Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Kriminalgeschichten, bei denen Hunde bei der Aufklärung eine Rolle spielen. Heitere Geschichten. Drei Kriminalgeschichten um Donny, dem Hund eines Privatdetektivs.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 323
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Privatdetektei Morgenrot
Das Dream-Team
Der Klient
Erste Ermittlungen
Feierabend
Der Kompagnon von Herrn Seewald
Gespräch mit zwei sehr ungewöhnlichen
Berichterstattung in der Kneipe
Ein Mord ist geschehen
Im Büro der Firma Seewald
Die Befragung von Herrn Kolbe
In der Firma Gerlach
Frau Kolbe tritt auf
Ein Teil klärt sich…
Wieder im Büro
Die Hochzeit
Zwischenbericht
Ein Verdächtiger kriegt kalte Füße
Informationsaustausch
Das Ende
Donny´s große Stunde
Der Auftrag
Eine erste Spur
Zufall?
Erwin wird eingeschaltet
Entführt
Was wissen die Nachbarn?
Im Keller
Thea hat Neuigkeiten
Nachricht von Erwin
Gewissensbisse
Die alten Freunde
Verzweifelt
Neue Erkenntnisse
Künstlerpech
Auf dem Revier
Noch kein glückliches Ende
Thea hat eine Idee
Düse kriegt einen Anpfiff
Ende gut – alles gut
Wirbel in der Kunstszene
Ein neuer Auftrag
Im Atelier des Künstlers
Zurück im Büro
Besuch bei der Ex
Thea hat etwas herausgefunden
Die Galerie Goldstedt
Erwin hat Neuigkeiten
Weitere Recherchen
Feierabend, aber anders als gedacht
Thea wird eingeweiht
Konferenz mit Erwin
Herr Thiesbrummel meldet sich
Opfer, Täter oder beides?
Polizeiliche Ermittlungen
Düse trifft Herrn Mengler
Marlene hat ein Problem
Fabian Mengler wird nervös
Thea findet etwas heraus
Informationsaustausch
Hausdurchsuchung in der Galerie
Thea hat eine Idee
Was macht man als ehemaliger Bulle, der mit Mitte Vierzig, noch dazu unehrenhaft, aus dem Dienst entlassen worden ist? Ja eben, man sucht sich einen Job bei einer Security-Firma oder man macht sich eben selbstständig als Privatdetektiv. Ich habe letzteres vorgezogen, wie Sie sehen. Ich wollte mich nie mehr mit irgendwelchen Vorgesetzten herumschlagen müssen, denn das war seinerzeit der Grund für mein Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst. Wie es dazu kam? Wollen Sie das wirklich wissen? War ´ne ziemlich dumme Sache, und ich rede nicht gern darüber; aber, na schön, weil Sie es sind. Im Grunde bin ich ein ruhiger und verträglicher Typ. Ich verliere nicht so schnell die Nerven, aber gelegentlich kommt doch das Temperament meiner irischen Großmutter durch. Mit meinen alten Kollegen bin ich immer gut klargekommen, bis zu dem Tag, als sie uns diesen neuen Staatsanwalt vor die Nase gesetzt haben. So ein geschniegelter Yuppie-Typ, noch ziemlich grün hinter den Ohren, aber arrogant, anmaßend und ungerecht dazu. Irgendwann hatte ich buchstäblich die Faxen dicke mit dem Kerl und habe ihm eine reingehauen – noch dazu vor versammelter Mannschaft. Das konnte er natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Trotzdem, ich bereue es nicht, auch wenn die Folge davon ein Disziplinarverfahren und am Ende mein Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst war. Beamtenpension ade – was soll´s!
Ach ja, einen Partner habe ich übrigens auch. Das ist mein Hund Donald, eine mittelgroße Promenadenmischung. Den habe ich eines Nachts auf einem Parkplatz an der Autobahn gefunden. War an einem Baum angebunden und kurz vor dem Verhungern, das arme Tier. Seit ich ihn gerettet habe, ist er mein allerbester Kumpel und folgt mir auf Schritt und Tritt, egal wohin ich auch gehe. Seit meiner Scheidung, das war kurz nach meinem „Fehltritt“ bei der Polizei, wie Marlene, meine Exfrau, es ausdrückt, ist Donald meine Familie, und mehr brauche ich nicht. Auf ihn ist unbedingt und unter allen Umständen Verlass. Wenn ich eines gelernt habe, dann ist es das: Menschen können Dich irgendwann enttäuschen, Tiere nicht!
Anfangs habe ich uns mit Beschattungen untreuer Ehepartner und dergleichen über Wasser gehalten, aber seitdem ich einen fetten Steuerbetrug aufdecken konnte, und sogar bei einem Mordfall zur Aufklärung beigetragen habe, ist das nicht mehr nötig – zum Glück! Mit meinem neuen Klienten habe ich jetzt einen dicken Fisch an Land gezogen, wie es scheint. Allerdings weiß ich noch immer nicht, worum es geht. Das wollte er am Telefon nicht sagen, der Herr Seewald. Das ist der Inhaber der größten Lebensmittelkette unserer Region. Der hat sich heute Morgen bei mir gemeldet und um einen schnellen Termin gebeten. Heute Nachmittag kommt er ins Büro, mal sehen, was er auf dem Herzen hat.
Hi Fan`s! Ich heiße Donald, werde aber meistens nur „Donny“ gerufen. Ich bin sozusagen der Juniorpartner von „Düse“, und weil der genug um die Ohren hat, werde ich ab hier übernehmen.
„Düse“, so wird mein Herrchen von seinen Freunden und Bekannten genannt. Weil sein Name Düsediekerbäumer, so heißt er nämlich offiziell, viel zu lang ist. Ich denke, er hat nichts dagegen, wenn wir ihn im Folgenden auch als Düse bezeichnen. Ich bin echt froh, dass er mich damals befreit und mitgenommen hat. Wir hatten es nicht immer so gut wie jetzt. Ich erinnere mich noch gut daran, dass er öfter seine letzten Centstücke zusammengekratzt hat, nur um eine Dose Hundefutter für mich zu kaufen; dafür hätte er sicher auch eine Flasche Bier für sich bekommen können. Das habe ich ihm hoch angerechnet! Ganz schlimm waren die Tage, an denen so gut wie gar nichts mehr im Hause war, und wir uns, um wenigstens halbwegs satt zu werden, einen Topf mit gekochten Nudeln teilen mussten.
