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Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. »Hallo, Onkel Doktor!« rief eine Mädchenstimme, als Dr. Norden, von einem Hausbesuch kommend, zu seinem Wagen ging. Er drehte sich um und blickte in ein bildhübsches, fröhliches Gesicht. »Hallo, Tina, was machen Sie denn hier?« fragte er. Tina Kogler sagte immer »Onkel Doktor« zu ihm, seit sie als Babysitter bei kleinen Patienten von ihm einsprang. Sie selbst konnte sich einer so guten Gesundheit erfreuen, daß sie keinen Arzt brauchte, aber Dr. Norden freute sich immer wieder, wenn er dieses frische natürliche Mädchen traf. Selten genug geschah es ja, daß man eine Zwanzigjährige kennenlernte, die noch so natürlich war. Dabei war Tina ein sehr tüchtiges Mädchen, das sich sein Sprachstudium selbst verdiente. Ihre Eltern wären zwar durchaus in der Lage gewesen, ihrer einzigen Tochter diese Ausbildung zu ermöglichen, aber Tina war schon in jungen Jahren sehr konsequent und zielstrebig. Sie vertrat den Standpunkt, daß man weitaus mehr schätzte, was man sich selbst verdienen mußte. Und Dr. Norden erfuhr jetzt von ihr, daß sie sich als Reiseleiterin verdingt hatte. »Ein toller Job«, erklärte sie freudestrahlend. »Ich werde sehr viel zu sehen bekommen und werde auch sehr anständig bezahlt. Zuerst waren sie ja ein bißchen skeptisch, weil ich so jung bin, aber mit meinen Sprach- und Kunstkenntnissen konnte ich sie glücklicherweise überzeugen.« »Und wohin wird die erste Reise gehen?« fragte Dr. Norden interessiert. »Mit dem Bus zu den Loire-Schlössern, durch die Provence, und dann noch drei Tage Paris. Ein Anfang, wie ich ihn mir besser nicht wünschen konnte.« »Dann wünsche ich Ihnen viel Glück dazu, Tina«, sagte Dr. Norden herzlich.
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»Hallo, Onkel Doktor!« rief eine Mädchenstimme, als Dr. Norden, von einem Hausbesuch kommend, zu seinem Wagen ging. Er drehte sich um und blickte in ein bildhübsches, fröhliches Gesicht.
»Hallo, Tina, was machen Sie denn hier?« fragte er.
Tina Kogler sagte immer »Onkel Doktor« zu ihm, seit sie als Babysitter bei kleinen Patienten von ihm einsprang. Sie selbst konnte sich einer so guten Gesundheit erfreuen, daß sie keinen Arzt brauchte, aber Dr. Norden freute sich immer wieder, wenn er dieses frische natürliche Mädchen traf. Selten genug geschah es ja, daß man eine Zwanzigjährige kennenlernte, die noch so natürlich war.
Dabei war Tina ein sehr tüchtiges Mädchen, das sich sein Sprachstudium selbst verdiente. Ihre Eltern wären zwar durchaus in der Lage gewesen, ihrer einzigen Tochter diese Ausbildung zu ermöglichen, aber Tina war schon in jungen Jahren sehr konsequent und zielstrebig. Sie vertrat den Standpunkt, daß man weitaus mehr schätzte, was man sich selbst verdienen mußte. Und Dr. Norden erfuhr jetzt von ihr, daß sie sich als Reiseleiterin verdingt hatte.
»Ein toller Job«, erklärte sie freudestrahlend. »Ich werde sehr viel zu sehen bekommen und werde auch sehr anständig bezahlt. Zuerst waren sie ja ein bißchen skeptisch, weil ich so jung bin, aber mit meinen Sprach- und Kunstkenntnissen konnte ich sie glücklicherweise überzeugen.«
»Und wohin wird die erste Reise gehen?« fragte Dr. Norden interessiert.
