Dr. Daniel 40 – Arztroman - Marie Francoise - E-Book

Dr. Daniel 40 – Arztroman E-Book

Marie Francoise

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Beschreibung

Dr. Daniel ist eine echte Erfolgsserie. Sie vereint medizinisch hochaktuelle Fälle und menschliche Schicksale, die uns zutiefst bewegen – und einen Arzt, den man sich in seiner Güte und Herzlichkeit zum Freund wünscht.   Langsam ging Frau Dr. Manon Carisi durch die Grabreihen des kleinen italienischen Friedhofes, und mit jedem Schritt wurde ihr Herz schwerer. In diesem Moment war sie nicht mehr die freundliche Allgemeinmedizinerin, die in ihrer Praxis in Steinhausen für jedes Problem ein offenes Ohr hatte – jetzt war sie nur noch eine trauernde Witwe.   Drei Jahre, mußte sie unwillkürlich denken. Heute werden es genau drei Jahre, daß Angelo gestorben ist.   Und dabei sah sie vor ihrem geistigen Auge wieder das schnittige Rennboot, sah Angelo, wie er ihr lachend zuwinkte, bevor er sich ans Steuer setzte, um seinem geliebten Hobby nachzugehen. Im nächsten Moment war dann das Boot vor Manons Augen explodiert. Man hatte von einer defekten Benzinleitung gesprochen, doch etwas Genaues war nie herausgefunden worden.   Unwillkürlich schluchzte Manon auf und bedeckte für einen Moment ihre Augen, als könne sie damit die Erinnerung verscheuchen. Es dauerte eine Weile, bis sie ihren Weg fortsetzen konnte. Im selben Moment sah sie die Frau, die an Angelos Grab kniete und mit einer zärtlichen Geste ein paar Blumen hinlegte. Manons Schritt stockte, doch dann zwang sie sich weiterzugehen.   »Buon giorno, Mamma«, grüßte sie leise.   Mit einem Ruck wandte sich die Frau um und funkelte Manon zornig an.   »Es ist alles deine Schuld!« schleuderte sie ihr auf Italienisch entgegen, dann raffte sie ihren Rock zusammen und verließ eiligst den Friedhof, als wäre die Luft durch Manons Anwesenheit plötzlich verpestet.   Traurig sah Manon ihr nach. Ihre Schwiegereltern hatten sie ja nie gemocht, aber daß sie ihr auch noch die Schuld an Angelos Tod gaben…   »Dabei vermisse

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Dr. Daniel – 40 –

Ihre schwerste Stunde

Marie Francoise

  Langsam ging Frau Dr. Manon Carisi durch die Grabreihen des kleinen italienischen Friedhofes, und mit jedem Schritt wurde ihr Herz schwerer. In diesem Moment war sie nicht mehr die freundliche Allgemeinmedizinerin, die in ihrer Praxis in Steinhausen für jedes Problem ein offenes Ohr hatte – jetzt war sie nur noch eine trauernde Witwe.

  Drei Jahre, mußte sie unwillkürlich denken. Heute werden es genau drei Jahre, daß Angelo gestorben ist.

  Und dabei sah sie vor ihrem geistigen Auge wieder das schnittige Rennboot, sah Angelo, wie er ihr lachend zuwinkte, bevor er sich ans Steuer setzte, um seinem geliebten Hobby nachzugehen. Im nächsten Moment war dann das Boot vor Manons Augen explodiert. Man hatte von einer defekten Benzinleitung gesprochen, doch etwas Genaues war nie herausgefunden worden.

  Unwillkürlich schluchzte Manon auf und bedeckte für einen Moment ihre Augen, als könne sie damit die Erinnerung verscheuchen. Es dauerte eine Weile, bis sie ihren Weg fortsetzen konnte. Im selben Moment sah sie die Frau, die an Angelos Grab kniete und mit einer zärtlichen Geste ein paar Blumen hinlegte. Manons Schritt stockte, doch dann zwang sie sich weiterzugehen.

  »Buon giorno, Mamma«, grüßte sie leise.

  Mit einem Ruck wandte sich die Frau um und funkelte Manon zornig an.

  »Es ist alles deine Schuld!« schleuderte sie ihr auf Italienisch entgegen, dann raffte sie ihren Rock zusammen und verließ eiligst den Friedhof, als wäre die Luft durch Manons Anwesenheit plötzlich verpestet.

  Traurig sah Manon ihr nach. Ihre Schwiegereltern hatten sie ja nie gemocht, aber daß sie ihr auch noch die Schuld an Angelos Tod gaben…

  »Dabei vermisse ich dich doch so sehr«, flüsterte Manon unter Tränen, während sie drei rote Rosen auf das Grab legte.

