Dr. Stefan Frank 2594 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2594 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Für Julia Riedel bleibt in dieser Nacht die Welt stehen. Auf der vereisten Fahrbahn kommt der Oldtimer ihrer Familie von der Straße ab und prallt gegen einen Baum. Für ihren Mann, der den Wagen gelenkt hat, kommt jede Hilfe zu spät. Die kleine Luna ist verletzt und wird ins Krankenhaus gebracht. Julia selbst kommt wie durch ein Wunder nur mit ein paar Kratzern davon.
Als Luna aus der Klinik entlassen wird, versucht sie, ihr Leben so weiterzuführen, als wäre ihr geliebter Papa noch da. Doch der Platz, den sie für ihn am Tisch mit eindeckt, bleibt leer.
Julia beobachtet bestürzt, wie sehr ihre Tochter trauert. Auch sie selbst ist gefangen in ihrer Traurigkeit. Zu ihrem Kummer gesellen sich schon bald große Sorgen. Julia kann das große Haus nicht allein abbezahlen. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als umzuziehen. Nun verlieren sie auch noch ihr geliebtes Zuhause, und Luna muss die Schule wechseln. Das Mädchen ist todunglücklich. Da entdeckt Julia eines Tages auf dem Kopf ihrer Tochter kahle Stellen! Ein schlimmer Verdacht keimt in ihr auf ...


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Inhalt

Cover

Lunas seltene Zwangsneurose

Vorschau

Impressum

Lunas seltene Zwangsneurose

Eine Mutter entdeckt kahle Stellen auf dem Kopf ihrer Tochter

Für Julia Riedel bleibt in dieser Nacht die Welt stehen. Auf der vereisten Fahrbahn kommt der Oldtimer ihrer Familie von der Straße ab und prallt gegen einen Baum. Für ihren Mann, der den Wagen gelenkt hat, kommt jede Hilfe zu spät. Die kleine Luna ist verletzt und wird ins Krankenhaus gebracht. Julia selbst kommt wie durch ein Wunder nur mit ein paar Kratzern davon.

Als Luna aus der Klinik entlassen wird, versucht sie, ihr Leben so weiterzuführen, als wäre ihr geliebter Papa noch da. Doch der Platz, den sie für ihn am Tisch mit eindeckt, bleibt leer.

Julia beobachtet bestürzt, wie sehr ihre Tochter trauert. Auch sie selbst ist gefangen in ihrer Traurigkeit. Zu ihrem Kummer gesellen sich schon bald große Sorgen. Julia kann das große Haus nicht allein abbezahlen. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als umzuziehen. Nun verlieren sie auch noch ihr geliebtes Zuhause, und Luna muss die Schule wechseln. Das Mädchen ist todunglücklich. Da entdeckt Julia eines Tages auf dem Kopf ihrer Tochter kahle Stellen! Ein schlimmer Verdacht keimt in ihr auf ...

Stefan Frank stand gerade vor seinem Kleiderschrank und streifte ein sauberes weißes Hemd über. Seine dunkelblonden Haare waren noch feucht von der Dusche. Es war schon dunkel. Vor dem Fenster wirbelten Schneeflocken vorbei, als würden sie zu einer unhörbaren Melodie tanzen ... und vom Erdgeschoss drangen Schritte herauf. Klappernde Schritte, eine Schranktür wurde zugeschlagen, und dann ... Summte da jemand?

Seine Praxis war seit einigen Stunden geschlossen. Er hatte seine Sprechstunde diesem Nachmittag früher als sonst beendet, um noch alle anstehenden Hausbesuche zu erledigen und Zeit für eine Dusche zu haben, bevor er zu seiner Verabredung aufbrach. Eigentlich sollte er allein im Haus sein.

Stefan Frank schüttelte verwundert den Kopf. Rasch knöpfte er das Hemd zu, streifte die dunkle Anzugjacke über, als plötzlich ein dumpfer Schlag ertönte.

Etwas krachte in der unteren Etage.

Unwillkürlich zuckte er zusammen.

Himmel noch mal, versuchte da jemand, sein Haus abzureißen?

