Don Karlos - Friedrich Schiller - E-Book

Don Karlos E-Book

Friedrich Schiller

0,0
5,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Liebe, Eifersucht, Verrat – die Verhältnisse am spanischen Königshof sind angespannt, besonders zwischen Karlos und seinem Vater, König Philipp. Marquis Posa, Karlos' Jugendfreund, will für Toleranz und Freiheit sorgen, doch politische Intrigen führen zur Katastrophe. Klassenlektüre und Textarbeit einfach gemacht: Die Reihe »Reclam XL – Text und Kontext« erfüllt alle Anforderungen an Schullektüre und Bedürfnisse des Deutschunterrichts: * Schwierige Wörter werden am Fuß jeder Seite erklärt, ausführlichere Wort- und Sacherläuterungen stehen im Anhang. * Ein Materialienteil mit Text- und Bilddokumenten erleichtert die Einordnung und Deutung des Werkes im Unterricht. * Natürlich passen auch weiterhin alle Lektüreschlüssel, Erläuterungsbände und Interpretationen dazu! E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 339

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Friedrich Schiller

Don Karlos

Infant von SpanienEin dramatisches GedichtReclam XL | Text und Kontext

Herausgegeben von Martin C. Wald

Reclam

2015, 2022 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2022

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-960756-6

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-016151-7

www.reclam.de

Inhalt

Don Karlos

Personen

Don Karlos

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Vierter Akt

Fünfter Akt

Anhang

1 Zur Textgestalt

2 Anmerkungen

3 Materialien

4 Literaturhinweise

Fußnoten

DonKarlos

Infant von Spanien

Ein dramatisches Gedicht

[3]Personen

PHILIPP DER ZWEITE

, König von Spanien

ELISABETH

von Valois, seine Gemahlin

Don

KARLOS,

der Kronprinz

Alexander

FARNESE,

Prinz von Parma, Neffe des Königs

Infantin

KLARA EUGENIA,

ein Kind von drei Jahren

Herzogin von

OLIVAREZ,

Oberhofmeisterin

Damen der Königin

Marquisin von MONDEKARPrinzessin von EBOLIGräfin FUENTES

Granden von Spanien

Marquis von POSA, ein MalteserritterHerzog von ALBAGraf von LERMA, Oberster der LeibwacheHerzog von FERIA, Ritter des VliesesHerzog von MEDINA SIDONIA, AdmiralDon Raymond von TAXIS, Oberpostmeister

DOMINGO

, Beichtvater des Königs

Der

GROSSINQUISITOR

des Königreichs

Der

PRIOR

eines

Kartäuserklosters

Ein

PAGE

der Königin

Don Ludwig

MERKADO

, Leibarzt der Königin

MEHRERE DAMEN

und Granden, Pagen, Offiziere, die Leibwache, und verschiedene stumme Personen

Don Karlos

[5]Erster Akt

Der königliche Garten in Aranjuez.

Erster Auftritt

KARLOS. DOMINGO.

DOMINGO.

Die schönen Tage in Aranjuez

Sind nun zu Ende. Eure königliche Hoheit

Verlassen es nicht heiterer. Wir sind

Vergebens hier gewesen. Brechen Sie

5Dies rätselhafte Schweigen. Öffnen Sie

Ihr Herz dem Vaterherzen, Prinz. Zu teuer

Kann der Monarch die Ruhe seines Sohns –

Des einz’gen Sohns – zu teuer nie erkaufen.

(Karlos sieht zur Erde und schweigt.)

Wär noch ein Wunsch zurücke, den der Himmel

10Dem liebsten seiner Söhne weigerte?

Ich stand dabei, als in Toledos Mauern

Der stolze Karl die Huldigung empfing,

Als Fürsten sich zu seinem Handkuss drängten.

Und jetzt in Einem – Einem Niederfall

15Sechs Königreiche ihm zu Füßen lagen –

Ich stand und sah das junge stolze Blut

In seine Wangen steigen, seinen Busen

Von fürstlichen Entschlüssen wallen, sah

Sein trunknes Aug durch die Versammlung fliegen,

20In Wonne brechen – Prinz, und dieses Auge

Gestand: Ich bin gesättigt.

(Karlos wendet sich weg.)    Dieser stille

Und feierliche Kummer, Prinz, den wir

Acht Monde schon in Ihren Blicken lesen,

Das Rätsel dieses ganzen Hofs, die Angst

25Des Königreichs, hat Seiner Majestät

Schon manche sorgenvolle Nacht gekostet,

Schon manche Träne Ihrer Mutter.

[6]KARLOS (dreht sich rasch um).

    Mutter!

– O Himmel, gib, dass ich es dem vergesse,

Der sie zu meiner Mutter machte!

DOMINGO.

    Prinz!

KARLOS (besinnt sich und fährt mit der Hand über die Stirne).

30Hochwürd’ger Herr – ich habe sehr viel Unglück

Mit meinen Müttern. Meine erste Handlung,

Als ich das Licht der Welt erblickte, war

Ein Muttermord.

DOMINGO.

    Ist’s möglich, gnäd’ger Prinz?

Kann dieser Vorwurf Ihr Gewissen drücken?

KARLOS.

35 Und meine neue Mutter – hat sie mir

Nicht meines Vaters Liebe schon gekostet?

Mein Vater hat mich kaum geliebt. Mein ganzes

Verdienst war noch, sein Einziger zu sein.

Sie gab ihm eine Tochter – O wer weiß

40Was in der Zeiten Hintergrunde schlummert?

DOMINGO.

Sie spotten meiner, Prinz. Ganz Spanien

Vergöttert seine Königin. Sie sollten

Nur mit des Hasses Augen sie betrachten?

Bei ihrem Anblick nur die Klugheit hören?

45Wie, Prinz? Die schönste Frau auf dieser Welt,

Und Königin – und ehmals Ihre Braut?

Unmöglich Prinz! Unglaublich! Nimmermehr!

Wo alles liebt, kann Karl allein nicht hassen;

So seltsam widerspricht sich Karlos nicht.

50Verwahren Sie sich, Prinz, dass sie es nie,

Wie sehr sie ihrem Sohn missfällt, erfahre;

Die Nachricht würde schmerzen.

KARLOS.

    Glauben Sie?

DOMINGO.

Wenn Eure Hoheit sich des letzteren

Turniers zu Saragossa noch entsinnen,

55Wo unsern Herrn ein Lanzensplitter streifte –

Die Königin mit ihren Damen saß

Auf des Palastes mittlerer Tribune,

Und sah dem Kampfe zu. Auf einmal rief’s:

[7]»Der König blutet!« – Man rennt durcheinander,

60Ein dumpfes Murmeln dringt bis zu dem Ohr

Der Königin. »Der Prinz?« ruft sie und will,

Und will sich von dem obersten Geländer

Herunterwerfen. – »Nein! Der König selbst!«

Gibt man zur Antwort – »So lasst Ärzte holen!«

65Erwidert sie, indem sie Atem schöpfte.

(Nach einigem Stillschweigen.)

Sie stehen in Gedanken?

KARLOS.

    Ich bewundre

Des Königs lust’gen Beichtiger, der so

Bewandert ist in witzigen Geschichten.

(Ernsthaft und finster.)

