Double Trouble - Tina Keller - E-Book
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Tina Keller

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Beschreibung

Sie sind beide Millionäre und bei den Frauen heiß begehrt, doch mehr haben die Zwillingsbrüder Jeff und Jon nicht gemeinsam. Jeff ist erfolgreicher Rechtsanwalt, Jon umschwärmter Rockstar und echter Bad Boy. Nach Jahren der Funkstille treffen sich die Brüder zufällig wieder und beschließen, ihre so gegensätzlichen Leben für ein paar Tage zu tauschen, was für allerlei Chaos sorgt. Jon muss sich seinen Dämonen stellen. Ein schwerer Schicksalsschlag hat ihn zu einem oberflächlichen Menschen werden lassen, der Frauen allenfalls für seine sexuellen Bedürfnisse benutzt. Wird er sich einer Frau, die sein Trauma teilt, öffnen können oder ewig in der Vergangenheit stecken bleiben?

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Inhaltsverzeichnis

Prolog - Jon

Kapitel 1 - Isabella

Kapitel 2 - Isabella

Kapitel 3 - Isabella

Kapitel 4 - Isabella

Kapitel 5 - Isabella

Kapitel 6 - Isabella

Kapitel 7 - Jon

Kapitel 8 - Jeff

Kapitel 9 - Jon

Kapitel 10 - Jon

Kapitel 11 - Jeff

Kapitel 12 - Jeff

Kapitel 13 - Jeff

Kapitel 14 - Isabella

Kapitel 15 - Jon

Kapitel 16 - Jeff

Kapitel 17 - Jeff

Kapitel 18 - Isabella

Kapitel 19 - Jon

Kapitel 20 - Jon

Kapitel 21 - Isabella

Kapitel 22 - Jon

Impressum

Tina Keller

Double Trouble

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder andere

Verwertungen nur mit schriftlicher Genehmigung

der Autorin.

Sie sind beide Millionäre und bei den Frauen heiß begehrt, doch mehr haben die Zwillingsbrüder Jeff und Jon nicht gemeinsam. Jeff ist ein erfolgreicher Rechtsanwalt, Jon ein umschwärmter Rockstar und echter Bad Boy.

Nach Jahren der Funkstille treffen sich die Brüder zufällig wieder und liefern sich wie üblich erbitterte Kämpfe. Doch dann kommt ihnen eine abgefahrene Idee: Wie wäre es, ihre so gegensätzlichen Leben für ein paar Tage zu tauschen? Gedacht, getan.

Während Jon schräge Aktionen bringt und ungeniert mit Jeffs Sekretärin in der Abstellkammer verschwindet, taucht Jeff in das Sex, Drugs & Rock'n'Roll Leben seines Bruders ein und kann sich über dessen Lebensstil nur wundern.

Ausgerechnet in dieser turbulenten Zeit lernen beide zwei ganz besondere Frauen kennen. Während Jeff sich heftig in die entzückende Isabella verliebt und heiße Stunden mit ihr verbringt, ist Jon emotional nicht frei, denn er hütet ein bitteres Geheimnis. Ein schwerer Schicksalsschlag hat ihn zu einem oberflächlichen Menschen werden lassen, der Frauen allenfalls für seine sexuellen Bedürfnisse benutzt.

Wird er sich einer Frau, die sein Trauma teilt, öffnen können oder ewig in der Vergangenheit stecken bleiben?

Prolog - Jon

„Kannst du dich nicht von deinem eigenen Anblick losreißen? Du bist ja total verliebt in dich.“

Scarlett lacht ihr perlendes, bezauberndes Lachen, wie nur sie es lachen kann und knufft mich in die Seite. Ich grinse sie vergnügt an.

„Irrtum. Ich bin total verliebt in dich“, korrigiere ich sie und ziehe sie in meine Arme. Sie fühlt sich göttlich an. Sie riecht so verführerisch. Sie ist wunderschön. Das Leben mit ihr ist ein wahr gewordener Traum. Habe ich wirklich so viel Glück verdient? Ich schwebe auf einer riesigen Wolke geradewegs in den Himmel hinein, zusammen mit ihr.

Zum x-ten Mal starre ich auf den Fernseher. Ich habe dieses Video schon mindestens zehnmal gesehen, aber noch immer flasht es mich, mich auf dem Bildschirm zu bewundern. So lange habe ich davon geträumt, endlich Erfolg zu haben – und jetzt ist er da. Aber was noch viel wichtiger ist: Scarlett ist da. Sie wird für immer bei mir bleiben. Zum ersten Mal in meinem Leben spüre ich echte, tiefe Liebe.

Wir sind übermütig, jung, verliebt, voller Pläne und Ideen. Wir haben das ganze Leben noch vor uns, und es wird ein unfassbar geiles Leben werden.

Doch das Schicksal kann grausam sein. In wenigen Stunden wird alles vorbei sein, nur ich weiß es jetzt noch nicht.

Hätte ich es gewusst, ich hätte verdammt noch mal anders gehandelt und mir dieses verfickte Video nicht tausendmal angesehen. Aber ich habe es getan und werde meine Schuld nie mehr loswerden.

Ich habe uns alles genommen. Scarlett wird für immer im Nebel verschwunden sein und niemals zu mir zurückkehren.

Und sie nimmt mich mit in diese Finsternis, die mich von jetzt an immer umgeben wird.

Kapitel 1 - Isabella

Ich stehe an der Coffee Bar eines Einkaufszentrums mitten in Manhattan und will gerade meine Bestellung aufgeben, da höre ich einen ohrenbetäubenden Knall. Jemand schreit auf, und dann vernehme ich die barsche Stimme eines Mannes.

