Bis zur Hochzeit will ich schweigen - Sissi Merz - E-Book

Bis zur Hochzeit will ich schweigen E-Book

Sissi Merz

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Beschreibung

Dr. Max Brinkmeier besitzt außergewöhnliche Fähigkeiten. Dennoch ist er, der lange Jahre erfolgreich in Afrika praktiziert hat und dort so viele Menschenleben retten konnte, einen Augenblick ratlos, als ihn der Hilferuf von daheim erreicht. Sein Vater, der in einem kleinen bayerischen Bergdorf als Landarzt mit ebenso großem Geschick jahrzehntelang tätig gewesen ist, kann die heimatliche Praxis nach einer Herzattacke nicht länger weiterführen. Max war damals nicht ganz im Frieden von zu Hause geschieden, und jetzt überlagern sich bei ihm verschiedene existentielle Gefühle. In Afrika hat er eine wirkliche Lebensaufgabe gefunden. In der Heimat wird er dringend benötigt. Die Ärztin, der seine große Liebe gilt, wirkt mit ihm gemeinsam auf der Missionsstation und ist inzwischen fest verwurzelt auf dem afrikanischen Kontinent. Dr. Max Brinkmeier muß sich entscheiden – und Sie erwartet die spannendste, gefühlvollste Arztromanserie! Die beliebte Schriftstellerin Sissi Merz erreicht in diesen eindrucksvollen Romanen den Höhepunkt ihres Schaffens. aEs war noch sehr früh an diesem Maimorgen, die Sonne spitzte eben erst über den Horizont, und über dem Forst lag ein flimmerndes Zwielicht, das die Konturen verwischte. Lina Aumüller hatte ihre Trachtenstrickjacke übergezogen und fror trotzdem in der klammen feuchten Luft. Zwischen den dicken Stämmen der Föhren standen Nebelschwaden wie vereiste Seen. Ganz still war es, nur ab und an zwitscherte schon ein Vogel in den Zweigen. Das hübsche Mädchen hatte es eilig und es kannte sein Ziel so genau, daß es kein einziges Mal zögerte. Lina war in Wildenberg geboren und aufgewachsen, sie kannte den Tann ganz genau und hätte sich hier selbst mit geschlossenen Augen zurecht gefunden. Zu so früher Stunde war sie früher nie unterwegs gewesen. Aber da hatte es ja auch noch kein Geheimnis in ihrem jungen Leben gegeben... Die schöne Hoftochter verhielt kurz den Schritt und lauschte. Alles blieb still, sie schien der einzige Mensch hier zu sein. Ganz allmählich stieg die Sonne über den Horizont, die Nebel lichteten sich. Und das Gesang der Vögel wurde lauter; Bergfink und Amsel konnte Linas geübtes Ohr unterscheiden, Meise und Dompfaff, Buchfink und ein paar Sperlinge, die über eine Lichtung flatterten und dabei Spektakel machten. Das hübsche Madel mit den langen, hellbraunen Haaren und den klaren grau-grünen Augen lächelte ein wenig. Lina liebt die Natur, sie war gerne hier draußen. Und doch gefiel es ihr nicht, so heimlich in den Forst schleichen zu müssen. Ein Geräusch ließ das Mädchen zusammenzucken. Unweit von ihr hatte ein Ast geknackt. Sie wußte, was das zu bedeuten hatte. Und sie sollte sich nicht geirrt haben. Nur ein paar Augenblicke später trat ein hochgewachsener Bursch auf sie zu.

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Dr. Brinkmeier Classic – 14 –

Bis zur Hochzeit will ich schweigen

… doch es könnte schon zu spät sein

Sissi Merz

aEs war noch sehr früh an diesem Maimorgen, die Sonne spitzte eben erst über den Horizont, und über dem Forst lag ein flimmerndes Zwielicht, das die Konturen verwischte. Lina Aumüller hatte ihre Trachtenstrickjacke übergezogen und fror trotzdem in der klammen feuchten Luft. Zwischen den dicken Stämmen der Föhren standen Nebelschwaden wie vereiste Seen. Ganz still war es, nur ab und an zwitscherte schon ein Vogel in den Zweigen. Das hübsche Mädchen hatte es eilig und es kannte sein Ziel so genau, daß es kein einziges Mal zögerte.

