Dr. Stefan Frank Sammelband 11 - Arztroman - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank Sammelband 11 - Arztroman E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

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Dr. Stefan Frank - dieser Name bürgt für Arztromane der Sonderklasse: authentischer Praxis-Alltag, dramatische Operationen, Menschenschicksale um Liebe, Leid und Hoffnung. Dabei ist Dr. Stefan Frank nicht nur praktizierender Arzt und Geburtshelfer, sondern vor allem ein sozial engagierter Mensch. Mit großem Einfühlungsvermögen stellt er die Interessen und Bedürfnisse seiner Patienten stets höher als seine eigenen Wünsche - und das schon seit Jahrzehnten!

Eine eigene TV-Serie, über 2000 veröffentlichte Romane und Taschenbücher in über 11 Sprachen und eine Gesamtauflage von weit über 85 Millionen verkauften Exemplaren sprechen für sich:

Dr. Stefan Frank - Hier sind Sie in guten Händen!

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2230 bis 2232:

2230: Lass uns nach Venedig fahren!

2231: Spiel mit uns, Onkel Stefan!

2232: Ich will nur dich!


Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © shutterstock: goodluz ISBN 978-3-7325-6906-9

Stefan Frank

Dr. Stefan Frank Sammelband 11 - Arztroman

Inhalt

Stefan FrankDr. Stefan Frank - Folge 2230Der junge Lehrer Benjamin Sindermann schwebt auf Wolke sieben. Seit er die liebenswerte Physiotherapeutin Flora Elias kennengelernt hat, weiß er: Auf diese Frau hat er sein Leben lang gewartet. Umso härter trifft es ihn, als ihm seine Freundin nur wenige Wochen später eröffnet, dass sie einen Hirntumor hat - und Benjamin nie wiedersehen will. Doch Benjamin denkt gar nicht daran, seine Liebste in ihrer Not alleinzulassen. Stattdessen schmiedet er Pläne, wie er ihr dabei helfen kann, sich zu der riskanten, aber notwendigen Operation durchzuringen, die sie von ihrem Tumor befreien soll. Und mit einem Mal hat er eine Idee: Erst kürzlich hat ihm Flora anvertraut, dass sie schon immer nach Venedig reisen wollte, es aber bisher noch nicht geschafft hat. Wie wäre es also, wenn er vor ihrer Operation mit ihr dorthin fährt - und ihr in der Lagunenstadt einen Heiratsantrag macht?Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2231Nun ist sie endlich vorbei, diese elende Pechsträhne, denkt die frisch geschiedene Elke Peters, als sie die Stelle in einer angesehenen Grünwalder PR-Agentur angeboten bekommt. Und als sie dann auch noch in das Haus von Stefan Franks Nachbarin ziehen darf, ist sie überglücklich. Jetzt werden für sie und ihre Kinder Moni und Max endlich bessere Zeiten anbrechen! Apropos Moni und Max - Bevor Elke den Vertrag bei "Specktakulär" unterschreibt, vergewissert sich ihr zukünftiger Chef Rüdiger Speck noch einmal, dass Elke auch ja keine Kinder hat. Eine leitende Angestellte mit Kindern? Nein, das kommt für ihn nicht infrage. Doch weil sie den Job dringend braucht, leugnet die alleinerziehende Mutter kurzerhand ihre beiden Lieblinge, und so verbringen Moni und Max in den kommenden Wochen viel Zeit im Nachbarhaus bei Dr. Frank. Ob das auf Dauer gut geht?Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2232Annette ist verzweifelt, weil ihre große Liebe Lukas sich als Schürzenjäger entpuppt und sie eiskalt abserviert hat. Um ihr zu helfen, lässt sich ihre beste Freundin Sarah auf ein gefährliches Spiel ein: Da Lukas angeblich von keiner attraktiven Frau die Finger lassen kann, wird sie sein Herz erobern und ihn dann sitzenlassen - genau so, wie er es mit Annette gemacht hat. Der Plan geht auf, aber Sarah hat die Rechnung ohne ihre eigenen Gefühle gemacht: Der charmante Lukas lässt sie nicht kalt, und auch sein Interesse an ihr scheint echt zu sein. Doch das hat Annette auch geglaubt. Nun ist guter Rat teuer! Soll sie, trotz aller Warnungen, versuchen, sein Herz zu erobern? Oder lässt sie lieber die Finger von ihm, damit er ihr sie nicht am Ende fallen lässt wie eine heiße Kartoffel? Sarah entscheidet sich für die zweite Möglichkeit - und erlebt die Überraschung ihres Lebens!Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Lass uns nach Venedig fahren!