„In der Not frisst der Teufel Fliegen!“, hat Düse das kommentiert. Aber er hat bestimmt nie daran gedacht mich wieder auszusetzen! Düse ist ein anständiger Kerl! Nicht so wie mein voriges Herrchen. Erst hat er mich zu sich geholt, dann kam seine neue Freundin, der war ich sowieso ein Dorn im Auge, und wenig später wollten sie gemeinsam in Urlaub fahren. Wohin mich das geführt hat, das hat Düse Euch ja schon erzählt. Das war verdammt unfair! Aber jetzt Schwamm drüber, das ist besser für uns alle. –
Er hat es auch nicht leicht gehabt, mein Freund. Das habe ich so nach und nach erfahren. Er ist wirklich gutmütig, aber ab und zu rastet er doch aus; und zwar immer dann, wenn man ihm zu tüchtig zusetzt. Könnte ich auch nicht ertragen!
Jetzt ist etwas im Busch, wie die Menschen sagen, das spüre ich genau. Düse erwartet hohen Besuch, deshalb ist er nervös. Muss er doch eigentlich gar nicht, mit mir an seiner Seite.
Außerdem gibt es da ja auch noch Thea, das ist die Dritte im Bunde. Seitdem Düse nicht mehr ganz so knapp bei Kasse ist, hat er sie zu seiner Unterstützung eingestellt, halbtags. Mehr ist allerdings derzeit noch nicht drin, obwohl Thea sicher gern öfter und länger kommen würde, und das nicht nur ins Büro. Das weiß ich, weil sie ihn ab und zu, wenn sie denkt, es merkt niemand, schmachtend von der Seite ansieht, meinen Düse. Sie ist übrigens auch die Einzige, die ich kenne, die ihn bei seinem Vornamen nennt; Harry, so heißt er, aber ich glaube fast, einfach Düse wäre ihm lieber. Ich glaube sogar, Thea hätte nichts dagegen, ganz bei uns einzuziehen. Von mir aus hätte sie freie Bahn, ich mag sie, aber Düse ist immer noch nicht über Marlene hinweg, fürchte ich. Und solange das so ist, bemerkt er Thea als Frau gar nicht. Für ihn ist sie wie ein Möbelstück, nützlich und hilfreich, mehr nicht. Arme Thea! Deshalb versucht sie eben auf andere Weise unentbehrlich für ihn zu werden, immer in der Hoffnung eines Tages doch von ihm gebraucht und geliebt zu werden. Und sie ist wirklich tüchtig, unsere Perle! Sie hat seine Buchhaltung erst mal richtig in Schwung gebracht. Seitdem sie sich darum kümmert, gibt es kaum noch unbezahlte Rechnungen. Säumige Klienten werden pünktlich von ihr angemahnt, und wenn das nicht hilft, dann droht sie mit anderen Konsequenzen. Da hat sie wirklich den Bogen raus, sagt Düse manchmal zu ihr. Dann strahlt Thea und wähnt sich ihrem Ziel ein kleines Stückchen näher. Sie sorgt gut für uns, passt auf, dass immer genug Kaffee und Tee vorhanden ist, kauft Leckerli für mich, und hat auch immer ein Aspirin für Düse in petto, wenn er mal wieder in seiner Stammkneipe versackt ist. Das kommt zum Glück nur selten vor, aber gelegentlich packt ihn der „Weltschmerz“, wie er zu sagen pflegt. Dann geht er manchmal raus, um ihn im Alkohol zu ertränken. Keine gute Methode, scheint mir, aber das muss er selbst wissen.
Kurzum, Thea wäre schon ein tolles Frauchen. Sie ist lieb, tüchtig und auch nicht unattraktiv, aber wie gesagt, Düse bemerkt es kaum. Vielleicht sollte ich den beiden doch mal auf die Sprünge helfen, aber wie?
„Guten Tag, ich bin Gunther Seewald. Sie hatten mir einen Termin gegeben.“
„Herr Seewald, guten Tag. Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Bitte nehmen Sie Platz, darf ich Ihnen einen Kaffee oder eine andere Erfrischung anbieten?“
Mit diesen unverbindlichen Worten begrüßt Düse immer seine Besucher. Dieser ist anders, das habe ich in der Nase. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es mit dem noch Probleme geben wird. Vielleicht hat er selbst Dreck am Stecken, aber das werden wir schon rauskriegen, denke ich.
„Um was geht es denn, Herr Seewald, was kann ich für Sie tun?“, pirscht Düse sich jetzt langsam vor.
„Das ist eine etwas heikle Angelegenheit, in der ich Ihre Hilfe benötige“, antwortet Herr Seewald.
„Das dachte ich mir schon, weil Sie am Telefon nicht darüber sprechen wollten.“
„Ja, das ist richtig. Ich denke, ich muss relativ weit ausholen, damit Sie mein Dilemma verstehen“, erwidert Herr Seewald.
Er dreht und wendet sich, anstatt endlich zur Sache zu kommen. Deshalb lehnt sich Düse mit den Worten: „Ich bin ganz Ohr!“, in seinem Schreibtischsessel ganz gemütlich zurück. Diese Geste soll Vertrauen schaffen, hat er mal gesagt. Und es scheint sogar zu funktionieren, denn Herr Seewald entspannt sich tatsächlich und erzählt weiter.
