Disney Villains 10: Empor aus der Unterwelt - Walt Disney - E-Book

Disney Villains 10: Empor aus der Unterwelt E-Book

Walt Disney

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Beschreibung

Das zehnte Buch der New-York-Times-Bestseller-Serie Villains taucht in die Unterwelt ein und erforscht, wie Hades vom Gott zum Schurken wurde. "Herrscher der Unterwelt" ist nicht der Titel, den Hades für sich selbst gewählt hätte, aber als er und seine Brüder einen Deal machten, um die Welt in drei Teile zu teilen, zog Hades den Kürzeren. Doch die Ewigkeit ist eine lange Zeit, um in eine Rolle gedrängt zu werden, die er nie gewollt hat, und mit jedem Tag, an dem er als Bösewicht behandelt wird, wird er rachsüchtiger. Die Geburt seines Neffen Hercules, während Hades noch immer in der Unterwelt gefangen ist, bringt ihn an seine Grenzen. Also tut Hades das, was er am besten kann: Er schließt einen neuen Handel ab. Aber wenn man als Gott einen Deal mit den Odd Sisters eingeht, passiert mehr, als dass nur die eigene Geschichte umgeschrieben wird ...

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Meinen Managern und Champions gewidmet, David Server und Ray Miller. In ewiger Dankbarkeit für euren Optimismus, eure Ehrlichkeit, Führung und für euren Humor.Ich danke euch.

PROLOG

Aus dem Buch der Märchen

Hades

Die hauchdünnen Fäden des Schicksals sind in das Gewebe des Buches der Märchen verwoben wie in einem Spinnennetz. Und in seiner Mitte sitzt Hades, der Hüter der Toten in seinem Reich. Er, der die Macht hat, die Sterne zu beherrschen und Schicksale zu lenken – ähnlich wie wir, die Verdrehten Schwestern, die Autorinnen dieses Buches der Märchen. Und während wir alle durch den Tod verbunden sind, ist unser Band mit Hades aus etwas viel Mächtigerem geschmiedet: dem Schicksal.

Bevor Hades seinen Thron in der Unterwelt bestieg, war er in seiner Rolle glücklich. Er war der Gott der verborgenen Schätze, des Goldes und all dessen, was unter der Erde lag, einschließlich der Toten. Aber er war nicht schlecht oder der Dämon, zu dem er wurde, sondern der Hüter des Gleichgewichts. Seine schlechten Eigenschaften hat er sich erst mit der Zeit durch Einsamkeit und Verzweiflung nach vielen Jahren in seinem unglücklichen Königreich angeeignet.

Hades wünschte sich nichts sehnlicher, als dem Elend seines neuen Lebens zu entkommen, aber er nahm seine Verantwortung ernst. Er wollte seinen Thron nicht unbeaufsichtigt lassen und fühlte sich daher in ewigem Unheil und ewiger Angst gefangen. Bis eines Tages das Schicksal in Gestalt dreier Hexen eingriff: Lucinda, Ruby und Martha.

Falls ihr noch nicht gemerkt habt, dass die Geschichten, die ihr gelesen habt, Kapitel aus dem Buch der Märchen sind, habt ihr nicht richtig aufgepasst. Und obwohl wir festgestellt haben, dass Zeit nichts weiter als ein menschliches Konstrukt ist und alle Zeitlinien gleichzeitig und nicht getrennt voneinander ablaufen, werdet ihr gleich erfahren, warum. Als die alten Götter besiegt worden waren, insbesondere der Titan Cronus, wurde die Zeit für immer gebrochen. Seitdem haben wir Hexen die Zeit nicht mehr in einer geraden Linie erfahren. Manchmal verlieren wir den Faden und lassen die Geschichten aus unserem Buch der Märchen außerhalb der Reihenfolge entfleuchen. Aber was bedeutet Zeit für Hexen und Götter, für Wesen, die die Macht haben, Welten zu erschaffen oder zu zerstören und den Kosmos zu lenken? Das Einzige, was wir nicht kontrollieren können, so scheint es, ist unser eigenes Schicksal.

