Vorwiegend heiter - Peik Volmer - E-Book

Vorwiegend heiter E-Book

Peik Volmer

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Beschreibung

Professor Dr. Egidius Sonntag ist ein wahrlich ungewöhnlicher Chefarzt, überaus engagiert, aber auch mit kleinen menschlichen Fehlern behaftet. Sie machen diese schillernde Figur ganz besonders liebenswert, aber auch verletzlich. Manchmal muss man über ihn selbst den Kopf schütteln, wenn er etwa den 15. Hochzeitstag vergisst und seine an Brustkrebs erkrankte Ehefrau töricht vernachlässigt. Er tut dies nicht aus Lieblosigkeit, aber er ist auch nicht vollkommen. Dr. Sonntag ist der Arzt, der in den Wirren des Lebens versucht irgendwie den Überblick zu behalten – entwaffnend realistisch geschildert, aber nicht vollkommen. Diese spannende Arztserie überschreitet alles bisher Dagewesene. Eine Romanserie, die süchtig macht nach mehr! Könnten Sie bitte das Heft, das Sie gekauft und gerade aufgeblättert haben, noch mal eben zuklappen, sehr verehrte Leserin, sehr geehrter Leser? Und kurz den Titel in Augenschein nehmen? Was steht da? ›Vorwiegend heiter‹? Und das, obwohl Murat gerade mit dem Tod ringt? Frau Fürstenrieder die Qual der Wahl hat? Dagmar den Verlust ihres Anton beweint? Der Streit zwischen Chris und Philipp einerseits und Lily andererseits? Und vergessen wir nicht, dass unser lieber Egidius Sonntag immer noch im Rollstuhl sitzt, auch wenn es offenbar neuerdings einen Hoffnungsschimmer gibt. Und dann von ›Vorwiegend heiter‹ zu sprechen? Hört sich ein wenig wie die Wettervorhersage an, oder? Also, ich weiß nicht, ob die Wahl des Titels glücklich ist. Das hier ist eine Romanreihe. Ich finde, in Band 8 (Kinder, wie die Zeit vergeht! ) wäre auch mal wieder eine Traumhochzeit dran, oder? Ich hatte ja fest auf Dagmar und Anton gesetzt. Murat und Katrin? Nein, daran glaube ich nicht. Wie meinen Sie? Frau Fürstenrieder?

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Leseprobe: Prinz Stefan lügt aus Liebe

Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höher schlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit.

Dr. Sonntag – 8 –

Vorwiegend heiter

Das Leben hat seine Höhen und Tiefen

Peik Volmer

Könnten Sie bitte das Heft, das Sie gekauft und gerade aufgeblättert haben, noch mal eben zuklappen, sehr verehrte Leserin, sehr geehrter Leser? Und kurz den Titel in Augenschein nehmen?

Was steht da? ›VORWIEGEND HEITER‹? Und das, obwohl Murat gerade mit dem Tod ringt? Frau Fürstenrieder die Qual der Wahl hat? Dagmar den Verlust ihres Anton beweint? Der Streit zwischen Chris und Philipp einerseits und Lily andererseits? Und vergessen wir nicht, dass unser lieber Egidius Sonntag immer noch im Rollstuhl sitzt, auch wenn es offenbar neuerdings einen Hoffnungsschimmer gibt.

Und dann von ›Vorwiegend heiter‹ zu sprechen? Hört sich ein wenig wie die Wettervorhersage an, oder? Also, ich weiß nicht, ob die Wahl des Titels glücklich ist.