„Seit einigen Jahren habe ich einen Kompagnon, Claus Schuster. Mit ihm verstand ich mich anfänglich sehr gut. Eine Zeitlang dachte ich sogar darüber nach, ihn eventuell zu meinem Nachfolger zu machen, weil meine Ehe leider kinderlos geblieben ist. Ich möchte mich langsam aus der Firma zurückziehen und mit meiner Frau einiges nachholen, was wir in den letzten Jahren versäumt haben. Schließlich ist Geld nicht alles. Unsere Frauen mochten sich ebenfalls, deshalb trafen wir uns gelegentlich auch privat. Leider gab es dann vor einiger Zeit eine kurze Affäre zwischen seiner Frau und mir. Nichts wirklich Ernstes, ich liebe meine Frau, auch wenn es mir schwerfällt den verlockenden Kurven anderer Damen zu widerstehen. Ich muss zugeben, es gelingt mir dummerweise nicht immer. So war es auch bei Frau Schuster. Aber Claus ist irgendwann dahintergekommen!“ Er stockte.
„Jaaa?“, fragt Düse gedehnt.
„Wir kamen überein, dass ich die Affäre beenden sollte, und ich ihm dafür, dass er meiner Frau gegenüber weiterhin den Mund hält, noch einige meiner Firmenanteile überschreiben sollte. Seitdem besitzt er die knappe Mehrheit der Firmenaktien.“
„Und Sie haben sich so einfach darauf eingelassen?“, fragte Düse ungläubig.
„Ja, was blieb mir denn anderes übrig? Ich wollte meine Ehe doch nicht gefährden! Aber wir haben diese Anteilsüberschreibung offiziell und damit selbstverständlich auch notariell festgehalten. Er hat damit auch unterschrieben, dass er nun keine weiteren Forderungen mehr an mich stellen wird, und daran hat er sich auch gehalten. Aber ich musste mich doch absichern, damit er nicht mehr und mehr wollte. Dem habe ich damit einen Riegel vorgeschoben, allerdings hat sich damit die Sache mit seiner Nachfolge für mich auch erledigt. Er erscheint mir dafür eindeutig nicht seriös genug zu sein. Zum Glück habe ich nie mit ihm darüber gesprochen.“
„Na gut, wie ging es dann weiter?“, fragt Düse gespannt.
„Die nächste Komplikation war die, dass unsere kurze Affäre angeblich Folgen gehabt hat, das hat Gunda jedenfalls behauptet. Inzwischen bin ich mir allerdings nicht mehr so sicher, ob ich wirklich der Vater ihres Babys gewesen bin.“
„Wieso, darüber lässt sich doch mit einem Vaterschaftstest ganz schnell Klarheit schaffen“, wirft Düse ein.
„Ja, das schon, aber sie hat das Kind verloren.“
„Oh, das tut mir leid.“
„Vielleicht war es besser so. Aber die Tatsache, dass ich meine Frau und meinen Partner mit Gunda betrogen habe, die bleibt auf jeden Fall bestehen. Kurz nach der Fehlgeburt von Gunda kam die erste anonyme Nachricht. Darin stand, dass ich ein schlechter Mensch sei und dass so etwas nie wieder vorkommen dürfe. Ich habe es für einen schlechten Scherz gehalten und diesen Wisch einfach in den Reißwolf gesteckt.“
„Und Ihre Frau ist immer noch ahnungslos?“
„Das hoffe ich doch sehr!“
„Wie lange ist das Ganze denn her?“, will Düse wissen.
„Ein knappes Jahr ist seither vergangen“, erwidert Herr Seewald.
„Wer weiß noch von dieser Angelegenheit?“
„Ich habe selbstverständlich mit niemandem darüber geredet. Und Gunda und Claus haben sich inzwischen getrennt.“
„Haben Sie oder Ihre Frau denn noch Kontakt zu der Exfrau Ihres Partners?“
„Ich nicht, nein. Aber ob meine Frau ab und zu noch mit ihr telefoniert, das kann ich wirklich nicht sagen, obwohl ich es nicht glaube. Sie war regelrecht empört, als Gunda sich kurz nach ihrer Fehlgeburt von Claus trennte und fortgezogen ist.“
„Wissen Sie wohin?“
„Nein, das wollte ich auch gar nicht wissen, ich war eigentlich froh, dass sie aus meinem Blickfeld verschwunden war. Für mich war die Sache damit erledigt. Zumindest dachte ich das. Jetzt erhalte ich seit kurzem allerdings wieder anonyme Briefe und ich fürchte, dass Gunda wieder dahinter stecken könnte.“
„Wieso, wie kommen Sie darauf? Haben Sie diese Briefe dabei?“
„Die ersten zwei habe ich fortgeworfen, weil ich es erneut für einen dummen Streich hielt. Aber den letzten, den habe ich aufgehoben. Hier ist er.“
Damit reicht er Düse ein Stück Papier. Der nimmt es in die Hand und liest es stirnrunzelnd.
„Also, eine konkrete Drohung entnehme ich daraus nicht“, sagt er.
„Nein, das wurde auch in keinem der anderen Briefe deutlicher ausgedrückt. Es stand jedes Mal nur sinngemäß darin, das ich irgendwann die Konsequenzen für mein moralisches Fehlverhalten zu tragen hätte. Was das konkret bedeuten soll, darüber schweigt sich der Briefschreiber oder die Schreiberin bisher noch aus.“
„Wie soll ich denn in dieser Angelegenheit nun tätig werden? Soll ich versuchen, diese Dame für sie aufzuspüren? Das dürfte kein so großes Problem sein, denke ich. Vielleicht kommen die Briefe aber auch von Ihrem Partner, haben Sie an diese Möglichkeit schon gedacht?“
„Zu welchem Zweck sollte er mich denn noch weiter erpressen wollen? Ihm gehört doch schon der überwiegende Anteil unserer Supermarktkette.“
„Das ist schon wahr, aber vielleicht will er Sie ganz ausbooten. Wie ist denn Ihr Verhältnis seither?“
„Natürlich sehr distanziert, das werden Sie sich denken können, aber wir haben uns letztlich beide mit dieser Situation arrangiert.“
„Das heißt, Sie tragen ihm seine Erpressung wirklich nicht nach? Sie hätten allen Grund sauer auf ihn zu sein!“
„Ach wissen Sie, ich habe ohnehin längst ausgesorgt, und der Jüngste bin ich schließlich auch nicht mehr. Ich überlege ja ohnehin, mich komplett aus dem Geschäft zurückzuziehen.“
„Würden Sie ohne diese Briefe auch so denken?“
„Meinen Sie, man will mich sozusagen weich kochen, damit ich mich auf jeden Fall vorzeitig zurückziehe?“, fragt Herr Seewald alarmiert.