„Sind Sie verrückt geworden? Haben Sie keine Augen im Kopf? Vielleicht sollten Sie sich mal auf Ihren Job konzentrieren, anstatt irgendwelchen halbnackten Kerlen hinterher zu starren!“

Holla, was ist denn da passiert? Instinktiv drehe ich mich um. Ein paar Meter von mir entfernt erblicke ich eine völlig verschreckte Kellnerin und einen wütenden Typen im Business Outfit. Der Grund seiner Wut ist unübersehbar: Auf seinem blütenweißen Hemd prangt ein riesiger, brauner Fleck. Offenbar hat die Kellnerin Kaffee über ihn ausgeschüttet, der sich jetzt seinen Weg zur teuer aussehenden Hose bahnt.

„Soll ich etwa so zu meinem nächsten Termin gehen?“, zischt der Mann zornig und fuchtelt mit einer Serviette herum.

„Was, glauben Sie, macht das für einen Eindruck? Keinen besonders guten, oder?“

Interessiert sehe ich mir den Typen an, der zweifellos sehr attraktiv ist. Unter seinem teuren Anzug verbirgt sich eine athletische, bestens trainierte Figur und er hat ein total markantes Gesicht. Ich muss zugeben, dass er der totale Hingucker ist. Seine Wut macht ihn sogar noch anziehender.

„Es tut mir leid“, stammelt das Mädchen und bricht in Tränen aus. „Es tut mir unendlich leid.“

„Das nützt mir gar nichts.“

Wütend blickt Mr. Business Guy an sich herunter und zerfleddert die Serviette. Jetzt hat er auch noch überall Papierfusseln, was es nicht besser macht.

Ein Raunen geht durch die Wartenden, und keiner spart mit seinen Kommentaren. Von „Das kann passieren, nun regen Sie sich mal nicht so auf“ bis zu „Typisch die Jugend von heute, die wollen einfach nicht mehr richtig arbeiten“ ist alles dabei.

„Vielleicht können Sie sich hier im Einkaufszentrum etwas Neues zum Anziehen kaufen“, schlägt die Serviererin zaghaft vor. „Ich gebe Ihnen das Geld.“

Der Typ in dem eleganten Zweiteiler sieht das Mädchen abschätzend von oben bis unten an. Dann schüttelt er den Kopf und seufzt theatralisch auf.

„Ich fürchte, Sie haben keine Ahnung, was Sie da gerade vorschlagen.“ Er zieht die Augenbrauen hoch.

„Dafür dürfte Ihr ganzes Monatsgehalt draufgehen. Außerdem glaube ich nicht, dass ich hier fündig werden würde. Ich bevorzuge Maßanfertigungen und kaufe generell nichts von der Stange. Abgesehen davon habe ich keine Zeit, um shoppen zu gehen.“

Das Mädchen läuft puterrot an und sieht aus, als würde es jeden Moment zusammenbrechen.

Ich glaube, jetzt muss ich einschreiten. Ich verabschiede mich wehmütig von der Aussicht auf meinen Marzipankuchen und stakse auf die beiden zu.

„Hallo“, begrüße ich den vor Wut schäumenden Geschäftsmann. „Ich habe gesehen, was passiert ist und möchte Ihnen helfen. Ich wohne hier um die Ecke. Wenn Sie wollen, können Sie die Flecken aus Ihrer Hose auswaschen und mit dem Fön trocknen. Das Hemd muss allerdings in die Reinigung. Ich kann Ihnen eins leihen, wenn es auch nicht von Armani ist. Mein Ex-Freund dürfte dieselbe Größe haben.“

Die steile Falte zwischen den Augenbrauen des Mannes verschwindet augenblicklich und sein Gesicht klärt sich auf.

„Das ist aber nett von Ihnen“, sagt er liebenswürdig und streckt mir seine Hand entgegen.

„Jeff Duncan. Sehr angenehm.“

„Isabella Islington“, stelle ich mich vor und greife nach seiner Hand.

Sein Blick findet meinen und für einen Moment steht plötzlich die ganze Welt still. Selbst das laute Getöse vom Straßenverkehr tritt in den Hintergrund und verschwindet fast. Und das mitten in Manhattan, das will schon etwas bedeuten.

Der Typ hat die absoluten Hammeraugen! Grün mit goldenen Sprenkeln darin, einfach wunderschön. In solchen Augen kann man sich echt verlieren. Ich kann meinen Blick gar nicht von ihm abwenden.

„Isabella Islington …“, wiederholt der Mann mit den schönsten Augen der Welt und lächelt mich zuvorkommend an. Seine Stimme ist tief und warm und jagt mir einen wohligen Schauer über den Rücken.

„Ist das ein Künstlername?“

Ich schüttele den Kopf.

„Nein, ich heiße wirklich so. Meine Eltern haben sich Mühe bei der Wahl meines Vornamens gegeben.“

„Das scheint mir auch so. Herzlichen Glückwunsch.“

Ich stelle fest, dass unsere Hände immer noch ineinander liegen. Es fühlt sich so gut an, dass ich keinerlei Ambitionen habe, daran etwas zu ändern. Sein Händedruck ist kraftvoll, aber nicht zu kräftig, und er hat schöne, gepflegte Hände. Sicher geht er jede Woche zur Maniküre. Das sollte ich auch endlich mal wieder tun. Immer nur schwarzen Lack über den anderen zu schichten, reicht auf die Dauer nicht aus.