»Mit dem Bus zu den Loire-Schlössern, durch die Provence, und dann noch drei Tage Paris. Ein Anfang, wie ich ihn mir besser nicht wünschen konnte.«
»Dann wünsche ich Ihnen viel Glück dazu, Tina«, sagte Dr. Norden herzlich. »Vielleicht berichten Sie uns einmal, wie es Ihnen ergangen ist. Hoffentlich haben Sie auch nette Teilnehmer.«
»Es ist eine Studienreise«, sagte sie, »da trifft man doch nur interessante Menschen, nicht diese Art Urlauber, die später nur von den Hotels erzählen und während der Fahrt laut und falsch singen.«
Er mußte lächeln. Sie wußte die Menschen schon ganz gut einzuschätzen. Und sie verstand es auch, sich aufdringliche Männer vom Leibe zu halten. Er wußte, daß Tina einen sehr netten Freund hatte. Constantin Tröger studierte Zahnmedizin. Dr. Norden hatte ihn kennengelernt, als der sich im Winter eine heftige Erkältung zugezogen hatte.
»Wie heißt denn Ihr Unternehmen?« fragte Dr. Norden das junge Mädchen, bevor er sich verabschiedete.
Sie gab ihm ein paar Prospekte und lächelte schelmisch. »Für ein bißchen Reklame wäre ich dankbar. Ich bekomme dann noch Prozente. Die Reisen sind nicht billig, aber sehr gut organisiert. Ich habe mich natürlich genau informiert, bevor ich mich beworben habe.«
Ja, sie machte nichts halb, diese Tina Kogler. Sie wußte genau, was sie wollte, und deshalb erhoben ihre Eltern auch keine Einwände, als sie ihnen von der erfolgreichen Bewerbung erzählte.
Nicht ganz einverstanden war Constantin, den Tina kurz Conny nannte. Immerhin würde Tina viel unterwegs sein, und das gefiel ihm gar nicht. Und sicher würden auch Männer solche Reisen mitmachen, das gefiel ihm erst recht nicht.
Er hätte Tina lieber heute als morgen geheiratet, aber er mußte noch vier Semester studieren, und konsequent wie Tina nun einmal war, hatte sie ihm klipp und klar gesagt, daß vorher eine Heirat nicht in Frage käme.
Conny war von Tinas Eltern gern gesehen. Sie waren mit ihrem zukünftigen Schwiegersohn sehr einverstanden, aber sie meinten auch, daß man sich mit dem Heiraten noch Zeit lassen könne.
»Wenn ich wenigstens die erste Reise mitmachen könnte, damit ich sehe, wie das so läuft«, sagte Conny, »aber es sind ja keine Semesterferien.«
»Und die Reise kostet einen Haufen Geld«, erklärte Tina.
Mit dem Geld mußte Conny sparsam umgehen. Seine Eltern waren nicht in der Lage, ihm mehr als zweihundert Euro monatlich zuzuschießen. Conny hatte noch drei jüngere Geschwister, die auch nicht zu kurz kommen sollten, und so ganz waren sie auch nicht einverstanden gewesen, daß er sich für die Zahnmedizin entschieden hatte.
So schilderte Tina vorerst an Hand der Unterlagen den Verlauf der Reise, und man konnte es ihr ansehen, wie sehr sie sich darauf freute.
*
Nach der Begegnung mit Tina mußte Dr. Norden noch einen Hausbesuch machen, und bei diesem empfand er eine tiefe Beklemmung.
Eine prachtvolle Villa war sein Ziel. Dort wohnte der Generaldirektor Wolf Diederich mit seiner Frau Carla und seinem einzigen Sohn Stephan. Diesem galt Dr. Nordens Besuch. Stephan litt seit Wochen an einer schweren Virusinfektion, und mangelnde Abwehrkräfte hatten Dr. Norden so skeptisch gestimmt, daß er eine klinische Untersuchung angeordnet hatte. Das Ergebnis war bestürzend. Stephan Diederich, zweiundzwanzig Jahre jung, litt an einem Rückenmarkleiden, für das es keine Heilung gab.
Es war Dr. Norden nichts anderes übriggeblieben, als es seinen Eltern mitzuteilen. Es war ein entsetzlicher Schlag für sie gewesen. Da zeigte sich Carla Diederich fast tapferer als ihr Mann, der doch soviel auf seinen Sohn und Erben gesetzt hatte. Vorerst sprach Stephan auf die medikamentöse Behandlung recht gut an, wie es oftmals in solchen Fällen war. Man konnte auch nicht sagen, wann diese Krankheit in das kritische letzte Stadium eintreten würde. Bei jungen Menschen kam das leider meist schneller als bei älteren. Dr. Norden ging es jedenfalls immer sehr nahe, wenn er dieses Haus betrat und Stephan besuchte.