KAPITEL I

Aus dem Buch der Märchen

Kriegsbrüder

Wenn wir über Mythen und Legenden lesen, vergessen wir leicht, dass es sich nicht nur um Geschichten, sondern um gelebte Erfahrungen und Ereignisse handelt, die das Leben der Beteiligten geprägt haben. Wir vergessen, dass mächtige Wesen, sogar Götter, ihre Kämpfe und gebrochenen Herzen durchlebt haben müssen.

Die Ereignisse in dieser Geschichte fanden zu einer Zeit statt, die für Sterbliche nur schwer vorstellbar ist, als riesige Titanen mit Feuer und Chaos regierten, bis sie schließlich von ihren Söhnen und Töchtern, den mächtigen und starken Olympioniken, gestürzt wurden.

Die Herrschaft der Titanen war so sehr von Chaos und Zerstörung geleitet, dass Zeus, Hades und Poseidon beschlossen, es sei an der Zeit, ihren Vater Cronus und die anderen Titanen zu stürzen und das neue herrschende Pantheon der Götter zu werden. Dieser Kampf wurde später der Krieg der Titanen genannt, ein zehnjähriger Krieg, in dem Olympier gegen Titanen, neue Götter gegen alte und Kinder gegen Väter kämpften. Ein Krieg, der von so viel Heldentum geprägt war, dass er seinen Weg in die Seiten unseres Buches der Märchen fand, so episch, dass sein Nachhall in allen Reichen zu spüren war, auch in den Vielen Königreichen. Ein Krieg, der dazu beitrug, Hades zu dem Gott zu formen, der er heute ist.

Hades war eine der Hauptfiguren in dieser Schlacht. Er und seine Brüder wussten, dass sie für den Sturz der Titanen die allergrößten Armeen brauchten. Die Titanen waren nicht einfach nur Riesen, sie verschlangen Welten und waren größer als ein Berg. Die Brüder wussten, dass sie alle Kräfte aufbieten mussten, wenn sie an der Stelle der Titanen herrschen wollten. Und genau das taten sie.

Poseidon rief das Meer an und beschwor große Wellen herauf, die alle Arten von Meeresbewohnern in den Kampf trugen. Riesenkalmare, monströse Tintenfische und sogar die großen Leviathane schlossen sich dem Kampf an. Die Kreaturen wickelten ihre starken Tentakel um die Titanen und hielten sie an Ort und Stelle fest, während sie von heftig krachenden Wellen umspült wurden. Auf diesen Wellen segelten zerstörte und zerfallende Schiffe, gefüllt mit Armeen von Toten, die durch Hades’ Macht wiederbelebt worden waren. Heerscharen von Skeletten standen auf diesen Schiffen, auf jedem Berggipfel, auf jedem Feld und rittlings auf Zeus’ Flotte aus Riesenadlern. Zeus ließ seine Blitze von oben herabschleudern und befahl dem Himmel, sintflutartige Regenfälle und Winde niedergehen zu lassen, die stärker waren als die stärksten Wirbelstürme. Wenn die Titanen Berge auf Hades’ Armee warfen, ließ er sie einfach wiederauferstehen und schickte die armen Seelen wieder und wieder in ihr Verderben. Ein Todesschwarm umschloss die Titanen, während sie Feinde aus allen Richtungen bekämpften. Zehn Jahre lang kämpften die Brüder gemeinsam, Seite an Seite, bis die Titanen schließlich besiegt und weggesperrt wurden.

Am letzten Tag des Kampfes gegen die Titanen wurde eine Entscheidung getroffen, die ihrer aller Schicksal und das Schicksal der Welten prägen würde. Hades sah, dass es bereits im Entstehen war, als der Krieg endete. Er erblickte seine Brüder in den Trümmern ihres Krieges. Die Landschaft war übersät mit zerstörten Schiffen, eingestürzten Gebäuden, zerbrochenen Säulen, im Wasser versunkenen Tempeln, und er fragte sich, was Zeus und Poseidon besprachen. Auch wenn Hades der älteste Sohn von Cronus war, hatte Zeus immer die Führung innegehabt, und Hades spürte, dass Zeus bereits festlegte, wie die Dinge jetzt laufen würden. Jetzt, da ihr Vater wie auch die anderen Titanen besiegt und weggesperrt waren.