Lina war in Wildenberg geboren und aufgewachsen, sie kannte den Tann ganz genau und hätte sich hier selbst mit geschlossenen Augen zurecht gefunden. Zu so früher Stunde war sie früher nie unterwegs gewesen. Aber da hatte es ja auch noch kein Geheimnis in ihrem jungen Leben gegeben...

Die schöne Hoftochter verhielt kurz den Schritt und lauschte. Alles blieb still, sie schien der einzige Mensch hier zu sein. Ganz allmählich stieg die Sonne über den Horizont, die Nebel lichteten sich. Und das Gesang der Vögel wurde lauter; Bergfink und Amsel konnte Linas geübtes Ohr unterscheiden, Meise und Dompfaff, Buchfink und ein paar Sperlinge, die über eine Lichtung flatterten und dabei Spektakel machten. Das hübsche Madel mit den langen, hellbraunen Haaren und den klaren grau-grünen Augen lächelte ein wenig. Lina liebt die Natur, sie war gerne hier draußen. Und doch gefiel es ihr nicht, so heimlich in den Forst schleichen zu müssen.

Ein Geräusch ließ das Mädchen zusammenzucken. Unweit von ihr hatte ein Ast geknackt. Sie wußte, was das zu bedeuten hatte. Und sie sollte sich nicht geirrt haben. Nur ein paar Augenblicke später trat ein hochgewachsener Bursch auf sie zu. Wortlos sank Lina in seine Arme, und ein langes inniges Busserl ließ sie beide alles andere auf der Welt vergessen. Andreas Burger, der junge Förster, der zusammen mit dem erfahrenen Kollegen Markus Bichler das Revier von Wildenberg betreute, hatte die schöne Hoftochter von Herzen lieb.

Sie erwiderte seine Gefühle, doch das bedeutete noch lange nicht, daß die zwei auch glücklich miteinander werden durften. Denn es gab jemanden, der hatte ganz andere Pläne mit Lina...

Nach einer kleinen seligen Ewigkeit ließ der Bursch seine Liebste los. Mittlerweile war die Sonne aufgegangen, ein schmaler Lichtstrahl hatte sich durch die breiten Äste der Föhren in Linas Haar gestohlen und ließ es mattgolden glänzen. Andreas sah es und war kurz ganz verzaubert. Er wollte dem geliebten Madel noch ein Busserl stehlen, doch Lina mahnte ihn: »Ich muß wieder heim, bevor jemand was merkt.«

Davon mochte der junge Förster nichts wissen. »Du bist doch eben erst gekommen. Ich laß dich net schon wieder gehen. Komm, machen wir wenigstens einen kleinen Spaziergang rüber zum Wildkogel, das dauert net lang.«

»Ach, Andi, ich möchte schon. Aber wenn der Vater zum Frühstück erscheint, und ich bin net da...«

»Du bist erwachsen und keinem Menschen Rechenschaft schuldig«, erinnerte er sie leicht unwirsch. Er fand ihre Rücksichtnahme auf den Vater falsch. Denn dieser hatte ihr Leben schon viel zu lange bis ins Kleinste bestimmt, das sah der Bursch jedenfalls so. »Und du kannst tun und lassen, was du willst.«

»Schon«, gestand Lina ihm zu. »Aber ich möchte nicht mit dem Vater streiten. Ich hab ja nur ihn. Und es ist gar nicht schwer, mit ihm auszukommen, das habe ich herausgefunden.«

»Ja, sicher, indem du alles tust, was er will«, stellte der junge Förster wenig begeistert fest. »Sei halt einmal ehrlich, Lina. Dein Vater ist ein Patriarch, ein Tyrann, der nur die eigene Meinung gelten läßt. Du hast selbst gesagt, daß er deine Mutter in ein frühes Grab gebracht hat. Willst du dich ihm denn weiterhin immer unterordnen? Soll es dir ebenso ergehen?«

»Davon kann doch keine Rede sein. Ich mag nur keinen Unfried bei uns daheim. Keine Angst, ich weiß schon, was ich tue. Und jetzt laß uns von was anderem reden. Wir wollen das bissel Zeit, das wir zusammen haben, nicht mit so unerfreulichen Dingen vergeuden. Dafür geht es viel zu schnell vorbei.«

»Das müßte aber nicht sein«, erinnerte er sie mit Nachdruck. »Ich finde diese ganze Heimlichtuerei schrecklich. Du redest deinem Vater nach dem Mund, der dich mit einem anderen verheiraten will, das kann doch auf die Dauer net gutgehen!«