Kurz wünschte er sich, er würde nicht ganz so abgelegen wohnen. Seine Villa in der Gartenstraße befand sich am Rand von Grünwald. Eine ruhige kleine Straße war es, die an den Wald und eine Gartensiedlung grenzte. Nicht gerade ein Hotspot, den die Polizei ständig im Auge behielt. Ein Einbrecher könnte hier vermutlich mit einem Tresor auf dem Rücken spazieren gehen, ohne aufgehalten zu werden.

Die Praxis war im Untergeschoss untergebracht. Die erste Etage bewohnte Stefan Frank – allein, solange seine Freundin noch nicht bei ihm eingezogen war. Vor den Fenstern breitete sich ein wunderer Blick über den tief verschneiten Wald aus. Ein Blick wie aus einem Postkartenkalender.

In der Zeitung war in den vergangenen Monaten immer wieder einmal über Einbrüche in Arztpraxen berichtet worden. Vor allem Hausärzte waren beraubt worden. Die Eindringlinge hatten es auf Medikamente und teure medizinische Gerätschaften abgesehen gehabt.

War nun er an der Reihe?

Seine Hand zuckte zum Telefon, aber dann entschied er sich dagegen, gleich die Polizei anzurufen. Womöglich war Alexandra zu ihm gekommen, anstatt darauf zu warten, dass er sie nachher abholte? Es war zwar anders vereinbart gewesen, aber er schaute wohl besser erst einmal nach, wer unten umging, ehe er Verstärkung rief.

Leise strebte er die Treppe hinunter. Im Haus war es angenehm warm. Während draußen ein bitterkalter Nordwind um die Villa fauchte, herrschten hier drinnen behagliche Temperaturen.

Stefan Frank stieg vorsichtig über die vorletzte Stufe hinweg, die bei jedem Schritt verräterisch knarrte, und langte am Fuß der Treppe an. Hier sah er sich nach einem Gegenstand um, mit dem er sich gegen einen Einbrecher zur Wehr setzen konnte. Der Schirmständer? Zu unhandlich. Die gerahmte Fotografie von Alexandra und ihm? Zu schade. Die unterarmlange Spritze, die er vom letzten Ärztekongress mitgebracht hatte? Sie war aus Keramik und diente einem rein dekorativen Zweck. Allerdings war sie auch schwer genug, um einem Eindringling das Fürchten zu lehren.

Er packte die Spritze und schlich weiter. Aus dem Vorzimmer seiner Praxis drang das Prasseln der Kaffeemaschine. Ein Einbrecher, der seine Liebe zu einer guten Tasse Kaffee teilte, war ihm schon beinahe sympathisch.

Er ließ das Aquarium hinter sich, das ein sanftes grünliches Licht auf den Boden warf, und sah plötzlich eine rundliche Gestalt in einem dicken Mantel und einer blauen Wollmütze vor sich, die sich soeben über eine offene Schublade beugte.

Energisch hob er die Spritze und rief: »Hände hoch und langsam umdrehen!«

»Huch!« Die Gestalt fuhr herum und riss die Augen auf.

»Schwester Martha?«

Seine Sprechstundenhilfe schlug sich eine Hand auf die Brust.

»Fast hätte ick einen Herzkasper bekommen. Hatten Sie noch nicht genug Patienten heute, Chef?«

»Ich dachte, Sie wären ein Einbrecher.«

»Und dem wollten Sie die Spritze seines Lebens verpassen?« Schwester Martha deutete auf die Deko-Spritze in seiner Hand, und ein breites Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht. Ihr Dialekt verriet, dass sie ursprünglich nicht aus München, sondern aus Berlin kam.

Stefan Frank ließ seine »Waffe« sinken.