Vorschau

Lass uns nach Venedig fahren!

Bewegender Roman um den Herzenswunsch einer schwer kranken Patientin

Der junge Lehrer Benjamin Sindermann schwebt auf Wolke sieben. Seit er die liebenswerte Physiotherapeutin Flora Elias kennengelernt hat, weiß er: Auf diese Frau hat er sein Leben lang gewartet. Umso härter trifft es ihn, als ihm seine Freundin nur wenige Wochen später eröffnet, dass sie einen Hirntumor hat – und Benjamin nie wiedersehen will.

Doch Benjamin denkt gar nicht daran, seine Liebste in ihrer Not alleinzulassen. Stattdessen schmiedet er Pläne, wie er ihr dabei helfen kann, sich zu der riskanten, aber notwendigen Operation durchzuringen, die sie von ihrem Tumor befreien soll. Und mit einem Mal hat er eine Idee: Erst kürzlich hat ihm Flora anvertraut, dass sie schon immer nach Venedig reisen wollte, es aber bisher noch nicht geschafft hat. Wie wäre es also, wenn er vor ihrer Operation mit ihr dorthin fährt – und ihr in der Lagunenstadt einen Heiratsantrag macht?

Der Ball flog Flora direkt vor die Füße. Sie nahm ihn ganz automatisch mit links an, wie früher, als sie noch regelmäßig auf dem Platz gestanden hatte. Sie dachte, dass er spielenden Kindern gehörte, doch als sie hochblickte, sah sie eine Handvoll Männer in kurzen Hosen und Fußballtrikots zu ihr herüberwinken und hörte sie rufen. Sie suchte sich einen von ihnen aus und passte den Ball präzise zu ihm zurück, wieder mit links.

Es war ein schönes Gefühl, nach so langer Zeit. Wann hatte sie das letzte Mal Fußball gespielt? Das war bestimmt schon mehr als fünf Jahre her. Sie vermisste die Mädels immer noch.

Da sie nichts Besseres zu tun hatte, sah sie den Männern eine Weile beim Spielen zu. Sie waren nicht schlecht. Natürlich keine Profis, die Mannschaften bestanden auch nur aus fünf oder sechs Spielern, aber sie waren mit Leidenschaft und vollem Körpereinsatz bei der Sache.

Der Typ, dem sie den Ball zugespielt hatte, legte sich besonders ins Zeug, als er merkte, dass sie zusah. Er war Stürmer und schoss schon bald ein Tor, über das er sich sichtlich freute, ein Kopfballtor. Er sah nett aus, und sie blieb seinetwegen noch ein bisschen länger stehen.

Es war einer der ersten richtig warmen Tage im Jahr, eigentlich zu warm für die Jahreszeit, beinahe fühlte es sich schon an wie Sommer. Jedenfalls konnte man mit einem solchen Tag, der noch dazu ein Sonntag war, gewiss nichts Besseres anfangen, als ihn draußen in der Sonne zu verbringen.

Ein langer Pfiff des Schiedsrichters, der, wie Flora erst jetzt sah, eine Frau war – oder eher noch ein junges Mädchen –, beendete die Partie, und der Kopfballschütze trabte direkt auf sie zu.