Doch hab ich immer sagen hören, dass

70Gebärdenspäher und Geschichtenträger

Des Übels mehr auf dieser Welt getan,

Als Gift und Dolch in Mörders Hand nicht konnten.

Die Mühe, Herr, war zu ersparen. Wenn

Sie Dank erwarten, gehen Sie zum König.

DOMINGO.

75Sie tun sehr wohl, mein Prinz, sich vorzusehn

Mit Menschen – nur mit Unterscheidung. Stoßen

Sie mit dem Heuchler nicht den Freund zurück,

Ich mein es gut mit Ihnen.

KARLOS.

    Lassen Sie

Das meinen Vater ja nicht merken. Sonst

Sind Sie um Ihren Purpur.

DOMINGO (stutzt).

    Wie?

KARLOS.

80         Nun ja.

Versprach er Ihnen nicht den ersten Purpur,

Den Spanien vergeben würde?

DOMINGO.

    Prinz,

Sie spotten meiner.

KARLOS.

    Das verhüte Gott,

Dass ich des fürchterlichen Mannes spotte,

85Der meinen Vater selig sprechen und

Verdammen kann!

[8]DOMINGO.

    Ich will mich nicht

Vermessen, Prinz, in das ehrwürdige

Geheimnis Ihres Kummers einzudringen.

Nur bitt ich Eure Hoheit, eingedenk

90Zu sein, dass dem beängstigten Gewissen

Die Kirche eine Zuflucht aufgetan,

Wozu Monarchen keinen Schlüssel haben,

Wo selber Missetaten unterm Siegel

Des Sakramentes aufgehoben liegen –

95Sie wissen was ich meine, Prinz, ich habe

Genug gesagt.

KARLOS.

    Nein! Das soll ferne von mir sein,

Dass ich den Siegelführer so versuchte!

DOMINGO.

Prinz, dieses Misstraun – Sie verkennen Ihren

Getreusten Diener.

KARLOS (fasst ihn bei der Hand).

    Also geben Sie

100Mich lieber auf. Sie sind ein heil’ger Mann,

Das weiß die Welt – doch, frei heraus – für mich

Sind Sie bereits zu überhäuft. Ihr Weg,

Hochwürd’ger Vater, ist der weiteste,

Bis Sie auf Peters Stuhle niedersitzen.

105Viel Wissen möchte Sie beschweren. Melden

Sie das dem König, der Sie hergesandt.

DOMINGO.

Mich hergesandt –

KARLOS.

    So sagt ich. O zu gut,

Zu gut weiß ich, dass ich an diesem Hof

Verraten bin – ich weiß, dass hundert Augen

110Gedungen sind, mich zu bewachen, weiß,

Dass König Philipp seinen einz’gen Sohn

An seiner Knechte schlechtesten verkaufte,

Und jede von mir aufgefangne Silbe

Dem Hinterbringer fürstlicher bezahlt,

115Als er noch keine gute Tat bezahlte.

Ich weiß – O still! Nichts mehr davon. Mein Herz

Will überströmen, und ich habe schon

Zu viel gesagt.

[9]DOMINGO.

    Der König ist gesonnen

Vor Abend in Madrid noch einzutreffen.

120Bereits versammelt sich der Hof. Hab ich

Die Gnade, Prinz –

KARLOS.

    Schon gut. Ich werde folgen.

(Domingo geht ab. Nach einem Stillschweigen.)

Beweinenswerter Philipp, wie dein Sohn

Beweinenswert! – Schon seh ich deine Seele

Vom gift’gen Schlangenbiss des Argwohns bluten,

125Dein unglücksel’ger Vorwitz übereilt

Die fürchterlichste der Entdeckungen,

Und rasen wirst du, wenn du sie gemacht.

Zweiter Auftritt

KARLOS. MARQUIS VON POSA.

KARLOS.

Wer kommt? – Was seh ich! O ihr guten Geister!

Mein Roderich!

MARQUIS.

    Mein Karlos!

KARLOS.

         Ist es möglich?

130Ist’s wahr? Ist’s wirklich? Bist du’s? – O du bist’s!

Ich drück an meine Seele dich, ich fühle

Die deinige allmächtig an mir schlagen.

O jetzt ist alles wieder gut. In dieser

Umarmung heilt mein krankes Herz. Ich liege

Am Halse meines Roderich.

MARQUIS.

135    Ihr krankes,

Ihr krankes Herz? Und was ist wieder gut?

Was ist’s, das wieder gut zu werden brauchte?

Sie hören, was mich stutzen macht.

KARLOS.

    Und was

Bringt dich so unverhofft aus Brüssel wieder?

140Wem dank ich diese Überraschung? Wem?

Ich frage noch? Verzeih dem Freudetrunknen,

Erhabne Vorsicht, diese Lästerung!

[10]Wem sonst als dir, Allgütigste? Du wusstest,

Dass Karlos ohne Engel war, du sandtest

Mir diesen, und ich frage noch?

MARQUIS.

145    Vergebung,

Mein teurer Prinz, wenn ich dies stürmische

Entzücken mit Bestürzung nur erwidre.

So war es nicht, wie ich Don Philipps Sohn

Erwartete. Ein unnatürlich Rot

150Entzündet sich auf Ihren blassen Wangen,

Und Ihre Lippen zittern fieberhaft.

Was muss ich glauben, teurer Prinz? – Das ist

Der löwenkühne Jüngling nicht, zu dem

Ein unterdrücktes Heldenvolk mich sendet –

155Denn jetzt steh ich als Roderich nicht hier,

Nicht als des Knaben Karlos Spielgeselle –

Ein Abgeordneter der ganzen Menschheit

Umarm ich Sie – es sind die Flandrischen

Provinzen, die an Ihrem Halse weinen,

160Und feierlich um Rettung Sie bestürmen.

Getan ist’s um Ihr teures Land, wenn Alba,

Des Fanatismus rauer Henkersknecht,

Vor Brüssel rückt mit spanischen Gesetzen.

Auf Kaiser Karls glorwürd’gem Enkel ruht

165Die letzte Hoffnung dieser edeln Lande.

Sie stürzt dahin, wenn sein erhabnes Herz

Vergessen hat für Menschlichkeit zu schlagen.

KARLOS.

Sie stürzt dahin.

MARQUIS.

    Weh mir! Was muss ich hören!

KARLOS.

Du sprichst von Zeiten, die vergangen sind.

170Auch mir hat einst von einem Karl geträumt,

Dem’s feurig durch die Wangen lief, wenn man

Von Freiheit sprach – doch der ist lang begraben.

Den du hier siehst, das ist der Karl nicht mehr,

Der in Alkala von dir Abschied nahm,

175Der sich vermaß in süßer Trunkenheit,

Der Schöpfer eines neuen goldnen Alters

[11]In Spanien zu werden – O der Einfall

War kindisch, aber göttlich schön. Vorbei

Sind diese Träume. –

MARQUIS.

    Träume, Prinz! – So wären

Es Träume nur gewesen?

KARLOS.

180    Lass mich weinen,

An deinem Herzen, heiße Tränen weinen,

Du einz’ger Freund. Ich habe niemand – niemand –

Auf dieser großen weiten Erde niemand.