Das hier ist eine Romanreihe. Ich finde, in Band 8 (Kinder, wie die Zeit vergeht!) wäre auch mal wieder eine Traumhochzeit dran, oder? Ich hatte ja fest auf Dagmar und Anton gesetzt. Murat und Katrin? Nein, daran glaube ich nicht. Wie meinen Sie? Frau Fürstenrieder? Sie sind gut! Die Frau ist 50! Und die Herren noch älter! In dem Alter heiratet man nicht in Weiß und mit Kutsche und Torte und Brimborium, sondern heimlich, standesamtlich, in aller Stille. Was? Ich sei altersdiskriminierend, sagen Sie? Nein, wirklich nicht! Ich gönne doch der Chefsekretärin ihr Glück. Aber in die gemeinsam mit Chris ausgewählten ›Basics‹ gehüllt sieht sie bestimmt besser aus als im Sissi-Hochzeitskleid!

So. Dann schauen wir mal in die Glaskugel! Was taucht da im Nebel auf? Die Intensivstation von St. Bernhard. Murat liegt in seinem Bett, Katrin hält seine Hand. Gerade eben rollt Egidius herein, mit Dr. Cortinarius im Schlepptau. Beide sehen sehr besorgt aus …

Beherrschbare Notfälle

»Zunehmende Somnolenz! Es ist zu diskutieren, ob das bedingt ist durch die Kontusion!«

Professor Egidius Sonntag diskutierte nicht.

»MRT, sofort! Sie haben mit Sicherheit recht, Herr Cortinarius. Vermutlich blüht da was auf. Ich möchte das nur dokumentieren, rechtliche Gründe, Sie verstehen. Aber bitte, lassen Sie schon mal einen OP vorbereiten. Wir werden operieren müssen, auch wenn es ein Risiko darstellt. Aber wenn es in die Kontusion einblutet, kommen wir in Teufels Küche!«

Der Transportdienst war bereits herangeeilt und löste die Bremsen vom Bett. Eine Pflegekraft schob parallel die Beatmungseinheit, die inzwischen wieder erforderlich war, nachdem es Murat zunächst schon deutlich besser gegangen war.

Schwester Katrin lief, so schnell es die Schwangerschaft zuließ, neben seinem Bett her. Auch Murats Eltern hatten sich in Bewegung gesetzt, wurden allerdings von Egidius und seinem Oberarzt zurückgehalten.

»Frau Kaya, Herr Kaya, einen Moment, bitte! Wir benötigen Ihre Einwilligung für den zweiten Eingriff! Ich erkläre Ihnen, worum es geht –«

»Sie operieren unseren Sohn?«, fragte Murats Vater.

»Ja, natürlich. Ich mache Ihnen mal eine Zeichnung –«

»Keine Zeichnung. Wo unterschreiben?«

»Bitte lesen Sie die Einwilligung gründlich durch, Herr Kaya. Nicht einfach so unterschreiben, bitte. Es ist auch noch reichlich Zeit, Ihre Fragen zu beantworten.«

Murats Vater winkte ab.

»Sie sind guter Arzt. Keine Zeit. Muss Kiosk aufmachen, bis Murat zurückkommen!« Es klang trotzig und bestimmt. Vor der Unterschrift zog er ein Taschentuch aus der Jacke und schneuzte sich. »Hab Scha-nupfen«, entschuldigte er sich. Seine feucht glänzenden Augen widersprachen dieser Aussage allerdings.

Er schnappte sich die Einwilligungen für Narkose und Eingriff und unterschrieb die Papiere. Seine Frau hatte geschwiegen. Tränen liefen über ihr Gesicht. »Ist vielleicht Scha-trafe von Allah, für verlassen Familie?« fragte sie den Chefarzt.

