Doctor Not Perfect - Louise Bay - E-Book

Doctor Not Perfect E-Book

Louise Bay

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ist Doctor Perfect auch der perfekte Mann für sie?

Für alle scheint Dr. Zach Cove perfekt zu sein: gut aussehend und charmant, ein brillanter Arzt und fürsorglicher Sohn und Bruder. Doch für seine Praxishilfe Ellie Frost ist er alles andere als Doctor Perfect, denn Zach verhält sich ihr gegenüber total abweisend. Aber Ellie ist auf den Job angewiesen, und so bringt sie ihm selbst im größten Sturm wichtige Dokumente auf eine abgelegene schottische Insel. Womit sie allerdings nicht gerechnet hat, ist, plötzlich mit ihrem attraktiven Boss eingeschneit zu sein, und dabei eine Seite an Zach kennenzulernen, die sie ihren Vorsatz, keinen Mann mehr in ihr Leben zu lassen, gewaltig überdenken lässt ....

»Louise Bay schreibt Geschichten fürs Herz. Wieder ein Herzensbuch mehr auf meiner Liste.« lovelybooksandtravel über Doctor Off Limits

Band 2 der DOCTOR-Reihe von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Louise Bay

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 380

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



INHALT

Titel

Zu diesem Buch

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

Epilog

Die Autorin

Die Romane von Louise Bay bei LYX

Impressum

LOUISE BAY

Doctor Not Perfect

Roman

Ins Deutsche übertragen von Wanda Martin

ZU DIESEM BUCH

Nach der schlimmen Trennung von ihrem Freund schwört Ellie Frost den Männern ab und will stattdessen endlich ihren großen Traum verfolgen, Köchin zu werden. Die Gebühren für die renommierte internationale Koch-schule sind jedoch teuer, weshalb sie kurzerhand einen Job als Praxishilfe annimmt. Sie soll Dr. Zach Cove bei der Gründung seiner Privatpraxis unterstützen, aber als sie den jungen Arzt kennenlernt, verschlägt es ihr die Sprache: Noch nie hat sie so einen attraktiven Mann getroffen – bis er den Mund öffnet. Für alle anderen ist Zach Doctor Perfect, aber Ellie merkt schnell, dass er alles andere als perfekt ist. Er verhält sich ihr gegenüber total abweisend. Doch Ellie braucht den Job dringend und gibt alles dafür – selbst wenn das bedeutet, Zach während seines Kurzurlaubs wichtige Dokumente bis auf eine abgelegene schottische Insel zu bringen. Womit sie allerdings nicht gerechnet hat, ist, dort zusammen mit ihrem gut aussehenden Boss eingeschneit zu sein und ihn von einer ganz anderen Seite kennenzulernen. Einer Seite, die sie ihren Vorsatz, keine Beziehung mehr einzugehen, gewaltig überdenken lässt …

1. KAPITEL

ELLIE

Ich stelle den Kragen auf, damit mir der Nebel nicht in den Nacken kriecht, und gehe hoch zu der großen schwarzen Tür in der Wimpole Street. Es fühlt sich an, als wäre ich das erste Opfer in einem Horrorfilm – dasjenige, das einen Vorgeschmack darauf gewährt, welches wahre Grauen sich noch über der weiblichen Hauptfigur ergehen wird, mit der die Zuschauer tatsächlich mitfühlen. Schaudernd nehme ich mir innerlich vor, wenn ich nach Hause komme, irgendwas mit Reese Witherspoon oder Sandra Bullock in der Hauptrolle zu gucken. Ich muss weg von Netflix’ Harlan-Coben-Verfilmungen. Ich hole mein Handy heraus und scrolle durch die letzte E-Mail meines neuen Chefs Dr. Zachary Cove. Wie beschrieben drücke ich auf die Klingel von Dr. Williams.

Die Gegensprechanlage klickt, doch niemand sagt etwas.

»Hallo?«, rufe ich.

Als die Tür entsperrt, fängt mein Herz an zu rasen. Ich versuche, meine innere Sandra Bullock in Selbst ist die Braut heraufzubeschwören und meine innere Sandra Bullock in Das Netz abzuschütteln.

Es ist doch bloß Nebel.

Der ist nicht bedrohlicher als Regen. Das hat überhaupt nichts zu bedeuten. Bloß womöglich meine bevorstehende Ermordung – kein großes Ding.

Im Hausflur liegt ein abgenutzter Parkettboden, der wahrscheinlich einmal wunderschön ausgesehen hat und das auch wieder könnte, wenn jemand Arbeit hineinstecken würde. Ich trete ein, lasse die Tür hinter mir zufallen und bemühe mich gar nicht erst, das die Treppe zum ersten Stock hinaufhallende Klackern meiner Absätze abzuschwächen. Es ist mein neuer Job, im Wartebereich am Empfang zu sitzen, Anrufe zu beantworten, Termine zu vereinbaren, neue Patienten anzumelden, Diktate abzutippen und weitere organisatorische Aufgaben zu erledigen, die alle so in der Privatpraxis eines Arztes anfallen, der zwei Tage die Woche anwesend ist. Es handelt sich um die erste mehr als den Mindestlohn einbringende Stelle, für die ich ein Vorstellungsgespräch gekriegt habe. Da sich meine Berufserfahrung darauf beschränkt, Shanes Karriere zu managen, bin ich dankbar für überhaupt irgendeinen Job. Meinen akribischen Berechnungen zufolge bringt mir diese Arbeit genug ein, um in nur neunzehn Monaten mein Sparziel zu erreichen – was sie somit zu einer macht, die ich behalten möchte. Ganz egal, was von mir verlangt wird. Vor ein paar Wochen entdeckte ich einen Flyer für eine Teilzeitstelle an einem Laternenpfahl. In fetten Großbuchstaben stand darauf, dass die Bezahlung hervorragend sei, also rief ich an. Wie sich herausstellte, habe ich doch meine Grenzen und bei Drogenhandel ist Schluss. Aber solange die Arbeit legal und gut bezahlt ist, mache ich sie.

Wie es in der E-Mail geheißen hat, befindet sich an der zweiten Tür im Flur im ersten Stock ein durchsichtiges Acrylschild, auf dem in schlichter schwarzer Schrift »Dr. Cove« steht und etwas kleiner darunter in großen Druckbuchstaben »Gastroenterologe«. Ich seufze erleichtert, und meine Schultern sacken herunter, als sich bestätigt, dass ich am richtigen Ort bin.

Ich habe meinen Chef bisher nicht kennengelernt, nur mit ihm telefoniert, aber die Agentur meinte, es sei normal, dass man bei einer zeitlich befristeten Anstellung einfach so ohne ein persönliches Vorstellungsgespräch anfängt. Dr. Cove hat zwar erwähnt, es könne eventuell eine Festanstellung daraus werden, aber ich brauche den Job nicht länger als neunzehn Monate, maximal einundzwanzig, wenn man unvorhergesehene Ausgaben mit einkalkuliert. Wenn ich richtig gerechnet habe – was ich habe, denn seit ich am Montag die Jobzusage bekam, war ich mit nichts anderem beschäftigt –, werden neunzehn Gehaltsschecks reichen, um so viel anzusparen, dass ich mit meinem Leben weitermachen kann. Da ich vor zehn Jahren die furchtbar schlechte Entscheidung traf, die Uni abzubrechen, um in Vollzeit die aufkeimende Rennfahrer-Karriere meines Ex-Freundes zu managen, habe ich keine echten Qualifikationen, und meine Arbeitserfahrung zählt anscheinend nicht weiter. Jemanden zu »managen« bringt viele undefinierbare, schwer zu beschreibende Aufgaben mit sich, was ich jedoch erst gemerkt habe, als ich zum ersten Mal versuchte, einen Lebenslauf zu erstellen. Und obendrein habe ich natürlich keinerlei Referenzen, weil mein ehemaliger Chef auch mein Ex-Freund ist und ich lieber nackt auf einem Werbeaufsteller mitten am Oxford Circus hocken würde, als ihn um irgendetwas zu bitten.

