Dr. Stefan Frank 2486 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2486 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Die vermisste Frau
Anna, 28, spurlos verschwunden

Erschrocken lauscht Dr. Stefan Frank der Stimme der Moderatorin.
"Seit Freitagabend ist Anna Schneider, einzige Tochter des bekannten Münchner Großindustriellen und Mäzens Hartmut Schneider, spurlos verschwunden ...", erklingt die Stimme aus dem Radio.
Herrje, bei der Vermissten handelt es sich um die Tochter seines Stammpatienten! Was mag da nur passiert sein? Dr. Frank weiß, dass die junge Frau eine schwere Zeit hinter sich hat. Erst vor Kurzem wurde sie von ihrem Verlobten sitzen gelassen, und die Presse hat die Story natürlich genüsslich ausgebreitet. Aber was hat nun zu Annas Verschwinden geführt?
Im Laufe der nächsten Tage macht der Grünwalder Arzt eine Entdeckung, die ihn Böses ahnen lässt ...

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Seitenzahl: 121

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Inhalt

Cover

Impressum

Die vermisste Frau

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: pixelfit / iStockphoto

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-7700-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die vermisste Frau

Anna, 28, spurlos verschwunden

Erschrocken lauscht Dr. Stefan Frank der Stimme der Moderatorin.

„Seit Freitagabend ist Anna Schneider, einzige Tochter des bekannten Münchner Großindustriellen und Mäzens Hartmut Schneider, spurlos verschwunden …“, erklingt die Stimme aus dem Radio.

Herrje, bei der Vermissten handelt es sich um die Tochter seines Stammpatienten! Was mag da nur passiert sein? Dr. Frank weiß, dass die junge Frau eine schwere Zeit hinter sich hat. Erst vor Kurzem wurde sie von ihrem Verlobten sitzen gelassen, und die Presse hat die Story natürlich genüsslich ausgebreitet. Aber was hat nun zu Annas Verschwinden geführt?

Im Laufe der nächsten Tage macht der Grünwalder Arzt eine Entdeckung, die ihn Böses ahnen lässt …

„Willst du ein frisch gebackenes Croissant, Stefan?“ Dr. Franks Partnerin Alexandra kniete vor dem Backofen und sah über die Schulter zu ihrem Freund hinüber.

Dr. Stefan Frank saß am Küchentisch, ein überraschter Zug hatte sich in sein verschlafenes Gesicht geschlichen. Er lächelte verschmitzt.

„Soll das eine ernst gemeinte Frage sein, mein Schatz?“, erwiderte er. „Wer würde denn ernsthaft ein ofenfrisches Croissant zum Sonntagsfrühstück ausschlagen?“

Alexandra zuckte mit den Schultern.

„Du warst es schließlich, der mir gestern einen stundenlangen Vortrag über gutes und schlechtes Cholesterin gehalten hat …“, erinnerte sie ihn grinsend. „Und hast du mich nicht eindringlich ermahnt, möglichst wenig Butter zu mir zu nehmen? Ja, ich erinnere mich genau! Du hast mit ganz harten Waffen gekämpft und zerstörerische Schlagworte wie ‚Arterienverkalkung‘, ‚Gefäßverschluss‘ und ‚Herz-Kreislauf-Erkrankung‘ verwendet.“

Die sympathische Augenärztin zog das Blech aus dem Ofen, und der süße Duft des Plunderteigs füllte die Küche. Genießerisch schloss Stefan die Augen, aber Alexandra fuhr unbeirrt mit ihrem Vortrag fort.

„Ohne dir sämtliche Illusionen rauben zu wollen, mein lieber Stefan. Aber Croissants bestehen zu einem Großteil aus Butter. Gut, ein paar Eier und Zucker sind natürlich auch noch dabei. Aber unterm Strich sind es alles Zutaten, die du als Hausarzt verteufelst.“

Dr. Frank gab ein lang gedehntes Seufzen von sich. Er stützte mit einem übertriebenen Hundeblick den Kopf in den Händen ab.

