Die Zeit der Sternschnuppen - Sergio Bambaren - E-Book

Die Zeit der Sternschnuppen E-Book

Sergio Bambaren

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Beschreibung

Der Himmel kennt viele Geheimnisse: die wahre Liebesgeschichte von Sonne und Mond, das Rätsel um das Kreuz des Südens oder die mutige Mission einer Sternschnuppe … Sergio Bambaren, der Millionen Leser mit seinen Büchern berührt, erzählt in diesem stimmungsvoll illustrierten Buch, wie eine Nacht im Himalaja sein Leben veränderte. Ein alter Sherpa weihte ihn in sein Wissen ein – mit den einfachsten Worten, aber der Weisheit des Herzens, die uns lehrt, an Wunder zu glauben.

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Übersetzung aus dem Englischen von Clara Lind

Mit zehn farbigen Illustrationen von Dave Cutler

Für meinen Vater und Lehrer Carlos, der mir gezeigt hat, wie man die Welt mit wahrem Verständnis sieht und mich meine Flügel hat ausbreiten lassen.

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erschienenen Taschenbuchausgabe

8. Auflage 2011

ISBN 978-3-492-95744-1

© Sergio F. Bambaren 2002 Titel der englischen Originalausgabe: »Tales from the Heavens« Deutschsprachige Ausgabe: © Piper Verlag GmbH, München, 2004 Umschlaggestaltung: semper smile, München Umschlagabbildung: Dave Cutler / Corbis

Prolog

Zu den schönsten Dingen im Leben zählt für mich, nach einem herrlichen abendlichen Ritt auf den Wellen am Strand zu bleiben, zuzusehen, wie die Sonne im Meer versinkt, und dann allein in ehrfürchtigem Schweigen Zeuge zu werden, wie eine neue, sternenklare Nacht geboren wird. Wenn die letzten goldenen Strahlen der Sonne den Einbruch der Nacht verkündet haben, sehe ich staunend zu, wie am Himmel Dutzende, Hunderte, Tausende von funkelnden Lichtern erscheinen. Es ist, als bräuchte ich nur die Hand auszustrecken, um sie zu berühren.

Dabei haben wir in unserer wunderbaren Welt der Technik und des Wissens gelernt, daß all diese blitzenden Lichter, die die Nacht so festlich beleuchten, das Ergebnis gewaltiger thermonuklearer Explosionen sind, schrecklicher Kollisionen, die Millionen von Lichtjahren entfernt stattfinden, mit einer Energie, die größer ist als die Wirkung sämtlicher Atombomben zusammen.

Seltsame Namen hat die Naturwissenschaft ihnen gegeben: Weißer Zwerg, Roter Riese, Schwarze Löcher …

Was sollen wir nun glauben? Haben die nackten Tatsachen den romantischen Zauber zerstört, der einst von den funkelnden Sternen und Sternbildern ausging? Ist es uns jetzt für immer verboten, zum Himmel hinaufzusehen und zu träumen?

Ich glaube nicht. Denn was immer ich auch in wissenschaftlichen Zeitschriften oder Berichten über neue Entdeckungen lese, in denen die Wunder des Firmaments auf sachliche Weise erklärt werden – mein Herz sagt mir, daß sie aus einem bestimmten Grund dort hingesetzt wurden: damit wir von Zauberwelten träumen, von den Wundern, die jeden Tag überall um uns herum geschehen.

Und nicht zuletzt, damit wir aus Geschichten lernen, die unser Leben verändern können, Geschichten von Menschen und anderen Wesen aus weit entfernten Regionen …

Vor einigen Jahren habe ich ein Kloster besucht, hoch in den Bergen des Himalayas. Es war ein schwieriger Aufstieg gewesen. Er hatte drei sengend heiße Tage mit eiskalten Nächten gedauert, und wir hatten all unsere Kräfte aufbieten müssen, um auf den Berggipfel zu gelangen, auf dem das Kloster lag. Und jetzt waren wir da, jetzt standen wir vor den Toren des Tempels.

»Wir haben den Berg bezwungen!« sagte ich zu Chandra, dem alten Sherpa.

»Den Berg bezwingt man nie. Man bezwingt nur sich selbst«, erwiderte er.

