Dieser charmante Dr. Da Costa! - Olivia Gates - E-Book
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Dieser charmante Dr. Da Costa! E-Book

Olivia Gates

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Beschreibung

Alle lieben den attraktiven Chirurgen - nur seine Frau Jewel nicht. Seit ihrer Trennung glaubt die Ärztin sogar, ihn zutiefst zu hassen! Bis sie ihn in einem heißen Sommer in einer kleinen Klinik und umgeben vom Zauber des Regenwaldes wiedersieht ...

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IMPRESSUM

Dieser charmante Dr. Da Costa! erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2007 by Olivia Gates Originaltitel: „The Surgeon’s Runaway Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN Band 23 - 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Ralf Kläsener

Umschlagsmotive: GettyImages_DAMIENPHOTO_

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733718282

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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1. KAPITEL

„Wenn das nicht meine geliebte Ehefrau ist …“

Die tiefe, volltönende Stimme mit dem spöttischen Unterton ließ Jewel Johansson zusammenzucken.

Sie war gerade damit beschäftigt, eine Transportkiste zu packen, und fuhr nun hoch. Die Boote auf dem schlammigen rötlichen Wasser des Rio Solimões und die mit Stroh oder Wellblech gedeckten Hütten am Ufer verschwammen vor ihren Augen.

Nein, bitte nicht. Nicht er. Das konnte doch nicht sein!

Und doch war er es. Roque. Kein Zweifel. Die Stimme kannte sie unter Tausenden heraus.

Meine Ehefrau, hatte er gesagt. Nicht Ex-Frau.

Verschiedene Szenarien spulten sekundenschnell in Jewels Kopf ab. Und jedes brachte die Bitterkeit und Enttäuschung zurück, die sie längst überwunden zu haben glaubte.

Der Impuls, einfach wegzulaufen, sich gar nicht umzusehen, ob er tatsächlich da stand, war fast übermächtig. Sie wollte ihm nicht gegenübertreten, auf keinen Fall …

Stopp! Jetzt nicht die Nerven verlieren! Denk nach! Jewel wusste, dass Flucht keine Lösung war. Sie musste sich der Begegnung stellen.

Aber zuerst einmal galt es, den unerwarteten Schock zu überwinden und ihre Emotionen unter Kontrolle zu bringen. Das Beste würde sein, ganz normal mit ihrer Arbeit weiterzumachen. Also verstaute sie Medikamente und medizinische Ausrüstung in der Kiste.

Dann erst wandte sie sich mit der eindrucksvoll lässigen Körperhaltung, die sie als ehemaliges Model immer noch perfekt beherrschte, um. Sie schaute Roque an – konnte aber nicht verhindern, dass Tränen in ihr aufstiegen.

Die gleißende Vormittagssonne ließ sie blinzeln, und sie hob die Hand, um ihre Augen zu beschatten. Was würde wohl passieren, wenn ihre Blicke sich trafen? Aber das geschah nicht, denn seine Augen waren hinter den dunklen Gläsern einer Sonnenbrille verborgen.

Wieder einmal war er ihr gegenüber im Vorteil. Roque konnte sie sehen, ihr in die Augen schauen und ihre Gedanken und Gefühle erkunden. Er selbst jedoch verschanzte sich hinter einer Barriere aus getöntem Glas.

Roque stieß einen leisen Pfiff aus. „Also hatten die Leute recht, die mir von dir erzählt haben“, sagte er. „Sie haben mir allerdings verschwiegen, dass du noch schöner geworden bist.“ Er sprach Englisch mit dem weichen portugiesischen Akzent des Brasilianers.

Was sollte diese Bemerkung denn nun wieder? Wollte er etwa mit ihr flirten?

Ohne den Blick von ihm zu wenden, beobachtete Jewel, wie er auf sie zukam. Dicht vor ihr blieb er stehen. Sein Knie berührte ihr Bein, seine Schulter ihre. Jewel fuhr zurück, als hätte sie sich verbrannt.

Roque hatte sich seit damals kaum verändert. Er strahlte immer noch die geschmeidige Eleganz eines Panthers aus und jene unerschütterliche Selbstsicherheit, die ihr so imponiert hatte. Zehn Jahre war das jetzt her. Achtundzwanzig war er bei ihrer ersten Begegnung gewesen. Zwei Jahre lang hatte sich für Jewel alles nur um ihn gedreht.