„Einen guten Schuss haben Sie“, sagte er. „Wollen Sie nicht bei uns mitspielen? Wir sind nie genug Leute, und je mehr mitspielen, desto größer ist der Spaß.“

„Sind Sie sicher, dass Ihre Freunde Frauen in der Mannschaft akzeptieren würden? Die meisten sind da ziemlich eigen.“

„Die haben mich doch zu Ihnen geschickt, damit ich frage“, erklärte der Mann lachend. „Und haben Sie nicht gesehen, dass wir einen weiblichen Schiedsrichter haben?“

„Doch“, gab Flora zu, „aber gerade eben erst.“

Er streckte seine Hand aus.

„Ich bin Benjamin“, stellte er sich vor. „Benjamin Sindermann. Wenn wir zusammen Fußball spielen, müssen wir uns duzen.“

Seine Hand war warm und ihr Druck fest – zum Glück! Sie hasste es, wenn sie Hände zu fassen bekam, die sich wie toter Fisch anfühlten.

„Flora“, erwiderte sie. „Flora Elias.“

„Spielst du regelmäßig? So, wie du schießt …“

„Schon lange nicht mehr, leider, aber ich vermisse es sehr.“

Seine Augen leuchteten auf. Es waren dunkle, ausdrucksvolle Augen. Auch seine Haare waren dunkel. Er war ziemlich verschwitzt, dennoch fand Flora ihn anziehend. Vermutlich lag das an seinem Lächeln. Sie musste es einfach erwidern.

„Dann spielst du mit uns?“, fragte er.

Mittlerweile waren noch zwei andere Spieler herangekommen, die Benjamin ihr als Charly Braunfels und Kevin Frieling vorstellte. Kevin war ein kleiner, stämmiger Mann mit fast kahl rasiertem Kopf und einem runden, freundlichen Gesicht; Charly überragte ihn um anderthalb Köpfe und war so hager, dass man seine Rippen durch das Trikot hindurch sehen konnte.

„Spielste mit?“, fragte er. „Benjamin hat sofort gesagt, dass du Fußballerin bist, so wie du den Ball angenommen und zurückgeschossen hast.“

„Ich würde schon gern“, antwortete Flora. „Immer sonntags?“

„Bei Wind und Wetter“, erklärte Charly. „Ausreden werden nicht akzeptiert. Wir fangen aber erst um zwei an, damit wir ausschlafen und in Ruhe frühstücken können, wenn wir am Samstag versackt sind.“

„In Ordnung“, sagte Flora. „Ich bin nächsten Sonntag pünktlich da.“

Charly und Kevin trollten sich wieder, doch Benjamin blieb noch bei Flora stehen.

„Wollen wir vorher mal einen Kaffee zusammen trinken?“, fragte er. „Dann fühlt sich das für dich am nächsten Sonntag nicht so fremd an, weil du wenigstens mich schon ein bisschen kennst.“

„Gern“, antwortete Flora. „Wann denn?“

Er lachte plötzlich. „Wie wäre es mit gleich? Ich müsste nur schnell nach Hause und duschen, aber das kann ich in Windeseile erledigen.“

„Wo wohnst du denn?“

„Keine fünf Minuten von hier entfernt, mit dem Fahrrad.“

„Dann warte ich“, sagte Flora. „Ich setze mich so lange da drüben auf eine Bank und lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen.“

Plötzlich sah er besorgt aus.

„Du läufst mir doch nicht weg und verschwindest so schnell wieder aus meinem Leben, wie du aufgetaucht bist?“

Jetzt war es Flora, die lachte.

„Keine Sorge, ich bin nicht der wankelmütige Typ“, versicherte sie. „Wenn ich sage, ich warte, dann mache ich das auch.“

„Bis gleich also.“

Er rannte zu seinem Fahrrad, schwang sich darauf und trat so wild in die Pedale, dass Flora wieder lachen musste. Sie suchte sich eine Bank, die sie für sich allein hatte, rutschte so weit nach unten, dass sie den Kopf auf die Lehne legen und die Beine lang ausstrecken konnte, und schloss die Augen. Die Sonne hatte bereits erstaunliche Kraft, und Flora war froh, dass sie vorsichtshalber Sonnencreme aufgetragen hatte.

Als Benjamin zurückkam, fragte sie sich, ob es wirklich möglich war, dass er in der kurzen Zeit zu Hause gewesen war, geduscht und sich umgezogen hatte.