„Aber heute ist Sonntag …“, murmelte er. „Wenigstens an einem Tag der Woche muss ich doch auch mal ein ganz normaler Mensch sein dürfen. Ein Mann, der alle ärztlichen Warnungen gleichgültig in den Wind schießt und sich ohne Wenn und Aber ins Leben stürzt!“

„Du meinst in einen Berg aus Croissants“, spottete Alexandra. „Nun, das darfst du ja auch, mein Liebling!“, tröstete sie ihn. Sie legte eines der golden glänzenden Hörnchen auf Stefans Teller.

Die Musik im Radio wurde unterbrochen, und schon wieder gaben sie die Suchmeldung durch. Stefan lauschte interessiert. Dann stand er ruckartig auf und drehte lauter.

Alexandra hatte den Aufruf seit dem Aufstehen sicherlich schon dreimal gehört, aber Stefan hatte sich erst vor wenigen Minuten aus dem Bett gekämpft. Für ihn war die Meldung die erste böse Überraschung des Tages. Sie hatte geahnt, dass die Nachricht ihn aufregen würde. Und wie sie seinem angespannten Gesichtsausdruck entnahm, lag sie mit ihrer Vermutung absolut richtig.

„Seit Freitagabend ist Anna Schneider, einzige Tochter des bekannten Münchner Großindustriellen und Mäzens Hartmut Schneider, spurlos verschwunden …“, berichtete eine Reporterin mit reißerischem Klang in der Stimme.

Ungläubig suchte Stefan nach Alexandras Blick. Eine tiefe Falte entstand auf seiner Stirn.

„Die Achtundzwanzigjährige dürfte vielen Münchnern aus der Regenbogenpresse bestens bekannt sein“, fuhr die Radiosprecherin in ihrem dramatischen Singsang fort. „Denn im Alter von achtzehn bis fünfundzwanzig Jahren war die hübsche Alleinerbin der europaweit agierenden Schneider-Werke eines der schillerndsten It-Girls Münchens.“

„It-Girl …“, wiederholte Alexandra amüsiert. „Das klingt ja, als wäre das ein offiziell anerkannter Beruf.“

Die Reporterin sprach weiter, und Alexandra schwieg.

„Die steinreiche junge Frau war gern gesehener Gast auf Partys in den Nobeldiscotheken dieser Stadt und machte vor allem von sich reden, weil sie das Geld ihres reichen Vaters verprasste“, plauderte die Radiosprecherin unbedarft weiter. „Da ihr Lieblingsgetränk Champagner der Marke Moet war, kursierte in München lange der Spitzname ‚Miss Moet‘ für sie.“

Stefan konnte sich gut an diese Zeiten erinnern. Es war kaum ein Tag vergangen, an dem nicht irgendeine Skandalgeschichte über das ausschweifende und verschwenderische Leben von Miss Moet, alias Anna Schneider, durch die Presse gegeistert war.

Aber er kannte Annas Vater Hartmut gut. Und er wusste, es war nur eine seltsame Rolle, die Anna Schneider eine Zeit lang für die Klatschpresse gespielt hatte.

„Erst vor wenigen Jahren hat Anna Schneider dank ihrer Beziehung zu Millionärssohn Ferdinand von Schachern einen radikalen Wandel hingelegt“, verriet die Sprecherin im Radio jetzt.

Stefan verspürte Beruhigung. Es war wichtig, zu erwähnen, wie sehr Anna Schneider sich in den letzten Jahren zum Positiven verändert hatte. Längst war sie nicht mehr das naive It-Girl von damals.

„Das Liebespaar trat gerne auf gemeinnützigen Veranstaltungen auf, gründete zuletzt eine Stiftung für krebskranke Kinder und engagierte sich ehrenamtlich im Bereich Umweltschutz. Nun ist Anna fort, und die ganze Stadt fragt sich, ob die hübsche und wohlhabende junge Frau womöglich Opfer eines Gewaltverbrechens wurde.“

Eine verstörende Melodie setzte ein. Stefan setzte sich schweigend. Alexandra versuchte, seine Gedanken zu lesen. Es war ganz offensichtlich, dass er sich Sorgen um die verschwundene Anna machte.

„Einen herben Rückschlag erfuhr Anna Schneider, als die von den Medien lange herbeigesehnte Traumhochzeit mit Ferdinand von Schachern vor einigen Wochen aus heiterem Himmel platzte!“

Die Stimme der Radiosprecherin vertrieb die heimelige Frühstücksatmosphäre.