  Angelo Carisi, stand auf dem schmiedeeisernen Kreuz, und darunter hatte ihre Schwiegermutter ein Foto befestigt, das Angelos genauso zeigte, wie Manon ihn in Erinnerung hatte. Braungebrannt und mit fröhlich blitzenden dunklen Augen.

  Das Foto verschwamm vor Manons Augen, weil die erneut aufsteigenden Tränen ihren Blick verschleierten. Vierzig Jahre war er nur alt geworden, und dabei hatten sie doch noch so viele gemeinsame Pläne gehabt!

  »Geh!«

  Die barsche Stimme ihres Schwiegervaters ließ Manon erschrocken hochfahren.

  »Du hast ihm nur Unglück gebracht… über uns alle hast du nur Unglück gebracht!«

  »Ich habe ihn geliebt«, entgegnete Manon schlicht, doch die tiefe Trauer, die sie empfand, verhinderte, daß ihre Stimme so fest klang, wie sie es sich gewünscht hätte. »Angelo war mein Leben, und er hat für mich dasselbe empfunden.«

  Ein Blick voller Haß traf sie. »Über eurer Ehe lag kein Segen, und Angelos Tod war die Strafe dafür.« Voller Verachtung sah der alte Carisi die Blumen an, die Manon auf das Grab gelegt hatte. »Das hättest du dir sparen können, denn damit machst du das, was passiert ist, auch nicht ungeschehen.« Dann reckte er sich hoch.»Komm nie wieder hierher!«

  Manon fühlte sich auf einmal wieder so schwach und müde, wie es ihr in den vergangenen Tagen schon öfter passiert war. Sie wollte sagen, daß sie ein Recht darauf hatte, Angelos Grab zu besuchen. Immerhin war sie ja mit ihm verheiratet gewesen, und sie hatten sich geliebt – von ganzem Herzen. Doch sie wußte, daß das vergeblich gewesen wäre. Die Carisis hatten ihre Meinung über Manon nun einmal gefaßt und würden wohl nie mehr davon abzubringen sein. Außerdem fühlte sie sich zu leer und ausgebrannt, um sich auf eine längere Diskussion mit ihrem Schwiegervater einzulassen.

  Wortlos drehte sie sich um und verließ mit langsamen, schleppenden Schritten den Friedhof. Dabei wurde sie immer wieder von einem leichten Schwindel ergriffen. Plötzlich sehnte sie sich nach Hause zurück – in das idyllische Vorgebirgsdorf Steinhausen. Dort wurde sie geachtet und geliebt, und dort hatte sie einen Freund, wie sie keinen besseren und ehrlicheren finden konnte: Dr. Robert Daniel.

  Kaum in der kleinen Pension angekommen, wo sie sich für ein paar Tage ein Zimmer gemietet hatte, machte sie sich auf die Suche nach dem Hausherrn.

  »Signore Bertoni, kann ich bitte telefonieren?« fragte sie in so fließendem Italienisch, daß niemand auf den Gedanken gekommen wäre, sie stamme aus einem anderen Land.

  »Si, si, Signora«, beeilte sich Sergio Bertoni zu versichern und begleitete Manon zu dem kleinen Zimmer im hinteren Teil des Hauses, wo das Telefon stand. Er notierte den Stand des Gebührenzählers, dann ließ er Manon allein.

  Mit zitternden Händen hob sie den Hörer ab, wählte und lauschte dann voller Anspannung dem eintönigen Tuten.

  »Daniel.«

  Manon atmete auf, als sie die Stimme des Mannes hörte, mit dem sie nicht nur eine außergewöhnlich gute Freundschaft verband, sondern seit kurzem auch eine gemeinschaftliche Praxis.

  »Robert, ich bin’s«, gab sie sich zu erkennen und hatte dabei schon wieder Mühe, die Tränen zurückzuhalten.

  »Manon, was ist passiert?« fragte Dr. Daniel besorgt, weil er sogar auf diese Entfernung und durchs Telefon hörte, daß es um seine Freundin nicht sehr gut bestellt sein konnte.

  »Nichts besonderes«, behauptete Manon. »Ich wollte nur deine Stimme hören.« Sie schwieg einen Moment, weil ihr plötzlich bewußt wurde, daß das Worte gewesen waren, die eigentlich nur Liebespaare zueinander sagten, dabei hatte es zwischen ihr und Dr. Daniel doch niemals eine intime Beziehung gegeben, und vielleicht würde das auch immer so bleiben. Sie mochten und vertrauten sich – mehr wollte bis jetzt noch keiner von ihnen.