„Möglich wäre es doch“, überlegt Düse.
„Vielleicht haben Sie recht“, gibt Herr Seewald zu.
„Verzeihen Sie bitte die Frage, aber haben Sie womöglich noch andere Feinde? Ich könnte mir vorstellen, dass man im Geschäftsleben manchmal nicht so ganz zimperlich sein kann, Herr Seewald.“
„Auf Anhieb wüsste ich wirklich niemanden, der mir in dieser Art und Weise schaden wollte, aber ich werde noch einmal darüber nachdenken. Geschäftlich war und bin ich immer sehr korrekt!“
Auf diese Feststellung legt Herr Seewald offenbar großen Wert.
„Tun Sie das bitte. Auf jeden Fall werde ich zunächst einmal versuchen, diese Frau Schuster für Sie aufzutreiben. Außerdem würde ich gern mit Ihrem Partner sprechen. Dazu müsste ich ihm allerdings, wenigstens teilweise, reinen Wein einschenken, wäre das für Sie in Ordnung? Sicher komme ich auch nicht drumherum, mit Ihrer Frau ein Wörtchen zu reden.“
„Wenn es absolut nicht anders geht - dann bitte, aber seien Sie trotzdem so diskret wie möglich“, betont Herr Seewald.
Ich verstehe sein Problem nur zu gut, Düse auch.
„Natürlich, das verspreche ich!“, sagt Düse. „Und sollten Sie weitere Post erhalten, dann zeigen Sie mir die bitte gleich“, ordnet er an.
„Ja, selbstverständlich“, beeilt sich Herr Seewald ihm zuzustimmen.
„Wie sieht es eigentlich mit Ihrem Honorar aus? Brauchen Sie einen Vorschuss?“
„Dieses erste Beratungsgespräch ist für Sie kostenlos, für jeden weiteren Einsatz berechne ich Ihnen meinen regulären Stundensatz von einhundertfünfzig Euro. Wenn ich Spesen machen sollte, dann bekommen Sie ebenfalls einen Beleg für Hotelrechnungen und dergleichen mehr. Sobald ich etwas herausgefunden habe, melde ich mich. Spätestens alle drei Tage erstatte ich Ihnen zwischendurch ohnehin telefonisch Bericht, ist das für Sie in Ordnung?“
„Ich habe noch nie mit einem Privatdetektiv zusammengearbeitet, ich nehme an, diese Vorgehensweise ist bei allen Ihren Kollegen so üblich“, stimmt Herr Seewald zu. Düse nickt und gibt unserem neuen Klienten ein Auftragsformular zur Unterschrift. Dann bittet er Herrn Seewald noch um seine Karte, und anschließend verabschiedet sich unser Kunde.
Tja, jetzt haben wir wirklich einen komplizierten Fall an der Backe! Aber Düse wird das schon hinbiegen, da bin ich mir sicher!
„Womit fange ich nur an?“, sinniert Düse. Da kann ich ihm wirklich nicht helfen. Außerdem habe ich nach wie vor das unbestimmte Gefühl, dass Herr Seewald immer noch nicht mit allem rausgerückt ist. Düse setzt sich also zunächst an seinen PC und gibt den Namen Gunda Schuster ein. Auf diese Weise hat er nach einiger Zeit tatsächlich eine Adresse gefunden. Aber ob die noch aktuell ist? Auf jeden Fall schnappt er sich seine alte Lederjacke und sagt zu mir: „Los, komm mit, alter Junge! Jetzt besuchen wir erst mal Frau Schuster und rücken dieser eher zwielichtigen Dame etwas näher auf den Pelz.“
Das kann ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Also springe ich schnell von meinem Stammplatz auf dem Bürosofa runter und folge Düse.
Frau Schuster wohnt nicht gerade in der vornehmsten Gegend unserer Stadt, bei dem Einkommen ihres geschiedenen Manns hätte ich das anders erwartet. Sie bekommt doch bestimmt Unterhalt von ihm. Aber vielleicht gibt es ja gute Gründe, warum sie hier Unterschlupf gesucht hat. Jedenfalls klingelt Düse, und kurze Zeit danach wird die Haustür einen kleinen Spaltbreit aufgemacht. Dahinter ist eine wirklich bildhübsche Schwarzhaarige zu sehen. Kein Wunder, dass Herr Seewald bei der einen schwachen Moment hatte. Düse scheint ähnlich zu denken, denn er starrt sie regelrecht an.
„Was wollen Sie?“, erkundigt sich die Schwarzhaarige.
„Äh“, stottert Düse.
Mann, der soll sich mal zusammenreißen, auch wenn er auch auf solche rassigen Schönheiten steht, wie ich inzwischen weiß. Natürlich, gegen ein solches Vollblutweib hat die arme Thea nicht die geringste Chance.
„Ja, worum geht es denn?“, fragt Frau Schuster noch mal, und endlich hat Düse sich gefangen und antwortet in seinem gewohnten Tonfall: „Verzeihen Sie die Störung, sind Sie Frau Gunda Schuster?“
„Wer will das wissen?“, antwortet die Frau immer noch recht zugeknöpft.
„Mein Name ist Harry Düsediekerbäumer und ich bin Privatdetektiv.“ Mit diesen Worten hält er ihr seinen Ausweis vor die Nase.
„Ja und, was kann ich für Sie tun? Ich bin Gunda Schuster“, bestätigt sie ihm.
„Dürfte ich Sie ein paar Minuten sprechen?“, bittet Düse höflich.
„Na gut, kommen Sie rein“, gibt sie nach und öffnet die Tür für uns. „Ich nehme an, der Köter gehört zu Ihnen?“, fragt sie süffisant.