Er war immer noch schlank, seine Schultern waren im Lauf der Jahre jedoch breiter geworden, und er hatte ein paar Kilo Gewicht zugelegt. Aber das fiel nur ihr auf, weil sie ihn von früher kannte. Sein Gesicht hingegen war mit den Jahren eher markanter geworden.

Als er langsam die Sonnenbrille abnahm und Jewel seine faszinierenden Augen sah, schrillten sämtliche Alarmglocken in ihr.

„Nun, willst du deinen bedauernswerten verlassenen Ehemann nicht umarmen?“ Wieder dieser ironische Ton.

Lass dich nicht beeindrucken. Sag was! Jewel atmete tief ein. „Hallo, Roque“, erwiderte sie so gleichmütig wie möglich. „Was führt dich denn nach Tabatinga?“

Sie war erleichtert, dass sie die Worte herausgebracht hatte, ohne sich ihre Aufregung anmerken zu lassen.

„Hallo, Roque.“ Er ahmte ihren Ton nach. „Ist das alles, was du nach acht Jahren zu sagen hast, minha Jóia?“

Minha Jóia – mein Juwel. So hatte er sie in Anspielung auf ihren Vornamen immer genannt, wenn sie in seinen Armen gelegen hatte.

Was war nur mit ihr los? Warum waren ihr diese Erinnerungen plötzlich so klar und eindeutig präsent, als sei das alles erst gestern passiert? Es war doch längst vorbei und vergessen.

„Was mich nach Tabatinga führt …“ Er unterbrach sich und musterte sie forschend. Unwillkürlich folgte sie seinem Blick. Verflixt! Ihr dünnes olivgrünes T-Shirt klebte in der feuchten Hitze am Körper, und die Spitzen ihrer Brüste, die sich deutlich unter dem Stoff abzeichneten, verrieten, dass sie auf sein Erscheinen nicht so cool reagierte, wie sie ihm weismachen wollte.

Den Bruchteil einer Sekunde verharrte sein Blick auf ihren Brüsten, bevor er den Kopf hob und Jewel anschaute. „Was sollte mich schon hierher in den Urwald locken, wenn nicht der brennende Wunsch, dich wiederzusehen, minha Jóia?“

Wie kam er dazu, mit ihr zu flirten? Und das tat er, kein Zweifel.

Noch eine Veränderung registrierte Jewel bei ihm. Eine beunruhigende. Der Roque Aguiar Da Costa, den sie gekannt hatte, war liebenswürdig und charmant gewesen. Der Roque aber, der jetzt vor ihr stand, strahlte eine unübersehbare Aura von Härte und Autorität aus.

Nun, sie war kein Teenager mehr, der sich von Männern seiner Art beeindrucken ließ. Sie war dreißig, und fast zehn Jahre harter Arbeit hatten sie selbstbewusst und unabhängig gemacht. Roque störte sie bei den Vorbereitungen für ein Projekt, an dessen Planung sie ein Jahr gearbeitet hatte. Sie hatte nur den einen Wunsch, dass er sie in Ruhe weitermachen ließ.

„Dann bist du also 2500 Meilen von Rio de Janeiro bis hierher an die brasilianisch-kolumbianische Grenze gereist, um mich wiederzusehen? Nun, das hast du ja jetzt.“ Ihre Stimme klang kühl. „Oder kann ich sonst noch etwas für dich tun?“

„Eine Menge.“

Die Doppeldeutigkeit seiner Worte traf sie wie ein Schlag. Lass dich von ihm nicht einschüchtern. Hör auf, ihm Fragen zu stellen. Beende das Gespräch sofort.

Sie richtete sich so hoch wie möglich auf, was bei einer Größe von einem Meter und dreiundsechzig nicht sehr imponierend wirkte. Es störte sie, dass er sie weit überragte und sie zu ihm aufschauen musste. „Okay, Roque, schön, dich zu sehen. Was auch immer dich herführt, ich jedenfalls habe einen Job zu erledigen …“

Lautes Stimmengewirr unterbrach sie. Jewel fuhr herum und sah einen Lastwagen heranbrausen, der mit quietschenden Bremsen zum Stehen kam. Die dichte Staubwolke, die dabei aufgewirbelt wurde, brachte sie zum Husten. Eine Horde Menschen sprang von dem klapperigen Vehikel und kam unter lautem Rufen in einem kaum verständlichen Gemisch aus Portugiesisch und dem hiesigen Dialekt auf sie und Roque zugelaufen.