Chandra sagte, es sei eine gute Nacht, um vor den Toren der Stadt zu kampieren, und so beschlossen wir, unser Lager vor dem Kloster aufzuschlagen und am nächsten Tag zu den Mönchen zu gehen. Wir stellten unsere Zelte auf, und als die Luft sich sehr schnell abkühlte, machten wir ein Feuer und setzten uns darum herum. Ich kochte mir Kaffee, während die Sherpas in ihren Umhängen aus Yakleder an ihrem heißen Tee nippten, bevor sie sich zur Ruhe begaben.

In jener Nacht strahlte ein Vollmond am Himmel und warf sein schimmerndes Licht auf den Tempel, der auf rätselhafte Weise in der Luft zu schweben schien, zwischen Himmel und Erde.

»Was für ein herrlicher Mond!« sagte ich. »Schau nur, wie golden er leuchtet. Als ob er aus Feuer wäre.«

»Er sieht heute sehr verführerisch aus«, antwortete Chandra. »Er wartet auf den Moment, in dem er die Sonne trifft und ihr seine Liebe zeigen kann.«

»Wie meinst du das?« fragte ich.

»Kennst du denn die Geschichte von Sonne und Mond nicht?« fragte er.

»Na ja, da, wo ich herkomme, hat man mich gelehrt, daß die Sonne nach dem Urknall durch eine große thermonukleare Explosion entstanden ist und daß der gewaltige Feuerball anfangs kosmischen Staub ins All geschleudert hat, aus dem sich dann die Planeten gebildet haben.«

»Und der Mond?« fragte Chandra.

»Hm, wenn ich mich richtig erinnere, ist der Mond entstanden, nachdem ein riesiger Asteroid auf die Erde geprallt ist und ein großes Stück herausgeschlagen hat, und aus dieser durchs All fliegenden Materie wurde schließlich der Mond.«

»Das ist es, was sie dir erzählt haben? Thermonukleare Explosionen, Asteroiden, der Urknall?«

»Ja«, sagte ich.

Chandra trank einen Schluck grünen Tee und sah dann zum Vollmond hinauf.

»Als ich klein war, hat mir der Priester des Tempels eine andere Geschichte über die Erschaffung von Sonne und Mond erzählt. Eine Geschichte von wahrer und ewiger Liebe.«

»Aber daran glaubst du doch nicht, oder?« fragte ich.

»Doch«, sagte er. »Und nachdem ich dich von Urknall, Asteroiden und kosmischer Materie habe reden hören, erst recht. Aber ich respektiere deinen Glauben. Gute Nacht.« Er trank seinen Tee aus und deckte sich mit dem Leder zu, um sich gegen die Kälte der Nacht zu schützen.

Ich starrte lange ins Feuer. Es war genauso golden wie der Mond.

Ich konnte nicht schlafen. Ich mußte Chandra wecken.

»Chandra? Chandra?«

»Was ist denn, mein Freund?«

»Bist du noch wach?«

»Na ja, jetzt bin ich es«, sagte er.

»Chandra …?«

»Ja?«

»Kannst du mir die Geschichte von Sonne und Mond erzählen, die du als Kind gehört hast?«

Er lächelte. »Ich wußte, du würdest mich das früher oder später fragen, aber ich hätte nicht gedacht, daß es schon so bald sein würde.« Er setzte sich hin und starrte in den Himmel.

»Das liegt am Ort«, sagte er schließlich.

»Am Ort?«

»Ja«, sagte er. »Wenn man hier draußen in den Bergen schläft, unter all den Sternen und dem Mond, hat man das Gefühl, daß alles möglich ist. Weit weg von der Gesellschaft öffnet unsere Seele sich für die wahren Wunder der Welt, und vieles, was zu sein scheint, ist nicht mehr.«

Er nahm den heißen Kessel vom Feuer, schenkte sich Tee ein und trank einen Schluck. Dann füllte er eine zweite Tasse und gab sie mir.

»Bist du bereit, die wahre Geschichte von Sonne und Mond und ihrer Erschaffung zu hören?«

»Ja.«

»Gut«, sagte er. »Dann schließ die Augen, und hör gut zu.« Er kam herüber und setzte sich neben mich.

Die wahre Geschichte von Sonne und Mond

Vor vielen tausend Jahren, lange bevor die Großeltern meiner Großeltern geboren wurden, lange bevor die Fische und die Vögel unbehelligt durch die Meere und die Lüfte zogen, lange bevor es die Meere gab, ja bevor die Erde erschaffen wurde, war die Sonne das einzige, was existierte. Vor ihr hatte es nichts gegeben, zumindest nicht in diesem Teil des Alls.