„Wollen wir zu mir gehen?“, frage ich und beiße mir im selben Moment auf die Lippe. Das klang jetzt eindeutig zweideutig. Ein klarer Freudscher Versprecher, der verrät, was ich wirklich fühle.

Jeff lacht mit einem verführerischen Timbre, das mein Herz stolpern lässt.

„Schade, dass es sich anders anhört, als es gemeint ist.“ Wieder blickt er mich mit diesen Wahnsinnsaugen an.

„Ich würde sehr gern mit zu Ihnen kommen.“

In meinem Magen beginnt es zu kribbeln und ich frage mich unwillkürlich, ob er mich attraktiv findet. Angeblich checkt man in den ersten zehn Sekunden automatisch ab, ob man mit seinem Gegenüber ins Bett gehen würde, das ist wie ein Reflex.

Bei mir ist die Antwort eindeutig ja. Sofort und jetzt. Ich kenne ihn überhaupt nicht und würde es auf der Stelle mit ihm tun. Das ist schon ein bisschen erschreckend, finde ich – aber gleichzeitig auch ungemein aufregend, weil mir so etwas noch nie passiert ist.

Endlich ziehe ich meine Hand zurück, so schwer es mir auch fällt. Am liebsten hätte ich auch noch seine zweite Hand ergriffen – oder irgendwelche anderen Körperteile von ihm.

Jeff nickt der Kellnerin, die immer noch wie versteinert da steht, gnädig zu.

„Ist schon okay. Die Dame hilft mir. Sie brauchen mir kein Geld zu geben. Ich will Sie ja nicht in den finanziellen Ruin treiben.“

Das klingt zwar ein bisschen gönnerhaft, aber er hat wahrscheinlich Recht. Für das Geld, das sein Anzug kostet, muss die Kellnerin sicher ein paar Monate arbeiten gehen.

„Danke“, flüstert das Mädchen benommen.

„Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Sir. Es ist mir so entsetzlich peinlich.“

Jeff winkt ab und blickt mich dann auffordernd an.

„So, dann helfen Sie mir mal“, sagt er forsch und macht einen Schritt auf mich zu.

„Gehen wir zu Ihnen und retten Sie mich.“

Aus der Nähe sieht er noch besser aus. Kein Gramm Fett, breite Schultern, gebräunter Teint, sportliche Figur. Er sieht aus wie der Prototyp eines erfolgreichen Managers, der alles im Griff hat, einschließlich seines Körpers. Ich gebe zu, dass das sehr anziehend auf mich wirkt. Welche Frau steht nicht auf einen Mann, der souverän das Leben meistert?

Mein letzter Freund war zum Schluss nicht mal mehr fähig, ohne mich einkaufen zu gehen und hing nach Feierabend nur noch lethargisch vor dem Fernseher. Das war nicht gerade berauschend.

Als ich ihn kennenlernte, war er ganz anders, aber kaum waren wir zusammen, wurde er zum größten Faultier, das ich jemals gesehen hatte. Er ließ sich sogar zwei Mal am Tag das Essen liefern, weil er zu bequem zum Einkaufen und Kochen war. Darum hielt unsere Beziehung auch nur vier Monate. Wahrscheinlich hätte er sich irgendwann noch künstlich beatmen lassen, weil er zu faul zum Luftholen war.

Diese Beziehung ist schon über ein Jahr her – und damit auch mein letzter Sex, denn ich halte für gewöhnlich nichts von one-night-stands oder Affären. Außer jetzt.

Der Mann, der nun mit großen, energischen Schritten neben mir herläuft, sieht einfach hammermäßig aus. Es ist nicht nur seine äußere Hülle, sondern auch seine Ausstrahlung. Er wirkt total selbstbewusst, und das ist nicht aufgesetzt. Er hält offenbar eine Menge von sich, und das ist immer sexy. Wirklich selbstsichere Menschen sind rar. Die meisten verwechseln das mit Arroganz.

„Wohnen Sie in New York oder sind Sie geschäftlich hier?“, erkundige ich mich.

„Nein, zum Glück wohne ich nicht in diesem Hexenkessel“, erklärt Jeff. „Ich komme aus Boston und assistiere zwei großen Firmen bei einer Fusion. Ich bin Rechtsanwalt und sorge dafür, dass beide Unternehmen etwas davon haben und nicht nur eine Seite. Natürlich haben die Firmen ihre eigenen Juristen, aber ich bin sozusagen der Mediator und kümmere mich darum, dass keine Partei übervorteilt wird.“

„Aha.“

Mehr fällt mir dazu nicht ein. Juristen waren mir schon immer suspekt. Sie verdrehen die Wahrheit, wie sie ihnen gefällt, und letztlich bekommt der Recht, der die Paragraphen am besten kennt. Mit wirklichem Recht hat das meiner Meinung nach nicht viel zu tun.

Jeff grinst. „Ich weiß. Die meisten halten nicht viel von Rechtsanwälten. Aber ich bin nicht mein Beruf. Es gibt auch noch die private Seite.“

Mein Herz klopft mir bis zum Hals, als ich mir die Erwiderung verbeiße, dass ich diese private Seite sehr gern kennenlernen würde. Es gibt nichts Abtörnenderes für einen Mann, als wenn eine Frau ihm ihr Interesse zu deutlich zeigt. Also hatte ich meinen Mund.

Inzwischen sind wir bei meinem Wolkenkratzer angekommen und nehmen Kurs auf den Aufzug. Ich werfe einen kurzen Seitenblick auf Jeffs Hose, den er natürlich sofort bemerkt.