»Ich werde den Enno nicht heiraten. Aber das kann ich dem Vater auch nicht so einfach an den Kopf werfen. Das muß mit Bedacht und Sorgfalt besprochen werden.«

Andreas warf seiner Liebsten einen sehr skeptischen Blick zu. »Daran glaubst du doch selbst nicht. Überleg halt einmal, Lina; dein Vater hat bis jetzt immer über dein Leben bestimmt, und du hast dich gefügt. Wann willst denn etwas dagegen tun? Wenn du mit dem Wildenfels vor dem Altar stehst?« Er hatte sehr heftig gesprochen, und das Mädchen schrak zusammen. Nun tat Andreas sein Ausbruch schon wieder leid, er wollte sie beruhigen, aber sie erwiderte entschieden: »Ich weiß selbst, daß es nicht leicht ist, mit dem Vater auszukommen. Daß ich den Berggrafen heiraten soll, ist schon lange sein Wunsch. Und ich war ja auch einverstanden, bis wir uns kennengelernt haben. Jetzt muß ich es geschickt anstellen, um aus dieser Sache wieder herauszukommen. Ich möchte meinen Vater auch nicht verletzen oder beleidigen. Denn im Grunde hat er immer nur das Beste für mich gewollt.«

Andreas schwieg, denn er war anderer Meinung. Er wußte jedoch, daß es wenig Sinn hatte, wenn er gegen den Sägewerksbesitzer Rudolf Aumüller stänkerte. Lina hatte ihren Vater lieb, trotz all seiner offensichtlichen Fehler. Und wenn der junge Förster das Madel seines Herzens einmal heimführen wollte, dann mußte er sich mit dem alten Aumüller arrangieren. Da ging es nicht, einfach mit dem Kopf durch die Wand zu wollen.

»Ich versteh dich, Andi«, gestand sie ihm nun zu und stahl sich in seine Arme. »Ich wünsche mir ja auch, daß es anders für uns wäre, daß wir uns nicht heimlich treffen müßten. Und daß du mit meinem Vater reden könntest, was uns beide angeht. Aber wir müssen halt noch ein wenig Geduld haben. Ich bin ganz fest davon überzeugt, daß für uns beide doch noch alles gut werden wird.«

»Hast mich lieb?« fragte er schlicht.

Und als sie spontan nickte, da lächelte er angedeutet und meinte zuversichtlich: »Dann wird alles gut für uns. Weil nur das zählt. Wenn man sich wirklich und von Herzen lieb hat, kann einem gar nichts mehr geschehen.«

»Das hast schön gesagt.« Sie lächelte selig, als er ihr noch ein zärtliches Busserl schenkte. Und auch der junge Waidmann genoß diese wunderbaren Momente, in denen sie einander so nah waren. Doch ein leiser Zweifel blieb. Und die Frage, ob es ihnen denn wirklich gelingen sollte, ihre große Liebe gegen alle Widerstände zu verteidigen. Denn die waren nicht gering...

Wenig später kehrte Andreas Burger allein zum Forsthaus zurück. Markus Bichler winkte ihn in die gute Stube, wo das Frühstück bereits auf dem Tisch stand. Die Förstersfrau war nicht da, sie besuchte für eine Weile ihre kranke Schwester. So waren die beiden Waidmänner darauf angewiesen, sich selbst zu versorgen. Der Bichler schien das gar nicht schlimm zu finden.

»Ist mal was anderes, so ganz unbeweibt, gelt?« merkte er an und schenkte den Kaffee ein. »Ich hoff’, er ist dir net zu stark. Aber so was Rechtes zum Wachewerden braucht’s schon.«

Der junge Förster setzte sich und lächelte schmal. »Ich krieg schon Herzklopfen, wenn ich nur an dem Haferl riech’...«

Der Bichler lachte. »Bist denn so schnell aufzuregen? Was sagt die Lina dazu? Will sie net lieber einen Burschen, der die Dinge etwas gelassener angeht?«

Andreas mußte schmunzeln. Er hatte sich vor einer Weile seinem Vorgesetzten anvertraut, der zugleich auch so etwas wie sein väterlicher Freund war. Allerdings hatte er den Bichler zugleich gebeten, niemandem etwas zu sagen. »Die Lina ist schon zufrieden mit mir, keine Angst. Aber ich mach mir allmählich Gedanken, verstehst? Der alte Aumüller macht die Heiratspläne mit dem Berggrafen jetzt konkret. Und die Lina traut sich net, ihm abzusagen. Ich sitz da zwischen allen Stühlen.«