Carla verstand es, sich zu beherrschen. Sie wollte ihrem Sohn nicht zeigen, wie weh es ihr ums Herz war. Sie wollte ihm jeden Tag zur Freude machen, ihm jeden Wunsch erfüllen.
Nun war Stephan allerdings ein Mensch, der niemals Wünsche äußerte, außer nach Büchern. Ihm bereitete es den größten Kummer, daß er ein ganzes Semester seines Studiums der Geisteswissenschaften durch die andauernde Krankheit einbüßte.
Doch an diesem Tag machte er einen frischen Eindruck, und er war lebhafter als sonst. Er war ein ausgesprochen gut aussehender junger Mann, ja, man hätte ihn fast schön nennen können, wenn die durchstandenen Schmerzen seinem Gesicht nicht schon eine ganz besondere Note gegeben hätten. Er wirkte älter als er war, vergeistigt und deshalb besonders interessant. Er war sehr klug und in manchen Dingen sogar genial zu nennen. Es gab eigentlich nichts, was ihn nicht interessiert hätte.
»Es geht jetzt wieder aufwärts«, sagte er zuversichtlich zu Dr. Norden. »Vielleicht kann ich dann doch noch nach Frankreich fahren, bevor ich wieder ins Semester einsteige.«
Es versetzte Dr. Norden wieder einen Stich, aber was sollte er sagen? Ihm das gleich ausreden? Ihn stutzig machen? Nein, das konnte er nicht.
»Nur nicht gleich übermütig werden«, sagte er. »Als Ihr Arzt kann ich es nicht gutheißen, wenn Sie sich selbst ans Steuer setzen wollen, Stephan.«
»Diese Absicht habe ich auch nicht«, erwiderte der junge Mann vernünftig. »Es gibt so interessante Studienreisen. Voriges Jahr habe ich eine in die Türkei gemacht. Das war sehr interessant.«
Und hat womöglich den Ausbruch dieser Krankheit beschleunigt, dachte Dr. Norden. Aber er war ein Arzt, der immer wieder Hoffnung erzeugen wollte und auch konnte. Und ihm fielen die Prospekte ein, die Tina ihm gegeben hatte.
»Solcher Art hätte ich gerade etwas anzubieten«, sagte er im scherzhaften Ton, und dann gab er ihm einen von Tinas Prospekten. »In vier Wochen können wir auch weitersehen.«
»Sie sind aber sehr vorsichtig mit mir, Dr. Norden. Sie sehen doch, wie gut es mir jetzt geht«, sagte Stephan.
»Und in vier Wochen geht es hoffentlich noch besser«, meinte der Arzt.
Carla Diederich begleitete ihn dann zur Tür. »Wenn er nun wirklich fahren will, Herr Doktor«, sagte sie mit belegter Stimme.
»Es kann ja möglich sein, daß die Krankheit für eine Zeit zum Stillstand kommt«, erwiderte er. »Dieses neue Medikament scheint ihm sehr gut zu bekommen. International sind damit auch bereits Erfolge erzielt worden.«
»Wenn er dadurch doch gesunden würde!« flüsterte sie, und ihre Augen wurden feucht. »Wir würden alles geben, was wir besitzen, Herr Doktor.«
»Dann wäre ein Wunder geschehen«, sagte Dr. Norden leise. »Ich glaube gern an Wunder, gnädige Frau. Ich wäre unendlich glücklich, aber allzuviel Hoffnung darf ich Ihnen nicht machen.« Er atmete tief durch. »Womit ich allerdings nicht sagen will, daß sein Leben auf Jahre hinaus verlängert werden könnte. Machen Sie ruhig Pläne mit ihm. Alles, was ihn freut, hilft weiter.«
»Er ist doch mein alles«, sagte sie leise. »Mein Mann verzagt, aber ich hoffe. Ich gebe die Hoffnung nicht auf.«
Und Daniel Norden wollte sie ihr nicht zerstören. Sie war eine liebevolle Mutter, eine tapfere Frau. Er hatte grenzenlose Hochachtung vor ihr gewonnen, wie sie diese unendlich schwierige Situation meisterte.