»Liebe Frau Kaya, ich kenne die Verhältnisse nicht genau. Ich kenne Ihren Sohn, der ein freundlicher, zuverlässiger Mitarbeiter unseres Hauses ist. Und ich kenne Schwester Katrin, die eine großartige Krankenschwester ist. Ich glaube nicht an göttliche Strafen. Das war ein schlimmer Unfall, nichts sonst. Ich würde Sie um eins bitten: Kümmern Sie sich um die Mutter ihres Enkelkindes. Katrin hat durch einen Unfall schon ein Kind verloren. Das darf sich nicht wiederholen. Bitte, passen Sie auf sie auf. Am besten wäre es, Sie beide würden die Klinik verlassen und Frieden schließen. Das hilft Murat am meisten.«

Frau Kaya nickte. »So machen, Chef!«

Aus der Röntgenabteilung kam die telefonische Bestätigung der Diagnose. »Na, dann mal frisch ans Werk, Herr Cortinarius! Verdienen wir uns unser Mittagessen!«

Frau Kaya begleitete die beiden Ärzte zum Operationstrakt. Schwester Katrin saß weinend auf einem der Stühle, die man für wartende Angehörige im Gang aufgestellt hatte. Als sie die Ärzte herannahen sah, erhob sie sich.

»Wieder eine Blutung?«

»Ja, leider, Katrin. Der Kerl macht es uns nicht gerade leicht! Aber dafür werde ich von ihm verlangen, für den Rest des Jahres für mein Miesbacher Käseblatt nicht bezahlen zu müssen. Das Minimum! Und außerdem kommt von einem Freund meiner Frau demnächst eine Romanserie über unsere Klinik heraus. Die muss er noch oben drauflegen.« Er lachte und legte den Arm um die schwangere Frau.

»Haben Sie keine Angst, Katrin. Alles wird gut. – Himmel! Sie sind ja ganz wacklig! Frau Kaya? Frau Kaya! Könnten Sie sich bitte kümmern? Wir müssen loslegen!«

Frau Kaya ergriff zögernd Katrins Hand.

»Ich machen Köfte und Reis. Und Baklava für Kind. Du musst essen – für mein Enkelkind!«

»Ich möchte keine Mühe machen.«

»Ist nicht Mühe. Du –«, sie piekste mit dem Zeigefinger in Katrins Rippen, »– meine Tochter. Frau von Murat. Du Familie. Mitkommen.«

*

Frau Fürstenrieder legte den Hörer auf die Gabel und ließ sich in Ihren Bürostuhl zurücksinken. So aufregend das Leben für sie geworden war, so belastend fand sie es andererseits.

»Ich hätte nie gedacht«, hatte Ludwig nach Abnahme der Beichte zu ihr gesagt, »dass Sie so eine Circe sind, meine Dame! Andererseits: Genießen Sie es doch einfach!«

»Mein lieber Ludwig! Du redest, wie du es verstehst!«

Das konnte der junge Arzt nicht bestreiten.

»Schau mal, ich möchte niemanden hinhalten, niemanden verletzen und schon gar keine Herzen brechen!«

»Dann gehen wir systematisch vor«, regte Ludwig an. »Also: Nr. 1 – Kilian Kreuzeder. Vorteile? Nachteile?«

»Also, er schaut sehr gut aus, hat fantastische Umgangsformen. Er hat einen Sinn für Romantik, ist wirtschaftlich gesichert und unabhängig und er schafft es, dass ich mich – wehe, du lachst, Ludwig! –, dass ich mich besonders fühle. Begehrenswert. Ja, sogar irgendwie schön!«

Sie sah in gespannter Erwartung in Ludwigs Gesicht, ob sich da irgendein Anzeichen von Heiterkeit ob ihres Geständnisses zeigte. Aber Ludwig sah ernst drein, fast traurig.

»Was ist denn mit dir?«

»Es macht mich traurig, dass eine Frau wie Sie sich nicht schön fühlt. Sie sind nicht nur schön, sondern voller Charakter. Und das nicht nur äußerlich.«

»Ach, Ludwig, mein Junge! Das hast du lieb gesagt! Dank dir recht schön!« Sie freute sich wie ein kleines Mädchen über eine neue Haarschleife und wirkte dadurch noch bezaubernder, als sie es je vermuten würde.