„Bist du geflogen?“, fragte sie, während sie sich wieder in eine aufrecht sitzende Position schob.

„Ich habe doch gesagt, es geht schnell.“ Er setzte sich neben sie. „Und was machen wir jetzt? Wir könnten natürlich hier im Englischen Garten bleiben und versuchen, irgendwo draußen einen Tisch zu ergattern. Oder wollen wir zuerst noch ein bisschen herumlaufen?“

„Nichts dagegen“, erwiderte Flora. „Erzähl mal: Was machst du, wenn du nicht gerade Fußball spielst?“

„Ich bin Sportlehrer“, antwortete er. „Sport und Mathematik, um genau zu sein. Für mich ist das die ideale Kombination. Das eine trainiert den Körper, das andere das Gehirn.“

„Klingt gut“, fand Flora.

„Und du?“

„Ich bin Physiotherapeutin, noch angestellt. Aber irgendwann will ich mich selbstständig machen.“

„Du bist ja mutig“, fand Benjamin. „Selbstständigkeit wäre nichts für mich, da hätte ich immer Angst, dass nicht genug Geld hereinkommt.“

„Die Angst habe ich natürlich auch, aber es gibt so vieles, was ich anders machen würde als meine Chefin. Außerdem will ich mich nicht allein selbstständig machen, sondern zusammen mit einer Kollegin, die ähnliche Vorstellungen hat wie ich. Das ist auch noch nicht spruchreif, vielleicht nächstes oder übernächstes Jahr. Zuerst müssen wir Erfahrungen sammeln, wir wollen auf jeden Fall gut vorbereitet sein. Aber manchmal sitzen wir zusammen, Saskia und ich, und spinnen rum. Das macht Spaß und tut gut, wenn uns in der Praxis wieder einmal etwas gegen den Strich gegangen ist.“

Nachdem sie eine Stunde herumgelaufen waren, steuerten sie ein Café an, in dessen Garten gerade ein Tisch frei wurde, als sie sich näherten.

„Scheint ein Glückstag zu sein“, bemerkte Benjamin.

„Weil da jetzt ein Tisch frei geworden ist? Du bist aber bescheiden.“

„Wir haben außerdem Verstärkung für unsere Fußballmannschaft gefunden, und ich habe dich kennengelernt. Also, was mich betrifft, reicht das völlig, um von einem Glückstag zu reden.“

Er sprach so heiter und unbefangen wie zuvor, und doch war jetzt ein neuer Ton in seiner Stimme, und in seinen Blick hatte sich ein Ernst geschlichen, der ebenfalls neu war. Floras Herzschlag beschleunigte sich.

Benjamin griff nach ihrer Hand.

„Flora“, sagte er.

„Ja?“

„Ich … ich wollte nur sagen, ich bin gern mit dir zusammen, und deshalb bin ich froh, dich kennengelernt zu haben.“

„Das bin ich auch“, erwiderte sie leise.

„Darf ich das überhaupt?“, fragte er. „Ich meine, deine Hand halten? Wir haben uns immerhin gerade erst kennengelernt.“

„Ich finde es schön“, antwortete sie wahrheitsgemäß.

Als er lächelte, lächelten auch seine Augen. Ein Teil der Anspannung, die sie plötzlich in seinem Gesicht gelesen hatte, verflog.

„Dann ist es gut“, sagte er. „Ich finde es nämlich auch schön, so hier mit dir zu sitzen, dich nach deinem Leben auszufragen, dir von meinem zu erzählen und …“

Sie hätte gern gewusst, was er noch hatte sagen wollen, doch er schwieg sich aus. Nur der Druck, mit dem er ihre Hand umschlossen hielt, wurde stärker. Als ihr Kaffee serviert wurde, ließ er sie nur zögernd los.

Sie nippten beide am Kaffee, schauten sich über die Ränder ihrer Tassen an, lächelten und schwiegen noch immer. Ab und zu sagte Flora ein Wort oder Benjamin einen Halbsatz, aber sie verstummten schnell wieder. Es war schöner, sich nur mit Blicken zu unterhalten.