„Es sieht aus, als hätte ich mir in die Hosen gemacht“, stellt er fest. „So kann ich meinen Verhandlungspartnern wirklich nicht unter die Augen treten.“

„Wann ist denn Ihr Termin?“

„In anderthalb Stunden, gleich hier um die Ecke.“

„Das kriegen wir hin“, bin ich zuversichtlich.

„Und was machen Sie beruflich, wenn ich fragen darf?“, will Jeff wissen.

„Raten Sie mal“, fordere ich ihn auf. Jetzt bin ich aber mal gespannt.

Jeff sieht mich eindringlich von oben bis unten an. Sein Blick geht mir durch und durch. Diese Augen … Er macht mich total nervös.

„Heilpraktikerin“, erwidert er zu meiner Überraschung. „Oder Physiotherapeutin.“

„Gar nicht so schlecht“, lobe ich ihn. „Aber dennoch knapp daneben.“

„Ach, ja? Was sind Sie dann?“

„Ich habe Psychologie studiert und berate Menschen in schwierigen Situationen. Manchmal motiviere ich sie einfach auch nur.“

„Also Life Coach“, trifft Jeff ins Schwarze und zwinkert mir zu. „In New York gibt es dafür sicher ein breites Klientel. Ich komme aus dem relativ beschaulichen Boston.“

Wir betreten den Aufzug und ich drücke auf die Taste 22, bis mir einfällt, dass sich meine Wohnung und meine Praxis im 33. Stock befinden. Jeffs Anwesenheit macht mich total wuschig.

„Wie kommt man darauf, Life Coach zu werden?“, will Jeff wissen und lehnt sich gegen die Wand.

Ich zucke mit den Schultern.

„Ich bin erblich vorbelastet, denn meine Eltern sind beide Therapeuten. Ich bin praktisch damit groß geworden, jede Handlung genaustens zu analysieren und aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Ich fand das immer schon spannend, und es war nicht verwunderlich, dass ich in die Fußstapfen meiner Eltern trat und Psychologie studierte.“

„Interessant.“

Jeff steht auf einmal ziemlich dicht vor mir, obwohl der Aufzug leer ist und wir genug Platz haben. Aber er ist so nah bei mir, als gäbe es keinen anderen Platz für ihn. Mir laufen plötzlich Ameisen über den Bauch, die emsig zwischen meine Beine krabbeln.

„Allerdings wollte ich nie etwas mit den ganz harten Fällen zu tun haben, deren Leben so richtig aus dem Ruder läuft. Das wäre mir zu belastend. Darum arbeite ich nicht als Psychotherapeutin, sondern als Motivationstrainerin“, plappere ich weiter, während sich die Luft immer mehr elektrisch auflädt.

„Meistens brauche ich meinen Klienten nur ein paar Anregungen und einen kleinen Schubs zu geben. Bei anderen sieht man die Probleme viel deutlicher als bei sich selbst.“

„Das stimmt.“ Jeff zieht seine Augenbrauen nach oben. „Aber selbst, wenn Sie eher Life Coach als Psychotherapeutin sind, haben Sie sicher auch mit einigen Abgründen der menschlichen Seele zu tun, oder?“

Wieso fragt er das jetzt? Und warum werden es immer mehr Ameisen zwischen meinen Beinen?

„Hin und wieder“, sage ich mit trockener Kehle. „Zumindest theoretisch sind mir keine Abgründe unbekannt. Dazu habe ich ja Psychologie studiert.“

Jeff wirft mir einen Blick zu, der mir durch und durch geht. Er sieht aus wie jemand, der im nächsten Moment etwas Schönes und gleichzeitig sehr Beunruhigendes tun wird.

„Theorie und Praxis sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Was tun Sie, wenn Sie plötzlich jemanden vor sich haben, der Ihnen die Abgründe seiner Seele präsentiert? Sind Sie da wirklich gewappnet?“, fragt er mit samtener, dunkler Stimme.

Ich schlucke. Meint er damit sich selbst? Hält er gleich den Aufzug an und tut … ja, was eigentlich? Habe ich Angst vor ihm?

Nein. Ich habe eher Angst vor mir. Angst, dass ich ihm gleich seine Hose vom Leib zerre und über ihn herfalle. Dass wir ganz alleine in dem engen Aufzug stehen und ich seinen verführerischen Duft riechen kann, macht es auch nicht besser.

„Ich weiß es nicht“, sage ich und merke, dass sich meine Stimme etwas kratzig anhört. „Glauben Sie denn, Sie kennen die Abgründe der Menschen?“

Gegenfragen sind immer gut. Er hält meinem Blick stand.

„Nein“, sagt er. „Aber ich kenne meine eigenen.“

Warum fange ich jetzt innerlich an zu zittern? Oh Gott, ich komme mir vor wie bei Fifty Shades of Grey, obwohl ich das Buch nicht mal gelesen habe. Aber natürlich weiß ich, worum es da geht. Fast erwarte ich, dass Jeff den Aufzug anhält und mich mit seiner Krawatte an den Notfall-Hebel fesselt. Und dann würde er sich von hinten an mich pressen und …

„Woran denken Sie jetzt?“

Seine Frage kommt so unerwartet, dass ich ertappt zusammen zucke.

„An nichts Besonderes“, lüge ich und spüre die Hitze in meinem Gesicht aufsteigen. Er kann mir bestimmt an der Nasenspitze ansehen, woran ich gerade denke. Wie peinlich!

Würde es mir gefallen, wenn er mich fesseln würde? Würde es mir gefallen, wenn er … Nein, das denke ich jetzt einfach nicht. Man kann seine Gedanken steuern. Wenn ein unangenehmer Gedanke kommt, begrüßt man ihn freundlich und sagt ihm, dass er weiterziehen darf.