Ich dränge meine Vergangenheit in die hinterste Ecke meines Verstands und öffne die Tür zum Büro. In seiner letzten E-Mail meinte Dr. Cove, er werde gegen zehn da sein und dass ich mich bis dahin schon mal »einrichten« solle.

Der Raum ist hell, was mich überrascht. Vielleicht weil ich im Nebel angekommen bin, habe ich mit einem fensterlosen Raum gerechnet, in dem sich nichts außer einem altmodischen OP-Tisch und einem Tablett mit Skalpellen befinden. Ich scheine aus meiner Horrorvorstellung in ein unscheinbares Wartezimmer entkommen zu sein. Es befindet sich auf der Vorderseite eines georgianischen Stadthauses und hat drei große Schiebefenster, die zur Straße hinausgehen. Der Raum ist nicht groß. Offensichtlich wurde die Etage in mehrere Arztpraxen aufgeteilt; durch eine eingezogene Zwischenwand in der Mitte dieses Raums macht er mit den acht Stühlen und dem Schreibtisch einen leicht beengten Eindruck. Zwar war ich noch nie in einer Privatpraxis, aber ich hatte erwartet, sie wäre ein bisschen … smarter und eleganter. Ich nehme meine Handtasche ab und stelle sie auf den Schreibtisch, behalte jedoch die Jacke an. Es ist kalt. Ich besehe mir den im viktorianischen Stil gehaltenen Heizkörper unter dem Fenster und entdecke einen Thermostat. Als ich ihn aufdrehe, fängt er an zu gluckern. Ich fasse das als Zeichen auf, dass er zu heizen anfängt. Bei dem Heizkörper hinter meinem Schreibtisch mache ich es genauso.

Wenn man sich im Raum umsieht, ist eindeutig, dass die Einrichtung besser funktionieren würde, wenn man einen Stuhl wegnimmt und meinen Schreibtisch mit Blick zum Fenster stellt. Das werde ich Dr. Cove vorschlagen, wenn er eintrifft.

In der Ecke steht ein kleiner Tisch, auf dem sich Zeitschriften stapeln, daneben eine wuchernde Palme, die aussieht, als würde sie dem Magazin Country Living Schatten spenden und – ich blättere den Stapel durch – der australischen Vogue von November 2005. Ich glaube, das können wir besser.

Ich setze mich auf meinen Schreibtischstuhl und mache eine 360-Grad-Drehung. Als Shanes Managerin habe ich immer von unserer Küche aus gearbeitet. Ich hatte nie einen richtigen Bürostuhl. Die Schreibtischschubladen sind abgesehen von einer Ein-Pence-Münze und einer Büroklammer leer. Es gibt keinen Computer, nichts. Keinen Schreibblock, keine Stifte oder Haftnotizen. Ich habe zum Glück wie immer einen Notizblock und Stift in meiner Tasche. Nur eins ist noch besser als frisch gebackener Apfelkuchen, und zwar gutes Büromaterial.

Ich stehe auf und gehe zwei Schritte auf die Tür in der Zwischenwand zu. Dahinter muss sich das Behandlungszimmer von Dr. Cove befinden. Es ist abgeschlossen.

Wie soll ich mich denn »einrichten«? Es gibt überhaupt nichts zu tun. Ich schlendere rüber zu den Fenstern, die mal ordentlich geputzt werden könnten. Vielleicht finde ich ja Putzzeug, das zur allgemeinen Verfügung steht.

Ich verlasse das Büro, um mich umzuschauen. Sämtliche anderen Türen auf dieser Etage sind zu, und selbst als ich ein Ohr an die gleich gegenüber der Treppe presse, höre ich nichts. Jemand hat mich hereingelassen. Sicher ist die Person noch im Gebäude.

Ich bin auf der Hälfte des Treppenabsatzes zum nächsten Stock, als jemand ruft: »Hallo?«

»Hi«, antworte ich, dann lugt eine Frau mit schwarzem Haar und äußerst akkuratem Pony über das Geländer. »Ellie Frost?«

Ich lächle. Jemand erwartet mich. »Ja. Ich bin Dr. Coves neue Praxishilfe.«

»Richtig, Dr. Cove.« Sie macht ein Geräusch, als hätte sie den Mund voll Schokolade und ließe sie sich genüsslich auf der Zunge zergehen. »Heute ist sein erster Tag, aber ich habe mich im Internet über ihn schlaugemacht.«

Wieso ist mir das nicht in den Sinn gekommen? Wahrscheinlich, weil ich gegoogelt habe: Was macht eine Praxishilfe? Die Stellenausschreibung war da wenig konkret.

»Komm rauf. Hier oben ist die Küche.«

Sie verschwindet, woraufhin ich die Treppe hinauf zu ihr gehe.

Als ich oben ankomme, wird eine winkende Hand aus einem Türrahmen weiter hinten im Flur gestreckt. »Hier drüben.«

Ich gehe auf die Hand zu und finde die Frau in einer winzigen Küche vor, die gerade groß genug für uns beide ist. Sie trägt knallroten Lippenstift, der einen schönen Kontrast zu ihren schwarzen Haaren sowie ihrer schneeweißen Haut bildet und mir niemals stehen würde.

»Ich bin Jen. Du bist Ellie. Ich führe dich mal herum – wobei es nicht viel zu sehen gibt. Erstens: Hier drin spielt sich alles ab. Schon klar, es ist wie ein begehbarer Schrank, aber wenn man die Tür zumacht, ist die Küche praktisch schalldicht. Wenn du mal Dampf ablassen musst, komm hierher. Mach das unter gar keinen Umständen auf dem Klo. Da sind immer Patienten. Keine Ahnung, ob die dort auf der Lauer liegen, aber ich bin schon etliche Male dabei ertappt worden, wie ich über Dr. Newman gemeckert habe.« Sie seufzt, als müsste es ihr erlaubt sein, sich wo immer sie will über ihren Chef aufzuregen. Sofort ist sie mir sympathisch. »Das hier ist unser Rückzugsort. Außerdem ist hier meistens eins von uns Mädels anzutreffen, bei dem man seinem Ärger Luft machen kann. Wir stehen unsere Zusammenbrüche sozusagen im Team durch.«

Bei ihr klingt es so, als würden wir für Elon Musk arbeiten oder so. Wie schlimm können diese Ärzte schon sein?

»Ich hoffe, Dr. Cove wird ein angenehmer Chef. Ich habe ihn noch nicht kennengelernt –«

Sie hält mir die ausgestreckte Hand vors Gesicht, sodass ich innehalte. »Er ist Arzt. Also wird er ein schwieriger Chef sein. Das steht fest. Wenigstens ist er nur zweimal die Woche da. Die halten sich alle für Götter, und da du kein Medizinstudium absolviert hast, wird er denken, du besäßest keine zwei miteinander verbundenen Gehirnzellen. Meiner Erfahrung nach sind sie alle gleich.«

»Arbeitest du schon lange hier?«

Sie zuckt mit den Schultern. »Für Dr. Newman seit zwei Jahren. Davor war ich bei Dr. Scalding in der Harley Street.«

»Und das ist Dr. Coves erste Privatpraxis?«, frage ich.