Jewel hörte aus dem ganzen Geschrei nur das Wort Schlange heraus. Offensichtlich war jemand von einer Giftschlange gebissen worden.

Sie musste helfen. Sofort. Jewel setzte sich in Richtung Boot in Bewegung, auf dem sie bereits ihre medizinische Ausrüstung verstaut hatte. Aber Roque war ihr bereits voraus und sprang auf das Boot. Als sie ebenfalls mit einem Sprung an Bord hechtete, fing er sie in seinen starken Armen auf. Bevor sie protestieren konnte, ließ er sie los. „Geh mir aus dem Weg, Roque“, fuhr sie ihn an. Das war ihr Sanitätsboot. Er versperrte ihr den Zugang zum Deckshaus, in dem sie ihre medizinische Ausrüstung aufbewahrte.

Roque musterte sie amüsiert. „Nun mal langsam. Weißt du denn überhaupt, wo wir das Opfer des Schlangenbisses finden?“

Wir? Sie hatte sich wohl verhört. „Sie haben mich um Hilfe gebeten, nicht dich.“

Er hob die Brauen. „Da bist du dir sicher, obwohl du kein Wort verstanden hast?“

„Ja, das weiß ich ganz genau. Sie wenden sich immer an mich, wenn es Probleme gibt, seit sie wissen, dass ich dieses Projekt leite. Du brauchst dich nicht einzumischen, das ist völlig unnötig. Ich gehe davon aus, du hast wichtigere Dinge zu tun.“

„Findest du, es gibt Wichtigeres, als einem Menschen in Lebensgefahr zu helfen? Für was für eine Art von Arzt hältst du mich eigentlich?“

„Das ist mir egal. Geh mir aus dem Weg, Roque.“

Er schüttelte den Kopf. „Statt dankbar zu sein, dass du Hilfe bekommst, willst du mich wegjagen. Soll ich vielleicht über Bord springen?“

Ihre Aufregung legte sich allmählich. Obwohl sie wusste, dass es falsch war, antwortete sie: „Solange du mich nicht von der Arbeit abhältst, kannst du ruhig weiter hier herumstehen. Übrigens – warum sollte ich für dein unerwartetes Erscheinen dankbar sein? Als ich dich das letzte Mal sah, warst du Chirurg und kein Unfallarzt.“

Er verzog spöttisch den Mund. „Als ich dich das letzte Mal sah, standst du vor der Kamera eines Modefotografen und führtest Haute Couture vor.“

„Dein Gedächtnis scheint auch nicht mehr das beste zu sein. Bei unserer letzten Begegnung lag ich unter einem Röntgengerät und einem Computertomografen.“

Einen Augenblick herrschte Stille. Verflixt! Warum hatte sie sich dazu hinreißen lassen, die Vergangenheit anzusprechen? Das würde ihn ermutigen, weiterzureden.

Aber zu ihrer Überraschung sagte er nichts. Roque drehte sich um und ging zu der Reihe niedriger Holzschränke. Er rüttelte an einer der Türen, doch sie war verschlossen. „Wo sind die Schlüssel?“

Jewel bebte vor Wut, begann aber, in den Taschen ihrer Kakihose danach zu suchen. Woher wusste er überhaupt, wo was zu finden war? Trieb er sich schon länger hier herum und hatte ihr nachspioniert?

Da er sich nicht von der Stelle rührte, musste Jewel sich an ihm vorbeidrängen, um das Schränkchen aufzuschließen.

Ärgerlicher auf sich selbst als auf ihn, nahm sie verschiedene Medikamente aus dem Schrank und stopfte sie in ihre große Arzttasche. Roque warf einen Blick in die Tasche und ergänzte ihre Ausrüstung. Wütend wollte Jewel den Reißverschluss mit einem Ruck zuziehen, da griff er nach ihrem Handgelenk und hielt sie fest. Sofort versuchte sie, sich loszureißen.

Kühl und gelassen begegnete er ihrem flammenden Blick. „Die am häufigsten vorkommenden Giftschlangen in dieser Gegend sind die Jararaca, deren Gift eine gefährliche Blutvergiftung auslöst, und Surucucu Pico-de-Jacca, die die Atmung ihrer Opfer lähmt. Hast du das geeignete Gegengift zur Verfügung?“

Das wurde ja immer rätselhafter! Wie kam ein Großstadtchirurg dazu, sich mit den Schlangenarten im brasilianischen Urwald auszukennen?

