Dr. Stefan Frank 2575 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2575 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Dr. Eichborn und Dr. Frank stehen sich an der Tabula gegenüber. Sie nicken sich zu, ehe sie sich an die Arbeit machen. Julius Eichborn leitet die Endoskopie. Er lässt sich die Instrumente reichen. Wenn er am Operationstisch steht, ist er nur noch Arzt. Dann kann er all seine Sorgen und den Druck vergessen. Doch es ist wie verhext. Heute gelingt es ihm nicht, sein Privatleben aus dem Kopf zu verbannen. Krampfhaft versucht er, die zitternden Hände zur Ruhe zu zwingen.
"Alles in Ordnung?", fragt Dr. Frank irritiert.
"Das ist nicht meine erste Endoskopie", faucht Julius Eichborn zurück.
Er will, nein, er muss sich und allen anderen beweisen, dass ihn sein Privatleben nicht in seiner Arbeit beeinträchtigt.
Ein durchdringender Alarm reißt ihn aus den Gedanken.
"Lass mich mal sehen!", verlangt Dr. Frank da. Energisch schiebt er den Kollegen zur Seite. "Die Darmwand ist perforiert!", ruft er, während Julius Eichborn wie versteinert danebensteht. Das, was gerade passiert, ist seine Schuld. Der Arzt hofft, dass es Dr. Stefan Frank gelingt, diesen unverzeihlichen Fehler wiedergutzumachen ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Sein Doppelleben

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Monkey Business Images / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0461-8

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Sein Doppelleben

Dr. Frank und ein Kollege, der zu viel wollte

Dr. Eichborn und Dr. Frank stehen sich an der Tabula gegenüber. Sie nicken sich zu, ehe sie sich an die Arbeit machen. Julius Eichborn leitet die Endoskopie. Er lässt sich die Instrumente reichen. Wenn er am Operationstisch steht, ist er nur noch Arzt. Dann kann er all seine Sorgen und den Druck vergessen. Doch es ist wie verhext. Heute gelingt es ihm nicht, sein Privatleben aus dem Kopf zu verbannen. Krampfhaft versucht er, die zitternden Hände zur Ruhe zu zwingen.

»Alles in Ordnung?«, fragt Dr. Frank irritiert.

»Das ist nicht meine erste Endoskopie«, faucht Julius Eichborn zurück.

Er will, nein, er muss sich und allen anderen beweisen, dass ihn sein Privatleben nicht in seiner Arbeit beeinträchtigt.

Ein durchdringender Alarm reißt ihn aus den Gedanken.

»Lass mich mal sehen!«, verlangt Dr. Frank da. Energisch schiebt er den Kollegen zur Seite. »Die Darmwand ist perforiert!«, ruft er, während Julius Eichborn wie versteinert danebensteht. Das, was gerade passiert, ist seine Schuld. Der Arzt hofft, dass es Dr. Stefan Frank gelingt, diesen unverzeihlichen Fehler wiedergutzumachen ...

»Was für ein nettes Café.« Dr. Stefan Franks Blick glitt über die bunt zusammengewürfelte Einrichtung. Altes und Neues ergänzte sich perfekt. Schlichte Loungemöbel setzten die antiken Holzvitrinen und Kommoden gekonnt in Szene. Die Glaskristalle des Kronleuchters glitzerten im Lampenschein und stellten die modernen Wandlampen in den Schatten. »Eigentlich passt kein Stück zum anderen. Trotzdem ist das Gesamtbild sehr gemütlich. Wie in einem Wohnzimmer.«

»Vielleicht ist gerade das das Geheimnis einer harmonischen Beziehung. So viele Gemeinsamkeiten, dass der Frieden nicht in Gefahr ist und genügend Unterschiede, damit es reizvoll bleibt«, erklärte seine Freundin, die Augenärztin Alexandra Schubert. Nach einem Hausbesuch hatte sie Stefan in seiner Mittagspause in diesen entlegenen Teil der Stadt gelockt. Beschäftigt, wie die beiden waren, wollte jede freie Minute genutzt werden.

Stefan griff nach ihren Händen und beugte sich über den Tisch.