Hades stieg von seinem riesigen dreiköpfigen Hund Cerberus und sah seine Brüder mit einem schelmischen Glitzern in den Augen an. Er wusste, was vor sich ging. Es stand in ihren Gesichtern geschrieben, so wie es das Schicksal vorgesehen hatte.

„Natürlich sollst du über das Meer herrschen, mein Bruder“, sagte Zeus und klopfte Poseidon auf die Schulter. „Und Hades soll über die Unterwelt herrschen.“ Zeus’ Lächeln war breit und ließ seine großen weißen Zähne aufblitzen.

„Und ich nehme an, du wirst über den Himmel und alles, was dazugehört, einschließlich des Olymps, herrschen?“, fragte Hades und spürte, wie ihm vor Zorn heiß wurde.

Cerberus’ Augen verengten sich, und er knurrte Zeus an.

„Warum? Hattest du etwas anderes im Sinn, Hades?“, wollte Zeus wissen und kratzte einen von Cerberus Köpfen unter dem Kinn und gab jedem Kopf einen leckeren abgetrennten Tentakel.

„Ich bin der älteste Sohn, Zeus. Ich sollte es sein! Und hör auf, meinem Hund Honig ums Maul zu schmieren!“

„Vergessen wir nicht: Ohne mich würdest du immer noch im Bauch unseres Vaters leben. Unsere Schwestern und unser Bruder haben das nicht vergessen.“

„Ja, ja, wir alle wissen, dass du der Einzige bist, den Vater nicht gegessen hat, und du hast ihn dazu gebracht …“

„… dich herauszuwürgen“, beendete Zeus lachend den Satz. „Und du warst der Letzte, Hades. In gewisser Weise bist du also der Jüngste.“

„Ich wurde … als Letzter … ausgestoßen, denn ich war der Erstgeborene und Papas Liebling!“ All das entsprach der Wahrheit, aber das war Zeus egal. Hades war bewusst, dass er darüber nicht überrascht sein sollte. Von dem Moment an, als Zeus seine Geschwister aus den Tiefen des Bauchs ihres Vaters befreit hatte, verhielt er sich so, als wäre er der älteste Sohn, mit all den Privilegien, die damit einhergingen.

„Nur weil ich die Toten meisterhaft beherrscht habe, heißt das nicht, dass ich mit ihnen leben will! Ich sollte ein Mitspracherecht haben, wo ich auf ewig leben werde“, verlangte Hades und fühlte die Hitze des Zorns in sich aufsteigen. So hatte er sich noch nie gefühlt. Die Hitze und das Brennen, als würde er von einem Feuer verzehrt werden, bis schließlich sein Körper in Flammen aufging und alles um ihn herum versengte.

Zeus schmunzelte nur und schüttelte den Kopf. „Damit wäre das geklärt. Wir sind also alle für unsere Rollen gemacht. Ich werde über den Himmel herrschen, Poseidon über das Meer und Hades über die Unterwelt. Es sei denn, es gibt irgendwelche Einwände, Hades? Du kannst natürlich gern die Titanen freilassen, um zu sehen, ob du noch Papas Liebling bist. Wir könnten wieder einen zehnjährigen Krieg führen.“

Was waren schon zehn Jahre für einen Gott? Aber die Wahrheit war, Hades wollte nicht gegen seinen Bruder kämpfen, zumindest damals nicht. Also stimmte er zu, die Unterwelt zu regieren, um des Friedens willen und für die Familie. Wie schlimm konnte es schon werden?

Und so wurde Hades zum Herrscher der Unterwelt. Aber das war nicht das Ende seiner Geschichte. Es war erst der Anfang.

KAPITEL II

Das Zerbrechen der Welten

Die Welten wurden bereits viele Male zerbrochen: von den Göttern, von Hexen und ungeschickten Menschen, die sich in Magie versuchten, die sie nicht verstanden. An diesem Tag jedoch zerbrachen die Welten so heftig, dass selbst der Gott Hades nicht wusste, ob er sie je reparieren könnte. Aber wie ihr bald erfahren werdet, war Hades der Einzige, der die Dinge in Ordnung bringen konnte, da er unsere Schicksale auf eine Weise verknüpfte, die wir nie für möglich gehalten hätten. Wenn ihr die anderen Geschichten aus dem Buch der Märchen gelesen habt, wisst ihr, dass dies nicht Hades’ erster Besuch in den Vielen Königreichen war. Aber es war das erste Mal, dass Hazel und Primrose seine Bekanntschaft machten, Hunderte von Jahren nach seinem ersten Besuch in den Königreichen und eine lange Zeit nachdem er den Thron in der Unterwelt bestiegen hatte.