Solche Töne mögen wir beide nicht, mir ist sie deshalb gleich unsympathisch, und auch bei Düse fällt innerlich eine Klappe runter, das höre ich an seiner Stimme, als er antwortet: „Ja, das ist mein Hund Donny, er ist sozusagen meine rechte Hand!“
„Ach so, na dann…“ meint Frau Schuster und lässt uns endgültig rein. Dann stehen wir im Wohnzimmer. Frau Schuster und Düse setzen sich, und auf sein Kommando mache ich auch „Platz“, ganz wie es sich für einen wohlerzogenen Hund gehört. Trotzdem soll sie mich ja nicht unterschätzen, diese Frau Schuster. Ich kann auch anders, falls es nötig werden sollte. Dann höre ich Düse fragen: „Also, Frau Schuster, Sie kennen einen Herrn Gunther Seewald und hatten vor einiger Zeit eine Affäre mit ihm, ist das richtig?“
Frau Schuster bestätigt das, fragt aber: „Wieso, was geht Sie das an?“
„Kommen wir zum Punkt. Waren Sie jemals schwanger von ihm und hatten später eine Fehlgeburt?“
Auch das bestätigt Frau Schuster.
„Gibt es für diese Schwangerschaft Beweise?“, dringt Düse jetzt weiter in sie.
„Was erlauben Sie sich? Muss ich Ihnen etwa den Mutterpass zeigen?“, fragt Frau Schuster bissig.
Düse will es offenbar nicht gleich zu weit treiben, deshalb lenkt er ein.
„Nein, natürlich nicht. Aber ist es richtig, dass sie sich nach dem Ende der Schwangerschaft von ihrem Mann getrennt haben?“
„Ja, auch das stimmt. Er hat es nicht verwunden, dass ich ihn mit seinem Geschäftspartner betrogen habe, noch dazu mit einem wesentlich reiferen Mann. Das hat tüchtig an seinem Ego gekratzt. Seither kamen wir nicht mehr gut miteinander aus, deshalb bin ich gegangen. Es war besser so.“
„Haben Sie noch Kontakt mit irgendwem aus der Familie Seewald? Immerhin waren Sie doch auch mit Frau Seewald befreundet.“
„Nein, das hätte auf die Dauer nur zu einigen Komplikationen geführt. Außerdem verändert eine Schwangerschaft eine Frau doch und eine Fehlgeburt erst recht. Sicher hat sie auch angenommen, dass ich mich deshalb zurückgezogen habe, nachdem ich mich von Claus getrennt hatte. Sie hat nie versucht mich aufzustöbern, denke ich. War´s das? Ich habe noch eine Verabredung, deshalb würde ich Sie jetzt bitten zu gehen, wenn es Ihnen nicht allzu viel ausmacht.“
„Darf ich Ihnen trotzdem meine Karte dalassen, falls Sie doch noch einmal mit mir sprechen möchten?“, fragt Düse.
Er wartet die Antwort gar nicht erst ab, sondern legt eine seiner Geschäftskarten auf den Tisch. Dann erhebt er sich gehorsam von seinem Platz. Er bedankt sich noch für die Auskunft und wir gehen – vorerst. Ich weiß, dass für ihn mit diesem Gespräch die Sache noch längst nicht abgeschlossen ist. Er ist ein wirklich guter Ermittler, mein Düse.
Deshalb statten wir nach der Frau Schuster auch ihren Mülltonnen einen Besuch ab. Die blaue Papiertonne ist es, die Düse´s Interesse weckt. Er wühlt sie durch und sieht nach, ob er darin Zeitungen entdeckt, aus denen womöglich Buchstaben ausgeschnitten sind, denn die geheimnisvollen Briefe an Herrn Seewald sind ja alle mit bunten, aus Papier ausgeschnittenen, einzelnen Buchstaben verfasst worden. Aber diese Spur ist kalt, jedenfalls im Moment. Trotzdem will Düse noch nicht so schnell aufgeben. Deshalb warten wir im Auto, bis Frau Schuster aus dem Haus kommt, zu ihrem Auto geht und wegfährt. Wir verfolgen sie. Sie scheint es nicht allzu eilig zu haben, und nach einer ganzen Weile biegt sie ab, um aus der Stadt herauszufahren. Abe jetzt müssen wir den Abstand zu ihr vergrößern, auf den Landstraßen ist nicht so viel Betrieb, erklärt Düse mir. Als ob ich das nicht wüsste, es ist schließlich nicht meine erste Observation, die ich mit ihm gemeinsam mache. Fast bin ich doch auch schon so ein alter Hase wie er, aber das vergisst Düse nur allzu oft. Egal, darüber sehe ich großzügig hinweg.
Schließlich hält das Auto an, und Frau Schuster steigt aus. Sie scheint auf jemanden zu warten, der allerdings nicht pünktlich ist. Nach einiger Zeit holt sie ihr Handy aus der Tasche und ruft denjenigen an, wie ich vermute. Sie telefoniert einige Minuten und legt dann auf. Anschließend steigt sie wieder ein und fährt heim. Also geben wir es auch auf und fahren erst einmal zurück ins Büro. Dort werden wir schon von Thea erwartet.
„Hallo, Ihr zwei, schön, dass Ihr wieder da seid!“, freut sie sich.
„Wir haben einen neuen Fall“, setzt Düse sie ins Bild und erfährt seinerseits von Thea, dass Herr Seewald angerufen und um seinen Rückruf gebeten hat.
„Ist ihm doch noch etwas eingefallen?“, fragt Düse.
„Keine Ahnung, er wollte es nur Dir selbst sagen!“ gibt Thea etwas eingeschnappt zurück.
„Na schön, dann will ich mal hören, was er noch zu erzählen hat“, ächzt Düse und geht zu seinem Schreibtisch, um Herrn Seewald anzurufen. Der hat bestimmt neben dem Telefon gesessen, denn fast sofort hebt er ab und meldet sich.