Wobei – die Gedanken, die ich da gerade habe, sind alles andere als unangenehm. Im Gegenteil. Sie sind sogar so angenehm, dass mir ganz heiß wird, und zwar nicht nur mein Kopf.

Oh mein Gott. Dieser Anwalt macht mich ganz verrückt. Liegt es daran, dass mein letzter Sex ein Jahr lang her ist? Es ist ja nicht so, als würde ich keine Männer kennen oder kennenlernen. Meistens finde ich sie ganz nett, aber es fehlt immer irgendwas, um aus dem „nett“ mehr zu machen. Aber dieser Typ hat etwas an sich, das mich fast unwiderstehlich zu ihm hinzieht. Er strahlt so viel Männlichkeit, Stärke, Erfolg, Macht aus. Ach, warum analysiere ich das? Es ist doch egal, warum es so ist. Fakt ist, es ist so.

„Es muss etwas sehr Angenehmes sein.“

Täusche ich mich oder hat sich das Timbre in seiner Stimme verändert? Bilde ich mir nur ein, dass er noch näher an mich herangetreten ist?

„Es ist gut, wenn man seine eigenen Abgründe kennt“, erwidere ich forsch. „Die meisten Leute kennen sie nicht und sind entsetzt, wenn sie sich plötzlich vor ihnen auftun.“

Jeff zuckt mit den Schultern.

„Ich habe mich damit arrangiert. Es bringt nichts, sie zu bekämpfen. Man muss sie an die Hand nehmen und sie mit ins Boot nehmen.“

Donnerwetter, das hätte ich nicht besser sagen können.

Wie seine Abgründe wohl aussehen? War das nur so dahin gesagt oder kennt er sie wirklich? Meint er damit sexuelle Abgründe?

Und warum interessiert mich das überhaupt?

Kapitel 2 - Isabella

„Wir sind da“, teile ich Jeff mit, als der Aufzug hält und sich die Tür öffnet. Er nickt und lässt mir den Vortritt. Ich gehe an ihm vorbei und schreite den langen Flur entlang. Hinter mir höre ich seine Schritte, die mich ganz nervös machen. Noch nervöser macht mich die Vorstellung, dass er gleich in meiner Wohnung sein wird. Nur er und ich. Mit zitternden Fingern stecke ich den Schlüssel ins Türschloss und schließe auf.

„Bitte sehr.“

Ich trete zurück und lasse Jeff eintreten. Er sieht sich auf dem Flur um, obwohl es dort außer einer Garderobe nicht viel zu sehen gibt. Dann geleite ich ihn ins Badezimmer.

„Am besten, Sie ziehen die Sachen aus und ich hole Ihnen ein frisches Hemd“, schlage ich vor.

Jeff nickt wieder und ich entferne mich. Puh! Warum sagt er denn gar nichts mehr? Und warum sieht er mich so seltsam an?

Ich laufe zu meinem vier Meter breiten Kleiderschrank. Irgendwo hängt ein weißes Hemd von meinem Ex-Freund. Fieberhaft fange ich an zu suchen, während mein Herz immer schneller klopft.

Was macht Jeff jetzt im Badezimmer? Zieht er sich aus? Natürlich zieht er sich aus, sein Hemd und seine Hose sind ja voller Kaffee. Er steht jetzt also mit seinem sicher göttlichen Body halbnackt in meinem Bad herum. Ach, wenn ich doch nur einen einzigen Blick auf ihn werfen könnte!

Ich bin wirklich chronisch untervögelt, wenn ich solche Gedanken habe. Was ist nur mit mir los? Letzte Woche war ich mit Marc und Denis schwimmen, und die haben auch super durchtrainierte Bodys. Ich habe das zur Kenntnis genommen, und das war’s. Gut, sie sind schwul, aber trotzdem. Da waren auch noch andere gut gebaute Männer im Schwimmbad, und sie haben mich überhaupt nicht interessiert. Aber Jeff treibt meinen Blutdruck in ungeahnte Sphären.

‚Ganz ruhig‘, ermahne ich mich. ‚Der Typ wäscht seinen Fleck aus, ich gebe ihm ein Hemd und das war’s. Kein Grund, den Kopf zu verlieren. Und erst recht kein Grund zu sabbern. Wahrscheinlich ist er sowieso längst vergeben. So ein Mann läuft doch nicht frei herum. Also, Ruhe bewahren!“

Trotzdem fällt mir ein Kleiderbügel nach dem anderen aus der Hand, und das blöde Hemd habe ich immer noch nicht gefunden.

Ich bin völlig durch den Wind und kann nur daran denken, was wir jetzt miteinander tun könnten …

„Den Fleck habe ich ausgewaschen, aber ich kann keinen Föhn zum Trocknen finden“, vernehme ich plötzlich seine markante Stimme.

Ich fahre herum. Oh! Mein! Gott!

Jeff steht in einer schwarzen Pants vor mir. Sonst hat er nichts mehr an. Der Anblick seines absolut perfekten Körpers geht mir sofort in den Magen – und eine Etage tiefer. Ich schlucke schwer.

Breite Schultern. Definierte Oberarme. Glatte, gänzlich unbehaarte Brust. Sixpack. Straffe Oberschenkel. Knackarsch. Verführerische Wölbung vorne. Lechz. Geifer. Sabber.

‚Jetzt reiß dich mal zusammen, Isabella! Du tust ja so, als hättest du noch nie einen halbnackten Mann gesehen!‘, ermahne ich mein aufgelöstes Ich.