»Wenn es irgendwie möglich sein sollte, machen Sie doch mit ihm diese Reise«, sagte er. »Eine junge Bekannte ist Reisebegleiterin. Ich könnte sie insofern informieren, daß sie Sorge dafür trägt, daß notfalls ein Arzt sofort zur Stelle ist.«
Carla schüttelte den Kopf. »Nein, ich will nicht mit einer solchen Belastung reisen, daß ein fremder Mensch weiß, wie es um Stephan steht. Wenn er in der Lage ist zu reisen, soll jedermann glauben, daß er gesund ist. Ich werde für alles andere sorgen.«
»Sie haben ja noch Zeit zu überlegen«, sagte Dr. Norden, und für sich dachte er, daß es in vier Wochen schon ganz anders aussehen könnte mit Stephan Diederich.
Aber darin sollte er sich täuschen. Stephan sorgte dafür, daß schon eine Woche später seine Mutter für diese Reise buchte. Und Dr. Norden erfuhr es als erster.
*
»Worüber denkst du nach, Daniel?« fragte Fee Norden ihren Mann an diesem Abend.
»Darüber, ob ich nicht einen Bock geschossen habe.«
»Was für einen? Einen Sechzehnender?« fragte Fee mit schelmischem Lächeln.
»Könnte sein, mein Schatz. Aber Scherz beiseite. Ich habe dir doch erzählt, daß die reizende kleine Tina sich als Reiseleiterin verdingt hat.«
»Hast du, und ich bin nicht eine Spur eifersüchtig auf die reizende kleine Tina. Ich finde sie nämlich auch reizend. Ist was mit ihr?«
»Ich habe sie seit dem Tag nicht mehr gesehen, aber in einem Anfall von Leichtsinn habe ich Stephan Diederich den Prospekt gegeben, und nun haben sie die Reise tatsächlich gebucht.«
»Gebucht ist noch nicht gefahren«, sagte Fee nachdenklich, denn sie wußte über Stephans Zustand auch Bescheid.
»Aber er ist ganz happy. Er lebt buchstäblich auf bei dem Gedanken.«
»Das ist doch gut, Daniel. Du weißt doch, wie solche Kranken reagieren. Es kann ihnen Monate, manchmal Jahre Überleben bescheren, wenn sie von etwas erfüllt sind.«
»Ich denke nur daran, daß auf der Reise wieder ein Zusammenbruch erfolgen könnte. Eine kleine Erkältung genügt da schon. Und ausgerechnet Tina muß das auf ihrer ersten Fahrt dann mitmachen.«
»Jetzt werde ich doch bald eifersüchtig«, sagte Fee. »Tinas Wohl interessiert dich mehr als das von Stephan.«
»Nein, so ist das nicht. Ich befinde mich nur in einem Zwiespalt, ob ich Tina nicht doch einen kleinen Hinweis geben sollte.«
»Da kann ich dir nicht raten. Das mußt du mit deinem Gewissen ausmachen«, sagte Fee.
»Ja, das muß ich wohl. Ich würde ja auch nicht sagen, an welcher Krankheit er leidet, nur, daß er ziemlich krank gewesen ist, und daß sie dafür sorgt, daß er sich über nichts ärgern muß.«
»AIso, ich möchte nicht Reiseleiterin sein«, sagte Fee. »Die meisten Menschen haben doch immer was zu mekkern.«
»Ich traue es Tina zu, daß sie auch solche Situationen lächelnd bewältigt«, meinte Daniel, worauf Fee ihm einen schrägen Blick zuwarf.
»Wollen wir hoffen, daß es ihretwegen auf den Reisen nicht zu Eifersüchteleien kommt«, meinte sie ironisch.