»Ich wusste gar nicht, dass du neben deinem Beruf als Ärztin auch noch als Philosophin tätig bist«, raunte er ihr zu.

Alexandra lachte leise an seinen Lippen.

»Es gibt so manches, das du nicht weißt über mich.«

»Du hast Geheimnisse vor mir?«, fragte Dr. Frank erschrocken.

»Keine Sorge. Nichts Gravierendes. Aber ich dachte mir, du solltest nicht wissen, dass ich manchmal heimlich in unserem Wartezimmer die Klatschblätter lese«, verriet sie glucksend. »Oder dass mich Helene neulich aus dem Sterilisator retten musste, weil sich meine Haare im Türscharnier verfangen hatten.«

Um ein Haar hätte Stefan laut herausgelacht.

»Oh oh, mit solchen Abgründen habe ich wirklich nicht gerechnet«, scherzte er gut gelaunt, als ihr zärtliches Geplänkel von einem Aufschrei unterbrochen wurde.

»Ein Arzt! Wir brauchen einen Arzt!«, hallte eine aufgeregte Stimme durch das gemütliche Café. Schlagartig verstummten die Gespräche. Sämtliche Gäste drehten sich zu der weiß gekleideten Frau mit der Mütze auf dem Kopf um. »Ist zufällig ein Arzt hier?«

Stefan Frank zögerte nicht.

»Ich bin Arzt.« Er sprang vom Stuhl auf und eilte hinüber zum Tresen. »Was ist passiert?«

»Gott sei Dank!« Die rotwangige Frau atmete auf. »Mein Chef ist in der Backstube zusammengebrochen. Ich habe solche Angst um ihn.« Sie winkte Dr. Frank mit sich.

Umringt von weiteren Mitarbeitern lag Moritz Kohler noch immer auf dem Boden und wand sich vor Schmerz. Stefan kniete neben ihm nieder. Er musterte den Mann, dessen Gesicht vor Schweiß glänzte.

»Machen Sie sich keine Sorgen. Das bekommen wir schon wieder hin. Ich bin Arzt und werde Ihnen helfen«, redete er beruhigend auf seinen Patienten ein. »Was fehlt Ihnen?«

»Mein Bauch.« Der Konditormeister presste die Hände auf den Oberbauch.

»Darf ich mal?« Stefan schob das T-Shirt hoch und betastete den Leib. Er war bretthart. »Hatten Sie so etwas schon öfter?«

»Ach, ich habe schon immer Probleme mit meinem Reizmagen.«

»Reizmagen? Ich fürchte, davon kann keine Rede mehr sein. Aber um sicherzugehen, muss ich Sie in eine Klinik einweisen.«

»Klinik?« Vor Schreck riss Moritz Kohler die Augen auf. »Muss das sein? Ausgerechnet jetzt, wo ich gerade die neue Filiale in Schwabing aufgemacht habe.«

»Tut mir leid.« Inzwischen hatte Dr. Frank den Puls gezählt. »Ich fürchte, das kann ich Ihnen nicht ersparen.«

Ein neuer Krampf überrollte den Konditor. Er keuchte und ächzte. Als die Welle endlich abebbte, holte er Luft.

»Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Aber eine Bitte hätte ich. Gibt es eine Klinik in Schwabing? Falls meine Frau Hilfe braucht, muss ich in der Nähe sein.«

Diesen Wunsch konnte Dr. Frank seinem Patienten erfüllen.

»Sie haben Glück. Zufällig arbeite ich mit der Waldner-Klinik in Schwabing zusammen. Etwas Besseres kann Ihnen in dieser Situation kaum passieren«, sagte Dr. Frank mit dem Telefon am Ohr.

Während er mit der Notaufnahme der Waldner-Klinik telefonierte, bemerkte er aus den Augenwinkeln einen Schatten an der Tür zur Backstube. Alexandra brachte seine Arzttasche. Was für eine Frau! Obwohl die beiden noch nicht lange zusammen waren, wusste sie instinktiv immer, was gerade wichtig war. Und mit jedem Tag wurde ihm bewusster, dass er nicht mehr ohne sie leben konnte und wollte. Leider war im Augenblick keine Zeit für romantische Gedanken. Stefan beendete das Telefonat.

