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Monia hat einen Tumor in der Hypophyse, der Stillhormone produziert. Schnell wird ihr klar: Sie will die ganze Welt stillen – mit Freude. Doch was um Himmels willen soll das bedeuten? Zwei Jahre lang beobachtet sie mit feiner Wahrnehmung innere und äußere Situationen. Welche nähren die Welt mit Freude – und welche nicht? Immer wieder verschwimmen die Definitionen, besonders von „Welt“ und „Stillen“. Sie betrachtet Fliegen im Wasserglas, fühlt mit Kaninchen, sieht fasziniert Tränen bei ihrer Entstehung zu. Sie befasst sich mit dem Magnetfeld der Erde, begegnet Fremden im Supermarkt und meditiert für Leidende. Sie steht mit den Füßen im Wasser, versorgt übermütige Pflegehunde und hört der Stille zu. Und während sie noch sucht, stellt sich ganz leise eine Erkenntnis ein: Die Aufgabe, die Welt mit Freude zu stillen, ist so schlicht wie schön.
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Seitenzahl: 78
Veröffentlichungsjahr: 2025
Die Welt mit Freude stillen
Monia Ben Larbi
© 2025, Monia Ben Larbi
Mit Illustrationen der Autorin
Verlag BuchGefühlYvonne Hotz, Hochwaldstraße 35, 94572 Schöfweg
https://buchgefuehl.com
Druck und Distribution im Auftrag der Autorin: tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: Monia Ben Larbi, Verlag BuchGefühl, Hochwaldstraße 35, 94572 Schöfweg.
Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung:
ISBN: 978-3-384-65363-5
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Für meine Mutter,die Meisterin im Freude-Finden.
Ein Blick auf die Welt,
geerbt aus Generationen unabhängiger Frauen. Ich trage ihn mit Dankbarkeit.
Langsam wurde mein Arm müde. Ich lag auf der Behandlungsliege, und wir erarbeiteten uns psycho-kineseologisch Stück für Stück ein Verständnis meines Hypophysentumors. Gabi hatte alle Organe ausgetestet, indem sie gegen meinen Arm drückte und die Stellen suchte, bei denen er schwach wurde. Hier fragte sie dann ab, welche Gefühle sich darunter verbargen.
Bisher war das Ergebnis fast langweilig: Ich hatte ein Prolaktinom, mein Tumor produzierte Stillhormone. Mein Körper war sehr gradlinig: Ich wollte stillen. Aber wen oder was? Gabi testete sich durch alle durch, angefangen mit meiner Familie. Sie flüsterte dabei und drückte jedes Mal gegen meinen Arm. Ich kriegte nur teilweise mit, wen sie gerade austestete. Irgendwann wurde ich ungeduldig und meinte: „Probier mal die ganze Welt.“
„Die Welt?“, fragte sie meinen Arm laut, und mein Körper jubilierte vor Kraft. Ich konnte fast hören, wie er „Jaaaaa!“ schrie.
Sofort kritisierte ich mich selbst: „Wie anmaßend von mir.“
Aber Gabi nahm es einfach nur als Fakt an. Sie hatte keinerlei Bewertung, also wurde ich wieder ruhiger.
An dieser Stelle wandte sich Gabi normalerweise ihren Heilessenzen zu und suchte nach einer, die den Prozess unterstützen könnte. Meinem Körper gefiel keine. Dann testete sie sich durch alles, was sie an weiteren Therapiemöglichkeiten zur Verfügung hatte… nichts. Sie arbeitete sich weiter durch alle Methoden, die sie kannte, auch wenn sie sie selbst nicht anwenden konnte. Doch mein Körper reagierte auf gar nichts.
Ich hatte schon längst aufgegeben, aber Gabi war geduldig und folgte schließlich einem Impuls. Wir hatten vorher darüber gesprochen, dass ich gerade mein Buch beendet hatte, und sie fragte: „Soll Monia ein Buch schreiben?“ Und endlich reagierte mein Körper – wieder mit einer Kraft, die ich schon lange nicht mehr gefühlt hatte. Sie strahlte mich an. Und ich ging direkt in den Widerstand.