So weit das Zepter meines Vaters reicht,

185So weit die Schifffahrt unsre Flaggen sendet,

Ist keine Stelle – keine – keine, wo

Ich meiner Tränen mich entlasten darf,

Als diese. O bei allem, Roderich,

Was du und ich dereinst im Himmel hoffen,

190Verjage mich von dieser Stelle nicht.

MARQUIS(neigt sich über ihn in sprachloser Rührung).

KARLOS.

Berede dich, ich wär ein Waisenkind,

Das du am Thron mitleidig aufgelesen.

Ich weiß ja nicht was Vater heißt – ich bin

Ein Königssohn – O wenn es eintrifft, was

195Mein Herz mir sagt, wenn du aus Millionen

Herausgefunden bist, mich zu verstehn,

Wenn’s wahr ist, dass die schaffende Natur

Den Roderich im Karlos wiederholte,

Und unsrer Seelen zartes Saitenspiel

200Am Morgen unsres Lebens gleich bezog,

Wenn eine Träne, die mir Lindrung gibt,

Dir teurer ist, als meines Vaters Gnade –

MARQUIS.

O teurer als die ganze Welt.

KARLOS.

    So tief

Bin ich gefallen – bin so arm geworden,

205Dass ich an unsre frühen Kinderjahre

Dich mahnen muss – dass ich dich bitten muss,

Die lang vergessnen Schulden abzutragen,

Die du noch im Matrosenkleide machtest –

[12]Als du und ich, zween Knaben wilder Art,

210So brüderlich zusammen aufgewachsen,

Kein Schmerz mich drückte, als von deinem Geiste

So sehr verdunkelt mich zu sehn – ich endlich

Mich kühn entschloss, dich grenzenlos zu lieben,

Weil mich der Mut verließ, dir gleich zu sein.

215Da fing ich an mit tausend Zärtlichkeiten

Und treuer Bruderliebe dich zu quälen;

Du, stolzes Herz, gabst sie mir kalt zurück.

Oft stand ich da, und – doch das sahst du nie!

Und heiße, schwere Tränentropfen hingen

220In meinem Aug, wenn du, mich überhüpfend,

Geringre Kinder in die Arme drücktest.

Warum nur diese? rief ich trauernd aus:

Bin Ich dir nicht auch herzlich gut? – Du aber,

Du knietest kalt und ernsthaft vor mir nieder:

225Das, sagtest du, gebührt dem Königssohn.

MARQUIS.

O stille, Prinz, von diesen kindischen

Geschichten, die mich jetzt noch schamrot machen.

KARLOS.

Ich hatt es nicht um dich verdient. Verschmähen,

Zerreißen konntest du mein Herz, doch nie

230Von dir entfernen. Dreimal wiesest du

Den Fürsten von dir, dreimal kam er wieder

Als Bittender, um Liebe dich zu flehn

Und dir gewaltsam Liebe aufzudringen.

Ein Zufall tat, was Karlos nie gekonnt.

235Einmal geschah’s bei unsern Spielen, dass

Der Königin von Böhmen, meiner Tante,

Dein Federball ins Auge flog. Sie glaubte,

Dass es mit Vorbedacht geschehn, und klagt’ es

Dem Könige mit tränendem Gesicht.

240Die ganze Jugend des Palastes muss

Erscheinen, ihm den Schuldigen zu nennen.

Der König schwört, die hinterlist’ge Tat,

Und wär es auch an seinem eignen Kinde,

Aufs Schrecklichste zu ahnden. – Damals sah ich

245[13]Dich zitternd in der Ferne stehn, und jetzt,

Jetzt trat ich vor und warf mich zu den Füßen

Des Königs. Ich, ich tat es, rief ich aus:

An deinem Sohn erfülle deine Rache.

MARQUIS.

Ach! woran mahnen Sie mich, Prinz!

KARLOS.

    Sie ward’s:

250Im Angesicht des ganzen Hofgesindes,

Das mitleidsvoll im Kreise stand, ward sie

Auf Sklavenart an deinem Karl vollzogen.

Ich sah auf dich und weinte nicht. Der Schmerz

Schlug meine Zähne knirschend aneinander;

255Ich weinte nicht. Mein königliches Blut

Floss schändlich unter unbarmherz’gen Streichen;

Ich sah auf dich und weinte nicht – Du kamst;

Laut weinend sankst du mir zu Füßen. Ja!

Ja, riefst du aus; mein Stolz ist überwunden.

260Ich will bezahlen, wenn du König bist.

MARQUIS (reicht ihm die Hand).

Ich will es, Karl. Das kindische Gelübde

Erneur’ ich jetzt als Mann. Ich will bezahlen.

Auch meine Stunde schlägt vielleicht.

KARLOS.

    Jetzt, jetzt.

O zögre nicht. Jetzt hat sie ja geschlagen.

265Die Zeit ist da, wo du es lösen kannst.

Ich brauche Liebe. – Ein entsetzliches

Geheimnis brennt auf meiner Brust. Es soll,

Es soll heraus. In deinen blassen Mienen

Will ich das Urteil meines Todes lesen.

270Hör an – erstarre – doch erwidre nichts –

Ich liebe meine Mutter.

MARQUIS.

    O mein Gott!

KARLOS.

Nein! Diese Schonung will ich nicht. Sprich’s aus,

Sprich, dass auf diesem großen Rund der Erde

Kein Elend an das meine grenze – sprich –

275Was du mir sagen kannst, errat ich schon.

Der Sohn liebt seine Mutter. Weltgebräuche,

[14]Die Ordnung der Natur und Roms Gesetze

Verdammen diese Leidenschaft. Mein Anspruch

Stößt fürchterlich auf meines Vaters Rechte.

280Ich fühl’s, und dennoch lieb ich. Dieser Weg

Führt nur zum Wahnsinn oder Blutgerüste.

Ich liebe ohne Hoffnung – lasterhaft –

Mit Todesangst und mit Gefahr des Lebens –

Das seh ich ja, und dennoch lieb ich.

MARQUIS.

    Weiß

Die Königin um diese Neigung?

KARLOS.

285    Konnt ich

Mich ihr entdecken? Sie ist Philipps Frau,

Und Königin, und das ist span’scher Boden.

Von meines Vaters Eifersucht bewacht,

Von Etikette ringsum eingeschlossen,

290Wie konnt ich ohne Zeugen mich ihr nahn?

Acht höllenbange Monde sind es schon,

Dass von der hohen Schule mich der König

Zurückberief, dass ich sie täglich anzuschauen

Verurteilt bin, und wie das Grab zu schweigen.

295Acht höllenbange Monde, Roderich,

Dass dieses Feu’r in meinem Busen wütet,

Dass tausendmal sich das entsetzliche

Geständnis schon auf meinen Lippen meldet,

Doch scheu und feig zurück zum Herzen kriecht.

300O Roderich – nur wen’ge Augenblicke

Allein mit ihr –

MARQUIS.

    Ach! Und Ihr Vater, Prinz –

KARLOS.

Unglücklicher! Warum an den mich mahnen?

Sprich mir von allen Schrecken des Gewissens;

Von meinem Vater sprich mir nicht.

MARQUIS.

Sie hassen Ihren Vater?

KARLOS.

305    Nein! Ach nein!

Ich hasse meinen Vater nicht – doch Schauer

Und Missetäters-Bangigkeit ergreifen

Bei diesem fürchterlichen Namen mich.