Ganz plötzlich war es da gewesen, dieses schwebende Gefühl, das sich nur einstellt, wenn man weiß, dass sich etwas Entscheidendes ereignet hat: Das alte Leben gehört der Vergangenheit an, etwas Neues beginnt. Etwas Neues, von dem man noch nicht weiß, wie es aussehen und sich entwickeln wird, das einen aber bereits auszufüllen beginnt und dafür sorgt, dass man ein paar Zentimeter über dem Erdboden schwebt.

„Gehen wir?“, fragte Benjamin, als sie ihre Tassen geleert und bezahlt hatten.

Flora nickte. Ganz von selbst legte sich sein Arm um ihre Schultern, während sich ihrer um seine Hüfte schlang. Sie blieben erst stehen, als sie sich weitgehend allein auf einem der zahlreichen Wege wiederfanden, die durch den Englischen Garten führen.

„Flora“, sagte Benjamin.

Sie sah zu ihm auf und lächelte, als sie ihre Arme um seinen Hals schlang. Als sie sich küssten, fühlte es sich fremd und vertraut zugleich an. Aufregend fremd und wunderbar vertraut.

***

Stefan Frank saß mit seiner Freundin Alexandra Schubert und seinen Freunden Ruth und Ulrich Waldner auf deren Dachterrasse, von der aus man auf den Englischen Garten in München-Schwabing blickte. Später würden sie zusammen zu Abend essen, aber jetzt genossen sie das beinahe sommerliche Wetter und die Tatsache, dass keiner von ihnen an diesem Sonntag arbeiten musste.

Ulrich leitete die Waldner-Klinik, über der sich das Penthaus befand, das er mit seiner Frau bewohnte. Auch Ruth arbeitete in der Klinik, als Anästhesistin. Stefan Frank, seit langen Jahren mit Ulrich befreundet, hatte Belegbetten in der Klinik, obwohl sich seine Praxis in Grünwald befand.

Dass er eine recht weite Anfahrt hatte, wenn er seine stationär aufgenommenen Patienten besuchen wollte, nahm er gern in Kauf, denn die Zusammenarbeit mit Ruth und Ulrich hatte sich über die Jahre bewährt. Er vertraute ihnen und ihrem Ärzteteam hundertprozentig. Außerdem gefiel es ihm, dass Ulrich nicht nur Privatpatienten aufnahm, sondern bemüht war, seine Klinik allen zu öffnen.

„Was für ein wundervoller Sonntag“, sagte Ulrich gerade und streckte sich genüsslich auf seinem Liegestuhl aus. „Gut, dass wir die Möbel rausgestellt haben, Ruth.“

„Um diese Dachterrasse beneide ich euch“, gestand Alexandra. „Sie ist nicht nur groß, ihr habt auch noch diesen tollen Blick, der wirklich unbezahlbar ist.“

Alexandra war die Jüngste in diesem Quartett, zu dem sie noch gar nicht so lange gehörte. Anfang vierzig war sie jetzt, aber niemand, der sie sah, hielt sie für älter als fünfunddreißig. Sie war als Fachärztin für Augenheilkunde in die Praxis einer älteren Kollegin eingestiegen und hatte sich, nach ihrem Umzug von Hamburg nach München, sehr rasch eingelebt. Mit ihren hellbraunen Locken, den lebhaften Augen und der biegsamen Figur war sie sehr hübsch, und sie hatte Stefan Franks Leben innerhalb kürzester Zeit von Grund auf verändert.

Er war vorher nicht einsam gewesen – das konnte ein Mann, der sich so hingebungsvoll seinen Patienten widmete wie er, niemals sein –, aber sein Leben hatte eben überwiegend aus Arbeit bestanden. Nun hatte er wieder ein erfülltes Liebes- und Privatleben, und seine Patienten freuten sich mit ihm, hatten sie doch das Gefühl, dass ihnen das neue Glück ihres verehrten Hausarztes durchaus zugute kam. Jedenfalls nahmen sie regen Anteil daran, und er hatte nicht einmal etwas dagegen. Im Gegenteil, er freute sich sogar darüber.