»Na gut. Und die Nachteile?«

»Solange wir uns gut sind, sehe ich keine. Allerdings … Sollte es jemals ein Zerwürfnis geben, würde er mir vermutlich vorwerfen, dass er meinetwegen seine Mutter in ein Pflegeheim gegeben hat. ›Abgeschoben‹, wäre dann wohl die Formulierung.«

Ludwig machte Notizen.

»Gut. Nr. 2 – Marinus Stadler!«

»Ach, der zählt doch eigentlich nicht, oder? Eine Zufallsbekanntschaft! Aber auch ein lustiger, zuvorkommender Mann, gebildet und musikalisch! Vielleicht etwas grobschlächtiger als Kilian, aber ein Mensch mit gutem Charakter!«

»Und die Nachteile?«

»Er ist sehr unternehmungslustig. Immer mit seiner Zither auf Achse. Und nebenbei noch voll berufstätig. Das bin ich auch. Es würde bedeuten, dass der Haushalt an mir hängen bliebe. Und dass ich, um mit ihm zusammen zu sein, mit ihm durch die oberbayrische Gastronomie tingeln müsste. Ach so, ja: Und durch die österreichische Gastronomie. Meist Tirol. Das mag anfänglich ja ganz spannend sein, aber in dem Moment, in dem man derlei als Alltagsroutine empfindet, ist der Glanz verflogen!«

»Da muss ich Ihnen recht geben, Frau Fürstenrieder! Also, ich persönlich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als mit Ihnen Filme mit Christine Neubauer, Christiane Hörbiger oder Veronika Ferres zu sehen!«

»Ludwig! Jetzt bist du ungezogen!«

»Das tut mir leid!«

Sie sah ihren Untermieter mit Bewunderung an.

»Wie du lügen kannst!«

»Ich gebe zu, dass das an Ihren leckeren Schnittchen liegt. Und am Eierlikör. Damit ertrage ich sogar die Neubauer als Pastorin! Oder Ärztin. Oder Polizistin. Oder Unternehmerin. Oder Köchin. Oder Mutter. Oder alles auf einmal.«

»Pfui, Ludwig Lechner! Du bekommst schon Atemnot, wenn du in der Programmzeitschrift ihren Namen liest!«

Ludwig kicherte. »Was? Bin ich so leicht zu durchschauen? Was hat mich verraten? Aber Spaß beiseite: Was ist mit Nr. 3 – Matthias Hofer?«

Karin Fürstenrieder strahlte. »Ein feiner, eleganter Mann mit gutem Geschmack. Kultiviert, humorvoll und gebildet. Kennst du das, Ludwig? Du befindest dich in einer Situation, hast ein Gefühl – und in der nächsten Sekunde spricht der andere es aus! Bei mir war es das Volksfest. Ich fand es zu laut, weil ich mich gern mit Hiasl unterhalten wollte. Und in diesem Moment sagt er, dass es ihm zu laut wäre und er den Platz wechseln wollte, damit wir mehr Ruhe zum Unterhalten hätten! Was sagst du dazu?«

»Das hört sich im ersten Moment faszinierend an, Frau Fürstenrieder. Aber ehrlich? Ich stelle mir das auf die Dauer langweilig vor. Über kurz oder lang gehören sie dann zu den Ehepaaren, die nicht nur ihrem Haustier ähnlich sehen, sondern auch im Partnerlook herumlaufen. Und die aufhören, miteinander zu reden, weil von vornherein klar ist, was der andere sagen will.«

Die Dame schwieg und schaute den jungen Herrn prüfend an.