‚Doch, habe ich, aber Jeff ist wirklich ein Prachtexemplar seiner Gattung‘, kreischt mein niederes Ich. ‚Und es ist sooo lange her, seit ich so ein Exemplar in meinen Armen und zwischen meinen Schenkeln hatte. Viel zu lange. Nimm ihn! Ich will ihn!‘

„Der Föhn ist …“, setze ich an, aber ich komme nicht weiter. Ich habe keine Ahnung, was ein Föhn überhaupt ist. Und ich kann meine Augen einfach nicht von Jeffs absolut perfektem Körper losreißen, so sehr ich mich auch bemühe. Es klappt nicht. Meine Augen kleben förmlich an seiner nackten Brust fest, so peinlich mir das auch ist.

Ein wissendes Lächeln umspielt seine Lippen. Er weiß genau, was in mir vorgeht. Er weiß, dass ich scharf auf ihn bin und dass ich ihm am liebsten seine Pants vom Leib reißen würde.

„Bringt dich irgendwas durcheinander?“, fragt er süffisant.

„Oder irgendjemand? Hat es was mit mir zu tun?“

Normalerweise würde ich frech erwidern, er solle sich bloß nicht zu viel einbilden, aber als ich mich im Spiegel sehe, zucke ich zusammen. Die Lust in meinen Augen, meine Körperhaltung, einfach alles zeigt ihm überdeutlich, wie sehr ich auf ihn abfahre. Leugnen ist absolut zwecklos.

Ich drehe mich um und wühle weiter in dem Kleiderschrank herum, um das verdammte Hemd zu finden. Dabei merke ich, dass ich zittere, und zwar vor Verlangen. So etwas ist mir wirklich noch nie passiert. Klar war ich schon scharf auf irgendwelche Kerle, aber nicht so. Nicht so extrem, so unmittelbar.

Plötzlich spüre ich ihn. Er drängt sich fest gegen meinen Hintern. Ich halte in meiner Bewegung inne und schließe die Augen. Was für ein unfassbar süßes, köstliches Gefühl! Mein Atem beschleunigt sich. Auch Jeff atmet tiefer und schneller.

„Ich glaube, es hat tatsächlich etwas mit mir zu tun“, höre ich seine schmeichelnde Stimme, während er anfängt, sich gegen mich zu reiben. Ich vergesse zu atmen. Das kann er doch nicht einfach so machen!

Doch, er kann. Und es fühlt sich verdammt gut an. Mein Unterleib zieht sich lustvoll zusammen. Ich spüre seine Erektion an meinem Hintern und kann nicht verhindern, dass ich aufseufze.

„Leider habe ich gleich dieses Meeting“, murmelt er dicht an meinem Ohr und ich spüre seinen warmen Atem, der mich kitzelt.

„Wirklich sehr schade. Ich würde jetzt lieber etwas ganz, ganz anderes machen.“

Sein harter Schwanz brennt an meinem Po wie Feuer. Er fühlt sich so verdammt gut an und würde sich noch viel besser anfühlen, wenn er sich tief in mir bewegen würde. Ich merke, wie ich feucht werde. Oh bitte, er soll jetzt nicht aufhören!

Doch mein Wunsch erfüllt sich nicht, denn Jeff löst sich abrupt von mir.

„Wo ist denn nun der Föhn?“, erkundigt er sich.

Ich drehe mich um und starre auf die deutliche Ausbuchtung seiner Pants. Wie kann er in dieser Situation nur an den bescheuerten Föhn denken?

„Äh … in der Küche“, stammele ich. „Ich habe mir heute Morgen die Haare gewaschen und sie dort geföhnt. Normalweise lasse ich sie an der Luft trocknen, aber heute musste es schnell gehen.“

Prima, Isabella, erzähl ihm noch mehr spannende Details aus deinem ereignisreichen Leben. Es interessiert ihn sicher brennend, wo und wann du deine Haare föhnst und wann du die Butter aus dem Kühlschrank nimmst und wieder hineinstellst. Sag ihm doch gleich, um welche Uhrzeit du gewöhnlich aufs Klo gehst, das wird ihn mächtig anheizen.

„Die Küche ist – dort?“ Jeff bewegt sich geschmeidig aus dem Schlafzimmer und biegt vom Flur aus nach rechts ab. Er findet die Küche und auch den Föhn. Wenige Sekunden später höre ich das surrende Geräusch, das mir anzeigt, dass Jeff vermutlich seine Hose trocknet.

Ich schlucke und schlucke, aber der Kloß in meinem Hals wird nicht kleiner. Ich spüre, wie es zwischen meinen Beinen pocht. Das Objekt meiner Begierde ist nur wenige Schritte von mir entfernt. Wir könnten so viel Schönes miteinander machen, wenn Jeff etwas mehr Zeit hätte. Oder war das nur so dahin gesagt? Hat er am Ende doch keine Lust auf mich? Aber nein, dann hätte er wohl kaum einen stehen gehabt.

Warum bin ich denn plötzlich so unsicher?

Ich höre Schritte, und im nächsten Augenblick erscheint Jeff in seiner teuren Anzughose. Man kann immer noch eine leichte Beule erkennen. Wie gern würde ich sie wieder größer machen … Er hat ein Verlangen in mir entfacht, das sehr lange brachlag und jetzt mit aller Gewalt nach oben drängt.