An diesem Tag standen Hazel und Primrose im Hof im Schatten des alten steinernen Herrenhauses, das auf dem höchsten Hügel des Waldes der Toten thronte. Sie dachten über die Geschichte ihres Königreichs nach und über die Ereignisse, die sie zu Königinnen dieses Landes gemacht hatten.

Die Königinnen der Toten regierten dieses Reich schon länger als die Zeit selbst. Vor Hazels und Primrose’ Herrschaft waren die Königinnen des Waldes der Toten für ihre Grausamkeit und ihre unergründlichen totenbeschwörerischen Kräfte bekannt gewesen. Sie verlangten, dass alle Toten aus den umliegenden Dörfern in ihrem Reich begraben wurden, damit sie die Herrschaft über sie übernehmen konnten. Diejenigen, die dem nicht nachkamen, wurden abgeschlachtet und in die Reihen der Untoten im Wald der Toten aufgenommen. Die Kräfte der Königinnen und die Geheimnisse ihres außergewöhnlich langen Lebens wurden an jede neue Generation weitergegeben, von der Mutter an die Töchter. Die Überlieferungen sind durchdrungen von Blut und Trauma, und das Königreich blieb ein trostloser und todbringender Ort, bis Hazel und Primrose, Töchter der vorherigen Königin, ihren Platz als Herrscherinnen des verwunschenen Reiches einnahmen.

Hunderte von Jahren zuvor lebten Hazel und Primrose als Kinder im Wald der Toten mit ihrer Schwester Gothel und ihrer Mutter Manea, der Königin der Toten. Als sie alle volljährig wurden, erwartete Manea von ihnen, ihr Blut anzunehmen, damit sie ihre Macht an sie weitergeben konnte. Als Hazel und Primrose sich weigerten, versuchte Manea, ihnen ihr Blut aufzuzwingen, und ließ Gothel keine andere Wahl, als ihre eigene Mutter zu töten. Die Geister-Königin Manea rächte sich an Primrose und Hazel, tötete sie und ließ Gothel allein zurück, die verzweifelt nach einem Weg suchte, ihre Schwestern von den Toten zurückzuholen. Viele Jahre lang, auch noch bis weit nach Gothels Tod, schliefen Primrose und Hazel den Schlaf der Toten, bis sie eines Tages wiederbelebt wurden und sich auf den Weg zurück in die einzige Heimat machten, die sie kannten: den Wald der Toten. Dort wurden sie Freundinnen und Verbündete von Circe und schlossen sich ihr im Kampf gegen ihre Mütter Lucinda, Ruby und Martha an, die den Wald der Toten beherrschen und Dunkelheit und Schrecken in allen Reichen verbreiten wollten. Die Verdrehten Schwestern waren zu diesem Zeitpunkt so verwirrt, dass sie jeden Sinn für Vernunft verloren hatten und ihre Herzen nur noch von Hass erfüllt waren. Es war ein langsamer Prozess gewesen, der sie in diesen Zustand gebracht hatte, aber ihr Wahnsinn schien von Anfang an vorherbestimmt gewesen zu sein.

Als die Verdrehten Schwestern weit, weit jünger waren, hatten sie eine kleine Schwester namens Circe, die sie mehr als alles andere liebten. Sie war ihr Ein und Alles, ihr leuchtender Stern, ihre größte Liebe, und sie war ihnen wertvoller als ihr eigenes Leben. Eines Tages wurde sie ihnen auf tragische Weise durch einen herzzerreißenden Unfall entrissen – an dem Tag, an dem Maleficent sich in einen Drachen verwandelte und in einem Anfall von Wut und Trauer die Feenländer verbrannte. Die Verdrehten Schwestern gaben Maleficent keine Schuld, aber in ihrer Trauer machten sie es sich zur Aufgabe, eine weitere Schwester zu erschaffen, indem sie einen Zauberspruch ersannen, der die besten Teile von ihnen selbst nutzte. Sie benutzten alte und gefährliche Magie, die von den Königinnen der Toten geschaffen worden war, Magie zur Erschaffung von Töchtern. Und genau das taten sie. Sie erschufen eine Tochter aus Blut und Magie, ohne zu wissen, dass dies langsam alles Gute in ihnen auswaschen und sie schließlich in den Wahnsinn treiben würde. Aber sie hatten ihre Circe zurück, und sie nannten sie Schwester statt Tochter und erzählten ihr nie die Wahrheit über ihre Herkunft.