Unmöglich konnte er so gut Bescheid wissen wie sie. Schließlich hatte sie einen Intensivkursus für Urwaldmedizin im Trainingszentrum in Manaus besucht.

Roque hatte seinen Griff nicht gelockert. Er wollte eine Antwort. Energisch riss Jewel sich los und zog den Reißverschluss zu. „Ich habe ein Antiserum gegen das Gift der Korallenschlange und außerdem ein Breitband-Antiserum.“

„CroFab nicht?“

Er kannte sich gut aus. CroFab war ein neues Breitband-Antiserum, das aus dem Blut von Schafen gewonnen wurde. „Wie stellst du dir das vor? Das Zeug kostet siebenhundert Dollar pro Ampulle. Die Global Aid Organisation, die unsere Expedition finanziert, kann so viel Geld nicht ausgeben.“

„Und hast du wenigstens Medikamente, die gegen den Schock wirken?“

Er musste sich diese Kenntnisse erst kürzlich angeeignet haben. Warum hätte er sich als Chirurg mit solchen Fragen beschäftigen sollen? Wieso wusste er, dass es bei der Anwendung von Breitband-Seren manchmal zu Schockreaktionen kam?

Jewel jedenfalls war auf alles vorbereitet. „Sicher, ich habe eine vollständige Ausrüstung“, ließ sie ihn wissen.

Doch er gab sich immer noch nicht zufrieden. „Wie steht’s mit einer chirurgischen Notausrüstung? Vielleicht brauchen wir die.“

„Hast du nicht zugehört? Ich sagte, ich verfüge über eine vollständige Ausrüstung.“

Ihre Verärgerung entlockte ihm nur ein gleichmütiges Achselzucken. „Ich als Chirurg verstehe darunter vielleicht etwas anderes als du als Internistin. Das bist du ja wohl, Jóia.“

Er wusste alles über sie. Doch jetzt blieb keine Zeit, sich darüber zu wundern.

Roque griff nach der großen Tasche, die ein beachtliches Gewicht hatte. Kurzerhand entwand Jewel sie ihm und lief zu der kleinen Treppe, die an der Bordwand lehnte. Während sie mit der schweren Last auf der Schulter die wackeligen Treppenstufen hinabstieg, war er mit einem Satz auf den Landungssteg gesprungen und streckte ihr die Hand entgegen, um ihr zu helfen. Jewel ignorierte ihn, doch er griff einfach entschlossen zu und hob sie mitsamt ihrer Tasche auf die hölzerne Pier.

Das hatte nur Sekunden gedauert, und Roque hatte sie gleich wieder losgelassen. Aber ihre Haut prickelte, wo seine Hände sie berührt hatten. Lächerlich, diese Reaktion, schalt sie sich im Stillen.

Jewel überließ Roque die Tasche und lief zum Lastwagen. Ihre beiden Mitarbeiter Inácio und Madeline, ein Krankenpfleger und eine Krankenschwester, warteten bereits. Roque war trotz der schweren Tasche schneller als Jewel, sprang auf die Ladefläche und beugte sich zu ihr hinunter. Er nahm ihre Hände und zog sie mit einem Ruck hoch. Bevor sie noch festen Stand gefunden hatte, fuhr der Lastwagen mit durchdrehenden Reifen an. Eine gewaltige rötliche Staubwolke stieg auf.

Jewel wurde durch die plötzliche Beschleunigung nach hinten gerissen. Einen Moment lang fürchtete sie, rücklings von der Ladefläche zu stürzen, aber dann spürte sie wieder Roques Hände, die sie festhielten.

In Panik warf sie sich an seine Brust und klammerte sich an ihn. Unwillkürlich stieß sie einen leisen Schrei aus.

Roque drückte sie beruhigend an sich und führte sie vorsichtig zu einem Platz, wo sie sich setzen konnte. Jewel schaute ihn unsicher an, entdeckte in seinen Augen aber nur Sorge um ihr Wohlergehen.

Die widersprüchlichsten Gefühle stürmten auf sie ein. Hielt er sie jetzt für eine Memme, die ohne männliche Unterstützung nicht zurechtkam? So, wie sie damals gewesen war?

Sie musste anerkennen, dass er sie durch seine blitzschnelle Reaktion vor einem Sturz mit nicht absehbaren Folgen bewahrt hatte. Trotzdem wurde sie den Eindruck nicht los, dass er bei aller ehrlich gemeinten Fürsorge und Freundlichkeit ein heimliches Vergnügen an der Situation empfand.