[15]Kann ich dafür, wenn eine knechtische

310Erziehung schon in meinem jungen Herzen

Der Liebe zarten Keim zertrat? Sechs Jahre

Hatt ich gelebt, als mir zum ersten Mal

Der Fürchterliche, der, wie sie mir sagten,

Mein Vater war, vor Augen kam. Es war

315An einem Morgen, wo er stehnden Fußes

Vier Bluturteile unterschrieb. Nach diesem

Sah ich ihn nur, wenn mir für ein Vergehn

Bestrafung angekündigt ward. – O Gott!

Hier fühl ich, dass ich bitter werde – Weg –

Weg, weg von dieser Stelle.

MARQUIS.

320    Nein, Sie sollen,

Jetzt sollen Sie sich öffnen, Prinz. In Worten

Erleichtert sich der schwer beladne Busen.

KARLOS.

Oft hab ich mit mir selbst gerungen, oft

Um Mitternacht, wenn meine Wachen schliefen,

325Mit heißen Tränengüssen vor das Bild

Der Hochgebenedeiten mich geworfen,

Sie um ein kindlich Herz gefleht – doch ohne

Erhörung stand ich auf. Ach Roderich!

Enthülle du dies wunderbare Rätsel

330Der Vorsicht mir – Warum von tausend Vätern

Just eben diesen Vater Mir? Und Ihm

Just diesen Sohn von tausend bessern Söhnen?

Zwei unverträglichere Gegenteile

Fand die Natur in ihrem Umkreis nicht.

335Wie mochte sie die beiden letzten Enden

Des menschlichen Geschlechtes – Mich und Ihn –

Durch ein so heilig Band zusammenzwingen?

Furchtbares Los! Warum musst es geschehn?

Warum zwei Menschen, die sich ewig meiden,

340In Einem Wunsche schrecklich sich begegnen?

Hier, Roderich, siehst du zwei feindliche

Gestirne, die im ganzen Lauf der Zeiten

Ein einzig Mal in scheitelrechter Bahn

[16]Zerschmetternd sich berühren, dann auf immer

Und ewig auseinander fliehn.

MARQUIS.

345    Mir ahnet

Ein unglücksvoller Augenblick.

KARLOS.

    Mir selbst.

Wie Furien des Abgrunds folgen mir

Die schauerlichsten Träume. Zweifelnd ringt

Mein guter Geist mit grässlichen Entwürfen;

350Durch labyrinthische Sophismen kriecht

Mein unglücksel’ger Scharfsinn, bis er endlich

Vor eines Abgrunds gähem Rande stutzt –

O Roderich, wenn ich den Vater je

In ihm verlernte – Roderich – ich sehe,

355Dein totenblasser Blick hat mich verstanden.

Wenn ich den Vater je in ihm verlernte,

Was würde mir der König sein?

MARQUIS (nach einigem Stillschweigen).

    Darf ich

An meinen Karlos eine Bitte wagen?

Was Sie auch willens sind zu tun, versprechen Sie

360Nichts ohne Ihren Freund zu unternehmen.

Versprechen Sie mir dieses?

KARLOS.

    Alles, alles,

Was deine Liebe mir gebeut. Ich werfe

Mich ganz in deine Arme.

MARQUIS.

    Wie man sagt,

Will der Monarch zur Stadt zurücke kehren.

365Die Zeit ist kurz. Wenn Sie die Königin

Geheim zu sprechen wünschen, kann es nirgends

Als in Aranjuez geschehn. Die Stille

Des Orts – des Landes ungezwungne Sitte

Begünstigen –

KARLOS.

    Das war auch meine Hoffnung.

Doch ach, sie war vergebens!

MARQUIS.

370    Nicht so ganz.

Ich gehe, mich sogleich ihr vorzustellen.

Ist sie in Spanien dieselbe noch,

[17]Die sie vordem an Heinrichs Hof gewesen,

So find ich Offenherzigkeit. Kann ich

375In ihren Blicken Karlos’ Hoffnung lesen,

Find ich zu dieser Unterredung sie

Gestimmt – sind ihre Damen zu entfernen –

KARLOS.

Die meisten sind mir zugetan. – Besonders

Die Mondekar hab ich durch ihren Sohn,

Der mir als Page dient, gewonnen. –

MARQUIS.

380    Desto besser.

So sind Sie in der Nähe, Prinz, sogleich

Auf mein gegebnes Zeichen zu erscheinen.

KARLOS.

Das will ich – will ich – also eile nur.

MARQUIS.

Ich will nun keinen Augenblick verlieren.

385Dort also, Prinz, auf Wiedersehn.

(Beide gehen ab auf verschiedenen Seiten.)

Die Hofhaltung der Königin in Aranjuez.

Eine einfache ländliche Gegend, von einer Allee durchschnitten, vom Landhause der Königin begrenzt.

Dritter Auftritt

Die KÖNIGIN. Die HERZOGIN VON OLIVAREZ. Die PRINZESSIN VON EBOLI, und die MARQUISIN VON MONDEKAR, welche die Allee heraufkommen.

KÖNIGIN (zur Marquisin).

Sie will ich um mich haben, Mondekar.

Die muntern Augen der Prinzessin quälen

Mich schon den ganzen Morgen. Sehen Sie,

Kaum weiß sie ihre Freude zu verbergen,

Weil sie vom Lande Abschied nimmt.

EBOLI.

390    Ich will es

Nicht leugnen, meine Königin, dass ich

Madrid mit großen Freuden wiedersehe.

[18]MONDEKAR.

Und Ihre Majestät nicht auch? Sie sollten

So ungern von Aranjuez sich trennen?

KÖNIGIN.

395Von – dieser schönen Gegend wenigstens.

Hier bin ich wie in meiner Welt. Dies Plätzchen

Hab ich mir längst zum Liebling auserlesen.

Hier grüßt mich meine ländliche Natur,

Die Busenfreundin meiner jungen Jahre.

400Hier find ich meine Kinderspiele wieder,

Und meines Frankreichs Lüfte wehen hier.

Verargen Sie mir’s nicht. Uns alle zieht

Das Herz zum Vaterland.

EBOLI.

    Wie einsam aber,

Wie tot und traurig ist es hier! Man glaubt

Sich in la Trappe.

KÖNIGIN.

405    Das Gegenteil vielmehr.

Tot find ich es nur in Madrid. – Doch was

Spricht unsre Herzogin dazu?

OLIVAREZ.

    Ich bin

Der Meinung, Ihro Majestät, dass es

So Sitte war, den einen Monat hier,

410Den andern in dem Pardo auszuhalten,

Den Winter in der Residenz, solange

Es Könige in Spanien gegeben.

KÖNIGIN.

Ja, Herzogin, das wissen Sie, mit Ihnen

Hab ich auf immer mich des Streits begeben.

MONDEKAR.

415 Und wie lebendig es mit nächstem in

Madrid sein wird! Zu einem Stiergefechte

Wird schon die Plaza Mayor zugerichtet,

Und ein Autodafé hat man uns auch

Versprochen –

KÖNIGIN.

    Uns versprochen! Hör ich das

Von meiner sanften Mondekar?

MONDEKAR.

420    Warum nicht?

Es sind ja Ketzer, die man brennen sieht.

KÖNIGIN.

Ich hoffe, meine Eboli denkt anders.

EBOLI.