Die Sonne war stark und kam sich sehr weise vor. Sie hielt sich für sehr mächtig und glaubte, nichts könne mit ihrer Macht konkurrieren. Aber zugleich war der Sonne klar, daß sie ewig leben würde, und bei all ihrer Stärke und all ihrem Stolz merkte sie doch, sie würde bis in alle Ewigkeit allein sein. Anfangs machte ihr das nichts weiter aus, doch während Tausende und Abertausende von Jahren vergingen, schwand ihr Stolz allmählich dahin. Sie wußte immer noch, daß sie das mächtigste Wesen am Himmel war, doch sie begann etwas zu empfinden, was sie noch nie empfunden hatte. Zum erstenmal seit dem Beginn aller Zeiten fühlte die Sonne sich einsam. Und diese Einsamkeit bereitete ihr einen Schmerz, den sie noch nie verspürt hatte. Es war das erste Mal, daß die Sonne begriff, wie wenig ihre Kraft, ihre Wärme und ihre Energie wert waren, wenn sie diese nur dazu benutzen konnte, ihren Stolz zu nähren.

Anfangs versuchte die Sonne das Gefühl von Einsamkeit zu überwinden, doch je mehr sie dagegen ankämpfte, desto stärker wurde es. Die Sonne wußte nicht, daß sie auch ein Herz hatte und daß sie früher oder später begreifen würde, daß dieses Herz sie auf die wunderbarste Reise schicken würde, die es gab: die Reise der Liebe.

Noch viele Jahre lang kämpfte die Sonne gegen dieses Gefühl an, das sie so traurig machte, so einsam. Aber es kam die Zeit, da sie die furchtbare Last der Gewißheit, ewig so einsam weiterzuleben, nicht mehr ertragen konnte.

Eines Nachts flog ein Komet dicht an der Sonne vorbei. Als er näher kam, grüßte er die Sonne.

»Hallo, Sonne«, sagte er.

»Wer bist du?«

»Ich bin ein Komet.«

»Ein Komet?« fragte die Sonne.

»Ja. Ich reise nun schon lange durch das ganze All und bestaune voller Ehrfurcht all die wunderbaren Werke, die überall im Kosmos verstreut sind.«

»Aber sicher hast du noch nie etwas gesehen, das so stark und mächtig ist wie ich!« sagte die Sonne.

Der Komet lächelte. Er wollte die Sonne nicht verletzen, darum sagte er nicht, daß er andere Sonnen gesehen hatte, die tausendmal größer und stärker waren als sie.

»Nein, so etwas habe ich noch nie gesehen«, bestätigte er.

»Natürlich nicht«, sagte die Sonne. »Denn niemand ist so mächtig wie ich.«

»Und so einsam …«

Die Sonne sah den Kometen an. »Wie meinst du das?«

»Du weißt genau, was ich meine«, sagte er. »An der Farbe deiner Glut kann ich sehen, daß du nur aus Stolz die Leere leugnest, die langsam, aber sicher dein Herz auffrißt. Du solltest etwas dagegen tun.«

»Ich brauche nichts! Nicht einmal dich!« sagte die Sonne. »Ich habe alles, was ich brauche.« Die Farbe der Sonne ging von blaßgelb in ein leuchtendes Rot über.

»Natürlich, Sonne«, antwortete der Komet. »Tja, dann werde ich dich nicht weiter stören und meine Reise fortsetzen. War nett, dich kennenzulernen. Ich hoffe, wir sehen uns wieder, wenn ich in ein paar Millionen Jahren erneut vorbeikomme. Bis dann.«

»Bis dann«, sagte die Sonne. Aber plötzlich wurde ihr klar, was das bedeutete: wieder ein paar Millionen Jahre allein! Was würde sie in dieser Zeit tun? Sie wußte, sie war die mächtigste von allen, aber würde sie die Einsamkeit nochmals so lange ertragen?

»Halt, warte mal!« rief sie dem Kometen nach.

Der Komet hielt an. »Was ist denn, Sonne?« fragte er.

»Ich weiß nicht, warum«, sagte sie, »aber mir ist gerade klargeworden, daß es unerträglich wäre, so lange allein zu sein. Was kann ich dagegen tun?«

»Du fühlst dich einsam?«

»Na ja, manchmal schon.«

Der Komet starrte die Sonne an, und trotz der großen Hitze und all dem Licht spürte der Komet die Traurigkeit, die das Gestirn umgab.

»Sonne?«

»Ja?«

Ende der Leseprobe