Freundlichkeit? Dafür gab es zwischen ihnen keinen Anlass. Getrennt hatten sie sich damals im Streit. Warum also versuchte er jetzt so zu tun, als sei nichts gewesen?

Was hatte sein Benehmen zu bedeuten? Warum war er überhaupt hier? Und was wollte er von ihr? Womöglich brauchte er sie für seine Einbürgerung in die USA …

„Die Leute haben mir eben erklärt“, sagte Roque, „warum sie das Opfer des Schlangenbisses nicht zu uns gebracht haben. Der Vorfall liegt schon zwei Tage zurück. Das Opfer ist ihr Schamane. Sie fanden ihn im Dschungel, in Fieberfantasien.“

Jewel staunte, dass Roque mit dem Dialekt der Einheimischen offenbar keine Probleme hatte. „Dann war unsere Diskussion über das Antiserum völlig nutzlos“, erwiderte sie. „Du weißt bestimmt, dass es nur wirkt, wenn es innerhalb von vier Stunden nach dem Biss gegeben wird. Warum haben sie so lange gewartet, bis sie Hilfe holten? Warum haben sie überhaupt Hilfe geholt? Normalerweise verfügen die Urwaldbewohner über einen reichen Erfahrungsschatz in der Behandlung von Schlangenbissen.“

Roque zog die Brauen zusammen. „Diese Kenntnisse gehen auch hier langsam verloren, leider. Die Menschen sind mehr oder weniger Opfer der Zivilisation geworden. Innerhalb weniger Generationen hat sich ihre alte Lebensweise total verändert. Nur eins ist noch genauso stark wie früher – ihr Aberglaube. Deshalb haben sie sich nicht getraut, den Schamanen selbst zu behandeln oder zu uns zu bringen. Übrigens – sie haben mich gewarnt, dass wir von den Geistern bestraft würden, falls er stirbt.“

„Das kenne ich auch von anderen Stämmen.“

Roque lehnte sich gegen die Bordwand. „Und diese Drohungen ängstigen dich nicht?“

„Oh, die sind nicht ernst gemeint. Die Leute reden – aber sie tun nichts.“

„Die Kollegen im Militärkrankenhaus sehen das anders. Wegen der ständigen Todesdrohungen lehnen sie es ab, solche Fälle zu behandeln. Deshalb sind die Leute zu uns gekommen.“

Jewel überhörte das Wort „uns“ und schaute zu den Einheimischen hinüber. Sie wirkten keineswegs bedrohlich. „Vielleicht sind die Krankenhausärzte etwas zu ängstlich“, meinte sie.

Roque schüttete den Kopf. „Sie haben keine Angst, sie sind nur vorsichtig. In dieser Gegend ist man auf sich allein gestellt. Die paar Hundert Mann der brasilianischen Grenzkontrollen müssen 850 Kilometer Grenze zwischen Brasilien, Kolumbien und Peru kontrollieren. In dem Gebiet siedeln über einhunderttausend Menschen. Es gibt jede Menge Rauschgiftschmuggler, Wilddiebe und illegalen Fischfang. Da ist es verständlich, dass sie sich nicht auch noch um solche heiklen humanitären Fälle kümmern.“

Jewel wusste das alles, wunderte sich aber über Roques Detailkenntnisse. Sie zuckte die Achseln. „Ich habe nur aus meiner eigenen Erfahrung gesprochen.“

„Vielleicht hattest du bisher Glück, weil du mit deinen Behandlungen erfolgreich warst.“

„Das war nicht immer der Fall. Aber mir ist trotzdem nie etwas passiert. Eigentlich glaube ich, dass diese Drohungen nur so etwas wie ein Ritual darstellen. Ich habe die Menschen hier immer freundlich erlebt und dankbar für jede Hilfe.“ Sie lächelte verschmitzt. „Du siehst ja, ich lebe noch.“

Beinahe erschrocken hielt sie inne, als sie den Ausdruck in seinen Augen bemerkte. Klopfenden Herzens folgte sie der Bewegung seiner Hand, die er auf ihre linke Wange legte. Er berührte die feine Narbe, die sich von der Augenbraue bis zu ihrem Wangenbein zog. Ganz plötzlich waren die Erinnerungen wieder da. So hatte Roque sie auch damals tröstend gestreichelt. Seine Liebkosungen hatten sie regelmäßig dahinschmelzen lassen vor Lust, sodass ihr Widerstand jedes Mal schnell zusammenbrach. Sie hatte sich dafür gehasst.