»Sie ist in festen Händen. Conny Tröger weiß, daß sie treu ist.«
Fee wurde sehr nachdenklich. »Sie ist sehr jung und sehr hübsch, und wenn sie ihm jetzt auch treu ist, sei es dahingestellt, ob nicht doch noch ein Mann kommt, der die ganz große Liebe ist. Das soll manchmal sogar Eheleuten passieren.«
»Dir hoffentlich nicht«, sagte Daniel.
»Du bist ja meine große Liebe«, erwiderte sie zärtlich, und damit war für sie das Thema Tina beendet.
*
Es schien wohl doch ein Wunder zu geschehen, denn Stephans Zustand besserte sich von Tag zu Tag. Dr. Norden war angenehm überrascht und auch in ihm erwachte langsam eine Hoffnung, daß diese tückische Krankheit, die so wenig erforscht war, tatsächlich zum Stillstand gekommen sein könnte. Warum sollte es keine Wunder geben? Stephan war ein junger Mann, der leben wollte, der nicht ahnte, woran er litt und demzufolge auch nicht in Depressionen versank.
Resignation war der größte Feind jeder Krankheit. Ein wacher Geist dagegen konnte auch einem schon kranken Körper Kraft geben.
»Nur noch eine Woche, dann reisen wir durch Frankreich«, sagte Stephan voller optimistischer Freude. »Jetzt sind Sie auch nicht mehr skeptisch, Dr. Norden.«
Daß dem Arzt doch noch eine gewisse Skepsis blieb, verriet er nicht. Eine akute Gefahr bestand bei Stephan jetzt nicht. Er brauchte keine Gewissensbisse zu haben, als er Carla Diederich riet, diese Reise voller Zuversicht anzutreten.
Und wieder wollte es der Zufall, daß er Tina traf, diesmal sogar direkt vor der Villa Diederichs.
»Sie hier, Dr. Norden?« fragte sie erstaunt und betroffen.
»Wollen Sie einen Besuch machen, Tina?« fragte er zuerst mal ausweichend.
»Ja, Frau Diederich hat mich darum gebeten. Sie haben die Frankreichreise gebucht, und sie möchte sich genauestens über die Unterkünfte informieren. Sie sind sicher sehr verwöhnt. Mich wundert es ein wenig, daß sie eine Busreise machen.«
»Haben Sie ein paar Minuten Zeit, Tina?« fragte Dr. Norden impulsiv.
»Aber gewiß, für Sie immer. Die Herrschaften wollen doch nicht etwa zurücktreten? Das wäre sehr schade.«
»Nein, das wollen sie gewiß nicht. Ich habe lange überlegt, ob ich mit Ihnen sprechen soll. Aber nun werde ich es doch tun. Stephan Diederich war lange krank, aber jetzt ist eine erstaunlich rasche Besserung eingetreten. Allerdings ist er immer noch anfällig, und ich meine, Sie sollten es wissen. Ich hoffe, daß die Reise so verläuft, wie er es sich vorstellt, wäre Ihnen aber doch dankbar, Tina, wenn Sie sich unauffällig um ihn und seine Mutter kümmern würden. Übrigens ist Frau Diederich eine ganz besonders nette Frau und durchaus nicht arrogant, und Stephan ist ein überaus kluger, belesener und vielseitig interessierter junger Mann.«
»Lieb von Ihnen, daß Sie mir Tips geben«, sagte Tina mit ihrem zauberhaften Lächeln. »Ich bin dankbar dafür. Sie können sich auf mich verlassen. Was ist zu beachten?«
»Daß sich der junge Mann nicht zu sehr überanstrengt. Aber falls Ihre Kenntnisse mal eine Lücke aufweisen, kann er Ihnen bestimmt unter die Arme greifen.«
»Das sind erfreuliche Aspekte«, erwiderte sie munter. »Ein bißchen Bammel habe ich schon. Aber wenn man wenigstens schon mit ein paar Leuten bekannt ist, fällt es leichter.«
»Gut untergebracht werden sie ja sein«, meinte Dr. Norden nebenbei.
»Bestens, das ist garantiert. Es sind keine leeren Versprechungen.«
»Das ist fein. Melden Sie sich mal bei mir, wenn Sie zurück sind, Tina.«
»Aber sehr gern, Dr. Norden«, erwiderte sie strahlend.