Ich? – Ihre Majestät, ich bitte sehr,

[19]Für keine schlechtre Christin mich zu halten,

Als die Marquisin Mondekar.

KÖNIGIN.

425    Ach! Ich

Vergesse wo ich bin. – Zu etwas anderm. –

Vom Lande, glaub ich, sprachen wir. Der Monat

Ist, deucht mir, auch erstaunlich schnell vorüber.

Ich habe mir der Freude viel, sehr viel,

430Von diesem Aufenthalt versprochen, und

Ich habe nicht gefunden, was ich hoffte.

Geht es mit jeder Hoffnung so? Ich kann

Den Wunsch nicht finden, der mir fehlgeschlagen.

OLIVAREZ.

Prinzessin Eboli, Sie haben uns

435Noch nicht gesagt, ob Gomez hoffen darf?

Ob wir Sie bald als seine Braut begrüßen?

KÖNIGIN.

Ja! Gut, dass Sie mich mahnen, Herzogin.

(Zur Prinzessin.)

Man bittet mich bei Ihnen fürzusprechen.

Wie aber kann ich das? Der Mann, den ich

440Mit meiner Eboli belohne, muss

Ein würd’ger Mann sein.

OLIVAREZ.

    Ihre Majestät,

Das ist er, ein sehr würd’ger Mann, ein Mann,

Den unser gnädigster Monarch bekanntlich

Mit ihrer königlichen Gunst beehren.

KÖNIGIN.

445Das wird den Mann sehr glücklich machen – Doch

Wir wollen wissen, ob er lieben kann,

Und Liebe kann verdienen. – Eboli,

Das frag ich Sie.

EBOLI (steht stumm und verwirrt, die Augen zur Erde geschlagen, endlich fällt sie der Königin zu Füßen).

    Großmüt’ge Königin,

Erbarmen Sie sich meiner. Lassen Sie –

450Um Gottes willen, lassen Sie mich nicht –

Nicht aufgeopfert werden.

KÖNIGIN.

    Aufgeopfert?

[20]Ich brauche nichts mehr. Stehn Sie auf. Es ist

Ein hartes Schicksal, aufgeopfert werden.

Ich glaube Ihnen. Stehn Sie auf. – Ist es

455Schon lang, dass Sie den Grafen ausgeschlagen?

EBOLI (aufstehend).

O viele Monate. Prinz Karlos war

Noch auf der hohen Schule.

KÖNIGIN (stutzt und sieht sie mit forschenden Augen an).

    Haben Sie

Sich auch geprüft, aus welchen Gründen?

EBOLI (mit einiger Heftigkeit).

    Niemals

Kann es geschehen, meine Königin,

Aus tausend Gründen niemals.

KÖNIGIN (sehr ernsthaft).

460    Mehr als Einer ist

Zu viel. Sie können ihn nicht schätzen – das

Ist mir genug. Nichts mehr davon.

(Zu den andern Damen.)    Ich habe

Ja die Infantin heut noch nicht gesehen.

Marquisin, bringen Sie sie mir. –

OLIVAREZ (sieht auf die Uhr).

    Es ist

465Noch nicht die Stunde, Ihre Majestät. –

KÖNIGIN.

Noch nicht die Stunde, wo ich Mutter sein darf?

Das ist doch schlimm. Vergessen Sie es ja nicht,

Mich zu erinnern wenn sie kommt.

Ein PAGE tritt auf und spricht leise mit der Oberhofmeisterin, welche sich darauf zur Königin wendet.

OLIVAREZ.

    Der Marquis

Von Posa, Ihre Majestät –

KÖNIGIN.

    Von Posa?

OLIVAREZ.

470Er kommt aus Frankreich und den Niederlanden,

Und wünscht die Gnade zu erhalten, Briefe

Von der Regentin Mutter übergeben

Zu dürfen.

KÖNIGIN.

    Und das ist erlaubt?

[21]OLIVAREZ (bedenklich).

         In meiner Vorschrift

Ist des besondern Falles nicht gedacht,

475Wenn ein kastilian’scherGrande Briefe

Von einem fremden Hof der Königin

Von Spanien in ihrem Gartenwäldchen

Zu überreichen kommt.

KÖNIGIN.

    So will ich denn

Auf meine eigene Gefahr es wagen!

OLIVAREZ.

480Doch mir vergönne Ihro Majestät

Mich so lang zu entfernen. –

KÖNIGIN.

    Halten Sie

Das, wie Sie wollen, Herzogin.

(Die Oberhofmeisterin geht ab, und die Königin gibt dem Pagen einen Wink, welcher sogleich hinausgeht.)

Vierter Auftritt

KÖNIGIN. PRINZESSIN VON EBOLI. MARQUISIN VON MONDEKAR, und MARQUIS VON POSA.

KÖNIGIN.

    Ich heiße Sie

Willkommen, Chevalier, auf span’schem Boden.

MARQUIS.

Den ich noch nie mit so gerechtem Stolze

Mein Vaterland genannt als jetzt. –

KÖNIGIN (zu den beiden Damen).

485    Der Marquis

Von Posa, der im Ritterspiel zu Reims

Mit meinem Vater eine Lanze brach,

Und meine Farbe dreimal siegen machte –

Der erste seiner Nation, der mich

490Den Ruhm empfinden lehrte, Königin

Der Spanier zu sein.

(Zum Marquis sich wendend.)

    Als wir im Louvre

Zum letzten Mal uns sahen, Chevalier,

Da träumt’ es Ihnen wohl noch nicht, dass Sie

Mein Gast sein würden in Kastilien.

[22]MARQUIS.

495Nein, große Königin – denn damals träumte

Mir nicht, dass Frankreich noch das Einzige

An uns verlieren würde, was wir ihm

Beneidet hatten.

KÖNIGIN.

    Stolzer Spanier!

Das Einzige? – Und das zu einer Tochter

Vom Hause Valois?

MARQUIS.

500    Jetzt darf ich es

Ja sagen, Ihro Majestät – denn jetzt

Sind Sie ja unser.

KÖNIGIN.

    Ihre Reise, hör ich,

Hat auch durch Frankreich Sie geführt. – Was bringen

Sie mir von meiner hochverehrten Mutter

505Und meinen viel geliebten Brüdern?

MARQUIS (überreicht ihr die Briefe).

Die Königin Mutter fand ich krank, geschieden

Von jeder andern Freude dieser Welt,

Als ihre königliche Tochter glücklich

Zu wissen auf dem span’schen Thron.

KÖNIGIN.

    Muss sie

510Es nicht sein bei dem teuern Angedenken

So zärtlicher Verwandten? bei der süßen

Erinnrung an – Sie haben viele Höfe

Besucht auf Ihren Reisen, Chevalier;

Und viele Länder, vieler Menschen Sitte

515Gesehn – Und jetzt, sagt man, sind Sie gesonnen

In Ihrem Vaterland sich selbst zu leben?

Ein größrer Fürst in Ihren stillen Mauern,

Als König Philipp auf dem Thron – ein Freier!

Ein Philosoph! – Ich zweifle sehr, ob Sie

520Sich werden können in Madrid gefallen.

Man ist sehr – ruhig in Madrid.

MARQUIS.

    Und das

Ist mehr, als sich das ganze übrige

Europa zu erfreuen hat.

KÖNIGIN.

    So hör ich.