»Geh halt und red mit dem Aumüller. Oder willst weiterhin zusehen, wie dein Madel sich mit einem anderen trifft?«

»Die Lina ist mir treu, da hab ich keine Angst.«

»Das habe ich ja auch net anzweifeln wollen. Aber es ist auf Dauer trotzdem kein Zustand net, daß deine Liebste mit einem anderen verlobt ist. Oder willst das vielleicht immer weiter hinnehmen?«

»Freilich net.« Andreas seufzte leise. »Fast jeden Tag komm ich

darauf zu sprechen. Und jedesmal verspricht sie mir, mit dem Alten zu reden. Ich glaube auch, daß sie es will. Aber wenn sie dann ansetzt, würgt er einfach alles ab, verstehst?«

»Hm, das ist schwierig.« Markus Bichler rieb sich das Kinn. »Ich will dir keinen Ratschlag aufdrängen, Andi, du weißt, das ist net meine Art. Aber wennst mich fragst, dann nimmst dein Madel an die Hand und marschierst zum alten Aumüller, um reinen Tisch zu machen. Sonst könnte es nämlich sein, daß du eines Tages aufwachst und hörst die Hochzeitsglocken läuten. Allerdings nicht für dich und die Lina, sondern...«

»Ja, ich weiß, was du meinst. Trotzdem will ich die Lina zu nix zwingen. Dann riskiere ich vielleicht, daß sie sich auf Dauer mit ihrem Vater verkracht. Und sie hängt doch an ihm.« Der junge Förster lächelte seinem Kollegen zu. »Du meinst es gut, Markus, und dafür danke ich dir. Aber ich hab schon selbst hundertmal über alles nachgedacht, ohne zu einem Entschluß zu kommen. Das einzige, was ich im Moment machen kann, ich abzuwarten. Auch wenn es mir noch so schwer fällt. Und das tut es, das kannst mir wirklich glauben.«

*

Als Lina nach Hause kam, war der Vater schon fort. Sie fragte die Hauserin ängstlich, ob er sich nach ihr erkundigt hatte, doch Maria Öttinger schüttelte den Kopf.

»Er hat gar net gefrühstückt, hatte es eilig heut morgen. Ich glaube, er wollte auffi zum Bergschloß«, ließ sie das Madel wissen. »Magst was essen, Lina?«

»Na, ich nehme mir nur ein Haferl Kaffee.« Sie ging hinüber in die Küche und setzte sich unter den Herrgottswinkel, wo vor dem Foto ihrer verstorbenen Mutter ein ewiges Licht brannte. Die Hauserin folgte ihr und wollte wissen: »Stimmt was net? Schaust so bekümmert aus, Lina.«

»Es ist alles in bester Ordnung. Ich kümmere mich jetzt ums Mittagsmahl.« Die hübsche Hoftochter ignorierte den zweifelnden Blick der Hauserin. Natürlich wußte Lina, daß es dem Vater lieber gewesen wäre, wenn sie daheim keinen Schlag getan hätte. Doch das patente Madel, das erfolgreich eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin absolviert hatte, machte sich gern in Haus und Hof nützlich. Lina sah das als eine Art Übung für ihre Zukunft an. Allerdings dachte sie dabei nicht an den Berggrafen Enno von Wildenfels, den ihr Vater sich zum Schwiegersohn wünschte...

Rudolf Aumüller hielt sich derweil tatsächlich im sogenannten Bergschloß von Wildenberg auf. Die Grafenfamilie lebte dort bereits seit vielen Generationen. Das barock anmutende Gebäude schaute sozusagen auf das Dorf herunter, denn es war auf einer Anhöhe oberhalb von Wildenberg errichtet worden.

Für den Aumüller, der es durch Fleiß und Heirat zu einem großen Erbhof und einer Sägemühle gebracht hatte, war es stets ein heimlicher Traum gewesen, dort droben Einzug zu halten. Und als seine Frau ihm eine Tochter geschenkt hatte, da hatte es für den ehrgeizigen Geschaftelhuber keinen Zweifel geben können: Das Kind in der Wiege sollte einmal eine Gräfin Wildenfels werden. Seine Frau hatte ihn ausgelacht und seine Spinnerei für absurd gehalten. Doch Rudolf zeichnete sich durch zwei Eigenschaften besonders aus: Seine Schlitzohrigkeit und sein Durchhaltevermögen. Und letzteres hatte ja am Ende zum Ziel geführt, denn in absehbarer Zeit sollte Lina den jungen Berggrafen heiraten. Daß Enno von Wildenfels schon einmal verheiratet gewesen war, daß ihn zudem zehn Lebensjahre von Lina trennten, war dabei völlig unwichtig. Und daß seine erste Frau unter dubiosen Umständen ums Leben gekommen war, schien den Aumüller ebenfalls nicht zu kratzen. Für ihn zählte nur eins: Seinen Traum vom Einzug auf dem Bergschloß zu verwirklichen.