„Es war Bräutigam Ferdinand von Schachern, der einen überraschenden Schlussstrich zog. Vielleicht hat das Verschwinden von Anna Schneider auch mit dem traurigen Ende dieser großen Liebe zu tun. In den sozialen Netzwerken wird bereits vermutet, dass das ehemalige Partygirl sich in der Isar das Leben genommen haben könnte …“ Die Musik setzte ein. Der furchtbare Beitrag war endlich zu Ende.

Stefan saß leichenblass auf seinem Stuhl. Rasch suchte Alexandra nach einem anderen Sender. Die gemütliche Sonntagmorgen-Stimmung war endgültig dahin. Vielleicht hätte sie Stefan vorwarnen müssen.

„Habe ich es richtig in Erinnerung, dass Hartmut Schneider einer deiner Stammpatienten ist?“, fragte sie behutsam nach.

Verstört nickte Stefan.

„Ja, das stimmt. Er kommt seit vielen Jahren regelmäßig zu mir. Das letzte Mal war er vor einigen Wochen bei mir. Damals spielte er den Babysitter für Annas Hündchen.“

Stefan erinnerte sich genau an das schneeweiße Tier. Es war ein Pekinese mit pechschwarzen Ohren.

Betrübt starrte Alexandra auf ihr Brötchen. Irgendwie war ihr der Appetit auf einmal vergangen.

„Sie bringen die Meldung schon den ganzen Vormittag“, gab sie zu. „Offenbar ist Anna Schneider am Freitagabend mit ihrem Hund Branka Gassi gegangen. Seither fehlt von ihr jede Spur. Es gibt keinerlei Hinweise auf ein Gewaltverbrechen oder einen Suizid. Aber natürlich ist jeder in allerhöchster Alarmbereitschaft. Wenn die Tochter aus einer so reichen Familie einfach verschwindet, können einem schon düstere Gedanken kommen, nicht wahr?“

„Du denkst, sie wurde womöglich entführt?“, sprach Stefan aus, was Alexandra dachte.

Sie nickte zögernd.

„Vielleicht ist bei ihren Eltern längst eine Lösegeldforderung eingegangen“, mutmaßte sie. „Oder denkst du, sie ist einfach durchgebrannt, um irgendwo ein neues Leben zu beginnen?“

Stefan zerbröselte eine Ecke seines Croissants auf dem Teller.

„Hm, verstehen könnte man es ja“, erwiderte er. „Ihr wurde wirklich übel mitgespielt. Wer möchte schon drei Tage vor dem Hochzeitstermin vom Bräutigam sitzen gelassen werden?“

Alexandra hielt den Kopf schief.

„Aber die ganze Stadt weiß doch, dass dieser Dummkopf Ferdinand früher oder später zu ihr zurückkehren wird. Es war doch ganz offensichtlich, dass ihm lediglich die Nerven versagten. Du hast die beiden doch immer mal wieder in Zeitschriften oder im Fernsehen zusammen gesehen.“

Sie schüttelte nachdenklich den Kopf.

„Die zwei sind ohne Zweifel Seelenverwandte! Und sie tun sich wirklich gut! Zum ersten Mal in ihrem Leben haben die beiden etwas daraus gemacht, dass sie aus reichen Familien stammen. Zum ersten Mal haben sie etwas Sinnvolles getan. Es wäre eine echte Tragödie, wenn dieses Traumpaar nicht wieder zusammenfinden würde.“

Stefan rührte nachdenklich in seinem Kaffee.

„Ja, ich gebe dir recht“, sagte er. „Ich kann auch nicht glauben, dass das wirklich das Ende dieser Romanze war. Dank ihrer Partnerschaft sind die beiden jungen Leute zu verantwortungsbewussten Menschen herangereift. Sie sind Persönlichkeiten, die der Gesellschaft etwas zurückgeben möchten. Und dennoch muss es ein Schock für Anna gewesen sein, als Ferdinand nur wenige Tage vor der Trauung geflohen ist. Krise hin oder her. So ein Erlebnis muss man erst mal verdauen!“

Im Radio spielten sie jetzt einen flotten Song. Die unbeschwerte Stimmung kehrte langsam zurück. Auch wenn Stefan heute sicherlich den ganzen Tag an Anna Schneider denken würde.