Kann er seinen Termin nicht absagen? Er sieht einfach zum Anbeißen aus in seiner schicken Hose und oben gänzlich nackt. Wie gern würde ich nur ein einziges Mal über seine definierte Brust streichen …

Mit zitternden Händen reiche ich ihm das Hemd, das ich endlich gefunden habe. In meinen Bauch flattern aufgeregt ein paar Schmetterlinge herum, als er nach dem Hemd greift und mir sein Duft entgegen weht. Ich würde jetzt so gern zugreifen und sein Six Pack berühren oder seine durchtrainierten Oberarme …

„Vielen Dank.“

Er streift das Hemd über, und es passt tatsächlich. Zufrieden blickt Jeff sich im Spiegel an.

„Ich danke dir sehr für deine Hilfe“, sagt er artig und zwinkert mir zu. „Ich hoffe, ich darf mich revanchieren. Was hältst du von einem Abendessen? Morgen um 19 Uhr im ‚Per Se‘ mit Blick auf den Central Park?“

„Äh … ja, gern“, stottere ich.

Das „Per Se“ mitten in Manhattan ist nicht unbedingt meine Preisklasse. Es gehört zu den besten Restaurants der Stadt und ein Menü ist nicht unter 300 Dollar zu haben. Ich verdiene nicht schlecht, aber das ist für mich rausgeschmissenes Geld. Zum ersten Mal kommt mir der Gedanke, dass Jeff nicht nur fantastisch aussieht, sondern sicher auch noch ziemlich wohlhabend ist. Er ist sozusagen ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl. Aber wo ist der Haken? Ist er liiert und ein Fremdgänger?

„Ich freue mich.“

Jeff legt seine Wange flüchtig an meine und ich rieche wieder seinen unwiderstehlichen Duft.

„Dann bis morgen. Ich muss jetzt leider los. Ich wünsche dir bis dahin eine schöne Zeit.“

„Ich dir auch“, erwidere ich geistesgegenwärtig und starre ihm nach.

Jeff lacht.

„Wird sich wohl in Grenzen halten. Aber ich habe ja jetzt etwas, auf das ich mich freuen kann. Dich.“

Damit zieht er die Tür hinter sich zu und lässt mich wie benommen zurück.

Du lieber Himmel, was war das denn? So etwas habe ich wirklich noch nie erlebt. Normalerweise läuft es bei mir so ab, dass man sich trifft, sympathisch ist, miteinander ausgeht und sich nach einigen Treffen näherkommt. Ich bin es überhaupt nicht gewohnt, dass man sich gar nicht kennt und schon nach wenigen Minuten …

Ja, was denn eigentlich? Was genau war das zwischen uns? Wir haben uns nicht geküsst oder umarmt, er hat lediglich seinen harten Schwanz gegen meinen Hintern gerieben. Zählt das schon als Sex? Ich bin völlig durcheinander.

Noch mehr verwirrt mich die Tatsache, wie sehr ich mich körperlich von Jeff angezogen fühle. Ich hätte es wirklich getan. Obwohl ich ihn erst wenige Minuten kannte und nichts über ihn weiß, hätte ich mit ihm Sex gehabt, wenn wir genug Zeit gehabt hätten. Das erschreckt mich über alle Maßen. Kann man jemandem verfallen sein, den man überhaupt nicht kennt? Was sagt die Psychologin in mir?

Zu meiner Überraschung schweigt sie beharrlich. Ihr fällt nichts dazu ein. Ich glaube nicht, dass ich etwas auf ihn projiziere oder er mich an eine bestimmte Situation oder Person erinnert. Ich weiß nur, dass er mich ungemein anmacht und ich dafür keine Erklärung habe. Das verunsichert mich. Ich kann es nicht greifen und es passt gar nicht zu mir.

Ich glaube, ich brauche dringend Zucker. Jetzt werde ich mir endlich meine Marzipantorte holen!

***

Völlig durcheinander fahre ich die 33 Stockwerke nach unten und renne über die belebte Straße mit den vielen gelben Taxis. Ich muss aufpassen, dass mich keins davon erwischt, denn ich bin wirklich nicht ganz bei mir. Immer noch spüre ich Jeffs Erektion an meinem Po. Es hat sich so verdammt gut angefühlt und ich hätte so gern noch viel mehr von ihm gespürt.

Dabei bin ich absolut nicht der Typ für einen one-night-stand oder eine Affäre. Ich weiß, dass das nur kurzfristig glücklich macht und die Ernüchterung und Leere auf dem Fuß folgen. Zwei Stunden Ekstase in der Horizontalen und dann Hoffen und Bangen bis zum Abwinken. Von meinen Kunden höre ich nichts anderes. Purer Sex mag dem Körper in dem jeweiligen Moment guttun, aber die Seele macht es auf die Dauer kaputt. Darauf möchte ich mich erst gar nicht einlassen.

Aber ich hätte mich fast darauf eingelassen, das ist ja das Problem. Und dann? Wie wäre es danach weitergegangen? Wäre ich dann auch eine von den Frauen gewesen, die wochenlang verzweifelt vergeblich auf einen Anruf warten? Nur, weil sie diese Ekstase noch einmal erleben wollen?

Ich brauche jetzt unbedingt meinen Kuchen. Am besten, ich gönne mir gleich zwei Stück.

Kapitel 3 - Isabella

Als ich meine Bestellung aufgegeben habe, entdecke ich die Kellnerin, deren Unachtsamkeit ich die Begegnung mit Jeff zu verdanken habe. Sie kommt sofort auf mich zugelaufen.

„Vielen Dank, dass Sie mich gerettet und dem Gast geholfen haben“, begrüßt sie mich mit hochroten Wangen.