»Ja, er ist ein Neuling. Was bedeutet, er ist jung.« Sie zwinkert mir zu, als hätte sie mich in ein Geheimnis eingeweiht, aber Achtung, Eilmeldung: Hat sie nicht. »Die meisten fangen in seinem Alter an. Sie machen ihren Facharzt und beginnen dann, ein paar Tage die Woche in einer Privatpraxis zu arbeiten.«

»Wegen des Gelds?«, frage ich.

»Ja, hauptsächlich, aber manchen gefällt der intensive Patientenkontakt im Vergleich zum Krankenhaus, wo sie viel mehr Menschen betreuen und weniger Zeit für jeden einzelnen haben. Außerdem gibt es weniger Orga-Kram zu erledigen, schließlich werden wir dafür bezahlt, uns darum zu kümmern.«

»Ich bin erst mal nur befristet hier«, verrate ich. »Hoffentlich kann ich länger bleiben.« Zumindest so lange, bis ich das Geld fürs Cordon Bleu zusammenhabe.

Sie zuckt mit den Schultern. »Diese Ärzte sind so schlecht in allem Organisatorischen, dass sie entweder vergessen, dich zu bezahlen, oder, dir zu kündigen.«

Mir rutscht das Herz in die Hose. Vergessen, mich zu bezahlen? »Kann ich Variante eins auslassen und lieber die zweite haben?«

»Klar.«

Ich werde eine so unfassbar gute Praxishilfe sein müssen, dass er den Gedanken nicht ertragen kann, ohne mich klarkommen zu müssen. Wenn überhaupt, wird er solche Angst haben, mich zu verlieren, dass er mich überbezahlt. Wenn ich Shanes Rennfahrer-Karriere managen konnte, dann schaffe ich es auch, die Termine eines neuen Facharztes zu koordinieren, der nur zwei Tage die Woche Patienten behandelt, und ihn dazu zu bewegen, mich pünktlich zu bezahlen. Alles muss leichter sein, als Shane dazu zu kriegen, etwas zu tun, was er nicht wollte, aber gut für seine Karriere war – zum Beispiel, nicht jede Frau, die ihm über den Weg läuft, »Süße« zu nennen. Außerdem gab es da diesen Twitter-Vorfall, als er ein GIF von @KeinFrauenwahlrecht geretweetet hat.

»Danke für die Vorwarnung. Ich werde zusehen, mich unvergesslich zu machen.«

»Das ist die richtige Einstellung«, sagt sie. »Solange du ihre Launen und schlechten Manieren nicht persönlich nimmst, wirst du super klarkommen.«

Ich lächle. »Danke. Du meintest, du hast dich im Internet über Dr. Cove schlaugemacht. Irgendwas, das ich wissen sollte?«

»Nein, abgesehen vom Offensichtlichen nichts. Keine Skandale. Keine Anzeigen bei der Ärztekammer.« Sie zieht die Tür auf. »Komm, ich zeige dir, wo die Toiletten sind.«

Abgesehen vom Offensichtlichen? Ich hätte ihn wirklich selbst nachschlagen sollen.

»Tatsächlich wollte ich mir eine Rolle Küchenpapier holen und –« Ich schaue nacheinander in die Küchenschränke, bis ich einen Glasreiniger gefunden habe. »Und den hier. Die Fenster sind etwas verdreckt.« Innerlich nehme ich mir vor, später Wasser für Pamela die Palme zu holen.

»Dafür kommt eine Putzfirma.«

»Ach, das geht schon in Ordnung. Ist ja nicht so, als hätte ich viel zu tun. Außerdem muss ich mich unvergesslich machen. Du erinnerst dich?«

Ich folge Jen aus der winzigen Küche den Flur entlang. »Es gibt einen Wasserspender in der Praxis, aber keine Kaffeemaschine, oder? Es ist jetzt keine Riesensache, besonders da Dr. Cove gerade erst anfängt, aber irgendwann muss er eine anschaffen.«

Ich nicke und merke es mir. Vielleicht kriege ich irgendwann ein Budget, über das ich verfügen kann.

»Dr. Newman hat zwei Jahre gebraucht, aber vor ein paar Monaten haben wir eine dieser kleinen Kaffeemaschinen bekommen. Die Patienten lieben sie. Da haben sie eine Beschäftigung, wenn er zeitlich hinterherhinkt.«

»Kommt das oft vor? Oder dass auf Testergebnisse gewartet wird oder …« Ich verstumme, als mir klar wird, dass ich keine Ahnung habe, ob Patienten auf Testergebnisse warten werden. Brauchen Gastroenterologen Blutbilder?

»Ständig. Ach, ich habe Dr. Cove bei TBTC angemeldet, dem medizinischen Labor weiter die Straße rauf. Mit dem arbeiten alle zusammen. Wenn seine Patienten ein Blutbild brauchen, schickst du sie dorthin.«

»Danke«, erwidere ich. »Sonst noch was, das ich wissen sollte? Für mich ist eventuell selbst das Offensichtliche gar nicht so offensichtlich.« Ich brenne darauf zu wissen, was sie so offensichtlich findet – in Bezug auf den Job genauso wie auf Dr. Cove.

Sie deutet in Richtung der Toiletten, als wir am unteren Ende der Treppe angelangen.

»Ich glaube, das war alles, aber ich bin gleich hier nebenan, falls du irgendwas brauchst.«

Wir bleiben vor der Tür stehen.

»Du weißt nicht zufällig, wo ich einen Computer herbekomme?«

Sie schüttelt den Kopf. »Nein, sorry. Vielleicht schickt dich Dr. Cove los, um einen zu kaufen. Die sind am Anfang alle ziemlich ahnungslos. Aber es gibt eine IT-Support-Nummer, an die sich alle Ärzte hier im Gebäude wenden können.«

Die wird nützlich sein, falls ich jemals einen Computer kriege. Vielleicht ist Dr. Cove einer von der altmodischen Sorte, die alles gern noch handschriftlich erledigen. Gott, ich hoffe nicht.

»Okay, na, ich mache mich mal ans Fensterputzen und melde mich später.«

»Ciao.« Als sie mir einen Handkuss zuwirft, lächle ich, als wäre es ganz normal, wenn das eine nahezu Fremde macht.

Ich kehre zurück in die Praxis und fange an, die Fenster zu putzen. Die Möbel werde ich erst umstellen, wenn ich meinen neuen Chef kennengelernt und herausgefunden habe, was er mag und was nicht. Ich werde mich nicht gleich vom Start weg unbeliebt machen. Aber über saubere Fenster kann sich niemand beschweren.

Ich trage einen knielangen schwarzen Rock, der ein bisschen zu eng ist, aber wenn ich ihn hochziehe, schaffe ich es, mich auf einen der Besucherstühle zu stellen, um an die obere Hälfte der Fenster zu gelangen. Ich bin mir zu achtundsiebzig Prozent sicher, dass keiner der Passanten unten meine Unterwäsche sehen kann – aber hauptsächlich deshalb, weil achtundsiebzig Prozent von ihnen nicht nach oben schauen werden.