»Sie kommen dann mal ganz privat zu uns. Meine Frau möchte sich auch mal länger mit Ihnen unterhalten. Sie ist nämlich ein bißchen eifersüchtig, wenn ich von der reizenden Tina erzähle.«
Tina errötete heiß, aber sie lachte melodisch. »Eine so schöne Frau braucht niemals eifersüchtig zu sein«, sagte sie, »und jedermann weiß doch, daß die Nordens eine Bilderbuchfamilie sind. Vielleicht fahren Sie auch mal mit mir, Sie alle.«
»Dazu sind die Kinder noch zu klein, Tina, aber unsere Lenni und Loni werde ich mal mit Ihnen auf die Reise schicken, wenn es sich mal um zehn oder vierzehn Tage handeln sollte.«
»Könnte ich Holland anbieten oder Sizilien im September.«
»Darüber reden wir noch. Jetzt erst mal toi, toi, toi, und sagen Sie nichts zu Frau Diederich, worüber wir gesprochen haben.«
»Diskretion immer Ehrensache«, erwiderte sie schelmisch. »Übrigens ist Conny auch eifersüchtig.«
Dr. Norden zwinkerte ihr zu. »Das verstehe ich sehr gut.«
Sie zwinkerte zurück. »Keine Gefahr. Topf und Deckel passen bestens zusammen.«
Ein fester Händedruck, dann trennten sie sich. Ja, sie ist ein Prachtmädchen, dachte Dr. Norden. Sie hat Verstand, aber sie läßt das Herz entscheiden. Sie verliert sich nicht in Illusionen.
Auch Carla Diederich hatte den allerbesten Eindruck von Tina gewonnen. Sie unterhielten sich lange. Tina erklärte ihr genau, in welchen Hotels sie untergebracht würden.
»Ich hätte da noch etwas zu sagen«, erklärte Carla. »Mein Sohn litt an einer schweren Viruserkrankung, und es könnte möglich sein, daß wir von Paris aus zurückfliegen, falls ihn die Reise doch zu sehr angestrengt hat. Ich schicke das nur voraus, damit Sie nicht denken, wir wären nicht zufrieden.«
»Es muß sich ja erst herausstellen, ob Sie wirklich mit allem zufrieden sind«, sagte Tina. »Es ist meine erste Reise, aber die Hotels habe ich inzwischen schon besucht und mich überzeugen können, daß nicht zuviel versprochen wurde.«
»Sie sind noch sehr jung«, sagte Carla, »aber erstaunlich selbstbewußt. Sollten Sie des Reisens einmal überdrüssig sein, würde Ihnen mein Mann sicher mit Freuden eine Position anbieten, die ausbaufähig ist.«
»Sie sind sehr liebenswürdig, aber ich bin noch mitten im Studium, und das will ich mir noch verdienen. Und vielleicht heirate ich dann doch mal schneller als gedacht.«
Carla lächelte flüchtig. »Für den passenden Mann haben Sie sich auch schon entschieden?«
»Ja«, erwiderte Tina lächelnd. Sie dachte daran, daß sie auch Stephan Diederich kennenlernen würde, aber davon war nicht die Rede.
Tina verließ dieses wunderschöne Haus sehr nachdenklich und sehr angetan von Carlas liebenswürdigem Wesen. Und mit noch mehr Spannung blickte sie nun der Reise entgegen.
Dieses Wochenende sollte allerdings Conny gehören. Das hatte sie ihm versprochen. Sie wollten am Samstag eine Bergtour machen und am Sonntag dann einen kurzen Besuch bei seinen Eltern, die sich zur Kur in Bad Reichenhall aufhielten. Da sie in Norddeutschland lebten, hatte sich bisher eine persönliches Kennenlernen noch nicht ergeben. Tina freute sich darauf, nun endlich Connys Eltern kennenzulernen.
In ihr war keine Unruhe. Sie war ein Mensch, der in der Gegenwart lebte. Sie brauchte sich keine Gedanken zu machen, etwas falsch gemacht zu haben, weil sie noch keine nachhaltige Enttäuschung erlebt hatte, und schon gar nicht war sie geneigt, sorgenvoll in die Zukunft zu schauen.