»Was machen Sie denn noch hier? Sind Sie nicht vor zwei Stunden heimgegangen?«

»Bin ick, aber beim Abspülen ist mir ein Glas zerbrochen und die Scherbe ... na, sehen Sie selbst.« Sie reckte ihm ihre linke Hand hin. Ein Verband war darum gewickelt, aber er blutete bereits wieder durch. Die Scherbe musste ihr einen tiefen Schnitt zwischen Zeigefinger und Mittelfinger zugefügt haben. »Ick wollte det rasch klammern.« Sie deutete auf sein Behandlungszimmer. »Unterwegs war es aber so kalt, det ick mir erst mal einen Kaffee gekocht habe. Tut mir leid, det ick Sie erschreckt habe.«

»So was bringt das Herz auf Trab«, begütigte er. »Kommen Sie mit nach nebenan, ich schaue mir das gleich einmal an.«

»Aber Ihr Ballettabend ...«

»Der läuft nicht weg, fürchte ich.« Dr. Frank nahm Martha mit in sein Sprechzimmer. Während sie auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch sank, streifte er Einmalhandschuhe über und beugte sich über sie, um ihre Hand zu untersuchen. Beweglichkeit und Empfindungen waren nicht beeinträchtigt, allerdings war der Schnitt tatsächlich tief.

Er spülte die Wunde und betäubte sie lokal, ehe er sie klammerte und frisch verband.

»Jetzt sollte die Blutung aufhören. Die Verletzung sollte ein paar Tage nicht nass werden. Und wenn sie sich erwärmt oder gar eitert ...«

»... das weiß ick, wo ick Sie finde, Chef.« Die Berlinerin lächelte breit. »Vielen Dank. Jetzt müssen Sie aber los, sonst verpassen Sie det Ballett wirklich noch.«

»So viel Glück habe ich nicht.«

»Warum? Was wollen Sie sich denn anschauen?«

»Etwas Experimentelles.«

»O weh. Soll ick Ihnen eine Entschuldigung schreiben?«

»Mit der verletzten Hand? Lieber nicht.«

Martha lachte auf. »Na jut. Denn gehen Sie ruhig. Ick schlürfe noch meinen Kaffee und schließe nachher ab.«

»Einverstanden. Wir sehen uns dann morgen früh. Und gute Besserung.« Er nickte ihr zu, dann streifte er die Handschuhe ab und warf sie in den Mülleimer.

***

Wenig später saß er in seinem Auto und fuhr zum Haus seiner Freundin.

Alexandra stand bereits fix und fertig angezogen unter dem Vordach. Als sie ihn bemerkte, schob sie ihr Telefon in ihre schmale Umhängetasche und winkte ihm mit einem erleichterten Lächeln zu. Sie sah bezaubernd aus. Unter ihrem Wollmantel schaute ein moosgrünes Abendkleid hervor, das einen reizenden Kontrast zu ihren braunen Locken bildete. Die langen Ohrringe glitzerten wie Eiszapfen.

»Entschuldige bitte, dass ich mich verspätet habe«, sagte er und öffnete ihr die Beifahrertür. »Ich musste Schwester Martha verarzten.«

»Oh! Hoffentlich nichts Schlimmes?«

»Nichts, das ein entspannter Abend nicht richten würde.«

»Gut. Da bin ich froh.« Aufatmend ließ sie sich auf den Beifahrersitz sinken.

Er gab ihr einen Kuss und spürte, wie die Anspannung des langen Arbeitstages von ihm abfiel. Alexandra hatte diese Wirkung auf ihn. In ihrer Gegenwart fühlte sich alles leichter an. Sie war sein Sonnenstrahl. Er liebte ihr Lächeln und ihr riesengroßes Herz ebenso sehr wie ihre unverblümte und direkte Art.

»Du siehst reizend aus«, sagte er. »Die Stiefel sind hübsch.«

»Ein bisschen derb zu einem Abendkleid, aber die Pumps sind bei dieser Kälte nicht das Richtige. Ich musste mich zwischen schick und warm entscheiden, und bei acht Grad unter null fiel mir die Wahl nicht schwer.«

»Mir gefallen sie. Alles an dir gefällt mir.«

»Danke, Stefan. Du machst im Anzug auch eine gute Figur.« Sie schnallte sich an und streckte die Beine aus, während er seinen Wagen aus der Parknische steuerte und sich in den Verkehr in Richtung Innenstadt einreihte. »Ich weiß gar nicht so recht, was uns heute Abend erwartet. In einem experimentellen Ballett war ich noch nie. Bist du bereit dafür?«

»Selbstverständlich. Ich bin mir sicher, die zwei Stunden sechsundzwanzig Minuten werden uns vorkommen wie zwei Stunden und vierundzwanzig.«

»Stefan!« Alexandra knuffte ihn liebevoll in die Seite.