  »Es ist so bedrückend hier«, fügte sie leise hinzu. »Vor ein paar Minuten bin ich meinem Schwiegervater begegnet. Er war so… so kalt und herzlos.«

  Dr. Daniel spürte, wie dringend Manon gerade jetzt seinen Beistand brauchte.

  »Hör zu, heute ist Samstag«, meinte er. »Ich komme zu dir und hole dich ab, einverstanden?«

  »Das ist doch Wahnsinn, Robert«, wandte Manon ohne rechte Überzeugung ein. Sie sehnte sich im Augenblick nämlich viel zu sehr nach der Geborgenheit, die sie in Dr. Daniels Nähe empfand. »Ich bin in der Nähe von Neapel…«

  »Na und?« entgegnete Dr. Daniel. »Mit dem Flugzeug bin ich in einer Stunde unten. Mach dir keine Gedanken darüber, Manon.« Und dann hielt er sich gar nicht mehr mit langen Diskussionen auf. »Wir sehen uns dann spätestens heute nachmittag.«

*

  »Ist Manon etwas passiert?« fragte Dr. Daniels Sohn Stefan, der ungewollt einen Teil des Telefongesprächs mitbekommen hatte.

  Dr. Daniel seufzte. »Nein, nicht direkt. Aber weißt du, heute ist der Todestag ihres Mannes, und das nimmt sie natürlich sehr mit. Überdies hatte sie eine Begegnung mit ihrem Schwiegervater. Die Carisis haben Manon nie gemocht, und anscheinend wird er ihr das wieder einmal ganz deutlich gemacht haben.«

  Prüfend sah Stefan seinen Vater an.»Was wirst du denn jetzt tun?«

  »Ich fliege mit der nächsten Maschine nach Italien«, erklärte Dr. Daniel so, als würde er nur in den Nachbarort fahren.

  Überrascht sah Stefan ihn an, dann grinste er. »Das muß die wahre Liebe sein.«

  »Stefan, bitte!« entgegnete Dr. Daniel in ungewohnt strengem Ton. »Du weißt ganz genau, daß Manon und mich nur eine gute Freundschaft verbindet. Mehr will weder sie noch ich.« Er schwieg kurz. »Außerdem würde ich für Schorsch beispielsweise dasselbe tun, weil Freunde eben dazu da sind, einander zu helfen.«

  »Ich weiß schon, Papa«, meinte Stefan versöhnlich. »Aber in meinen Augen ist deine Freundschaft zu Onkel Schorsch einfach anders als die zu Manon.«

  »Weil Schorsch ein Mann ist und Manon eine Frau, aber man kann als Mann auch für eine Frau rein freundschaftlich empfinden. Um das allerdings wirklich zu verstehen, dazu bist du wohl einfach noch zu jung.«

  »Möglich«, räumte Stefan ein, weil er nicht damit herausrücken wollte, was er wirklich dachte. Seiner Meinung nach würden sein Vater und Manon Carisi nämlich ganz ausgezeichnet zueinander passen, aber vermutlich war es für eine solche Verbindung einfach noch zu früh. Manon litt offensichtlich sehr unter dem Tod ihres Mannes, und Stefan wußte ganz genau, daß auch Dr. Daniel den tragischen Tod seiner Frau vor gut sechs Jahren noch nicht wirklich verwunden hatte.

  Inzwischen war Dr. Daniel wieder in den Flur gegangen und buchte nun einen Platz in der nächsten Maschine nach Neapel. Entschlossen stand Stefan auf.

  »Ich fahre dich zum Flughafen«, bot er spontan an.

  »Das ist sehr nett von dir, mein Junge«, meinte Dr. Daniel. »Aber hast du denn keine anderen Pläne fürs Wochenende?«

  Stefan schüttelte den Kopf. »Nein, aber selbst wenn ich welche hätte, würde ich sie dir und Manon zuliebe gern verschieben.«

  Dr. Daniel war tief gerührt. »Danke, Stefan.«

  Dann packte er rasch ein paar Sachen zusammen, ließ sich von seinem Sohn zum Flughafen bringen und wartete darauf, daß seine Maschine endlich aufgerufen würde. Wie er zu Manon schon gesagt hatte, erreichte er am frühen Nachmittag Neapel, nahm sich ein Taxi und ließ sich in den winzigen Ort bringen, den Manon ihm noch vor ihrer Abreise genannt hatte. Auch die kleine Pension fand er ohne Probleme, und hier hatte Manon schon für eine Nacht ein Zimmer für ihn bestellt, weil sie es ihm nicht zumuten wollte, gleich heute noch den Rückflug anzutreten.