Viele Jahre später erfuhr Circe mithilfe von Schneewittchen, was die Verdrehten Schwestern getan hatten. Sie hörte, dass die Verdrehten Schwestern zu viel von sich selbst gegeben hatten, um sie zu erschaffen, was sie in teuflische Hexen verwandelt hatte, die genauso abscheulich waren wie die Königinnen der Toten. Circe ahnte, dass sie keine andere Wahl hatte, als sich zu opfern, in der Hoffnung, dass sie den Verdrehten Schwestern das zurückgeben konnte, was sie bei ihrer Erschaffung verloren hatten.

Durch diese Tat gelangten die Verdrehten Schwestern und Circe in das Zwischenreich zwischen den Lebenden und den Toten, wo Circe über ihre Mütter wachen konnte, bis sie sich entschied, was sie tun wollte.

Es war einige Wochen her, dass Circe sich das Leben genommen hatte, um sie alle zu retten. Seitdem warteten Hazel und Primrose in der Hoffnung, dass Circe zu ihnen zurückkehren würde. Aber je mehr Zeit verging, desto mehr verloren sie den Glauben daran und desto tiefer rutschten sie in die Verzweiflung ab. Alles, was Hazel und Primrose noch blieb, waren Trauer und Schmerz.

Der Wald der Toten fühlte sich jetzt noch einsamer, da Schneewittchen zurück nach Hause in ihr eigenes Königreich gereist war. Circe und Schneechen waren Cousinen, gute Freundinnen und die besten Gefährtinnen. Schneewittchen stand beim Kampf gegen die Verdrehten Schwestern an der Seite von Circe, Primrose und Hazel und betrauerte Circes Tod zutiefst. Aber sie konnte nichts tun, um ihre Freundin zurückzuholen, egal wie viel Liebe sie in ihrem Herzen trug oder wie viele Tränen sie vergoss. Sie wurde zu Hause bei ihrer Familie gebraucht, und so fuhr sie nach einem tränenreichen Abschied mit ihrer Kutsche davon und versprach, Primrose und Hazel zu schreiben, sobald sie ihr eigenes Königreich erreicht hatte. Als Primrose und Hazel zusahen, wie Schneechens Kutsche zwischen den weinenden Engeln und den uralten Grüften aus dem Hof fuhr, riss sie der Kummer wie ein Sturzbach mit sich.

Sie hatten Circe verloren, und nun war auch noch Schneewittchen auf dem Heimweg. Hazel und Primrose fühlten einen so großen Verlust, dass sie glaubten, der gesamte Wald der Toten teilte ihren Kummer. Sogar die Drachenstatue beim Brunnen unter der moosbewachsenen Eiche und die steinernen Kreaturen auf dem massiven Herrenhaus schienen zu weinen, während die Krähen in den Ästen der neu erblühten Bäume ein Trauerlied sangen.

„Hazel, sieh dir das an“, sagte Primrose. „Die Bäume zeigen ihre Farben, und das Moos ist grün statt grau. Wie ist das möglich?“ Ihre Augen funkelten vor Staunen und dem Hauch von Glück an diesem traurigen Tag.

„Dies mag ein Ort für die Toten sein, aber es muss kein toter Ort sein.“ Hazels Worte erinnerten Primrose an den Wachtraum, den sie über einen mysteriösen Mann namens James gehabt hatte, der sie im Wald der Toten besucht hatte. Er blitzte in ihrem Kopf genauso lebhaft auf, wie er ursprünglich erschienen war, und sie fragte sich, ob der Traum nicht eine Vision von etwas gewesen war, das sich erfüllen würde. Aber in diesem Moment war sie zu abgelenkt, um die Bedeutung von Hazels Worten zu erkennen.