Als die Tür zum Wartezimmer mit einem Knall auffliegt, schreie ich auf und falle hin.

Das Nächste, was ich weiß, ist, dass ich die Augen aufmache und zu einem griechischen Gott über mir hochschaue.

»Was machen Sie da?«, fragt er.

Ich starre den perfektesten Mund an, den ich je gesehen habe. Seine Lippen sind voll und von der Farbe reifer Kirschen, und sein Amorbogen hat Spitzen, auf die selbst der Mount Everest neidisch wäre. »Ich glaube, ich brauche eine Mund-zu-Mund-Beatmung.« Die Worte sind schon draußen, ehe mein Hirn sämtliche Informationen zusammenfügen und realisieren kann, dass ich wahrscheinlich mit meinem Chef rede.

»Sie waren bloß eine Sekunde weg. Sie müssen sich aufrecht hinsetzen.«

Ein Prince Charming ist er definitiv nicht, denn er hält mir nicht einmal eine helfende Hand hin. Als ich mich in eine sitzende Position hochdrücke, trifft es mich wie der Schlag. Mein Rock hängt mir praktisch um die Ohren. Na toll. Ich hoffe sehr, das hier ist Dr. Newman, der nach der Topfpalme sehen wollte, und nicht etwa mein neuer Chef, auf den ich Eindruck machen will. Nicht nur, dass ich auf den Kopf gefallen bin, ich habe Dr. Perfect soeben auch noch meinen Slip präsentiert. »Geht schon«, sage ich.

»Was haben Sie denn da oben gemacht?«

»Die Fenster geputzt. Die waren ein bisschen dreckig.« Ich kneife die Augen zusammen, während ich herauszufinden versuche, welcher Teil meines Kopfs wehtut.

Er runzelt die Stirn. »Machen Sie das nicht noch mal. Es gibt eine Putzfirma, die die meisten Gebäude hier in der Gegend betreut. Lassen Sie sich von Jen die Nummer geben.«

Gern geschehen, unterlasse ich zu sagen.

Als ich mich aufrappele, weicht er zurück, als rechnete er damit, dass ich mich ihm an den Hals werfe. Ich war die letzten zehn Jahre in einer festen Beziehung. Falls ich je so weit sein sollte, wieder mit dem Dating anzufangen, werde ich mich wahrscheinlich tatsächlich vorschnell Männern an den Hals werfen, die ich gerade erst kennengelernt habe – besonders, wenn sie so heiß sind wie dieser hier –, aber heute ist es noch nicht so weit. Diesen Kerl hier will ich beeindrucken. Nicht küssen. Glaube ich.

»Sie sind Dr. Cove?« Wir glauben beide zu wissen, wen wir vor uns haben, aber sich einander förmlich vorzustellen, ist kein ausgeflippter Gedanke. »Ich bin Ellie.«

»Ich habe Ihnen einen Laptop besorgt.« Er nickt in Richtung des in Zellophan verpackten Kartons auf meinem Schreibtisch, während ich versuche, mich darauf zu konzentrieren, was er sagt, statt auf den Bartschatten an seinem seitlichen Kinn. Nach einem Streit mit Shane bin ich mal einen ganzen Nachmittag lang in dem Rabbit Hole versunken, Kieferpartien von Männern zu googeln. Offenbar kommt es bei der Attraktivität von Männern erheblich auf ihre Kieferpartie an. Und ob eine Kieferpartie als attraktiv wahrgenommen wird, hängt von der Länge des Unterkieferasts und des Gonionwinkels ab. Dr. Cove hat den längsten Unterkieferast und den perfektesten Gonionwinkel, den ich je gesehen habe – er ist ein wandelndes Lehrbuch zum Beweis dieser Theorie, denn er ist eine Augenweide. So sehr, dass es irgendwie stört, wenn er redet, weil ich eigentlich bloß sein Gesicht anglotzen möchte. »Ich schlage vor, fürs Erste verwenden wir Google Kalender für Termine.«

Ich schlucke und wende den Blick ab, als wäre seine Kieferpartie nichts weiter. »Okay.«

Ich möchte ihn fragen, ob ich besser ins Krankenhaus sollte, schließlich war ich vor ungefähr neun Sekunden bewusstlos. Kann ich fest davon ausgehen, dass er als Arzt es sagen würde, wenn Grund zur Sorge bestünde? Wie viel wissen Gastroenterologen über Kopfverletzungen?

»Ach, und gehen Sie nicht weg, ohne mir Bescheid zu sagen. Ich muss Sie einige Stunden im Auge behalten, um sicherzugehen, dass Sie keine Gehirnerschütterung haben.«

Ehe ich Gelegenheit habe, etwas zu erwidern, geht er durch die Tür in der Zwischenwand und macht sie hinter sich zu.

War’s das? Kein Umreißen seiner Erwartungen an eine Praxishilfe oder wenigstens ein Überblick, was diese Woche alles ansteht? Ich war so gefesselt von seiner Kieferpartie, dass ich vergessen habe, die grundlegendsten Fragen zu stellen. Ich weiß nicht mal, wann der erste Patient kommt.

Ich straffe die Schultern und ändere meine Einstellung. Ich beschwöre mich, sein gutes Aussehen zu ignorieren, und auch die Tatsache, dass er eben erst meinen Slip gesehen hat, und durchquere entschlossen den Raum, um an die Tür zu klopfen.

»Herein«, ruft er knapp.

Das Sprechzimmer ist noch karger eingerichtet als der Warteraum, es gibt lediglich einen Schreibtisch samt Stühlen vor einem georgianischen Seitenfenster mit Sichtschutz, außerdem eine Untersuchungsliege, ein Waschbecken und einige Schränke. Er hat nicht mal eine Topfpalme.

»Könnten Sie mir sagen, wann Sie Ihren ersten Patienten erwarten?«, frage ich und konzentriere mich dabei auf seine Augen, weil die nicht seine hypnotisierende Kieferpartie sind, doch ich werde kalt erwischt, denn seine Augen sind tiefblau und sein Blick von grüblerischer Intensität. Verflucht, er und sein umwerfendes Aussehen. »Vielleicht könnten wir uns zusammensetzen und ein paar Sachen durchgehen?«

Als ein leiser Aufschrei aus seinem Handy hallt, registriere ich, dass er es in der Hand hält. Ich habe ein Telefongespräch gestört. Ich balle die Fäuste. Ich muss in diesem Job der Hammer sein – meine gesamte Zukunft hängt davon ab – und es fängt nicht gerade gut an.

»Es gibt keine Patiententermine, und ich komme zu gegebener Zeit rüber. Dann können wir etwaige Fragen durchgehen.«

Nickend verlasse ich sein Sprechzimmer.

Ich muss mich sammeln und mir eine Strategie überlegen, wie ich angesichts der Tatsache, dass ich einen umwerfend gut aussehenden Chef mit einer knurrigen Art habe, als eine fähige, proaktive Praxishilfe agiere.

Vielleicht hat er nichts dagegen, sich eine Papiertüte über den Kopf zu ziehen, solange ich mit ihm rede.

2. KAPITEL

ZACH

Irgendetwas stimmt nicht.

Selbst wenn man die Tatsache außer Acht lässt, dass meine einzige Angestellte an ihrem ersten Arbeitstag hingefallen und ohnmächtig geworden ist, ist irgendetwas nicht richtig. Eine Praxis in der Wimpole Street ist etwas ganz anderes als ein Londoner Krankenhaus.