[23]Ich habe alle Händel dieser Erde

525Bis fast auf die Erinnerung verlernt.

(Zur Prinzessin von Eboli.)

Mir deucht, Prinzessin Eboli, ich sehe

Dort eine Hyazinthe blühen – Wollen

Sie mir sie bringen?

(Die Prinzessin geht nach dem Platze. Die Königin etwas leiser zum Marquis.)    Chevalier, ich müsste

Mich sehr betrügen, oder Ihre Ankunft

530Hat einen frohen Menschen mehr gemacht

An diesem Hofe.

MARQUIS.

    Einen Traurigen

Hab ich gefunden – den auf dieser Welt

Nur etwas fröhlich –

(Die Prinzessin kommt mit der Blume zurück.)

EBOLI.

    Da der Chevalier

So viele Länder hat gesehen, wird

535Er ohne Zweifel viel Merkwürdiges

Uns zu erzählen wissen.

MARQUIS.

    Allerdings.

Und Abenteuer suchen ist bekanntlich

Der Ritter Pflicht – die heiligste von allen,

Die Damen zu beschützen.

MONDEKAR.

    Gegen Riesen!

Jetzt gibt es keine Riesen mehr.

MARQUIS.

540    Gewalt

Ist für den Schwachen jederzeit ein Riese.

KÖNIGIN.

Der Chevalier hat Recht. Es gibt noch Riesen,

Doch keine Ritter gibt es mehr.

MARQUIS.

    Noch jüngst,

Auf meinem Rückweg von Neapel, war

545Ich Zeuge einer rührenden Geschichte,

Die mir der Freundschaft heiliges Legat

Zu meiner eigenen gemacht. – Wenn ich

Nicht fürchten müsste, Ihre Majestät

Durch die Erzählung zu ermüden –

[24]KÖNIGIN.

    Bleibt

550Mir eine Wahl? Die Neugier der Prinzessin

Lässt sich nichts unterschlagen. Nur zur Sache.

Auch ich bin eine Freundin von Geschichten.

MARQUIS.

Zwei edle Häuser in Mirandola,

Der Eifersucht, der langen Feindschaft müde,

555Die von den Ghibellinen und den Guelfen

Jahrhunderte schon fortgeerbt, beschlossen,

Durch der Verwandtschaft zarte Bande sich

In einem ew’gen Frieden zu vereinen.

Des mächtigen Pietro Schwestersohn,

560Fernando, und die göttliche Mathilde,

Colonnas Tochter, waren ausersehn,

Dies schöne Band der Einigkeit zu knüpfen.

Nie hat zwei schönre Herzen die Natur

Gebildet füreinander – nie die Welt,

565Nie eine Wahl so glücklich noch gepriesen.

Noch hatte seine liebenswürd’ge Braut

Fernando nur im Bildnis angebetet –

Wie zitterte Fernando, wahr zu finden,

Was seine feurigsten Erwartungen

570Dem Bilde nicht zu glauben sich getrauten!

In Padua, wo seine Studien

Ihn fesselten, erwartete Fernando

Des frohen Augenblickes nur, der ihm

Vergönnen sollte, zu Mathildens Füßen

575Der Liebe erste Huldigung zu stammeln.

(Die Königin wird aufmerksamer. Der Marquis fährt nach einem kurzen Stillschweigen fort, die Erzählung, soweit es die Gegenwart der Königin erlaubt, mehr an die Prinzessin von Eboli gerichtet.)

Indessen macht der Gattin Tod die Hand

Pietros frei. – Mit jugendlicher Glut

Verschlingt der Greis die Stimmen des Gerüchtes,

Das in dem Ruhm Mathildens sich ergoss.

580Er kommt! – Er sieht! – Er liebt! Die neue Regung

[25]Erstickt die leisre Stimme der Natur,

Der Oheim wirbt um seines Neffen Braut,

Und heiligt seinen Raub vor dem Altare.

KÖNIGIN.

Und was beschließt Fernando?

MARQUIS.

    Auf der Liebe Flügeln,

585Des fürchterlichen Wechsels unbewusst,

Eilt nach Mirandola der Trunkene.

Mit Sternenschein erreicht sein schnelles Ross

Die Tore – ein bacchantisches Getön

Von Reigen und von Pauken donnert ihm

590Aus dem erleuchteten Palast entgegen.

Er bebt die Stufen scheu hinauf, und sieht

Sich unerkannt im lauten Hochzeitsaale,

Wo in der Gäste taumelndem Gelag

Pietro saß – ein Engel ihm zur Seite,

595Ein Engel, den Fernando kennt, der ihm

In Träumen selbst so glänzend nie erschienen.

Ein einz’ger Blick zeigt ihm, was er besessen,

Zeigt ihm, was er auf immerdar verloren.

EBOLI.

Unglücklicher Fernando!

KÖNIGIN.

    Die Geschichte

600Ist doch zu Ende, Chevalier? – Sie muss

Zu Ende sein.

MARQUIS.

    Noch nicht ganz.

KÖNIGIN.

         Sagten Sie

Uns nicht, Fernando sei Ihr Freund gewesen?

MARQUIS.

Ich habe keinen teurern.

EBOLI.

    Fahren Sie

Doch fort in der Geschichte, Chevalier.

MARQUIS.

605 Sie wird sehr traurig – und das Angedenken

Erneuert meinen Schmerz. Erlassen Sie

Mir den Beschluss –

(Ein allgemeines Stillschweigen.)

KÖNIGIN (wendet sich zur Prinzessin von Eboli).

    Nun wird mir endlich doch

Vergönnt sein, meine Tochter zu umarmen. –

[26]Prinzessin, bringen Sie sie mir.

(Diese entfernt sich. Der Marquis winkt einem Pagen, der sich im Hintergrunde zeigt und sogleich verschwindet. Die Königin erbricht die Briefe, die der Marquis ihr gegeben, und scheint überrascht zu werden. In dieser Zeit spricht der Marquis geheim und sehr angelegentlich mit der Marquisin von Mondekar. – Die Königin hat die Briefe gelesen, und wendet sich mit einem ausforschenden Blicke zum Marquis.)

    Sie haben

610Uns von Mathilden nichts gesagt? Vielleicht

Weiß sie es nicht, wie viel Fernando leidet?

MARQUIS.

Mathildens Herz hat niemand noch ergründet –

Doch große Seelen dulden still.

KÖNIGIN.

Sie sehn sich um? Wen suchen Ihre Augen?

MARQUIS.

615Ich denke nach, wie glücklich ein Gewisser,

Den ich nicht nennen darf, an meinem Platze

Sein müsste.

KÖNIGIN.

    Wessen Schuld ist es, dass er

Es nicht ist?

MARQUIS (lebhaft einfallend).

    Wie? Darf ich mich unterstehen

Dies zu erklären wie ich will? – Er würde

620Vergebung finden, wenn er jetzt erschiene?

KÖNIGIN (erschrocken).

Jetzt, Marquis? Jetzt? Was meinen Sie damit?

MARQUIS.

Er dürfte hoffen – Dürft er?

KÖNIGIN (mit wachsender Verwirrung).

    Sie erschrecken mich

Marquis – Er wird doch nicht –

MARQUIS.

    Hier ist er schon.