»Ich sage Schwester Martha Bescheid, dass du in der Klinik bist«, raunte Alexa ihm ins Ohr.

Während Dr. Frank seinem Patienten Schmerzmittel und ein kreislaufstabilisierendes Medikament verabreichte, telefonierte sie mit der Praxis. Sie wartete, bis der Rettungswagen vorfuhr. Erst dann verabschiedete sie sich von ihrem Freund. Ohne auch nur ein einziges Wort darüber zu verlieren, wusste sie, dass Stefan seinem Patienten in die Klinik folgen und erst dann in die Praxis zurückkehren würde, wenn die weiteren Schritte gesichert waren. »Ich rufe dich heute Abend an«, versprach Alexa noch.

Trotz der prekären Situation stieg Dr. Stefan Frank wenig später mit einem wohligen Gefühl im Magen in seinen Wagen ein, um dem Krankenwagen auf seinem Weg durch die Stadt zu folgen.

***

Die Zusammenarbeit mit der Waldner-Klinik war nicht zufällig entstanden. Stefan Frank und Dr. Ulrich Waldner kannten sich seit Studientagen und waren damals schnell Freunde geworden. Obwohl Dr. Waldner beschlossen hatte, Chirurg zu werden, während sich Stefan zum Allgemeinmediziner und Geburtshelfer ausbilden ließ, hatte die Freundschaft bis auf den heutigen Tag Bestand. Seit Ulrich sich seinen Traum von der eigenen Klinik erfüllt hatte, konnten die beiden Freunde ihre Talente auch endlich beruflich vereinen. Für Stefan Frank war der tägliche Weg in die Klinik zwar aufwändig. Doch die Treffen mit seinem Freund waren mehr als genug Entschädigung, auch wenn die Anlässe hin und wieder keinen Grund zur Freude boten.

»Das sieht aus wie ein Tumor.« Ulrich hatte sich höchstpersönlich des Falles angenommen.

»Ein Tumor?«, wiederholte Moritz Kohler und rang sichtlich mit der Fassung.

»Ganz sicher können wir das erst nach einer Biopsie sagen«, erklärte Dr. Waldner. Genau wie Stefan starrte er wie gebannt auf den Monitor des Ultraschallgeräts. »Siehst du das hier?« Er umkreiste eine Stelle auf dem Bildschirm.

»Sieht aus wie freie Flüssigkeit.«

»Wahrscheinlich eine Magenblutung. Wir müssen sofort operieren.«

»Was?«, rief Moritz aus.

Doch die Zeit drängte.

»Wir brauchen eine Magenspiegelung und Röntgen, danach OP-Vorbereitung. Ach, und bestellen Sie vorsichtshalber drei Konserven Blut«, wies er Schwester Veronika an.

»Wird gemacht, Chef.«

Mehr war nicht nötig. Ulrich Waldner wusste, dass er sich blind auf die OP-Schwester verlassen konnte, die normalerweise auf der Unfallstation arbeitete.

Bevor er sich auf den anstehenden Eingriff vorbereitete, wechselte er noch ein paar Worte mit seinem Freund.

»Wir sehen uns Samstagnachmittag bei mir«, sagte Stefan zum Abschied. »Frau Quandt tut seit Tagen nichts anderes als Zwetschgen entkernen.«

»Erinnere mich nicht daran«, seufzte Ulrich. »Seit dem Frühstück um sechs Uhr habe ich nichts mehr zwischen die Zähne bekommen. Wenn ich nur an Essen geschweige denn Frau Quandts Kuchen denke, werde ich schwach.«

Stefan suchte in seinen Taschen und reichte seinem Freund einen Schokoriegel.

»Damit du mir nicht am OP-Tisch schlapp machst«, bemerkte er augenzwinkernd, ehe er sich endgültig verabschiedete.