„Hallo, Herr Seewald, Sie hatten um meinen Rückruf gebeten. Was gibt es denn?“, fragt Düse.
„Ob Sie es glauben oder nicht, ich habe nach dem Besuch bei Ihnen einen Drohanruf erhalten. Die Stimme klang etwas verzerrt, so als hätte jemand sich ein Taschentuch vor die Lippen gehalten. Sie haben einen Detektiv eingeschaltet, jetzt wird es ernst, das hat der Anrufer gesagt“, berichtet er aufgeregt. „Hat mich da etwa jemand beschattet?“
„Haben Sie denn jemanden bemerkt, als Sie bei mir im Büro waren?“, fragt Düse.
„Nein, nein, mir ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen, wirklich nicht!“, beteuert Herr Seewald.
„Keine Sorge, wir sind ja dran an der Sache“, versucht Düse den erregten Herrn Seewald zu dämpfen.
„Sie sind gut, was soll ich denn davon halten?“ tönt es aus dem Hörer, und das so laut, dass wir alle es mithören können, obwohl Düse im Moment nicht mal die Lautsprecheranlage angestellt hat.
„Herr Seewald, bitte beruhigen Sie sich zunächst einmal. Ich habe bereits mit Frau Schuster gesprochen, allerdings hat dieses Gespräch nicht viel ergeben. Aber vielleicht habe ich damit einen Stein ins Rollen gebracht. Wir können jetzt wirklich nur abwarten, bis der nächste Brief kommt. Machen Sie sich nur nicht zu viele Sorgen!“ Mit diesen Worten legt er auf und sagt zu Thea: „War sonst noch was?“
Sie verneint, und deshalb beschließt Düse seinen Arbeitstag jetzt erst mal zu beenden und zu Hause eine Denkpause einzulegen. Das ist mir nur recht.
„Morgen ist schließlich auch noch ein Tag! Du solltest heute auch pünktlich Feierabend machen, Thea“, empfiehlt er und zwinkert ihr zu. Er weiß, wie oft sie noch spät im Büro sitzt und auf uns wartet, wenn sie es für angebracht hält. Thea strahlt und steht auch gleich auf.
„Ich habe noch einige Besorgungen in der Stadt zu erledigen“, sagt sie und geht mit uns hinaus.
„Dann also, bis morgen“, verabschiedet Düse sich von ihr, und nur ich sehe, dass Thea ihm noch einen sehnsüchtigen Blick nachsendet, bevor sie sich umdreht und in die andere Richtung geht.
Endlich Feierabend, das ist jeden Tag die schönste Zeit für uns beide! Wir lieben es, auf dem Sofa vor dem Fernseher abzuhängen und es uns einfach gut gehen zu lassen. Vor allem heute habe ich mich auf zu Hause gefreut, heute ist nämlich sozusagen mein Tag in der Woche, weil an jedem Dienstag die alten Folgen von Kommissar Rex wiederholt werden. Der ist mein großes Vorbild, und Düse schaut diese Sendung auch gern, das weiß ich. Für alle, die es möglicherweise noch nicht wissen sollten, Kommissar Rex ist ein Schäferhund, der im Dienste der Polizei mit seinem Herrchen Richy Moser die kniffligsten Fälle löst. Er ist sehr mutig und immer da, wenn er gebraucht wird, egal ob er gerade einen Ganoven jagen soll oder eine schöne Frau oder ein Kind trösten muss, Rex ist pünktlich zur Stelle. Zur Belohnung bekommt er dann meistens eine Wurstsemmel. Ist schon ein schneidiger Kerl, der Rex!
Gerade haben Düse und ich es uns bequem gemacht, er mit einer Flasche Bier und einer Tüte Chips, ich mit einer Leckerlistange, an der ich herumkaue, als es klingelt.
„Nanu, wer kann das denn sein? Erwartest Du etwa noch jemanden?“, fragt mich mein Herrchen.
Macht der Witze, wen soll ich denn erwarten? Außerdem möchte ich mich jetzt viel lieber den Abenteuern von Moser und Kommissar Rex widmen. Aber einfach das Klingeln ignorieren, das geht wohl nicht, leider! Jedenfalls steht Düse auf und sieht nach, wem wir diese Störung zu verdanken haben. Ich höre Stimmen und weiß, das war es jetzt mit unserem schönen, ruhigen Abend, denn ich erkenne, dass es Marlene ist, die zu Besuch kommt. Das ist sehr selten, aber wenn sie mal hier auftaucht, dann will sie meistens etwas, und anschließend ist Düse fast immer schlecht gelaunt. Die beiden kommen zurück ins Wohnzimmer, und wie ich schon befürchtet habe, wird als Erstes der Fernseher ausgeschaltet. Na gut, dann ziehe ich mich vorerst mal zurück in mein Körbchen.
Düse bietet Marlene einen Platz an und fragt sie, ob sie etwas trinken möchte. Sie lehnt ab, weil sie wenig Zeit hat, wie sie sagt. Mir nur recht, dann können wir eventuell etwas später den Kommissar Rex doch weiter angucken. Marlene setzt sich also, und schon legt sie los. Sie erzählt Düse, dass sie einen Mann kennengelernt hat, der ihr viel besser gefällt als er. Wo gibt`s denn so was? Na ja, das muss sie ja wissen, auch wenn ich es nicht verstehe, denn für mich ist und bleibt Düse das beste Herrchen der Welt. Jedenfalls erzählt sie Düse, dass sie wieder heiraten möchte. Dann fragt sie ihn doch glatt, ob er zu ihrer Hochzeit kommen möchte. Düse wird ganz blass und sagt erst mal einen Moment lang gar nichts. Dann besinnt er sich und fragt: „Wann ist es denn so weit?“
„Wir dachten an den 14. Juli, denn an dem Tag haben wir uns kennengelernt, das ist doch romantisch, oder etwa nicht?“, fragt Marlene.
Düse nickt, sagt aber wieder nichts. Schließlich muss er diese Nachricht erst mal verdauen, schätze ich jedenfalls. Armer Düse, denn mit dieser Neuigkeit haben sich seine Hoffnungen, Marlene doch noch einmal zurückzugewinnen, wohl endgültig zerschlagen.