[27]Fünfter Auftritt

Die KÖNIGIN. KARLOS. MARQUIS VON POSA und die MARQUISIN VON MONDEKAR treten nach dem Hintergrunde zurück.

KARLOS (vor der Königin niedergeworfen).

So ist er endlich da der Augenblick,

625Und Karl darf diese teure Hand berühren! –

KÖNIGIN.

Was für ein Schritt – Welch eine strafbare,

Tollkühne Überraschung! Stehn Sie auf!

Wir sind entdeckt. Mein Hof ist in der Nähe.

KARLOS.

Ich steh nicht auf – Hier will ich ewig knien.

630Auf diesem Platz will ich verzaubert liegen,

In dieser Stellung angewurzelt –

KÖNIGIN.

    Rasender!

Zu welcher Kühnheit führt Sie meine Gnade?

Wie? Wissen Sie, dass es die Königin,

Dass es die Mutter ist, an die sich diese

635Verwegne Sprache richtet? Wissen Sie,

Dass ich – ich selbst von diesem Überfalle

Dem Könige –

KARLOS.

    Und dass ich sterben muss!

Man reiße mich von hier aufs Blutgerüste!

Ein Augenblick gelebt im Paradiese

640Wird nicht zu teuer mit dem Tod gebüßt.

KÖNIGIN.

Und Ihre Königin?

KARLOS (steht auf).

    Gott! Gott! ich gehe –

Ich will Sie ja verlassen. – Muss ich nicht,

Wenn Sie es also fordern? Mutter! Mutter!

Wie schrecklich spielen Sie mit mir! Ein Wink,

645Ein halber Blick, ein Laut aus Ihrem Munde

Gebietet mir zu sein und zu vergehen.

Was wollen Sie, dass noch geschehen soll?

Was unter dieser Sonne kann es geben,

Das ich nicht hinzuopfern eilen will,

Wenn Sie es wünschen?

KÖNIGIN.

    Fliehen Sie.

[28]KARLOS.

650         O Gott!

KÖNIGIN.

Das Einz’ge, Karl, warum ich Sie mit Tränen

Beschwöre – Fliehen Sie! – eh meine Damen –

Eh meine Kerkermeister Sie und mich

Beisammen finden, und die große Zeitung

Vor Ihres Vaters Ohren bringen –

KARLOS.

655    Ich erwarte

Mein Schicksal – es sei Leben oder Tod.

Wie? Hab ich darum meine Hoffnungen

Auf diesen einz’gen Augenblick verwiesen,

Der Sie mir endlich ohne Zeugen schenkt,

660Dass falsche Schrecken mich am Ziele täuschten?

Nein, Königin! Die Welt kann hundertmal,

Kann tausendmal um ihre Pole treiben,

Eh diese Gunst der Zufall wiederholt.

KÖNIGIN.

Auch soll er das in Ewigkeit nicht wieder.

665Unglücklicher! Was wollen Sie von mir?

KARLOS.

O Königin, dass ich gerungen habe,

Gerungen, wie kein Sterblicher noch rang,

Ist Gott mein Zeuge – Königin! Umsonst!

Hin ist mein Heldenmut. Ich unterliege.

KÖNIGIN.

670Nichts mehr davon – um meiner Ruhe willen –

KARLOS.

Sie waren mein – im Angesicht der Welt

Mir zugesprochen von zwei großen Thronen,

Mir zuerkannt von Himmel und Natur,

Und Philipp, Philipp hat mir Sie geraubt –

KÖNIGIN.

Er ist Ihr Vater.

KARLOS.

    Ihr Gemahl.

KÖNIGIN.

675         Der Ihnen

Das größte Reich der Welt zum Erbe gibt.

KARLOS.

Und Sie zur Mutter –

KÖNIGIN.

    Großer Gott! Sie rasen –

KARLOS.

Und weiß er auch wie reich er ist? Hat er

Ein fühlend Herz, das Ihrige zu schätzen?

680Ich will nicht klagen, nein, ich will vergessen,

[29]Wie unaussprechlich glücklich Ich mit ihr

Geworden wäre – wenn nur Er es ist.

Er ist es nicht – Das, das ist Höllenqual!

Er ist es nicht und wird es niemals werden.

685Du nahmst mir meinen Himmel nur, um ihn

In König Philipps Armen zu vertilgen.

KÖNIGIN.

Abscheulicher Gedanke!

KARLOS.

    O ich weiß,

Wer dieser Ehe Stifter war – ich weiß,

Wie Philipp lieben kann und wie er freite.

690Wer sind Sie denn in diesem Reich? Lass hören.

Regentin etwa? Nimmermehr! Wie könnten,

Wo Sie Regentin sind, die Alba würgen?

Wie könnte Flandern für den Glauben bluten?

Wie, oder sind Sie Philipps Frau? Unmöglich!

695Ich kann’s nicht glauben. Eine Frau besitzt

Des Mannes Herz – und wem gehört das seine?

Und bittet er nicht jede Zärtlichkeit,

Die ihm vielleicht in Fieberglut entwischte,

Dem Zepter ab und seinen grauen Haaren?

KÖNIGIN.

700Wer sagte Ihnen, dass an Philipps Seite

Mein Los beweinenswürdig sei?

KARLOS.

    Mein Herz,

Das feurig fühlt, wie es an meiner Seite

Beneidenswürdig wäre.

KÖNIGIN.

    Eitler Mann!

Wenn mein Herz nun das Gegenteil mir sagte?

705Wenn Philipps ehrerbiet’ge Zärtlichkeit

Und seiner Liebe stumme Mienensprache

Weit inniger als seines stolzen Sohns

Verwegene Beredsamkeit mich rührten?

Wenn eines Greises überlegte Achtung –

KARLOS.

710Das ist was andres – Dann – ja dann Vergebung.

Ich wusst es nicht. – Das wusst ich nicht, dass Sie

Den König lieben.

[30]KÖNIGIN.

Ihn ehren ist mein Wunsch und mein Vergnügen.

KARLOS.

Sie haben nie geliebt?

KÖNIGIN.

    Seltsame Frage!

KARLOS.

Sie haben nie geliebt?

KÖNIGIN.

715    – Ich liebe nicht mehr.

KARLOS.

Weil es Ihr Herz? weil es Ihr Eid verbietet?

KÖNIGIN.

Verlassen Sie mich, Prinz, und kommen Sie

Zu keiner solchen Unterredung wieder.

KARLOS.

Weil es Ihr Eid? weil es Ihr Herz verbietet?

KÖNIGIN.

720 Weil meine Pflicht – – Unglücklicher, wozu

Die traurige Zergliederung des Schicksals,

Dem Sie und ich gehorchen müssen?

KARLOS.

    Müssen?

Gehorchen müssen?

KÖNIGIN.

    Wie? Was wollen Sie

Mit diesem feierlichen Ton?

KARLOS.

    So viel,

725Dass Karlos nicht gesonnen ist, zu müssen,

Wo er zu wollen hat; dass Karlos nicht

Gesonnen ist, der Unglückseligste

In diesem Reich zu bleiben, wenn es ihm

Nichts als den Umsturz der Gesetze kostet,

Der Glücklichste zu sein.

KÖNIGIN.

730    Versteh ich Sie?

Sie hoffen noch? Sie wagen es, zu hoffen,

Wo alles, alles schon verloren ist?

KARLOS.