Ich hatte wirklich erst ein paar Tage vorher das Buch beendet, an dem ich fünf Jahre gearbeitet hatte. Nichts in mir wollte direkt in den nächsten Prozess einsteigen. Ich konnte mir auch gar nichts darunter vorstellen. Widerwillig machte ich mit, als sie den Titel austestete. Gabi probierte alle möglichen Kombinationen mit Stillen und Welt. Ich stellte meinen Arm weiter zur Verfügung, grummelte aber innerlich vor mich hin und war ganz sicher, dass ich das auf keinen Fall wollte. Dann merkte ich, dass ich den Titel kannte.
„Die Welt mit Freude stillen“, teilte ich Gabi schlecht gelaunt mit.
Kraftvoll bestätigte mein Arm den Titel.
Wir setzten uns an ihren Schreibtisch, und ich ließ meinen Widerständen freien Lauf: „Das ist doch absurd und dauert total lange. Ich hatte gar nicht vor, noch ein Buch zu schreiben. Mir fällt dazu auch gar nichts ein.“
Gabi strahlte weiter ruhig vor sich hin. Sie vertraute meinem Körper so vollständig, dass sie keinerlei Zweifel hatte.
„Ich sehe ja ein“, lenkte ich ein, „dass Heilungsprozesse ebenfalls lange dauern. Das passt vielleicht ganz gut in die Entstehungszeit eines Buches.“
Aber ich konnte mir wirklich gar nichts unter diesem Buch vorstellen. Was sollte ich denn da reinschreiben? Worum ging es eigentlich? Das Wort „Stillen“ spülte als erstes die Assoziation „Halt die Klappe“ in mir hoch. Doch ich wusste, dass es um den Akt des Nährens ging.
„Ich glaube, die Welt braucht das wirklich, dass wir ihr Freude schenken“, gab ich schließlich fast kleinlaut zu. „Wir geben ihr im Moment so viele Bilder von Untergang, zu denen ein Gegenpol hergestellt werden muss. Wir füttern sie nur mit Sorge und Angst. Ich habe nur nicht die geringste Ahnung, wie man das macht. Wie soll ich ein Buch schreiben über etwas, von dem ich keine Ahnung habe?“
Ich wusste, dass Gabi das anders sah. Wir arbeiteten schon lange genug zusammen, dass mir bewusst war, dass sie mich sowohl als Expertin für die Welt als auch für Freude betrachtete. Und wenn ich jetzt mal all dieses „Darf man nicht“ zur Seite stellte, das mir ins Ohr nuschelte, dass man keine Bücher zu Themen schreiben darf, zu denen man nicht genug weiß, oder dass man nicht so arrogant sein darf, sich gleich mit der Welt als Ganzes zu befassen – wenn ich all das mal kurz nicht ernst nahm, war ich ja vielleicht wirklich die Richtige, mich auf die Suche zu machen.
Denn natürlich stimmte das: Ich hatte mich mein ganzes Leben ausschließlich mit Themen befasst, die die Welt ein wenig besser machen sollten, und wenn ich etwas wirklich genug hatte, dann war es Freude. Und auch mit fünfzig schoss mir noch immer bei jedem schreienden Baby die Milch ein.
Ich würde mich also auf die Suche nach Inhalten machen, die einen sinnvollen Platz unter der Überschrift Die Welt mit Freude stillen einnehmen konnten – und mich von mir selbst überraschen lassen.
Eins meiner Lieblingsworte im Englischen ist beditate. Ich verbringe viel Zeit im Bett und sehe meinen Gedanken zu, oftmals an der Stelle, an der sich Denken und Träumen verflechten. Ich habe gelernt, darauf zu vertrauen, dass beim Beditieren für alles Lösungen auftauchen – scheinbar aus dem Nichts. Ich nahm daher als Erstes das Thema mit ins Bett.