„Stimmt es, dass Anna Schneider nach der Trennung wieder bei ihren Eltern eingezogen ist?“, bohrte Alexandra vorsichtig nach. Die Medien hatten so viel Respekt gezeigt und nicht in die Welt hinausposaunt, wo Anna Schneider untergetaucht war, um ihre Wunden zu lecken. Aber Stefan als Herrn Schneiders Arzt war vermutlich im Bilde.

„Ja, sie hat ihr altes Jugendzimmer im Haus ihrer Eltern bezogen“, bestätigte Stefan. „Ich hoffe einfach, es ist nichts Schlimmes passiert.“

„Immerhin hat sie ihren Hund dabei!“, bemerkte Alexandra. „Vielleicht wird er sein Frauchen mutig beschützen.“

Stefan kratzte sich an der Nase.

„Nun, diese Hoffnung muss ich dir leider nehmen …“, murmelte er. Er dachte an die kläffende Branka. „Bei Annas Hund handelt es sich um einen winzigen Pekinesen. Das Tier macht sich auf Fotos gut, aber es ist kein echter Wachhund oder dergleichen.“

Alexandra schnappte sich die Butter und schmierte eine dicke Schicht auf ihr Croissant.

„Man muss ja nicht immer vom Schlimmsten ausgehen“, sagte sie dann, um das unschöne Thema damit zu beenden. „Vielleicht hat sie jemanden kennengelernt und ist über das Wochenende mit zu ihm nach Hause gegangen. Sie verbringt einen romantischen Sonntag im Bett und hat keinen blassen Schimmer, dass die ganze Stadt nach ihr sucht.“

Stefan schüttelte den Kopf.

„Ihr Herz ist gebrochen. Ich glaube kaum, dass sie wenige Wochen nach ihrer geplatzten Hochzeit bereits wieder bereit für eine neue Liebe ist.“ Skeptisch starrte er auf Alexandras Teller. „Ohne dir dein Frühstück vermiesen zu wollen – aber ist dir klar, dass Buttercroissants mit Butterbelag wirklich keine gute Idee sind, um dein Herz langfristig zu schonen?“

Gleichgültig biss Alexandra in das knusprige Hörnchen.

„Es ist Sonntag!“, erinnert sie ihn. „Reich mir doch bitte mal den Schokoaufstrich!“

***

Der Pekinese fegte wie eine kleine weiße Wolke durch Mareike Vanderbilts Altbauwohnung. Als das Hündchen die Küche erreichte, sah er Mareike auffordernd an und kläffte beleidigt.

„Ja, du hast bestimmt Hunger …“ Mareike seufzte. Sie besaß selbst keine Haustiere und hatte auch kein besonderes Händchen dafür. Und jetzt war sie plötzlich die Nanny dieses aufmüpfigen und nach Aufmerksamkeit heischenden Köters. „Lass mal überlegen, was ich dir geben kann …“

Morgen würde Mareike nach der Arbeit sofort in den Supermarkt gehen, um Hundefutter zu organisieren. Sie hätte das bereits gestern machen sollen, als langsam klar wurde, dass Annas Aufenthalt bei ihr wohl doch ein wenig länger dauern würde. Aber ehe ihr das bewusst geworden war, war es später Abend gewesen. Die Geschäfte hatten da bereits zugehabt, und heute war Sonntag.

Schweren Herzens holte Mareike das Hühnchenfleisch aus dem Kühlschrank, das sie eigentlich für Geschnetzeltes eingeplant hatte. Sie würde ein paar Kartoffeln kochen und Möhren klein schneiden. Etwas Hühnerfleisch dazu und fertig war das Gourmet-Menü des nervigen Hundes.

„Du verwöhntes kleines Viech …“, sagte Mareike kopfschüttelnd. Liebevoll streichelte sie über das kleine Köpfchen des Hundes. Für sich und Anna würde sie heute Abend den Pizzaservice bestellen.