Als mein Handy brummt, hole ich es aus der Hosentasche.

Ich drücke auf Annehmen und lasse mich auf den Stuhl hinter meinem neuen Schreibtisch fallen.

»Wie läuft’s?«, fragt Mum.

»Ich bin eben erst reingekommen«, antworte ich.

»Bist du aufgeregt?«

»Ich bin erst seit fünf Minuten hier.« Tatsächlich bin ich nicht aufgeregt. Vielleicht ist es das, was hier nicht stimmt. Ich eröffne eine eigene Praxis, so wie viele andere meiner Kollegen, die kürzlich Fachärzte geworden sind. Dies ist meine Chance, eigenverantwortlich zu arbeiten, dem ganzen Papierkram und den Ränkespielchen eines Krankenhauses zu entkommen. Es ist eine Chance, richtig Geld zu verdienen und ein dauerhaftes Verhältnis zu meinen Patienten aufzubauen, statt sie einmal für fünf Minuten und dann nie wieder zu sehen. Ich hoffe, durch diese Veränderung werde ich mehr Freude an meiner Arbeit haben.

Noch hat sich bei mir allerdings keine freudige Aufregung eingestellt.

»Wie macht sich deine Praxishilfe? Ich fasse es nicht, dass du jemanden eingestellt hast, ohne sie vorab kennengelernt zu haben.«

»Ich habe mit ihr telefoniert, außerdem ist sie sowieso nur temporär hier.« Und sie war kurzfristig verfügbar. Ihr Lebenslauf las sich etwas merkwürdig, aber am Telefon wirkte sie enthusiastisch. Immerhin einer von uns sollte es sein.

Mein Vater brüllt etwas im Hintergrund.

»Okay, John«, sagt meine Mutter. »Dein Dad möchte wissen, wie du Werbung für dich machst. Er hat in irgendeinem Magazin einen Artikel darüber gelesen. Ich glaube nicht, dass du Werbung brauchst. Es spricht sich herum, welche Ärzte gut sind.« Es entsteht eine Pause. »Aber du hast getan, was so üblich ist?«

Sie nimmt an, ich wüsste, was so üblich ist.

»Du hast Leuten von deiner Praxis erzählt«, schiebt sie hinterher. »Den Kollegen im Krankenhaus und Freunden von der Uni. Solchen Leuten.«

Das schon mal nicht, nein.

»Ich bin dabei.« Als ich mich mit meinem Stuhl herumdrehe, bemerke ich das Whiteboard hinter mir. Das könnte nützlich sein. Eine nach der anderen ziehe ich die Schubladen meines Schreibtischs auf. Sie sind leer. Wir sollten Büromaterial besorgen. »Die im Krankenhaus wissen Bescheid. Und außerdem einige Freunde aus dem Medizinstudium.«

»Hast du eine E-Mail-Adresse und eine Website?«, fragt sie.

Ich ziehe die Luft ein. An eine Website habe ich bislang gar nicht gedacht. »Ich werde mich gleich mit meiner Praxishilfe zusammensetzen, wenn wir aufgelegt haben. Sie muss einiges für mich recherchieren.«

»Eine Marke«, ruft mein Vater im Hintergrund. »Er muss sich eine Marke aufbauen.«

»Hör nicht auf ihn«, sagt Mum. »Konzentrier dich einfach darauf, dich dort einzurichten. Die Arbeit kommt von allein. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«

Ich mache mir keine Sorgen. Das ist ein Teil des Problems. Dad hat nicht unrecht. Ich habe mitbekommen, dass andere Fachärzte bei der Gründung ihrer Privatpraxis Websites und Logos und einen Haufen mit ihrem Schriftzug bedruckter Stressbälle als Give-aways hatten. Die waren alle besser vorbereitet als ich.

»Ja. Es geht schließlich gerade erst los«, sage ich.

»Hast du schon deine Zulassung von den Krankenversicherungen?«

Ich verziehe das Gesicht. Ich weiß immerhin so viel, dass ohne formale Zulassung durch die großen Krankenversicherungen deren Mitglieder keine Termine bei mir machen dürfen. Ohne diese Vertragsarztzulassung habe ich keine Praxis. »Noch nicht. Du weißt doch, solche Sachen dauern immer.« In Anbetracht der Tatsache, dass ich noch nicht alle Unterlagen eingereicht habe, die für eine Registrierung bei den Krankenversicherungen erforderlich sind, ist unwahrscheinlich, dass die Vertragsarztzulassung kommt. Das gehört eigentlich ganz oben auf die To-do-Liste, außerdem eine Website. Und Stifte fürs Whiteboard.

Draußen vor meinem Sprechzimmer höre ich Stimmen. Ich erwarte definitiv keine Patienten. Wahrscheinlich hat sich jemand in der Tür geirrt.

»Egal, ich lege mal besser auf«, sage ich. »Ich habe eine Besprechung mit meiner Praxishilfe.«

»Ich bin stolz auf dich, mein Schatz.«

Ich nicke. Das sagt sie ständig, zu all ihren Söhnen. Sie wäre nicht halb so stolz, wenn sie wüsste, wie locker ich diesen Neustart angehe.

Ich stehe auf und gehe zur Tür. Die Stimmen werden lauter. »Hab dich lieb, Mum. Ich rufe dich später noch mal an, wenn ich kann.« Ich lege auf und öffne die Tür. Ein Clown mit vier Heliumluftballons verlangt, mich zu sehen.

Was an einem Donnerstagvormittag eben so passiert.

»Wie kann ich Ihnen helfen?«, frage ich, womit ich die Tatsache zu übergehen versuche, dass ich mit einem wortwörtlichen Clown spreche.

»Sind Sie Zach Cove?« Er spricht in einem breiten Londoner Cockney-Dialekt, und ich denke unwillkürlich, wenn das hier ein Harlan-Coben-Thriller wäre und ich mit Ja antwortete, würde er womöglich eine Waffe ziehen und mich erschießen.

Wird schon schiefgehen. »Ja, ich bin Dr. Cove.«

»Na, endlich«, sagt er entnervt.

»Congratulations. And celebrations«, fängt er an, den Cliff-Richard-Hit zu singen, den meine Großmutter bei jeder Gelegenheit zum Besten gegeben hat und den stattdessen inzwischen meine Mutter anstimmt.

Womit habe ich das verdient?

Er hält vier Luftballons. Ich hasse alle meine vier Brüder gerade. Ich schätze mal, das war Beaus Idee, und dass Nathan sie bezahlt hat.

Ich stehe da und lasse den Clownstypen machen, wofür er bezahlt wurde.

Als er fertig ist, sieht er mich an und ich ihn und dann reicht er mir die vier Luftballons – einen für jeden meiner Brüder. Sie sind sternförmig und haben alle unterschiedliche Farben. »Er meinte, Sie wüssten, von wem es kommt.«

Als ich nicke, zuckt er mit den Schultern, ehe er sich umdreht und geht.

»Unsere Besprechung kann losgehen«, sage ich zu Ellie, die an ihrem Schreibtisch sitzt und bloß die Tür anstarrt, durch die der Clown gerade hinaus ist. Da können wir eigentlich auch Vorbereitungen erledigen. Als ich wieder in mein Sprechzimmer gehe, springen die Luftballons quietschend hinter mir auf und ab.