Kauend machte sich Dr. Waldner auf den Weg in den Operationssaal. Er leckte gerade einen Klecks Karamell aus dem Mundwinkel, als sich die Türen zum OP-Bereich aufschoben. Die Vorbereitungen waren schnell getroffen. Der Gastroenterologe Dr. Julius Eichborn gesellte sich zum Chef. Das Gesicht des Patienten war halb vom Tubus verdeckt, so dass Julius ihn nicht erkennen konnte. Die Anästhesistin – Ruth Waldner hatte diese Aufgabe übernommen – nickte den Ärzten zu. Der Eingriff konnte beginnen. Anfangs wurde noch munter geplaudert. Doch schon bald herrschte konzentriertes Schweigen, das nur unterbrochen wurde vom Piepen und Tuten der Überwachungsgeräte, vom Klappern der Operationsinstrumente. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Lage ernst war.

»Pinzette«, verlangte Dr. Julius Eichborn.

»Schere für mich.« Dr. Waldner streckte die Hand aus. Schwester Veronika legte das Gewünschte hinein.

Die beiden Ärzte standen sich am Tisch gegenüber, die Blicke auf das Operationsfeld gerichtet.

»Tupfer. Drainage vorbereiten.«

»Spülung.« Um besser sehen zu können, beugte sich der Klinikchef Ulrich Waldner vor. »Wir haben es mit einer arteriellen Blutung aufgrund eines Tumors zu tun.«

»Ich weiß.« Dr. Eichborn blinzelte. »Schweiß bitte!« Eine andere Schwester betupfte seine Stirn. »Bauchtuch.«

»Klemme«, verlangte der Klinikchef.

In diesem Moment meldete sich Ruth Waldner zu Wort. Als Anästhesistin kümmerte sie sich um die Narkose und überwachte den Patienten während des Eingriffs.

»Der Blutdruck fällt.« Ein Piepen untermauerte ihre Worte. »Der Patient wird zunehmend tachykard. Was ist los bei euch?«

Nur Ulrich erkannte die Dringlichkeit in der Stimme seiner Frau.

»Der Tumor muss eine Blutung verursacht haben«, beantwortete Julius Eichborn diese Frage. »Dummerweise sehe ich nichts. Schnell, noch ein Bauchtuch!« Im Gegensatz zu Ruth Waldner vibrierte seine Stimme. »Neue Klemme!«

Alle Anwesenden einschließlich Dr. Waldner hielten die Luft an. Eine gefühlte Ewigkeit konnte er nicht mehr tun, als den Kollegen arbeiten zu lassen.

Endlich kam die erlösende Nachricht.

»Blutung steht.«

Nach einem Blick auf die Überwachungsgeräte atmete auch Ruth auf.

»Herr Kohler hat ziemlich viel Blut verloren. Ich gebe ihm noch eine Konserve«, teilte sie den Kollegen ihre Entscheidung mit.

Der Rest der Operation verlief ohne weitere Komplikationen. Der Tumor wurde entfernt und die Wunde verschlossen. Eine Stunde später schoben sich die Türen zum OP-Vorraum vor den Ärzten auf. Julius zog die Maske vom Mund.

»Hoffentlich bekommt er keine Nachblutung.«

»Das weiß der liebe Gott. Sicher ist nur, dass Sie hervorragende Arbeit geleistet haben«, sparte der Klinikchef nicht mit Lob.

Julius warf die Handschuhe in den Abfall. Nach der Anspannung war es jedes Mal wieder eine Wohltat, frische Luft an den Fingern zu spüren.

»Ach, das war doch nicht der Rede wert«, winkte er ab. Seine Augen blitzten vergnügt. »Mal abgesehen davon werde ich doch dafür bezahlt.« Er war ans Waschbecken getreten und hielt die Hände unter den warmen Strahl. »Was ist Herr Kohler eigentlich von Beruf?«, fragte er nach einer Weile.

Dr. Waldner trat neben seinen Mitarbeiter.

»Ihm gehört das Café ›Backstube‹ am anderen Ende der Stadt.« Er seifte die Hände ein.

Julius zuckte zusammen. Ausgerechnet das Café »Backstube«! Dabei hatte er sich dort sicher gefühlt.

Ulrich wunderte sich.

»Sagen Sie bloß, Sie kennen dieses Café?«

»Äh, nein. Nur vom Hörensagen«, versicherte Dr. Eichborn schnell. »Dort soll es ausgezeichneten Zwetschgendatschi geben.«

Ein Surren verriet, dass sich die Türen zum OP erneut geöffnet hatten.