„War der Herr immer noch sauer oder hat er sich wieder beruhigt?“

Naja, wie man es nimmt. In seiner Hose war es eher unruhig. „Es ist alles wieder in Ordnung“, erwidere ich. „Er hat den Fleck ausgewaschen und ich habe ihm ein Hemd meines Ex-Freundes geliehen.“

„Gott sei Dank“, atmet das junge Mädchen auf. „So was ist mir wirklich noch nie passiert. Ich war total abgelenkt, weil der Sänger von Destroyed Cowboys dort unten herumlief. Das ist doch der Wahnsinn! Und dann war da noch etwas Seltsames: Dieser Gast hatte dasselbe Gesicht wie der Sänger, ich schwöre es. Das hat mich total aus der Bahn geworfen. Ich habe gedacht, ich habe Halluzinationen.“

Ich blicke die Kellnerin an. Wie meint sie das – Jeff hatte dasselbe Gesicht wie der Sänger dieser Band?

„Sie kennen die Band sicher?“ Eifrig wischt das Mädchen einen Tisch ab.

„Nicht wirklich“, entgegne ich.

So richtig interessiere ich mich ehrlich gesagt nicht für die heutige Musik. Ich bin in den 80ern hängengeblieben, obwohl ich diese Zeit gar nicht selbst erlebt habe.

Die Kellnerin reißt ihre Augen auf.

„Aber das ist eine absolut angesagte Rockband, wenn nicht sogar die angesagteste. Die Jungs sind megaheiß.“

„Oh, vielen Dank“, vernehme ich eine tiefe Stimme hinter uns, und die Serviererin beginnt zu hyperventilieren.

„Oh, mein Gott, das ist er“, kreischt sie los, und ihr Tablett beginnt gefährlich zu schwanken. „Das ist Jon.“

Ich drehe mich um. Hinter uns steht ein langhaariger Typ in Lederhose und offenem Hemd, das seine durchtrainierte und mit Tattoos versehene Brust zeigt. Ich kneife die Augen zusammen. Das gibt es doch nicht! Man erkennt es nicht auf den ersten Blick, aber auf den zweiten schon: Dieser Typ hat eindeutig Jeffs Augen, seine Nase und seinen Mund. Er sieht ihm wie aus dem Gesicht geschnitten aus. Wie ist denn das möglich? Jetzt weiß ich, was die Kellnerin meinte.

Die Serviererin stellt das Tablett einem überraschten Gast auf den Tisch und himmelt diesen Jon unverholen an.

„Gibst du mir ein Autogramm? Kann ich ein Selfie mit dir machen?“, überfällt sie ihn, und man kann deutlich merken, was sie ihn wirklich fragen will: „Willst du mit mir schlafen?“

Ich habe diese Hysterie Künstlern gegenüber nie verstanden. Warum will man mit jemandem ins Bett gehen, nur weil er berühmt ist? Macht ihn das zu einem besseren Menschen? Was versprechen sich diese Frauen davon?

Natürlich kenne ich die Antwort. Sie wollen etwas vom Glanz und Glamour abkriegen und somit aus der Bedeutungslosigkeit herausragen. Jeder möchte etwas Besonderes sein, und wenn man es selbst schon nicht auf die Reihe kriegt, möchte man eben an der Seite von jemandem sein, der es geschafft hat. Ich kann es erklären, aber nachvollziehen kann ich es nicht.

Ich finde es jedenfalls ziemlich albern, dass die Kellnerin mit zitternden Händen etliche Fotos mit ihrem Handy macht und sich ein Autogramm auf ihr Dekolleté geben lässt.

„Du auch?“ Der Typ nähert sich mit dem Stift und ich trete einen Schritt zurück.

„Bloß nicht!“, entfährt es mir. Ich will doch nicht meine Brust verunstalten lassen! Schon gar nicht, wo ich morgen mit Jeff verabredet bin.

„Oh, entschuldige, ich wollte mich nicht aufdrängen“, lacht der Freak und grinst. „Du scheinst kein Fan von uns zu sein?“

Okay, die Augen sind anders. Diese hier sind strahlend blau und ebenso schön wie Jeffs grüne Augen. Nase und Mund sind fast identisch, und das ist schon sehr seltsam.

Ich zucke mit den Schultern.

„Ehrlich gesagt kenne ich euch gar nicht. Ist das eine Bildungslücke?“

„Auf jeden Fall.“ Die wallende Mähne nickt amüsiert.

„Die müssen wir unbedingt schließen. Darf ich mich vorstellen? Ich bin Jon von der Band Destroyed Cowboys.“

Er streckt mir seine Hand entgegen, die ich mechanisch ergreife.

„Isabella Islington“, stelle ich mich vor. „Kein Künstlername.“

„Bei mir auch nicht“, eröffnet mir Jon. „Aber wenn es dir besser gefällt, kannst du mich auch Jesus nennen.“

Er sieht umwerfend aus. Wie Jeff ist er super gut durchtrainiert, hat dieselben wunderschönen, seelenvollen Augen und eine hammermäßige Ausstrahlung. Auch er ist erfolgreich und sicher sehr wohlhabend. Er verströmt die Aura von Macht, Geld und Erfolg, die für Frauen so anziehend ist.

Er verzieht seinen Mund, der ganz schön sinnlich ist. Oh mein Gott, die Begegnung mit Jeff hat mich offenbar total empfänglich für die Reize eines Mannes gemacht. Dornröschen wurde wachgeküsst, obwohl wir uns gar nicht geküsst haben. Wie sich das Küssen mit ihm wohl anfühlt?

„Jesus?“, wiederhole ich irritiert und kann immer noch nicht glauben, dass quasi Jeff mit langen Haaren vor mir steht.

„Ist das nicht ein bisschen abgehoben?“

Jon-Jesus lacht.

---ENDE DER LESEPROBE---