Ulrich erhob sich.

„Kann ich jemandem noch ein erfrischendes Getränk mitbringen?“, fragte er. „Ich brauche jedenfalls noch eins.“

Ruth reichte ihm mit einem Lächeln ihr leeres Glas, auch Alexandra schloss sich an. Stefan lehnte dankend ab, er musste später ja noch fahren, und das ‚erfrischende Getränk‘ enthielt nicht nur Orangensaft, sondern auch Alkohol.

Normalerweise unterhielten sie sich lebhaft, wenn sie sich trafen, doch an diesem Sonntag waren alle vier eher schweigsam. Sie hatten harte Wochen hinter sich, der Winter hatte jedem von ihnen zugesetzt.

Im Winter waren mehr Menschen krank, und in den Wartezimmern der Ärzte herrschte Hochbetrieb. Die Klinik hatte mit einer der schwersten Grippe-Epidemien seit Jahren zu kämpfen gehabt, und so kam dieser warme, sonnige Tag ihnen wie gerufen. Er fühlte sich an wie ein Urlaubstag, mit der Verheißung weiterer sonniger Tage, die sie ebenfalls würden genießen können.

Aber als hätte jemand beschlossen, dass es nun genug des Guten sei, unterbrach ein schrilles Telefonklingeln die behagliche Stimmung auf der Dachterrasse.

Ulrich nahm das Gespräch entgegen, und die anderen drei kannten ihn gut genug, um zu wissen, dass der gemütliche Tag beendet war, als sie sein Gesicht sahen und die knappen Fragen hörten, die er stellte.

„Ein junger Mann mit Herzinfarkt“, sagte er, als das Gespräch beendet war. „Sportler, ist beim Joggen zusammengebrochen. Falls er operiert werden muss, werde ich das übernehmen, wartet nicht auf mich.“

„Ach, Uli!“, sagte Ruth unglücklich. „Soll ich nicht auch …“

„Nein“, erwiderte er. „Du bleibst hier. Vielleicht ist eine Operation gar nicht nötig, dann bin ich bald wieder da.“

„Tut mir leid“, sagte Ruth zu ihren Gästen. „Aber ihr wisst ja, wie das ist.“ An Alexandra gewandt, setzte sie hinzu: „Das ist der Preis, den wir für die Wohnung und die Dachterrasse direkt über der Klinik bezahlen, Alexa. Normalerweise macht es uns nichts aus, praktisch immer verfügbar zu sein – zumal unsere Angestellten uns wirklich nur rufen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Aber es gibt Tage, und dieser ist so einer, da wünschte ich mir, wir wohnten weit weg, sodass uns niemand aus der Ruhe reißen kann, wenn wir sie endlich einmal gefunden haben.“

Ulrich kehrte bereits eine halbe Stunde später auf die Dachterrasse zurück.

„Du musstest also nicht operieren?“, fragte Stefan seinen Freund.

Der ließ sich mit verschlossenem Gesicht wieder auf seinem Liegestuhl nieder.

„Wir konnten nichts mehr tun“, antwortete er. „Der junge Mann war schon tot, bevor wir den OP erreicht haben. Plötzlicher Herztod. Er schien gesund und fit zu sein. Ein Rätsel.“

„Ach, Uli“, rief Ruth und tastete nach seiner Hand.

Alexandra und Stefan blieben noch zum Essen, weil Ruth und Ulrich sie inständig darum baten, aber die entspannte Stimmung, die vor dem Telefonanruf geherrscht hatte, stellte sich nicht wieder ein. Sicher, sie waren alle vier Mediziner, und es gab Leute, die glaubten, man müsse sich in diesem Beruf daran gewöhnen, dass ab und zu ein Patient starb. Doch so war es nicht, jedenfalls nicht für sie: Sie würden sich niemals daran gewöhnen.