„Hast du das getan? Mit deiner Magie? Warum bin ich nicht darauf gekommen?“ Primrose sah sich die grünen Blätter und kleinen bunten Blüten in den Bäumen an. Sie erinnerten sie an die Zeit, als sie Kinder gewesen waren und Bänder mit bunten Herzen an die toten Äste gebunden hatten. Das war ihre Art gewesen, Farbe und Leben in diesen toten Ort zu bringen. Es machte ihr Herz glücklich zu erkennen, dass sie nun die Macht hatten, den Wald der Toten zu verändern, so wie sie es wünschten. Sie waren jetzt die Königinnen der Toten, und Primrose spürte zum ersten Mal, dass sie hier glücklich sein könnte. Und sie war mehr denn je davon überzeugt, dass ihr Wachtraum ein Blick in die Zukunft gewesen war.

„Das würde Circe gefallen“, sagte Primrose. Sie machte eine Handbewegung, und die roten Blüten wurden größer und leuchtender. Die Farbe von Blut. Dann, plötzlich, blitzte die Erinnerung an Circes grausamen Tod mit einer Gewalt vor ihrem inneren Auge auf und jagte einen entsetzlichen Schmerz durch ihren ganzen Körper. „Ich bekomme das Bild von Circes Tod nicht aus meinem Kopf. Ich glaube, es wird mich für immer verfolgen. Aber, Hazel, ich habe das seltsame Gefühl, dass sie nach Hause kommen wird. Glaubst du, dass das möglich ist?“

„Ich bin mir nicht sicher. Dass sie sich das Leben genommen hat, hält ihre Mütter davon ab, dieses Land und unzählige andere zu zerstören. Die Verdrehten Schwestern scheinen im Zwischenreich glücklich zu sein, wieder sie selbst zu sein. Aber ob Circe sie überreden kann, den letzten Schritt zu gehen?“

„Ich weiß nicht, Hazel. Ich glaube, ich hatte eine Vision von der Zukunft. Wir haben alle zusammen gelacht, Circe, du und ich. Wir unterhielten uns mit einem seltsamen und charmanten Mann, der von der anderen Seite des Meeres angereist war, um uns einen riesigen Kuchen zu bringen. Und wir konnten nicht aufhören zu lachen.“ Primrose lachte schon bei dem Gedanken daran. Dieser Mann mit seiner ungewöhnlichen, aber eleganten Kleidung, einem auffälligen Schnurrbart und einem unverkennbar guten Herzen.

„Ich bin mir sicher, dass du es warst, die mit dem Lachen nicht aufhören konnte. Aber warum sollte er den weiten Weg auf sich nehmen, nur um uns einen Kuchen zu bringen?“, fragte Hazel.

„Es war ein wirklich großer Kuchen! Aber es passierte noch mehr. Circe bat ihn, im Wald der Toten zu bleiben – das taten wir alle –, aber wir konnten ihn nicht zum Bleiben überreden. In meiner Vision war alles so anders. Die Rapunzelblumen waren überall über die Vielen Königreiche verstreut, und die Totenwälder waren mit Leben gefüllt. Sogar Mrs. Tiddlebottom war wieder jung. Vielleicht sollten wir im Buch der Märchen nachsehen, ob es wahr ist. Ich glaube, der Name des Mannes war James. Vielleicht steht seine Geschichte bei uns im Regal.“

Hazel seufzte. „Ich dachte, du hättest Angst davor, in das Buch zu schauen. In der Regel lesen wir doch keine Geschichten, die noch nicht passiert sind.“

„Circe sagte, dass wir die Zeit eines Tages so sehen werden, wie sie es tat – alles auf einmal. Und ich glaube, das passiert mir gerade mit diesen Visionen. Warum sehen wir es uns nicht an? Außerdem finden wir James entzückend. Seine Geschichte zu lesen, könnte eine schöne Abwechslung sein.“ Primrose verließ sich immer auf ihren ansteckenden Optimismus, und genau das war er auch oft, aber dieses Mal ließ Hazel sich nicht beirren.