»Wie alt bist du eigentlich, Ludwig?«

»26!«

»Erstaunlich!« Sie betrachtete ihren Untermieter mit einer Mischung aus Überraschung und Bewunderung. »Du musst eine sehr alte, weise Seele sein.«

»Daran liegt es. Bestimmt. Trotzdem: Wen nehmen wir denn nun?«

»Kilian!«, rief die Dame voller Überzeugung. »Vielleicht können Marinus, Hiasl und ich Freunde bleiben? Was meinst du?«

»Einmal in meinem Leben war ich verliebt. Meine erste große Liebe. Das lernte sie jemanden kennen, von dem sie sich mehr versprach. Sie sagte zu mir, lass uns Freunde bleiben. Ich stimmte zu, weil ich dachte, dass ich sie so nicht ganz verlöre. Aber immer, wenn ich die beiden sah, zerriss es mir das Herz. Ich glaube, es gibt wenig unbarmherzigere Sätze als ›Lass uns Freunde bleiben‹. Vielleicht begegnet man sich einmal wieder, wenn es weniger weh tut. Dann kann man noch einmal neu aufeinander zugehen. So allerdings ist es völlig unmöglich.«

Sauer

Chris war wie gelähmt. Seine Freundin und Kollegin Lily, um deren Kind sich sein Mann und er liebevoll gekümmert hatten, war wutschnaubend und die Tür hinter sich zuschlagend aus der Wohnung gestürmt. Kein Wunder.

Die sehr deutlichen Worte, die Philipp gefunden hatte, als sie beiden Männern ihr Vertrauen, Hannes betreffend, entzogen hatte, kamen einem Rauswurf gleich.

»Bitte verzeih mir, Chris«, flüsterte Philipp matt. Lily ist – jetzt vermutlich: war – deine Freundin, und ich hatte kein Recht, sie so zu behandeln. Aber sie hat so lange und immer wieder auf mir herumgetrampelt, dass ich das nun nicht mehr länger hinnehmen wollte. Wirklich. Wir haben alles für sie getan. Denk bitte an den Avocado-Kern. Uns Gedanken gemacht. Und schließlich ja auch noch ihr Leben gerettet.«

Er hielt kurz inne und dachte nach.

»Nein, das zählt wohl nicht. Der Lebensretter ist bei uns sozusagen eingebaut. Das ist selbstverständlich.«

»Du musst das nicht erklären, Philipp. Ich bin genauso sauer auf sie wie du. Und diesmal hat sie es eindeutig zu weit getrieben. Du hast recht. Soll sie sehen, wie sie ohne uns klar kommt. Allerdings mache ich mir um den Jungen Sorgen. Immerhin hast du ihn ja auch sozusagen aus unserem Leben entfernt, oder?«

Philipp erhob sich aus seinem Lieblingssessel und ging auf seinen Mann zu, der an der Balkontür stand und nachdenklich die großen Tannen betrachtete. Liebevoll legte er seine Arme um Chris’ Schultern.

»Dussel«, sagte er leise. »Für diesen Jungen täte ich alles. Er ist ja auch unser Kind. Irgendwie. Ich hatte ihn von Anfang an lieb. Leider haben wir keine Rechte, ihn betreffend. – Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.«

*

»Patienten sind schwierig. Aber Ärzte als Patienten sind einfach furchtbar«, lachte der Neurologe. »Jetzt liegen Sie endlich still, Kollege Sonntag! Wie soll ich denn meine Aufgabe erledigen, wenn Sie hier herumzappeln?«

»Sie haben ja recht, Herr Kollege, aber erstens ist es bei Ihnen lausig unbequem, und zweitens überall diese Kabel! Schrecklich!«

»Das ist ja hier nun auch kein Wellness-Urlaub, sondern eine ärztliche Untersuchung!«, beharrte der Neurologe streng.

»Und? Können Sie schon was sagen?«

»Später. So, bitte die Augen schließen!«

»Muss das sein? Das verunsichert mich!«

»Das ist fürs EEG. Ich bin ja bei Ihnen, Herr Sonntag. Haben Sie keine Angst!«

Endlich – Egidius kam es so vor, als hätte es Tage gedauert – waren die Untersuchungen abgeschlossen.