»Nur damit ich vorbereitet bin: Wird so was erneut vorkommen?«, fragt sie, als sie mit Notizblock und Stift in der Hand hereinkommt. Sie ist attraktiver, als ich sie mir vorgestellt hatte. Ihre langen braunen Haare sind zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und an den Seiten hängen einzelne Strähnen heraus. Es sieht hübsch aus. Was komisch ist – nicht, dass ihre Haare komisch wären. Es ist nur schon eine ganze Weile her, dass mir die Haare einer Frau aufgefallen sind.

»Schwer zu sagen.« Ich habe gelernt, nicht davon auszugehen, dass meine Brüder nichts Idiotisches anstellen. Das rächt sich immer. Als ich die Luftballons loslasse, bleiben sie unter der Zimmerdecke hängen.

»Tatsächlich?«, fragt sie.

»Rechnen Sie mit dem Unerwarteten«, sage ich, als wäre ich so was wie ein weiser Jedi-Meister. Ich bin mir ziemlich sicher, dass in diesem Job wenig Unerwartetes passieren wird.

»Okay. Würden Sie bevorzugen, dass ich Businesslook trage?« Sie setzt sich auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch. »Oder hatten Sie sich Praxiskleidung vorgestellt? Ich bin da flexibel.«

Ich ignoriere die Regung in meiner Hose bei der Vorstellung, wie sie sich in Hausmädchen-Uniform »flexibel« vor dem Fenster verbiegt.

»Kleiden Sie sich einfach bürotauglich«, erwidere ich. Worum es auch geht, wie mir klar wird, habe ich nicht nur die Vorbereitungen unterlassen, die für dieses neue Kapitel meiner beruflichen Laufbahn erforderlich sind – ich habe noch nicht einmal darüber nachgedacht, was jene Vorbereitungen umfassen. »Vorerst keine Praxiskleidung.« Für die Zukunft würde ich es vielleicht vorziehen, wenn meine Praxishilfe Kasack trägt. Vielleicht auch nicht. Ich kann nicht denken.

»Als Erstes sollten wir Büromaterial bestellen.« Ich nicke mit dem Kinn zum Whiteboard. »Abwischbare Marker wären gut.«

Sie runzelt die Brauen, als merke sie, dass ich eindeutig keinen blassen Schimmer habe, was ich hier mache, schreibt es aber trotzdem auf.

»Außerdem brauche ich Visitenkarten und Briefbögen.« Sonst noch etwas? »Solche Sachen«, füge ich für den Fall hinzu, dass ich etwas Offensichtliches vergessen habe.

»Ja. Was soll denn darauf stehen? Wird Ihre Praxis einen Namen bekommen oder einfach so heißen wie Sie?«

»Einfach wie ich«, sage ich, als wäre ich mir sicher. »Ganz schlichtes Branding.«

»Ich habe festgestellt, dass Sie keine Website haben. Möchten Sie eine erstellt bekommen?«, fragt sie. »Ich könnte mich informieren und vielleicht einige Angebote einholen.«

»Ja. Gut.« Sie ist mir einen Schritt voraus, was beruhigend und verunsichernd zugleich ist.

»Und noch haben keine Patienten Termine bei Ihnen?«

Ich schüttele den Kopf. »Heute ist der erste Tag. Ich brauche die Vertragsarztzulassung von den Krankenversicherungen. Bis dahin werde ich nicht viele Patienten bekommen.«

Sie legt den Kopf schief, wodurch ihr langer Hals zur Geltung kommt. »Hmmm, Sie sind echt attraktiv. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, eine PR-Agentur oder einen Manager zu engagieren? Sie könnten im Fernsehen auftreten. Sie wissen schon, als Ratgeberarzt in einem dieser Frühstücksfernsehenformate.«

Sie ist mit tausend Meilen die Stunde unterwegs, während ich noch nicht mal in den ersten Gang geschaltet habe. »An so was habe ich kein Interesse«, entgegne ich.

Habe ich sie gerade sagen hören, ich sei echt attraktiv?

»Oder kennen Sie irgendwelche Promis?«, will sie wissen. »Ich habe hier und da PR gemacht und kenne ein paar Leute, die ich kontaktieren könnte, damit Sie Berichterstattung kriegen, wenn Sie jemand Berühmtes behandeln.«

»Mal überlegen«, sage ich, ohne den Sarkasmus in meiner Stimme verbergen zu können. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in Bezug auf meine Patienten die Schweigepflicht wahren muss – ob sie berühmt sind oder nicht.«

Sie lacht, als wäre ich derjenige, der etwas Blödes gesagt hat. »Ich würde keine Namen preisgeben – nur könnten wir sagen, dass sie ein ›Promi-Arzt‹ sind. So was in der Richtung, Sie wissen schon. Aber wenn Sie gar kein Interesse daran haben, im Rampenlicht zu stehen …«

»Nein, habe ich nicht.«

Sie nickt und klopft mit ihrem Stift auf den Notizblock. »Haben Sie denn schon mit dieser Beantragung der Vertragsarztzulassung angefangen?«, fragt sie. »Ich könnte Ihnen dabei helfen.«

»Ich bin – ich denke, am besten richten Sie den Computer ein. Und wenn Sie sich damit auskennen, können Sie vielleicht für jeden von uns eine E-Mail-Adresse einrichten. Visitenkarten und außerdem seriös aussehendes Briefpapier, ich denke, das wäre ein guter Anfang.« Ich sollte zumindest Bescheid wissen, was diese Vertragsarztzulassung umfasst, bevor ich die Beantragung an jemanden delegiere.

»Kein Problem«, sagt sie. »Damit werde ich den Rest des Tages beschäftigt sein. Und selbstverständlich werde ich Büromaterial bestellen.«

Ich greife nach meiner Brieftasche. »Sie können diese Kreditkarte für Anschaffungen verwenden.«

»Sehr gut«, gibt sie zurück. »Was ist mit medizinischem Verbrauchsmaterial? Brauchen wir … Handschuhe oder sonst etwas?«

»Dafür sorgt das Gebäudemanagement. Sprechen Sie mit Jen. Ich werde jetzt einige Anrufe erledigen.«

Ich muss gar niemanden anrufen. Aber ich könnte mich über die Vertragsarztzulassung informieren. Außerdem möchte ich einige Ideen für den Krimi festhalten, an dem ich schon seit zehn Jahren schreibe. Es ist eine ganze Weile her, dass ich etwas Nennenswertes geschrieben habe. Die letzten paar Monate habe ich nicht mal versucht zu schreiben, aber da ich keine Patienten erwarte und eine kompetente Praxishilfe zu haben scheine, habe ich zum ersten Mal seit Langem die Gelegenheit, Ideen durchzuspielen. Ob Stifte für das Whiteboard da sind oder nicht.

3. KAPITEL

ELLIE

Ich streue Mehl auf die Arbeitsfläche und lege den Teig darauf.

»Du brauchst dir echt nicht solche Mühe zu machen«, sagt Cynthia, die mir von ihrem Barhocker aus mit einem Glas Wein in der Hand beim Teigkneten zusieht. »Wir hätten doch was bestellen können.«

Ich verdrehe die Augen. Als ob ich Lieferessen bestellen würde. Nicht wenn ich kochen kann. Käse-Zwiebel-Tarte ist zu einhundert Prozent reinstes Wohlfühlessen und entspannt einen schon bei der Zubereitung, weil sie von der Vorfreude darauf begleitet ist, sich in eine kuschelige Decke eingehüllt zu fühlen, wenn sie fertig ist. Und nicht etwa in irgendeine Decke – eine Decke aus Käse.