Aber jetzt war es Zeit, ein Frühstück zuzubereiten. Anna konnte nicht wie gestern den ganzen Tag im Bett verbringen. Es war wichtig, dass sie endlich Klartext redete und Mareike ehrlich sagte, was vorgefallen war.

Leise vor sich hin summend schaltete Mareike das Radio ein.

„Miss Moet“, hörte sie Annas unsäglichen alten Spitznamen aus dem Radio tönen. „Erst vor wenigen Jahren hat Anna Schneider dank ihrer Beziehung zu Millionärssohn Ferdinand von Schachern einen radikalen Wandel hingelegt …“

Die Sprecherin im Radio schien tatsächlich über Anna Schneider zu reden! Wie festgefroren blieb Mareike stehen. Sie lauschte erschrocken.

„Das Liebespaar trat gerne auf gemeinnützigen Veranstaltungen auf, gründete zuletzt eine Stiftung für krebskranke Kinder und engagierte sich ehrenamtlich im Bereich Umweltschutz. Nun ist Anna fort, und die ganze Stadt fragt sich, ob sie womöglich Opfer eines Gewaltverbrechens wurde.“

Mareike klappte die Kinnlade nach unten. Konnte das sein? Ja, Anna hatte Freitagnacht völlig überraschend mit verheultem Gesicht vor Mareikes Tür gestanden. Und Mareike hatte ihr ohne groß nachzufragen sofort ein Gästebett bereitet und ihr Unterschlupf gewährt.

Sie hatte Anna den gesamten gestrigen Samstag in Ruhe gelassen und ihr versprochen, weder mit Annas Eltern noch mit Ferdinand von Schachern Kontakt aufzunehmen. Aber Mareike war nicht im Geringsten klar gewesen, dass Anna niemandem ein Sterbenswörtchen gesagt hatte, wohin sie gegangen war. Nun schien halb München zu glauben, Anna sei spurlos verschwunden!

Mareike setzte sich mit einem Ruck wieder in Bewegung. Sie holte eine Tasse aus dem Schrank, dann bereitete sie ihrer Freundin einen Ingwertee. Damals im Internat hatte Anna den nur zu gerne getrunken. Dann stiefelte sie mit besorgtem Gesicht ins Gästezimmer hinüber.

Anna war unter einem Berg Decken begraben. Sie lag auf dem Gästebett wie tot. Was immer am Freitag vorgefallen war, es hatte Anna offenbar den Boden unter den Füßen weggezogen.

Branka, der kleine Pekinese, kläffte auffordernd, als wolle er sein Frauchen wecken. Anna gab ein weinerliches Geräusch von sich.

„Anna, ich habe dir Tee gemacht!“ Mareike setzte sich auf die Kante des Bettes.

Der Kopf ihrer Freundin erschien zwischen den Kissen. Sie sah fürchterlich aus. Offenbar hatte sie die halbe Nacht kein Auge zugetan. Ihr Gesicht wirkte aufgeschwemmt und furchtbar verquollen. Wie es schien, hatte sie außerdem leichtes Fieber.

„Danke, du bist lieb!“, murmelte Anna matt. Sie richtete sich mühsam auf und trank den Tee in kleinen Schlucken.

„Und du bist vollkommen verrückt!“, platzte es endlich aus Mareike heraus. „Anna, du bist und bleibst meine gute, alte Freundin aus Schulzeiten. Auch wenn wir die letzten Jahre kaum mehr Kontakt miteinander hatten – ich habe mich echt gefreut, als du am Freitag völlig überraschend vor meiner Tür standst. Es ist schön, dass ich diejenige bin, die du in deiner Krise aufgesucht hast. Aber du bist mir eine Erklärung schuldig.“

„Ich brauchte einfach mal einen Tapetenwechsel“, behauptete ihre Freundin jetzt mit erstickter Stimme. Damals auf dem Mädcheninternat in der Schweiz hatten sich die zwei ein Zimmer geteilt. Nie hatten sie Geheimnisse voreinander gehabt. Sie hatten sich immer alles ehrlich berichtet.

Aber diese Zeiten waren lange vorbei. In den letzten Jahren hatten sich ihre Leben in völlig unterschiedliche Richtungen entwickelt.