„Sie sagt auch, dass sie sich an eine Zeitlinie bindet, damit sie nicht den Verstand verliert. Vielleicht sollten wir einfach abwarten, was passiert.“

Primrose fragte sich, ob ihre Schwester recht hatte. „Komm schon, Hazel. Wir sind Hexen. Wir sollten die Zukunft kennen. Was kann es denn schon schaden? Hätten wir alle Geschichten über Circe im Buch der Märchen gelesen, wäre sie vielleicht noch am Leben und könnte jetzt bei uns sein!“

„Oder es könnte viel schlimmer sein. Komm schon, lass uns wieder reingehen, eine Tasse Tee trinken und ein Stück von Schneechens Stachelbeerkuchen essen. Sie hat mehr davon gemacht, als wir essen können, weil du ihn so gern magst.“

Das brachte Primrose zum Lächeln. Sie hatte Schneechen lieben gelernt und vermisste sie bereits, obwohl sie gerade erst gegangen war. Aber wenigstens hatten sie ihren Kuchen.

Als Primrose und Hazel sich auf den Weg zurück ins Haus machen wollten, lenkte sie ein blendend hellblaues Licht ab, das so hell war, dass es überall in den Vielen Königreichen zu sehen sein musste. Das Licht nahm die Form eines wirbelnden blauen Strudels an, der wie eine heiße Flamme brannte. Die Flamme versetzte alles im Wald der Toten in Aufruhr, und die Toten in ihren Gräbern erwachten aus ihrem Schlummern.

Einer nach dem anderen kamen die Toten aus ihren Krypten unter der Erde, wo sie geschlafen hatten, wischten sich Schmutz und Staub von der Kleidung und blinzelten in das helle Licht. Es war Jahre her, seit Primrose und Hazel die Armee der Toten zu Gesicht bekommen hatten. Sie waren seit der Zeit ihrer Mutter nicht mehr auf diese Weise beschworen worden, und die beiden Frauen verstanden nicht, welche Macht sie wieder zum Leben erweckt hatte. Seit Jahrhunderten hatten die Königinnen vor ihnen ein Heer von Toten unter sich gehortet, und nun standen diese armen Seelen vor Primrose und Hazel, ihren Königinnen, und warteten schweigend auf ihre Befehle. Aber Hazel und Primrose verstanden nicht, warum.

Ihr Diener, ihr Beschützer und Meister, ihr liebster Freund Jacob – einst selbst von den Toten auferstanden –, betrat den Garten und sah zu, wie die Toten vor ihnen zum Leben erwachten.

„Jacob, was geschieht hier? Warum passiert das?“ Aber Primrose erkannte an seinem Gesichtsausdruck, dass auch er es nicht wusste.

Wie die meisten Hexen konnte Primrose Gedanken lesen, daher hörte sie Jacobs Gedanken. Er war von Panik ergriffen und befürchtete, die Verdrehten Schwestern hätten ihren Weg aus dem Zwischenreich gefunden und wären zurückgekommen, um sie zu vernichten.

Primrose hatte ihm gegenüber ein schlechtes Gewissen wegen all der schrecklichen Dinge, die er im Laufe der Jahre aus Loyalität zu den Königinnen der Toten erlebt hatte. Sie sah, dass es ihm zu schaffen machte. Eines Tages würde sie seine Geschichte im Buch der Märchen lesen. Sie war sicher, dass sie mehr enthalten würde als das, was in dem den Verdrehten Schwestern gewidmeten Kapitel zu lesen war. Aber das bildete schon mal einen guten Anfang.

„Keine Sorge, Jacob. Das ist nicht die Magie der Verdrehten Schwestern. Ich spüre sie nicht unter uns.“ Primrose blinzelte in das helle Licht des Strudels, als sich eine Gestalt aus dem Inneren herauskristallisierte. Nein, dies war jemand völlig Unerwartetes. Jemand, der viel mächtiger war. Als die Figur Gestalt annahm und in den Fokus rückte, wussten sie plötzlich, wer dieser legendäre Gott war. Er erschien uncharakteristisch still und ernst, und seine Augen leuchteten gelb auf seiner blassblauen Haut. Sein Mantel wirbelte Rauchschwaden auf, die sich wie Tentakel bewegten und sich wie ein großer, schwelender Leviathan ausbreiteten. Sein Haar glühte wie blaues Feuer, und in seinen Armen lag Circe, ihre Haut glühte blau vom Licht des Wirbels hinter ihnen.

Ende der Leseprobe