Daß dem Großbauern und Sägewerksbesitzer dafür jedes Mittel recht war, zeigte sich auch im Gespräch mit seinem zukünftigen Schwiegersohn. Denn als Enno anklingen ließ, daß Linas Mitgift doch eher als bescheiden zu bezeichnen war, meinte Rudolf sofort: »Das können wir ändern. Sag nur, was du verlangst, Bub, es soll geschehen. Weißt doch, daß ich für das Glück meiner Tochter alles tun würde. Wirklich alles!«

Der junge Graf lächelte schmal. Enno von Wildenfels war eine interessante Erscheinung. Er war groß, dabei nicht unbedingt schlank, aber auch nicht dick. Er füllte mit seiner Haltung und seiner Ausstrahlung die Räume des Bergschlosses, und sein dröhnender Baß war sprichwörtlich. In dem markanten, von dunklem Haar umrahmten Gesicht bestachen die tiefbraunen Augen, die schon beinahe als schwarz zu bezeichnen waren. Sie wiesen auf die Wurzeln der Familie in Südtirol hin, und diese fanden sich auch in dem oft auffahrenden Temperament des Berggrafen wieder. Nun gab er sich allerdings liebenswürdig.

»Du bist schon recht, Rudi, ich weiß das zu schätzen. Und so eine kleine Finanzspritze, die kann ich gut gebrauchen. Schau, es verschlingt halt jedes Jahr Unsummen, das Schloß in diesem Zustand zu halten. Doch ich sehe es als meine Pflicht an. Und net zuletzt ist es ja auch eine Attraktion für die Touristen und ein Wahrzeichen für Wildenberg, net wahr?«

»Ganz meine Meinung, Enno. Also, an wieviel hast gedacht? Zusätzlich, meine ich. Nenn mir halt eine Summe.«

Der junge Mann winkte ab. »Du wirst es schon richtig machen, Rudi. In den Dingen vertraue ich meinem Schwiegervater, der du ja bald sein wirst. Ach ja, wo wir gerade darüber reden. Ich denke, es wird allmählich Zeit, einen Termin für die Hochzeit festzulegen.« Er schmunzelte abfällig, als der Aumüller gleich seinen Kalender aus der Tasche zog. »Das bespreche ich freilich zuerst mit der Lina. Du erfährst es dann als Nächster. Geh, schick mir das Madel doch heut zum Abendessen. Dann können wir gleich darüber reden. Ist dir das recht?«

»Freilich!« kam es wie ein Stoßseufzer von Rudolf. So nah war er seinem heimlichen Ziel schließlich noch nie gewesen. »Ich sag der Lina gleich Bescheid. Als dann, bis später!«

Als der Vater heimkam, stand Lina am Herd. Er schüttelte nachsichtig den Kopf, nahm ihre Hand und mahnte: »Das wirst jetzt schön sein lassen, dafür ist das Personal da. Ab sofort gewöhnst dich an einen etwas anderen Lebensstil, damit du den Enno net enttäuscht, verstanden?«

»Vielleicht sollte er sich eine andere suchen, wenn ich ihn enttäuschen könnte. Eine aus seinen Kreisen«, deutete Lina vorsichtig an, erreichte damit aber nichts.

»Red keinen Schmarrn«, mahnte der Alte, betrat die gute Stube und drückte seine Tochter in einen Sessel. »Ich hab eben alles mit deinem Zukünftigen besprochen. Wir sind uns einig. Und er erwartet dich heut auf d’ Nacht zum Essen, damit ihr einen Termin festlegen könnt.«

»Ihr seid euch vielleicht einig, aber mich hat keiner gefragt«, beschwerte Lina sich. »Ist denn das eine Art?«

»Also schön.« Rudolf lächelte freundlich. »Magst die Frau vom Berggrafen werden, ins Schloß ziehen und deinem alten Vater den größten Herzenswunsch erfüllen?«