„Du weißt jetzt jedenfalls Bescheid“, sagt Marlene und fügt hinzu: „Ich würde mich auf jeden Fall freuen, wenn Du kommen könntest. Außerdem solltest Du es auch von mir selbst erfahren. So, jetzt muss ich aber gehen, Arnold wartet auf mich. Mach´s gut Düse, und wünsch uns Glück, auch wenn Du nicht kommen willst.“
Sie kennt ihn gut, ihren Ex. Nachdem sie das gesagt hat, steht sie auf und geht. Düse bleibt wie betäubt sitzen. Ob er wohl jetzt den Fernseher wieder anmacht, damit wir weitergucken können? Ich gehe erst mal zu ihm hin und lecke ihm tröstend über das Gesicht. Geistesabwesend streicht er mir über den Kopf, rührt sich aber nicht weiter. Ich muss noch einen Augenblick Geduld mit ihm haben, fürchte ich. Als er sich nach ein paar Minuten immer noch nicht rührt, fange ich leise an zu winseln, und dann reagiert er endlich. Aber immer noch nicht so, wie ich es mir wünsche. Er steht auf und holt sich die Flasche mit dem kostbaren, alten Cognac aus der Hausbar. Diese Flasche hütet er sonst immer wie einen Schatz. Daraus gießt er sich nur einen kleinen Schluck ein, wenn es etwas zu feiern gibt, wie einen erfolgreich abgeschlossenen Fall zum Beispiel. Aber heute ist alles anders. Er kippt den ersten Schluck regelrecht runter, dann gießt er sich einen zweiten ein und nimmt die Flasche sogar mit zum Sofa. Ob er etwa noch einen Cognac trinken will? So kenne ich ihn eigentlich gar nicht. Aber dieser endgültige Abschied von seiner Marlene muss ihm doch noch viel mehr weh tun, als ich jemals gedacht hätte. Aber musste sie mit dieser Neuigkeit ausgerechnet heute ankommen? Endlich scheint er mich auch wieder wahrzunehmen, denn er steht auf und schaltet den Fernseher wieder ein. Prima, Kommissar Rex und sein Freund Moser ermitteln noch. Zwar haben wir die Lösung des ersten Falles, dank Marlene´s Überfall, nicht mitbekommen, aber wenigstens den zweiten können wir jetzt mitverfolgen. Düse wird sich schon wieder fangen, was bleibt ihm auch anderes übrig? Muss ich mich eben in der nächsten Zeit etwas mehr um ihn kümmern. Damit fange ich am besten gleich mal an. Ich lege meine Pfote vorsichtig auf sein Knie, schaue ihn an und jaule leise.
„Du lässt mich nie im Stich, Donny, das weiß ich!“, sagt er, und dann springe ich endgültig zu ihm auf das Sofa. Vielleicht ist dieser Abend ja doch noch zu retten.
Heute Morgen ist Düse ziemlich verkatert – kein Wunder, aber das musste wohl sein. Er hat sogar auf der Couch geschlafen. Jetzt hat gerade sein Wecker geklingelt, und er ist ins Bad gewankt. Er hat den Grundsatz, dass wer saufen kann, auch arbeiten muss. Stimmt ja auch, wie sonst soll er wohl an das Geld für seine Brötchen und meine Dosen kommen? Und die Sache mit Marlene hat ihn wirklich bis ins Mark getroffen, deshalb tut er mir leid. So wie gestern habe ich ihn bisher nur sehr selten erlebt.
„Na Donny, Dir geht’s sicher besser als mir, aber das ist schon in Ordnung“, begrüßt er mich, als er wieder auftaucht. Na bitte, er hat verstanden, dass man um verschüttete Milch nicht weinen soll, hat sowieso keinen Zweck. Dann frühstücken wir erst mal, und dann geht es ab ins Büro.
Thea, unser guter Geist, ist schon da. Sie merkt natürlich, dass mit Düse etwas nicht stimmt, aber sie ist klug genug, den Mund zu halten. Stattdessen legt sie ihm vor, was sie in dem Fall bereits recherchiert hat. Die Firma von Herrn Seewald steht wirklich auf soliden Füßen, da hat er nicht übertrieben. Essen müssen die Leute immer, das ist nun mal so. Sein Partner ist nicht ganz so auf Rosen gebettet, wie es scheint, allerdings gibt es darüber nicht so ganz viele Infos. Wir sind schließlich nicht die Polizei, aber Thea hat so ihre geheimen Quellen, die kann sie in solchen Fällen anzapfen. Wer das ist, das will sie nicht verraten, ist vielleicht nicht so ganz legal, aber es hat Düse schon oft geholfen, was sie so rausgekriegt hat. So hat sie jetzt festgestellt, dass sein Partner, der ja erheblich jünger ist, eine große Vorliebe für teure, schnelle Autos hat. Da kann man ein Vermögen reinstecken, und das hat dieser Herr Schuster wohl auch getan. Außerdem hat man ihn gelegentlich schon in der Spielbank vor Ort gesehen. Also hat er ständig Geldbedarf, es scheint ihm nur so zwischen den Fingern hindurchzurinnen, soviel steht fest. Er ist der Nächste, mit dem wir reden müssen, Düse und ich.
Nach einem zweiten, starken Kaffee, den Thea Düse serviert hat, brechen wir auf. Als Erstes fahren wir in das Firmenbüro und fragen nach Herrn Schuster. Wir erfahren, dass er nie vor zehn Uhr im Büro erscheint, und jetzt ist es erst neun Uhr dreißig.
„Haben Sie einen Termin bei ihm?“, erkundigt sich seine Sekretärin.
Nein, den haben wir natürlich nicht, muss Düse zugeben.