»Herr Kollege Sonntag«, begann der Nervenarzt, »der Prozess ist unumkehrbar und nicht mehr aufzuhalten!«

Egidius zuckte zusammen. »Aber das kann doch nicht sein? Ich habe doch wieder Gefühl im Bereich des lateralen Fußes! Und es sieht so aus, als könnte ich den kleinen Zeh …«

»Moment, Moment! Das meine ich ja! Der Prozess der Heilung hat begonnen, ist unumkehrbar und nicht mehr aufzuhalten!«

»Sie können einen alten Mann aber erschrecken«, ächzte der Patient. »Sind Sie sich da ganz sicher?«

»Ganz sicher. Sie könnten schon mal Gehhilfen bestellen und den Rollstuhl meistbietend versteigern. Wenn das so weitergeht, dann können Sie in vier Wochen die ersten selbstständigen Schritte machen! Gratuliere, Herr Sonntag! Ich freue mich, dass ich Überbringer der frohen Botschaft sein darf!«

»Und ab wann kann ich wieder laufen?«

»Wer bin ich? Das Orakel vom Schliersee? Das ist genauso wenig zu beantworten, wie wenn ein Patient uns fragt, wie lange habe ich noch zu leben, Herr Doktor. Aber wenn sich die Sache bereits nach drei Monaten zu klären beginnt, wird es nicht mehr allzu lange dauern. Geduld, Herr Kollege.«

*

»Corinna, Liebes! Hier spricht dein Gatte, der dich gerade sehr liebt und ganz besonders glücklich ist! Alles wird gut! Mein Zustand bessert sich rapide! Und schon in Kürze werden wir den Schliersee entlang spazieren, und du wirst dich anstrengen müssen, mit mir Schritt zu halten! – Hab ich dir schon mal gesagt, dass ich Mailboxen und Anrufbeantworter hasse? – Hab dich lieb!«

Egidius rollte über den Flur zu seiner Ordination. Frau Fürstenrieder saß an ihrem Platz und bearbeitete die Tastatur ihres Computers.

»Ah, Herr Professor! Sie wissen, dass morgen nun endlich Frau Bernleitner und Herr Engling zur Nachuntersuchung kommen, oder?«

»Ist mir bekannt, meine Dame«, rief der Herr Professor gut gelaunt. »Darf ich Ihnen, liebe Frau Fürstenrieder, den neuesten Klatsch und Tratsch aus der Klinik erzählen?«

»Aber Herr Professor! Als ob Sie zu den Menschen gehörten, die nicht Besseres zu tun haben … Moment mal! Sie kommen doch gerade von der neurologischen Untersuchung! Und? Was hat er gesagt?«

»Ich bin gerade dabei, wieder völlig gesund zu werden!«

Die Sekretärin hielt es nicht auf ihrem Bürostuhl. Sie sprang auf, lief auf ihren Chef zu, beugte sich etwas hinunter und umarmte ihn. Plötzlich erschrak sie, sich bewußt werdend, was sie da gerade getan hatte.

»Ich bitte um Entschuldigung, Herr Professor … Diese plumpe Vertraulichkeit … Ich … Das steht mir nicht zu, ich weiß, aber ich freue mich so!«

Egidius freute sich.

»Ehrlich, Frau Fürstenrieder? Ich wäre enttäuscht gewesen, hätten Sie anders reagiert. Und Sie sind, nach meiner Frau, immerhin der zweite Mensch, dem ich davon erzähle. Darauf können Sie sich etwas einbilden!«

Es klopfte an der Tür. Der Oberarzt.

»Herr Cortinarius, das trifft sich gut! Sie sind Nummer drei auf meiner Liste! Ich möchte Ihnen mitteilen …«

»Wenn es das ist, was ich vermute, ist das nicht mehr nötig! Herzlichen Glückwunsch! Ich freue mich!«

»Woher wissen Sie … Na, egal! Ich wollte die gute Gelegenheit nutzen, um mich bei Ihnen recht herzlich zu bedanken. Dass ich das alles Ihnen und Ihrem spontanen Einsatz verdanke, wird Ihnen auch klar sein. Ich stehe in Ihrer Schuld.«