  Dr. Daniel erschrak, als er Manon sah. Wie hatte sie sich innerhalb dieser wenigen Tage, wo sie sich  nicht gesehen hatten, nur so verändern können? Sie war schrecklich blaß, hatte dunkle Ringe unter den Augen und wirkte deprimiert und müde.

  »Ich fühle mich ganz entsetzlich«, gestand sie, denn obwohl Dr. Daniel kein Wort darüber gesagt hatte, hatte sie gespürt, was in ihm vorgegangen war.

  »Das sieht man dir auch an«, entgegnete er ehrlich und legte freundschaftlich einen Arm um ihre Schultern.

  Vertrauensvoll lehnte sich Manon an ihn. »Ich bin froh, daß du hier bist.« Sie seufzte leise. »Ich hätte gar nicht herkommen dürfen, aber… Angelo war mein Mann, und… ich habe ihn so sehr geliebt.« Mit feuchten Augen blickte sie zu Dr. Daniel auf. »Sie geben mir die Schuld an seinem Tod.«

  »Das ist doch vollkommener Unsinn«, entgegnete Dr. Daniel in seiner ruhigen, verständnisvollen Art, die nicht nur bei seinen Patientinnen Wirkung zeigte. Auch Manon entspannte sich merklich. »Angelo hatte einen sehr tragischen Unfall, und wenn überhaupt jemanden eine Schuld daran traf, dann doch wohl eher den Mechaniker, der für den einwandfreien Zustand seines Rennbootes zu sorgen hatte.«

  Manon schüttelte den Kopf. »Angelo hatte keinen Mechaniker. Er hat sich immer selbst um sein Boot gekümmert. Außerdem ist die Ursache für diese schreckliche Explosion zumindest mir völlig gleichgültig, denn auch wenn ich ganz sicher wüßte, warum das Boot hochgegangen ist, würde Angelos Tod dadurch nicht weniger schmerzlich für mich werden.«

  Dr. Daniel nickte. Er konnte das, was in Manon vorging, sehr gut nachvollziehen. Für ihn hatte es damals, nach Christines tragischem Tod, auch keinen Trost gegeben. Erst die Zeit hatte den Verlust seiner geliebten Frau einigermaßen erträglich gemacht.

  »Vielleicht sollten wir einen kleinen Spaziergang unternehmen«, schlug Dr. Daniel vor. »Die gute Luft hier am Meer wird dir guttun.«

  »Sei mir nicht böse, Robert, aber ich möchte nicht«, wehrte Manon ab. »Ich bin so furchtbar müde.«

  »Dann leg dich ein bißchen hin«, riet Dr. Daniel ihr. »Ich werde bei dir bleiben, solange du schläfst.«

  Dankbar lächelte Manon ihn an. »Ich bin so froh, daß es dich gibt, Robert.«

  Sie ließ sich schwer auf das schmale Bett fallen und war fast schon im nächsten Moment eingeschlafen. Erst jetzt zeigte Dr. Daniel seine Besorgnis ganz offen. So kannte er Manon nicht, aber vielleicht hing ihre körperliche und geistige Erschöpfung ja wirklich nur damit zusammen, daß sich Angelos Todestag heute jährte. Außerdem wußte er auch nicht, was sich zwischen ihr und ihrem Schwiegervater genau abgespielt hatte, und Manon war nun mal ein sehr sensibler Mensch. Genau dieser Charakterzug war es ja, den Dr. Daniel – neben vielem anderen – so sehr an Manon schätzte.

  »Der Schlaf wird dir guttun«, murmelte er. »Du wirst sehen, danach geht es dir gleich wieder besser. Und morgen werden wir nach Hause fliegen.«

*

  In der Steinhausener Waldsee-Klinik herrschte die übliche Sonntagsruhe. Das änderte sich erst, als Sandra Abensberg völlig aufgelöst in die Eingangshalle eilte.

  »Helfen Sie mir!« stieß sie hervor, als ihr ein junges Mädchen in Schwesterntracht begegnete. Es war die Krankenpflegehelferin Darinka Stöber, und die hatte jetzt natürlich nichts Eiligeres zu tun, als die diensthabende Ärztin zu informieren.

  Es dauerte keine zwei Minuten, bis Frau Dr. Alena Reintaler aus der Gynäkologie in die Eingangshalle kam und sich besorgt zu der jungen Frau hinunterbeugte, die auf einer Bank an der linken Wandseite saß.