»Ich möchte mich mit der Küche vertraut machen.« Noch bis vor einem Monat lebte ich mit Shane in einem wunderschönen Haus in Buckinghamshire, das eine mindestens zehnmal so große Küche hatte.

»Ist es viel schwieriger, in einer kleinen Küche zu kochen?«

Bis letzten Monat hatten Cynthia und ich einige Jahre keinen Kontakt. Sie war seit Schulzeiten meine beste Freundin, aber im Lauf meiner Beziehung mit Shane verlor ich alle Menschen in meinem Leben aus den Augen. Selbst meine Beziehung zu meinen Eltern – die sich nie ganz davon erholt hat, dass ich die Uni geschmissen habe – beschränkte sich auf gelegentliche Telefonate. Aber Cynthia zögerte nicht, als ich sie anrief und um Hilfe bei meinem Auszug aus Shanes Haus bat, das ich auch für mein Zuhause gehalten hatte. Wie das Schicksal es so wollte, lief ihr Mietvertrag zur gleichen Zeit aus, als ich eine neue Bleibe brauchte. Jetzt habe ich zum ersten Mal eine Mitbewohnerin. Es ist ein Neuanfang in einer fremden Stadt nach über zehn Jahren mit einem Mann, von dem ich glaubte, ich würde den Rest meines Lebens mit ihm verbringen. Ich bin unbeschreiblich dankbar, dabei eine Freundin an meiner Seite zu wissen.

»Nein«, antworte ich, während ich den Teig mit den Handflächen knete. »Es ist eine gute Übung. Am Cordon Bleu geht es noch enger zu. Man hat ungefähr einen Quadratmeter Platz für seine ganzen Vorbereitungen.«

»Dann ist es eigentlich sogar gut, dass du aus diesem Riesenhaus ausgezogen bist.« Sie schenkt mir das gleiche mitfühlende Lächeln, das ich auch erntete, wenn Leute erfuhren, dass ich Shanes Managerin war.

»Genau.« Ich drücke das eingemehlte Nudelholz auf den Teig und fange an, ihn auszurollen. Ich bemühe mich, das Positive an meiner Trennung von Shane zu sehen. Auf jeden Fall habe ich mehr Zeit zum Kochen. Cynthia ist wieder in meinem Leben. In der Woche, als Cynthia und ich hier einzogen, sind sogar meine Eltern vorbeigekommen. Ich habe nachgerechnet, dass ich sie fast zwei Jahre nicht gesehen hatte. Ich hab klein beigegeben und bin zu Kreuze gekrochen. Nur noch ein Leben lang weiterkriechen, dann fangen sie vielleicht irgendwann an mir zu vergeben, wobei meine Mutter wohl nie aufhören wird zu erwähnen, was für eine Karriere ich hätte hinlegen können, wenn ich nur …

Sie braucht mich gar nicht daran zu erinnern. Meine dumme Entscheidung damals mit achtzehn wird mir ein Leben lang nachhängen wie der Geruch von verbrannten Zwiebeln.

»War nur Spaß«, sagt Cynthia.

»Ich meine es total ernst. Es ist nicht so, als ob ich mir das Haus allein hätte leisten können, wenn die Möglichkeit überhaupt bestanden hätte.«

»Und er war nicht bereit, dir irgendeine Art Abfindung zu zahlen, obwohl ihr so lange zusammen wart?«

»Ich habe ihn nicht danach gefragt. Ich besitze ein paar Ersparnisse.« Ich habe nicht absichtlich Geld vor Shane versteckt, aber still und heimlich jeden Monat einen kleinen Anteil unserer Einkünfte beiseitegelegt. Ich dachte, es wäre für uns – für schlechte Zeiten oder für den Ruhestand. Als dann im Zuge der Trennung klar wurde, dass ich meinen Job, mein Haus und jederlei finanzielle Absicherung verlieren würde, erwähnte ich die Ersparnisse mit keinem Wort. Shane hat sich immer geweigert, mir ein Gehalt zu zahlen – er fand, das sei Unsinn, weil wir ohnehin alles miteinander teilten. Was auch stimmte. Bis sich das dann änderte. Das Ersparte wird mir mit den Ausbildungsgebühren für das Cordon Bleu helfen. Dazu neunzehn Monate bei Dr. Cove.

»Aber du hast gleichzeitig auch deinen Job verloren.«

»Seiner Meinung nach hätte ich bleiben können, wenn ich gewollt hätte. Es war meine Entscheidung zu gehen.«

»Nachdem er dich betrogen hat. Wie kann er da erwarten, dass du bleibst?«

Die kurze Antwort lautet: Weil er ein selbstsüchtiger Depp ist. Ich war verdammt gut in meinem Job. Jemand Besseres wird er nicht finden, das muss ihm irgendwie bewusst gewesen sein. Aber ich wäre auf gar keinen Fall geblieben, während er seinen Kumpels und Fahrerkollegen sowie den Fahrerfrauen, zu denen sich mit den Jahren Freundschaften entwickelt hatten, seine Neue vorführte. Ich habe auf einen Schlag meinen Partner verloren, mein Zuhause, meinen Job und die meisten meiner sozialen Kontakte.

Ich konzentriere mich auf den Teig – er hat die perfekte Konsistenz und ist gleichmäßig dick. Ich habe eine Weile gebraucht, um den perfekten Teig hinzubekommen. Aber wie so oft brauchte es nur genug Übung.

»Entschuldige«, sagt Cynthia. »Ich bin immer noch stinksauer auf ihn.«

»Ich weiß«, erwidere ich. »Er gehört auch nicht zur Top Ten der Leute, denen ich eine Weihnachtskarte schicken werde. Aber ich versuche, das Positive zu sehen und keine Energie mehr an ihn zu vergeuden. Ich habe eine tolle Mitbewohnerin, die gern Wein trinkt, ich komme jetzt öfter zum Kochen, ich habe sogar einen Job.« Ich ertrage es nicht, lange an Shane zu denken. Es ist noch zu frisch. Zu schmerzhaft. Ich halte die Verbrennung noch unter fließendes kaltes Wasser. Für den Wundverband bin ich noch nicht recht bereit.

»Erzähl mir mehr über deinen Chef. Kann ich ihn im Internet nachschlagen? Wie heißt er mit vollem Namen?« Ich nenne ihn ihr, und als sie seinen Namen googelt, kreischt sie auf. »Er sieht umwerfend aus. Ist er Single?«

»Keine Ahnung.« Ich hole meine Tarteform aus dem Schrank. Aus meiner Beziehung mit Shane habe ich nicht viel mitgenommen. Ich hatte keine Bleibe, keine Möbel. Als ich mit ihm darüber sprach, ob ich eines der Autos mitnehme, ist er ausgerastet und meinte, die seien von seinem Geld gekauft worden. Also erwähnte ich die Küchenausstattung mit keinem Wort. Er war an dem Wochenende verreist, als ich auszog, und ich packte jedes einzelne Küchenutensil ein. Ich ließ ihm ein Messer, eine Gabel, einen Löffel und einen Teller. Den Rest – jedes Glas, jeden Schneebesen, jede Kuchenform – nahm ich mit.