„Ja, dann fürchte ich…“, setzt die Sekretärin an, aber Düse unterbricht sie und sagt: „Es tut mir leid, junge Dame, aber es ist wirklich wichtig! Wenn Sie gestatten, dann warten wir auf ihn.“
Die Sekretärin, eine Dame mittleren Alters, fühlt sich offenbar geschmeichelt durch diese Übertreibung und nickt gnädig. Manchmal kann Düse wirklich charmant sein, jedenfalls wenn er will. Das öffnet ihm so manche Tür, die sonst verschlossen bliebe, hat er mal gesagt. Ab und zu kann man echt von ihm was lernen.
Kurz nach zehn Uhr geht die Bürotür auf, und ein elegant gekleideter Herr kommt ins Zimmer. Mir ist er gleich unsympathisch, weil er sogar aus der Entfernung schon tüchtig nach Chemie riecht. Hat bestimmt ein wenig zu viel von seinem, sicherlich teuren, Rasierwasser genommen, so wie es scheint.
„Guten Morgen, Frau Bauer!“, grüßt er und stutzt, als er uns sieht.
„Guten Morgen, Herr Schuster. Das ist Herr Düsediekerbäumer. Er möchte gern mit Ihnen sprechen, es sei wichtig, hat er mir gesagt“, erwidert sie.
„So, um was geht es denn? Wenn Sie einen Job suchen, dann wenden Sie sich an unsere Personalabteilung“, versucht er uns gleich abzufertigen.
Aber da ist er bei Düse falsch gewickelt. Der erhebt sich und reckt sich zu seiner vollen Größe auf und sagt: „Es tut mir leid, aber es geht um eine ganz andere, persönliche Angelegenheit, wollen wir die nicht doch lieber bei Ihnen im Büro besprechen?“
Herr Schuster scheint etwas verwirrt zu sein, aber er nickt vorsichtshalber. Vielleicht hat er gemerkt, dass seine Sekretärin bei Düse´s Worten ganz lange Ohren gekriegt hat. Jedenfalls geht er nun voraus in sein Büro und wir dürfen mit.
„Bitte, setzen Sie sich, um was geht es denn jetzt?“, erkundigt er sich. Dann legt Düse los. Er sagt, dass er genau Bescheid darüber weiß, dass Herr Schuster im Besitz der meisten Firmenanteile ist, und auch wie es dazu kam. Bei dieser Information wird Herr Schuster etwas blass, aber er fängt sich schnell wieder und sagt frech: „Das ist doch wohl einzig und allein die Angelegenheit von mir und Herrn Seewald. Woher wissen Sie überhaupt davon? Wollen Sie mich etwa erpressen?“
„Das tut hier nichts zur Sache. Aber Sie hatten Herrn Seewald wegen der Affäre mit Ihrer Frau in der Hand, sonst hätte er wohl niemals zugestimmt, Ihnen weitere seiner Firmenanteile zu überlassen, sodass Sie jetzt wichtige Entscheidungen notfalls allein durchboxen können. Diese Aktion ihrerseits war mindestens sittenwidrig, um es mal vorsichtig auszudrücken.“
„Na und? Das ist alles ganz legal abgelaufen. Sie können mir gar nichts!“, sagt Herr Schuster zornig.
Bei diesen Worten läuft er knallrot an und fordert uns auf zu gehen.
„Nein, ich bin noch nicht fertig“, sagt Düse.
Er lässt sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen, und rauswerfen lässt er sich von diesem aufgeblasenen Kerl schon gar nicht.
„Es geht auch primär gar nicht darum, Herr Schuster. Ich bin Privatdetektiv, und Ihr Partner ist mein Klient. Herr Seewald erhält inzwischen Drohbriefe, und ich vermute, dass Sie dahinterstecken!“
So, jetzt ist es raus. Diplomatisch war das allerdings ganz und gar nicht, Düse. Was hat er sich nur dabei gedacht, so mit der Tür ins Haus zu fallen? Aber bei dem Kompagnon von Herrn Seewald scheint das tatsächlich die richtige Methode zu sein.
„Wieso sollte ich Gunther bedrohen, was hätte ich davon?“, erkundigt sich Herr Schuster höhnisch. Er scheint nach seinem ersten Schreck jetzt wieder Oberwasser zu bekommen.
„Vielleicht ist es ja eine ganz ausgefeilte Methode, sich an ihm zu rächen, weil er etwas mit Ihrer Frau angefangen hat. So etwas lässt einen doch nicht völlig kalt!“, antwortet Düse.
„Da haben Sie möglicherweise recht“, gibt Herr Schuster zu.
Sieh an, wird der etwa zahm? Aber schon fährt er fort: „Aber zwischen meiner Frau und mir stimmte es schon länger nicht mehr. Da war diese Affäre mit meinem Partner nur ein kleines Manöver von ihr. Ein letzter, verzweifelter Versuch mich eifersüchtig zu machen. Außerdem kann Herr Seewald im Umgang mit Frauen wirklich reizend sein. Angefangen hat es wohl bei einem Geschäftsessen, wir hatten alle etwas zu viel getrunken, und so ist es eben passiert, was soll´s. Ich bin damals sehr schnell darüber hinweggekommen. Außerdem haben wir uns längst getrennt, meine Frau und ich.“
„Auch das weiß ich. Aber es war doch wohl etwas mehr als nur ein kleiner Seitensprung, denn immerhin war Ihre Frau schwanger von Herrn Seewald“, gibt Düse zu bedenken.
„Tja, das war Pech“, gibt Herr Schuster zu.
Meine Güte, das ist aber wirklich ein abgebrühter Kerl!
„Pech, nennen Sie das? Sie hat das Kind ja kurze Zeit später auch noch verloren“, redet Düse weiter.
„Ja und?“
Jetzt geht Düse aufs Ganze. Er sagt: „Hätten Sie nicht gern den ganzen großen Kuchen für sich allein? Wenn es Ihnen gelingen sollte, Ihren Partner aus der Firma zu kegeln, dann hätten Sie doch keinerlei Probleme mehr. Und das in mehr als nur einer Hinsicht!“, fügt er bedeutungsvoll hinzu.
„Wie meinen Sie denn das?“, will Herr Schuster wissen.