine Enttäuschung zu überwinden. Früher hatte sich Hellwig auch immer vor jeder Arbeit gedrückt. Schließlich hatte es oft Streit zwischen ihnen gegeben, und deshalb hatte Georg regelrecht aufgeatmet, als Hellwig begonnen hatte, von einem Kontinent zum anderen zu reisen.

Jetzt hatte Georg freie Hand in allen Entscheidungen, und es gab keinen Streit mehr. Jede Unterschrift des zweiten Schlossherrn wurde mühelos auf dem Postweg eingeholt. Hellwig vertraute Georg blind. Die Hauptsache war für ihn, dass sein Konto immer flüssig war und er stets aus dem Vollen schöpfen konnte.

Im Stillen hatte Georg gehofft, dass der Cousin ihn endlich etwas entlasten könnte. Inzwischen war Hellwig doch erwachsener geworden. Er war zwei Jahre älter als Georg, also siebenundzwanzig.

Georg wusste jedoch auch, dass es Männer gab, die ein Leben lang nicht erwachsen wurden.

Felicitas schien die forsche Art Hellwigs zu imponieren. Sie strahlte ihn ständig verzaubert an.

Ihn strahlte sie nie so an, machte Georg sich klar. Offenbar sah sie nur den guten Bruder in ihm, bei dem sie Schutz und Rat finden konnte.

Georg atmete schwer. Dort tauchten bereits die Gutsgebäude auf, und der Mühlenbesitzer wartete bestimmt schon auf ihn. Er durfte sich nichts anmerken lassen. Gerede entstand sehr schnell, außerdem durfte er auch nicht die Schlauheit von Gaby Keller unterschätzen.

Die dreißigjährige fesche Blondine war schon seit vier Jahren Gutssekretärin. Sie war tüchtig, verschwiegen und fleißig. Doch niemand hatte die Ohren und Augen so oft in den Angelegenheiten ihrer Mitmenschen wie sie.

Der junge Graf bremste scharf und sprang aus dem Wagen.

»Ist Herr Herrmann schon da?«, rief er Gaby Keller zu, die vor dem Büro ins Freie getreten war.

Sie war wirklich eine reizvolle Erscheinung. Ihre blonde Haarfülle war zu einem duftigen Lockenkranz hochfrisiert, und wie immer trug sie eines ihrer knapp sitzenden, eleganten Dirndlkleider.

Es war Georg völlig unverständlich, warum sie noch ledig war. Er war viel zu gradlinig, um weiterzudenken. Gaby Keller wollte höher hinaus und eines Tages Herrin von Schloss Rüttgenstein werden.

Deshalb hatte sie sich bisher allen anderen Männern versagt. Aber sie kam bei Georg nicht weiter. Nie durchbrach ein herzliches Wort seine sachliche Freundlichkeit.

Schon lange hatte Gaby Keller ihren Chef im Verdacht, in seine blutjunge Pflegeschwester verliebt zu sein, doch noch hatte sie keine Beweise dafür.

»Ich habe die Briefe zur Unterschrift fertig«, meldete Gaby. »Darf ich fragen, ob Graf Hellwig inzwischen eingetroffen ist?«

»Ja, vor etwa eineinhalb Stunden«, erwiderte Georg, ging ihr voran in sein Büro und ließ sich hinter dem Schreibtisch nieder. »Ich hoffe, dass mein Cousin mich ein wenig entlasten kann, Fräulein Keller.«

»Das wünsche ich auch«, pflichtete Gaby ihm bei.

Sie hatte längst bemerkt, dass ihr Chef an einem offenbar unlösbaren Problem herumrätselte. Er war zerstreut und sah gedankenverloren durch das offene Fenster. Ihre Anwesenheit schien er vergessen zu haben.

Er unterschrieb auch die acht von ihr säuberlich nach Diktat getippten Geschäftsbriefe, ohne den Text durchzulesen. Und das war bisher noch nie vorgekommen.

Was beschäftigt ihn so?, überlegte Gaby Keller.

»Vielleicht wäre es ganz gut, Fräulein Keller«, sagte Georg nun und legte den Füllfederhalter hin, »wenn Sie durch Oskar einen zweiten Schreibtisch hier hereinstellen ließen.« Er lächelte flüchtig. »Sozusagen als stille Mahnung an meinen Cousin, mir den oder jenen Aufgabenbereich abzunehmen.«

»Ich werde es sofort veranlassen, Herr Graf«, sagte Gaby eifrig.

Oskar war das Faktotum des Schlossgutes. Er verrichtete jede handwerkliche Arbeit, die von ihm verlangt wurde, war arbeitswillig und bescheiden und verfügte über Bärenkräfte.

»Da kommt ja Herr Herrmann«, sagte Georg und stand auf. »Bitten Sie ihn zu mir herein. Und vergessen Sie nicht, ihm etwas zu trinken anzubieten. Vielleicht will er statt Kaffee auch einen Kognak oder Bier.«

»Ich kümmere mich um alles«, versicherte Gaby Keller und ging eilig hinaus, um den Mühlenbesitzer zu begrüßen.

Georg öffnete das Aktenstück mit der Aufschrift Herrmann. Das Schlossgut und der Mühlenbetrieb Herrmann hatten einen langjährigen Vertrag miteinander. Neuerdings aber wollte Herrmann für das vom Schlossgut gelieferte Getreide weniger bezahlen. Er schützte höhere Löhne und Steuern vor.

Es würde eine harte Verhandlung geben, das wusste Georg. Aber er musste auf seinem Standpunkt beharren. Dabei war der Mühlenbesitzer sehr leicht erregbar und vergriff sich oft im Ton.

»Herr Herrmann«, sagte Gaby Keller und öffnete für den Besucher weit die Tür.

Der gewichtige Mann trat ein. Ehe Gaby die Tür schloss, grinste er ihr zu.

»Tolles Mädel«, rief er. »Die möchte ich Ihnen liebend gern ausspannen, Graf Rüttgenstein.« Er schüttelte Georg die Hand und ließ sich in den Besuchersessel fallen. »Hat sie eigentlich schon einen Mann?«

»Ich habe keine Ahnung, aber ich glaube nicht«, murmelte Georg.

Bruno Herrmann hatte vor einem halben Jahr seine Frau verloren, und seinen linken Jackenärmel zierte noch der Trauerflor.

Offenbar ging der Mühlenbesitzer aber schon wieder auf Freiersfüßen.

»Eine wirklich rassige Person«, sagte Bruno Herrmann, »aber kommen wir zum Thema. Es geht um den Getreidepreis, Graf Rüttgenstein.«

♥♥♥