»Wirklich?« Ruth Waldner gesellte sich zu den beiden Männern. »Ich sterbe für Zwetschgendatschi.«

»Bitte nicht.« Lachend drückte ihr Mann einen Kuss auf ihre Wange. »Ich glaube kaum, dass dich Stefan in diesem Fall zu seinem traditionellem Zwetschgendatschi-Essen eingeladen hätte.« Er wandte sich an seinen Kollegen. »Wenn ich mich nicht irre, sind Sie am Samstagnachmittag auch mit von der Partie.«

Das eheliche Geplänkel hatte Julius von seinem Schrecken abgelenkt. Er lächelte.

»Stimmt. Meine Frau Katja und ich freuen uns sehr auf das kulinarische Erlebnis. Stefan hat schon von den legendären Backkünsten seiner Haushälterin geschwärmt.«

»Wie schön.« Auch Ruth hatte inzwischen die Hände gewaschen und trocknete sie ab. »Ich habe Ihre Frau schon ewig nicht mehr gesehen.

Ulrich nickte zustimmend.

Als Klinikchef wusste er nur zu gut, wie viel Geduld die Angehörigen seiner Mitarbeiter mitbringen mussten. Nacht- und Wochenendschichten, ständig wechselnde Arbeitszeiten und 12-Stunden-Dienste waren an der Tagesordnung. Deshalb veranstaltete er immer wieder kleine Feiern und Ausflüge, um sich bei den Familien seiner Mitarbeiter für ihre Loyalität und Geduld zu bedanken. Diese Ereignisse erfreuten sich großer Beliebtheit. Nur Katja Eichborn hatte sich in der Vergangenheit immer wieder entschuldigen lassen.

»Als ich Katja kennenlernte, hätte ich mir nie träumen lassen, dass es einen Beruf gibt, in dem man noch mehr arbeitet als ein Arzt«, beeilte sich Julius zu erklären und hoffte, nicht rot dabei zu werden. »Aber glauben Sie mir, Investmentbanker toppen alles. Wenn die Banken in Deutschland schließen, geht es nahtlos auf anderen Kontinenten weiter. Irgendwo gibt es immer eine Börse, die ihre Tore gerade öffnet. Ich bin wirklich froh, wenn ich Katja wenigstens ein Mal am Tag zwischen Tür und Angel begegne.« Er konnte nur hoffen, dass niemand seine Verlegenheit bemerkte. Sein stummes Gebet wurde erhört.

»Und ich dachte schon, wir hätten ein schweres Los«, sagte Ruth zu ihrem Mann.

»Es hat einen Grund, warum ich mich ausgerechnet in eine Anästhesistin verliebt habe. Auf diese Weise sehe ich dich wenigstens im OP«, scherzte Dr. Waldner auf dem Weg nach draußen.

Auch in der Klinik drehten sich die Uhren weiter und sein Terminkalender war brechend voll. Ein Termin mit der Hygiene-Kommission und die Privatsprechstunde standen auf dem Programm, bevor sein Fachwissen auf einer Tumorkonferenz verlangt wurde. Und dann saß ihm auch noch die Verwaltung wegen der Neuanschaffung eines innovativen Röntgengeräts im Nacken.

»Ich hätte nichts dagegen, dich ein bisschen öfter ganz für mich alleine zu haben. Aber wie sagt man so schön? Auf der anderen Seite des Zauns ist das Gras immer grüner«, bemerkte Ruth launig.

Julius lachte pflichtschuldig. Es war seine eigene Schuld, dass das offensichtliche Glück der beiden für ihn so schwer zu ertragen war. Nur gut, dass in diesem Augenblick sein Telefon klingelte.

»Bitte entschuldigen Sie mich«, bat er nach einem Blick auf das Display. »Mein Typ wird verlangt.« Mit dem Apparat am Ohr eilte er davon.

Mit gerunzelter Stirn blickte Ruth dem Kollegen nach.

»Findest du auch, dass sich Dr. Eichborn in letzter Zeit verändert hat?«, fragte sie.

Doch eine Antwort bekam sie nicht. Auch ihr Mann hatte sich wieder an die Arbeit gemacht.

***