»Hat Dr. Umwerfend eine Frau oder Freundin erwähnt? Hatte er ein Foto auf dem Schreibtisch stehen oder einen Ring am Finger?«

Okay, gut, ich habe seinen Ringfinger abgecheckt. Ich schätze, das war mein Fortpflanzungsinstinkt oder so. Shane und ich sind so lange zusammen gewesen, dass es eine Weile her ist, seit ich gut aussehende fremde Männer überhaupt wahrgenommen habe – aber dass der Radar bei Zach Cove nicht anschlägt, ist selbst bei meiner Gleichgültigkeit rein biologisch unmöglich. »Ich habe mich auf meine Arbeit konzentriert. Du weißt doch, dass ich Eindruck bei dem Typen schinden muss. Ich brauche den Job noch neunzehn Monate lang.«

Mit einem ablehnenden »Pah« sinkt sie auf ihrem Hocker nach hinten. »Du bist doch total durchorganisiert. Du bist es gewohnt, Probleme zu lösen. Wenn Dr. Umwerfend einen Wutanfall kriegt wie ein ungeduldiges, verwöhntes Kleinkind, redest du ihm gut zu. Noch dazu bist du der netteste Mensch, den ich kenne. Du wirst den Job megagut machen.«

»Erstens mal bist du Anwältin. Der netteste Mensch zu sein, den du kennst, ist nicht gerade ein hoher Maßstab.« Cynthias und meine Mutter sind befreundet. Cynthia wird immer als leuchtendes Beispiel genommen, was aus mir hätte werden, was ich hätte erreichen können, wenn ich bloß weiterstudiert hätte.

»Das stimmt«, sagt sie.

»Und zweitens führe ich keine Beziehung mit Dr. Cove, ich denke also eher nicht, dass ich ihn von der Seite kennenlernen werde, die eventuell etwas verwöhnt sein könnte.« Er kam mir nicht verwöhnt vor. Eher … launisch und kurz angebunden. Vielleicht ist er aber auch einfach kein großer Menschenfreund.

»Ich würde Dr. Umwerfend gern von jeder Seite und aus jedem Blickwinkel kennenlernen.«

Mit lüsterner Begeisterung guckt sich Cynthia weiter Fotos von meinem neuen Chef an, während ich die Tarte fertigmache und in den Ofen schiebe.

»Vielleicht habt ihr eine heiße Büroaffäre und er lässt dich sich über die Untersuchungsliege beugen oder stellt bei dir Sachen mit seinem Stethoskop an.«

»Ich sagte, ich will ihn beeindrucken, nicht verschrecken. Ich hab meine Bikinizone seit meiner Trennung von Shane nicht mehr waxen lassen.« Von meinen Enthaarungsgewohnheiten einmal abgesehen, werde ich auf gar keinen Fall mit Dr. Cove rummachen. Ich kann meinen Job nicht aufs Spiel setzen, bevor ich genug für das Cordon Bleu angespart habe.

»Solange die Tarte im Ofen backt, werde ich ein bisschen Recherche betreiben.« Ich habe meinen Arbeitslaptop mit nach Hause genommen, weil ich mich über die Beantragung der Vertragsarztzulassung informieren will, die Dr. Cove erwähnt hat. Aus irgendeinem Grund schien er nicht sonderlich erpicht darauf, die Registrierung auf den Weg zu bringen, dabei wird er vorher keine Patienten bekommen. Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist, dass er sich doch gegen eine Privatpraxis entscheidet und wieder zu einer Vollzeitstelle im Allgemeinkrankenhaus zurückkehrt. Ich muss ihm helfen, dafür zu sorgen, dass Patienten zur Tür hereinspaziert kommen, damit ich meinen Job behalte.

»Versprich mir etwas«, sagt Cynthia.

Ich knote meine Schürze auf. »Was denn?«

»Verlier dich nicht in diesem Job, wie du es bei Shane getan hast.«

Ich ziehe die Stirn kraus. »Das hier ist was ganz anderes. Shane und ich waren ein Paar.«

»Aber du hast alles für ihn aufgegeben, und ich habe die Sorge, dass du eben so gestrickt bist. Du hast einen ganz neuen Job, wieso musst du dich an einem Donnerstagabend um halb neun hinsetzen und arbeiten? Du hast dich schon mal für einen Mann aufgeopfert, der dich nicht verdient hatte. Mach den gleichen Fehler nicht noch einmal.«

»Die Arbeit für Dr. Cove ist nur Mittel zum Zweck. Wenn ich den Job behalte, bedeutet das, ich kann umso früher das Grand Diplôme anfangen. Ich tue nichts für ihn, was mir nichts bringt.« Ich habe es wieder und wieder durchgerechnet. Dieser Job ist der schnellste Weg, um ans Cordon Bleu zu kommen. Neunzehn Monate sind durchaus aushaltbar, selbst wenn Dr. Cove der reinste Albtraum sein sollte. In einem Mindestlohn-Job würde es dreißig Monate dauern – vielleicht sogar noch länger, je nachdem, wie hoch die Miete und die Rechnungen zwischenzeitlich sind. Nein, ich muss zusehen, dass es mit dem Job bei Dr. Cove funktioniert. Unbedingt.

Ich habe meine Lektion gelernt. Ich dachte, Shane und ich wären unzertrennlich, aber hier stehe ich nun, nach unserer Beziehung, zehn Jahre älter, ohne einen richtigen Beruf und mit wenig aus den vergangenen zehn Jahren vorzuweisen außer jeder Menge Küchenutensilien.

Aber vielleicht brauche ich gar nicht mehr.

4. KAPITEL

ELLIE

Ich packe eine Plastikdose mit den Kirsch-Mandel-Ecken aus, die ich gestern Abend gebacken habe. Seit Shane und ich uns getrennt haben, schlafe ich immer noch schlecht – wodurch ich jede Menge Zeit habe, süßes Gebäck zuzubereiten. Ich weiß nicht genau, ob mich die Treulosigkeit meines Ex nachts wach hält oder das Gegrübel über alles, was ich aufgegeben habe. Wie Shane hilfreicherweise in unserem letzten Gespräch klargestellt hat, hat er nie von mir verlangt, dass ich ihn und seine Karriere zu meinem Lebensinhalt mache. Jedenfalls nicht direkt. Ich habe ihm alle diese Opfer auf dem Präsentierteller angeboten. Samt Garnitur.

Ich hebe das Backwerk an meine Nase, atme ein und lasse den Duft alle schlechten Gedanken neutralisieren, die sich in meinem Kopf nach vorn gedrängt haben. Ich muss mich auf die Zukunft fokussieren.

Ich habe es als gutes Zeichen aufgefasst, dass Dr. Cove schon in seinem Sprechzimmer war, als ich heute Morgen um acht ankam. Ich nahm an, er rechnete wohl mit einem arbeitsreichen Tag. Ich war begeistert, schließlich habe ich mich den Großteil der Woche zu Tode gelangweilt. Abgesehen von der Recherche und ersten Registrierungsschritten für die Vertragsarztzulassung – wofür mir Dr. Cove vielleicht dankbar sein wird, vielleicht aber auch nicht –, habe ich nichts weiter gemacht, als Kochrezepte rauszusuchen und noch mal die Fenster zu putzen. Die Putzfirma, die das Gebäude betreut, war schwer zu erreichen und ich wollte alles so perfekt wie möglich haben.

Ich brauche noch achtzehneinhalb Monate Lohn, bis es mir egal sein kann.