Vor meinem inneren Auge tauchte eine sehr lange Metallstange auf, aufrecht in der Erde. Auch wenn es etwas anders aussah, wusste ich, dass es der Mast eines Windrades war. Nun war ich wirklich sehr gespannt, denn kaum etwas ist umstrittener in meiner Region als Windräder. Doch es ging nicht um uns Menschen. Was ich spürte, war die Panik der Kaninchen. Ich träumte sie verwirrt, ängstlich, orien-tierungslos und heimatlos. Diese Windräder hatten ihre sichere Heimat gestört. Ich konnte durch ihre Augen sehen. An die regelmäßigen Schatten und die Geräusche konnten sie sich halbwegs gewöhnen, aber ab und an fielen einfach Leichen aus dem Himmel. Irgendetwas hatte sie aber auch schon vorher traumatisiert.
Ich nahm Kontakt auf. Inzwischen war ich sogar ganz sicher, um welches Windrad es sich handelte. Mein Dorf hat Windräder zu drei Seiten, wir kennen uns gut. Ich ließ mein Nervensystem, das keine Angst vor Windrädern hat, Kontakt zu den Nervensystemen der ansässigen Kaninchen aufnehmen. Ich spürte, wie mein Vertrauen sich übertrug, wie sie ruhiger wurden und ihren Kindern erlaubten, sich etwas weiter von ihnen zu entfernen. Ich nahm mir vor, direkt vor Ort mit ihnen weiterzuarbeiten, doch irgendwie wusste ich auch, dass das gar nicht nötig war. Meine Aufmerksamkeit schien fast zu genügen.
Als ich am nächsten Morgen versuchte, dieses Erlebnis meinem Mann zu erklären, fühlte ich mich albern. Wie sollte ich das erklären, und was bedeutete das für ein Buch? Ich spreche von der Welt und lande bei Kaninchen am Rande meines eigenen Dorfes? Für Udo als Bauingenieur ergab jedoch einiges Sinn. Bei den Bauarbeiten der Windräder wurden sicher viele Kaninchenbaue zerstört – das unterirdische System, das sie fleißig bauen und in dem sie sich hauptsächlich aufhalten. Dieser Terrorakt hing irgendwie mit den Windrädern zusammen. Woher sollten sie wissen, ob sie ihre Stadt nun wieder aufbauen sollten und dann dort mit ihren Kindern sicher leben konnten? Hierauf brauchten sie dringend eine Antwort.
Eine riesige Vielfalt an Themen ging in mir auf. Was sollte nun in dieses Buch? Die inneren Methoden, mit denen ich beditiere, mich innerlich verbinde, mit Nervensystemen kommuniziere oder Botschaften schicke? War es mein Auftrag, dieses innere Wissen einmal präzise zu be-schreiben?
Oder ging es um die Selbstdefinition von Menschen als Hüter:innen der Natur, die mich schon eine ganze Weile beschäftigte? Ich glaube fest an das Modell der indigenen Völker, die sich für ein Stück Land zuständig fühlen und sich auch als Volk darüber definieren. Ich bin der festen Überzeugung, dass, wenn wir alle das Stück Land definieren, für das wir uns verantwortlich fühlen, und dieser Verantwortung dann auch kompromisslos nachkommen, Nachhaltigkeit auf der ganzen Welt entsteht. Bezog sich der Auftrag meines Körpers auf die Einnahme unserer natürlichen Rolle im Kreislauf der Natur, deren Bestandteil wir sind?
Oder waren die Kaninchen nur die ersten auf einer langen Reise von nicht gesehenen Wesen, die einen Moment Bewusstsein benötigen? Hatte ich denn überhaupt irgendwen irgendwie mit Freude gestillt?
Ich schrieb in meine Gruppe der starken Frauen: „Ich starte das nächste Buchprojekt und werde wieder alle zwei Monate ein paar Tage zum Schreiben wegfahren. Möchte jemand mit?“ Wenige Stunden später hatten Nicola und ich einen Termin und eine Unterkunft an der Ostsee. Ich verschob das Nachdenken auf diese Tage und vertraute darauf, dass sich schon irgendwann, irgendwie, etwas in mir melden würde.