»Ich ziehe dich nur auf«, begütigte er. »Der Abend wird sicherlich interessant.«

»Falls wir überhaupt ankommen.« Sie spähte besorgt nach vorn. »Es schneit wieder stärker, und der Räumdienst scheint gar nicht nachzukommen. Es staut sich wie verrückt. Da! Bei dem Ampelgrün sind nur zwei Fahrzeuge durchgekommen, weil auf der anderen Seite der Kreuzung auch Fahrzeuge stehen. Wir kommen nur noch im Schneckentempo voran.«

»Ich werde dort vorn von der Hauptstraße abbiegen und mein Glück über Nebenstraßen versuchen. Vielleicht sind die nicht so verstopft. Dann schaffen wir es noch rechtzeitig.« Entschlossen setzte er den Blinker und bog rechts ab.

Tatsächlich kamen sie über die Nebenstraßen besser voran. Die Räder seines Wagens knirschten im Schnee. Es fühlte sich an, als würde er über rohe Eier steuern. Er fuhr vorsichtig und mit Bedacht, und so kamen sie gut vorwärts, bis ...

»O nein! Stefan, sieh nur!« Seine Freundin streckte den Arm aus und deutete zu rötlichen Rücklichtern, die vor ihnen flackerten. Im Näherkommen wurde deutlich, dass sie zu einem feuerroten Oldtimer gehörten, dessen Fahrerseite sich an den Pfahl einer Straßenlaterne schmiegte – nein, regelrecht darum gewickelt hatte sich das Fahrzeug!

»Um Himmels willen!« Alexandras Stimme war nur ein Flüstern. »Der Wagen ist verunglückt. Sieh nur die Spuren im Schnee! Sie haben sich gedreht. Mehrmals!«

»Die Straße ist unter dem Schnee vereist.«

Wie zur Bestätigung sprang knirschend das ABS an, als Stefan Frank seinen Wagen an den Fahrbahnrand steuerte und anhielt. Sie rutschten ein paar Meter, dann standen sie und sprang aus seinem Auto ins Freie. Bitterkalte Luft schlug ihm entgegen wie eine Ohrfeige, aber er achtete nicht darauf, stürmte mit langen Schritten zu dem verunglückten Wagen hinüber.

Alexandra folgte ihm.

Der Wagen schien gute fünfzig Jahre oder mehr alt zu sein. Vor dem Unfall musste er auffallend lang gewesen sein. Er hatte große Heckflossen und weit auseinanderstehende Doppelscheinwerfer, von denen zwei zersplittert auf der verschneiten Straße lagen.

Die Beifahrertür schwang knirschend auf. Dahinter kam ein blasses Gesicht zum Vorschein. Es gehörte einer jungen Frau mit langen blonden Haaren. Sie blinzelte ihn benommen an. Ihr Anblick traf ihn wie ein Tritt in die Magengrube.

Allmächtiger! Das war doch Julia! Julia Riedel! Sie lebte mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter in seiner Nachbarschaft!

Er eilte zu ihr. »Haben Sie Schmerzen, Julia?«

»Ich ... nein, mir fehlt nichts, aber Luna ... Bitte, helfen Sie meiner Tochter!«

»Das werde ich. Bleiben Sie ganz ruhig.« Er richtete sich auf und schaute nach hinten. Die kleine Luna hing schlaff auf ihrem Kindersitz. Eine Stück Glas von der Größe einer Kinderfaust ragte aus ihrem Hals. Die Seitenscheibe war zersplittert. Eine der Scherben musste sie getroffen haben!

In Dr. Franks Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken.

Noch blutete die Verletzung nicht allzu stark. Das Glas verschloss sie, aber wenn Luna zu sich kam und sich bewegte, konnte die Scherbe ein wichtiges Blutgefäß durchtrennen. Dann würde sie ihnen binnen weniger Minuten verbluten!