Ich gebe nichts verloren als die Toten.

KÖNIGIN.

Auf mich, auf Ihre Mutter hoffen Sie? –

(Sie sieht ihn lange und durchdringend an – dann mit Würde und Ernst.)

735Warum nicht? O! Der neu erwählte König

Kann mehr als das – kann die Verordnungen

Des Abgeschiednen durch das Feu’r vertilgen,

Kann seine Bilder stürzen, kann sogar –

Wer hindert ihn? – die Mumie des Toten

740Aus ihrer Ruhe zu Eskurial

[31]Hervor ans Licht der Sonne reißen, seinen

Entweihten Staub in die vier Winde streun,

Und dann zuletzt, um würdig zu vollenden –

KARLOS.

Um Gottes willen, reden Sie nicht aus.

KÖNIGIN.

745Zuletzt noch mit der Mutter sich vermählen.

KARLOS.

Verfluchter Sohn!

(Er steht einen Augenblick starr und sprachlos.)

    Ja, es ist aus. Jetzt ist

Es aus. – Ich fühle klar und helle, was

Mir ewig, ewig dunkel bleiben sollte.

Sie sind für mich dahin – dahin – dahin –

750Auf immerdar! – Jetzt ist der Wurf gefallen.

Sie sind für mich verloren – O in diesem

Gefühl liegt Hölle. Hölle liegt im andern,

Sie zu besitzen. – Weh! Ich fass es nicht,

Und meine Nerven fangen an zu reißen.

KÖNIGIN.

755 Beklagenswerter, teurer Karl! Ich fühle –

Ganz fühl ich sie, die namenlose Pein,

Die jetzt in Ihrem Busen tobt. Unendlich,

Wie Ihre Liebe, ist Ihr Schmerz. Unendlich,

Wie er, ist auch der Ruhm, ihn zu besiegen.

760Erringen Sie ihn, junger Held. Der Preis

Ist dieses hohen, starken Kämpfers wert,

Des Jünglings wert, durch dessen Herz die Tugend

So vieler königlichen Ahnen rollt.

Ermannen Sie sich, edler Prinz. – Der Enkel

765Des großen Karls fängt frisch zu ringen an,

Wo andrer Menschen Kinder mutlos enden.

KARLOS.

Zu spät! O Gott! Es ist zu spät!

KÖNIGIN.

    Ein Mann

Zu sein? O Karl! Wie groß wird unsre Tugend,

Wenn unser Herz bei ihrer Übung bricht!

770Hoch stellte Sie die Vorsicht – höher, Prinz,

Als Millionen Ihrer andern Brüder.

Parteilich gab sie ihrem Liebling, was

[32]Sie andern nahm, und Millionen fragen:

Verdiente der im Mutterleibe schon

775Mehr als wir andern Sterblichen zu gelten?

Auf! retten Sie des Himmels Billigkeit!

Verdienen Sie, der Welt voranzugehn,

Und opfern Sie, was keiner opferte.

KARLOS.

Das kann ich auch. – Sie zu erkämpfen, hab

780Ich Riesenkraft; Sie zu verlieren, keine.

KÖNIGIN.

Gestehen Sie es, Karlos – Trotz ist es

Und Bitterkeit und Stolz, was Ihre Wünsche

So wütend nach der Mutter zieht. Die Liebe,

Das Herz, das Sie verschwenderisch mir opfern,

785Gehört den Reichen an, die Sie dereinst

Regieren sollen. Sehen Sie, Sie prassen

Von Ihres Mündels anvertrautem Gut.

Die Liebe ist Ihr großes Amt. Bis jetzt

Verirrte sie zur Mutter. – Bringen Sie,

790O bringen Sie sie Ihren künft’gen Reichen,

Und fühlen Sie, statt Dolchen des Gewissens,

Die Wollust Gott zu sein. Elisabeth

War Ihre erste Liebe. Ihre zweite

Sei Spanien. Wie gerne, guter Karl,

795Will ich der besseren Geliebten weichen!

KARLOS (wirft sich, von Empfindung überwältigt, zu ihren Füßen).

Wie groß sind Sie, o Himmlische! – Ja alles,

Was Sie verlangen, will ich tun! – Es sei!

(Er steht auf.)

Hier steh ich in der Allmacht Hand und schwöre,

Und schwöre Ihnen, schwöre ewiges –

800O Himmel! Nein! Nur ewiges Verstummen,

Doch ewiges Vergessen nicht.

KÖNIGIN.

    Wie könnt ich

Von Karlos fordern, was ich selbst zu leisten

Nicht willens bin?

MARQUIS (eilt aus der Allee).

    Der König!

[33]KÖNIGIN.

         Gott!

MARQUIS.

              Hinweg!

Hinweg aus dieser Gegend, Prinz!

KÖNIGIN.

    Sein Argwohn

Ist fürchterlich, erblickt er Sie –

KARLOS.

805    Ich bleibe!

KÖNIGIN.

Und wer wird dann das Opfer sein?

KARLOS (zieht den Marquis am Arme).

    Fort! Fort!

Komm Roderich!

(Er geht und kommt noch einmal zurück.)

    Was darf ich mit mir nehmen?

KÖNIGIN.

Die Freundschaft Ihrer Mutter.

KARLOS.

    Freundschaft! Mutter!

KÖNIGIN.

Und diese Tränen aus den Niederlanden.

(Sie gibt ihm einige Briefe. Karl und der Marquis gehen ab. Die Königin sieht sich unruhig nach ihren Damen um, welche sich nirgends erblicken lassen. Wie sie nach dem Hintergrunde zurückgehen will, erscheint der König.)

Sechster Auftritt

KÖNIG. KÖNIGIN. HERZOG VON ALBA. GRAF LERMA. DOMINGO. Einige DAMEN und GRANDEN, welche in der Entfernung zurückbleiben.

KÖNIG (sieht mit Befremdung umher und schweigt eine Zeitlang).

    So allein, Madame?

810Und auch nicht Eine Dame zur Begleitung?

Das wundert mich – Wo blieben Ihre Frauen?

KÖNIGIN.

Mein gnädigster Gemahl –

KÖNIG.

    Warum allein?

(Zum Gefolge.)

Von diesem unverzeihlichen Versehn

Soll man die strengste Rechenschaft mir geben.

815Wer hat das Hofamt bei der Königin?

Wen traf der Rang sie heute zu bedienen?

[34]KÖNIGIN.

O zürnen Sie nicht, mein Gemahl – ich selbst,

Ich bin die Schuldige – auf mein Geheiß

Entfernte sich die Fürstin Eboli.

KÖNIG.

Auf Ihr Geheiß?

KÖNIGIN.

820    Die Kammerfrau zu rufen,

Weil ich nach der Infantin mich gesehnt.

KÖNIG.

Und darum die Begleitung weggeschickt?

Doch dies entschuldigt nur die erste Dame:

Wo war die zwote?

MONDEKAR (welche indessen zurückgekommen ist und sich unter die übrigen Damen gemischt hat, tritt hervor).

    Ihre Majestät,

Ich fühle, dass ich strafbar bin –

KÖNIG.

825    Deswegen

Vergönn ich Ihnen zehen Jahre Zeit,

Fern von Madrid darüber nachzudenken.

(Die Marquisin tritt mit weinenden Augen zurück. Allgemei