  »Was ist denn passiert, Frau…« Sie ließ den Satz bedeutungsvoll offen.

  »Abensberg«, stieß Sandra hervor, dann sah sie die Ärztin mit gehetztem Blick an. »Wo ist Dr. Daniel?«

  »Heute ist Sonntag«, meinte Alena. »Ich nehme also an, daß er zu Hause sein wird. Worum geht’s denn, Frau Abensberg? Ich bin ebenfalls Gynäkologin. Vielleicht kann ich Ihnen auch helfen.«

  »Ich bin schwanger«, brachte Sandra mühsam hervor, und erst jetzt fiel Alena die sanfte Wölbung unter dem Mantel der jungen Frau auf. Nervös nestelte sie ihren Mutterpaß aus der Tasche und reichte ihn Alena. »Fünfundzwanzig-

ste Schwangerschaftswoche. Und jetzt… seit einer Stunde… habe ich plötzlich so komische Schmerzen…« Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie die Ärztin an. »Ich habe solche Angst, Frau Doktor.«

  »Verständlicherweise«, meinte Alena in ihrer ruhigen Art. »Aber Sie sollten sich trotzdem noch keine allzu großen Sorgen machen. Vielleicht ist alles nur halb so schlimm. Jetzt werden wir erst mal in die Gynäkologie hinübergehen, und dann werde ich mir gleich ansehen, was es mit Ihren Beschwerden tatsächlich auf sich hat. Vielleicht beschreiben Sie mir inzwischen schon mal, um was für eine Art von Schmerzen es sich genau handelt.«

  Ein wenig ratlos sah Sandra die junge Ärztin an. »Ich weiß nicht… es ist irgendwie seltsam. Mein Bauch wird immer wieder ganz hart, und dabei entsteht so ein unangenehmes Ziehen. Es tut eigentlich nicht wirklich weh… zumindest nicht so, daß man es nicht aushalten könnte, aber es ist schon schrecklich unangenehm, und es kommt immer wieder.«

  Alena nickte. »Ich vermute, Sie leiden unter vorzeitigen Wehen.«

  Sandra erschrak sichtlich. »Ist das schlimm? Ich meine… werde ich jetzt etwa mein Baby verlieren?«

  Beruhigend lächelte Alena sie an. »Ich werde alles tun, um das zu verhindern, das verspreche ich Ihnen, und vorerst wissen wir ja auch noch gar nicht, ob es tatsächlich vorzeitige Wehen sind.«

  Inzwischen hatten sie die Gynäkologie erreicht, und Alena bat ihre Patientin, sich auf die Untersuchungsliege zu legen.

  »Keine Angst, ich tue Ihnen nicht weh«, erklärte Alena, während sie eine Art Gurt um Sandras Bauch legte. »Ich werde Sie nur an den Wehenschreiber anschließen. Die ganze Geschichte dauert etwa eine halbe Stunde, dann sehen wir weiter. Wenn Sie irgendwelche Probleme haben oder Ihnen in der Rückenlage vielleicht übel wird, dann sagen Sie es mir bitte.«

  Obwohl ihr die Fürsorge der jungen Ärztin guttat, konnte Sandra die Angst, die sie in sich trug, doch nicht ganz unterdrücken. Ein wenig unsicher betrachtete sie das leise summende Gerät, das irgendwelche Linien aufzeichnete.

  »Sie müssen keine Angst haben«, meinte Alena beruhigend, die spürte, was in der Patientin vorging. »Selbst wenn Sie vorzeitige Wehen haben sollten, ist das nicht unbedingt ein Grund zur Sorge. In den meisten Fällen kann man das mit Bettruhe wieder in den Griff bekommen, und selbst wenn diese Methode hier versagen sollte, gibt es wehenhemmende Medikamente, die dem Baby nicht schaden.«

  Sandra nickte.

  »Wissen Sie, eigentlich ist es ja seltsam«, erklärte sie leise. »Ich kann mir meine Angst um das Baby selbst nicht so recht erklären.« Sie zögerte. »Ich will es doch zur Adoption freigeben… das heißt, ich muß. Ich stecke mitten in der Ausbildung und…«  Sie zuckte die Schultern. »Nun ja, mein Freund hat es mit dem Heiraten leider nicht so ernst gemeint, wie er vorher sagte.«

  Teilnahmsvoll sah Alena die junge Frau an.»Es muß schlimm sein, ein Kind, das man so heranwachsen fühlt, weggeben zu müssen.«