Er warf einen Blick zu seiner Freundin, zog fragend eine Augenbraue hoch.

Alexandra stand neben der deformierten Fahrertür und war so blass, dass er nichts Gutes ahnte.

»Der Fahrer?«, fragte er halblaut.

Sie schüttelte nur den Kopf. Er wusste, was das hieß: Dem Fahrer war nicht mehr zu helfen. Angesichts der furchtbaren Schäden an dem alten Wagen hatte er das beinahe befürchtet. Trotzdem erschütterte ihn die Endgültigkeit, von der Luna und ihre Mutter noch nicht einmal etwas ahnten.

»Ruf einen Rettungswagen«, bat er rau.

»Das mache ich.«

Er zog die hintere Tür auf und beugte sich zu Luna. Ihr Puls flatterte schwach wie ein verletzter Vogel gegen seine tastenden Fingerkuppen. Er wollte gerade ihren Gurt lösen, als sie plötzlich wieder zu sich kam!

Ihr Kopf ruckte hoch.

Und so kam es, wie es wohl kommen musste: Die Scherbe verrutschte – und schwallartig schoss das Blut aus dem Hals des Kindes!

»Luna ...« Er zerbiss einen Fluch auf den Lippen.

Jetzt galt es, schnell zu handeln!

***

Julia hatte ein Rauschen im Kopf, das nicht vergehen wollte.

Wie betäubt saß sie im Warteraum der Notaufnahme und starrte ihre Hände an, die blutroten Sprenkel auf ihrer Haut. Woher stammte das Blut? Von ihr selbst? Schon möglich. Sie war mit dem Kopf gegen die Seitenscheibe geprallt, hatte dröhnendes Schädelbrummen und eine Platzwunde, die genäht worden war. Von wem – daran erinnerte sie sich nicht mehr. Überhaupt schien ein dichter Nebel über den vergangenen Stunden zu liegen. Sie wusste kaum noch, wie sie hierhergekommen war ...

»Möchten Sie einen Kaffee, Frau Riedel?«

Eine sanfte Hand legte sich auf ihre Schulter. Schwester Ramona beugte sich zu ihr und sah sie mit jener Mischung aus Mitgefühl und Aufmunterung an, die wohl nur Krankenschwestern zu Eigen war.

»Ich kann Ihnen auch etwas zu Essen bringen. Sie warten schon seit Stunden.«

Essen? Allein bei dem Gedanken krampfte sich alles in Julia schmerzhaft zusammen.

»Ich ... möchte nichts.« Die Stimme klang heiser und belegt, nicht wie ihre. Trotzdem kam sie aus ihrem Mund. So fremd ... Ja, fremd fühlte sich ihr Leben mit einem Mal an. Als wäre es gar nicht mehr ihres.

Luna und sie waren mit dem Rettungswagen vom Unfallort weggebracht worden, während die Feuerwehr noch dabei war, die Fahrertür aufzustemmen und ihren Mann zu bergen. Er war eingeklemmt und ... Julia wurde von einem jähen Schwindelgefühl erfasst und schloss die Augen.

Sie waren in die Waldner-Klinik gebracht worden. Das Krankenhaus am Englischen Garten hatte einen ausgezeichneten Ruf. Das Team zählte zu den besten des Landes, aber für Albert würde es nichts mehr tun können. Das war Julia klar. Sie hatte gesehen, was die Trümmerteile mit ihm gemacht hatten.

Sie krampfte die Hände so fest zusammen, dass sich ihre Nägel schmerzhaft in ihre Handballen bohrten. Das kann nicht wahr sein. Das darf nicht wahr sein! Bitte, bitte, lieber Gott, lass es einen bösen Traum sein ...

Schwester Ramona brachte ihr einen Becher mit Tee und einen Teller, auf dem liebevoll mit Schokolade verzierte Kekse lagen. Sie sagte nichts, drängte nicht, zeigte nur, dass sie da war, wenn sie gebraucht wurde.

Julia wollte sich bedanken, aber die Worte gingen irgendwo auf dem Weg verloren.