Jetzt schob er die Finger in ihr Haar. Wieso ließ sie das geschehen? Warum prickelte ihre Haut plötzlich so unsagbar wonnevoll?

Jewel rührte sich nicht.

„Du redest so, als würdest du dich schon lange hier in der Gegend aufhalten“, raunte er ihr zu. „Ich weiß aber, dass du erst seit einer Woche hier bist.“

Was wusste er noch alles über sie? Sie drückte sich an die Holzwand des Lastwagens und versuchte, die schmerzende Stelle in ihrem Nacken zu kneten. „Ich war schon in anderen Regenwaldgebieten. Vermutlich sind die Gegebenheiten überall ziemlich gleich.“

Ohne zu fragen, schob er ihre Hand beiseite und begann, ihren Nacken zu massieren. „Du irrst dich. Das Grenzgebiet von Brasilien und Kolumbien ist ein besonders gefährliches Terrain. Und die Menschen, die hier leben, sind durch die ständige Gefahr für Leib und Leben misstrauisch und unberechenbar geworden.“

Seine Fingerspitzen hatten exakt die Stelle gefunden, von wo der Schmerz ausstrahlte – Jewel spürte, wie sie sich allmählich entspannte. Aber sie spürte auch noch etwas anderes, etwas, von dem sie angenommen hatte, es gehöre der Vergangenheit an.

„Glaubst du wirklich, die Leute meinen ihre Drohungen ernst?“, fragte sie.

Roque schnaubte verächtlich. „Es ist mir egal, wie ernst sie es meinen. Ich werde wegen des idiotischen Aberglaubens keinen Mann sterben lassen. Und ich lasse auch nicht zu, dass sie dir etwas antun.“

Sofort läuteten bei Jewel wieder die Alarmglocken. Diese plötzliche Ritterlichkeit kam doch nicht von ungefähr, dafür musste es einen Grund geben. Einen Grund, den sie nicht kannte. „Ach, heißt das, du beziehst diese Drohungen nicht auf dich?“

„Ich kann gut auf mich selbst aufpassen, minha Jóia.“

„Und von mir nimmst du an, ich könnte das nicht?“

„Nicht so gut wie ich.“ Bevor sie wütend auffahren konnte, griff er nach ihrer Hand. „Ich bin vorbereitet, wie du gleich merken wirst …“ Er führte ihre Hand unter seine Baumwolljacke bis zu seinem Gürtel – Jewel zuckte zurück, als sie die Pistole im Gürtelhalfter ertastete. Eine ziemlich große Pistole …

Sie riss erschrocken die Augen auf. „Bist du etwa in Militär- oder Geheimdienstoperationen verwickelt?“

„Nein, ich finde es nur unverantwortlich, ohne Vorsichtsmaßnahmen in so gefährliche Gegenden zu reisen.“

„Für unsere Expedition wurden uns bewaffnete Wächter zugeteilt. Sie folgen uns dort hinten in dem Jeep.“

Roque warf einen flüchtigen Blick über die Schulter zurück und sah Jewel dann amüsiert an. „Du meinst also, ich soll um Hilfe rufen, wenn die Situation brenzlig wird?“

Bei dem Gedanken, dieser große, starke Mann könne irgendwann tatsächlich um Hilfe rufen, musste selbst sie lachen. Roque stimmte ein, wurde aber gleich wieder ernst. Man könnte meinen, die Jahre der Trennung hätte es nie gegeben. Die Spannung, die bisher zwischen ihnen geherrscht hatte, wich von einer Sekunde zur anderen dem Gefühl alter Vertrautheit. Jewel war so gefangen von der Präsenz dieses Mannes, dass sie die neugierigen Blicke ihrer beiden Assistenten gar nicht bemerkte.

Roques kehliges Lachen hatte in ihr die Erinnerung an die Leidenschaft, die sie einmal für ihn empfunden hatte, geweckt. Auf einmal knisterte die Atmosphäre förmlich vor unausgesprochenen Emotionen.

„Wir sind da, Leute.“ Madelines Ruf katapultierte Jewel in die Wirklichkeit zurück. Der Lastwagen hatte auf einer Lichtung angehalten. Mindestens ein Dutzend Männer und Frauen in billiger westlicher Kleidung und mit bemalten Gesichtern umringten das Fahrzeug. Sie fuchtelten aufgeregt mit den Händen in der Luft herum und forderten die Ankömmlinge auf, sich zu beeilen.