***

„Verliebt?“, fragte Saskia Memelt so laut, dass Flora ihr zuzischte: „Schrei doch nicht so! Es muss ja nicht gleich die ganze Praxis mitbekommen.“

„Entschuldige“, erwiderte Saskia erschrocken. „Ich war nur so überrascht … In wen denn? Du hast gar nicht erwähnt, dass es einen Kandidaten gibt.“

Saskia war die Kollegin, mit der Flora sich in absehbarer Zeit selbstständig machen wollte. Sie war eine patente Person, die schon früh Verantwortung hatte übernehmen müssen: Sie hatte fünf jüngere Geschwister, denen sie die Mutter hatte ersetzen müssen, nachdem diese bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Mittlerweile waren alle „aus dem Gröbsten raus“, wie Saskia das nannte, aber ihr jüngster Bruder war erst sechzehn und gab doch ab und an noch Anlass zur Sorge.

Saskia jedenfalls lebte noch im Elternhaus, weil sie ihren Vater nicht mit dem Bruder allein lassen wollte, aber sie träumte von einer eigenen Wohnung.

„Die Vorstellung, ich könnte abends einfach die Tür hinter mir zumachen, mich auf mein Sofa fallen lassen, mir vielleicht eine Pizza bestellen und sonst gar nichts mehr tun, ist einfach zu schön“, hatte sie schon oft zu Flora gesagt.

„Dann zieh aus“, sagte Flora dann immer. „Dein Vater wird auch allein mit deinem Bruder fertig, und deine anderen Geschwister sind jetzt alt genug, um auch mal Verantwortung zu übernehmen.“

Aber Saskia zögerte noch, und manchmal fragte sich Flora, ob sie den Absprung jemals schaffen würde. Für ihre Familie war es natürlich überaus bequem, dass Saskia immer zur Stelle war, wenn sie gebraucht wurde. Ihr Vater allerdings hatte ihr schon mehrmals zum Auszug geraten.

„Ich komme klar, und Benny wird es lernen müssen, ohne Kindermädchen auszukommen.“

„Es gab ja auch gar keinen Kandidaten“, erwiderte Flora jetzt auf Saskias Bemerkung. „Ich habe ihn doch gestern erst kennengelernt.“

„Gestern …“ Saskia war erst einmal sprachlos, das kam bei ihr nicht oft vor. Sie war, im Gegensatz zur blonden, schmalen Flora, stämmig und rothaarig, mit einem hübschen runden Gesicht voller Sommersprossen.

„Ja, gestern“, bestätigte Flora und erzählte nun endlich von dem Ball, der ihr direkt vor die Füße gerollt war – und wie sie ihn dann zu Benjamin zurückgeschossen hatte. „Na ja, und dann hat er gefragt, wie es mit einem Kaffee wäre, er müsste nur schnell duschen …“

„Und du bist gleich mit ihm unter die Dusche?“ Saskias Augen waren kugelrund.

„Was du aber auch gleich immer denkst! Nein, natürlich nicht. Ich habe auf ihn gewartet. Er hat keine zwanzig Minuten gebraucht, dann war er wieder da, frisch und munter, und wir sind noch ein bisschen spazieren gegangen und dann in ein Café.“

„Und dann?“

„Du bist aber wirklich sehr neugierig“, wies Flora ihre Freundin zurecht, aber es war klar, dass sie gegen Saskias Fragen nichts einzuwenden hatte. „Dann haben wir uns geküsst, aber mehr war nicht. Er hätte natürlich gern, und ich eigentlich auch, aber das war mir dann doch zu schnell.“

„Mannomann“, murmelte Saskia, „kaum lässt man dich mal einen Sonntag allein, schon ändert sich dein Leben.“

„Könnte sein, ja.“ Flora lächelte verträumt. „Weißt du, was mir zuerst an ihm aufgefallen ist? Sein nettes Lächeln. Und dann seine Augen – natürlich erst, als ich ihn aus der Nähe gesehen habe. Jedenfalls spiele ich nächsten Sonntag in seiner Mannschaft mit. Die Jungs haben mich gefragt, sie brauchen Verstärkung.“

„Ich vergesse immer, dass du mal Fußball gespielt hast. Das passt eigentlich gar nicht zu dir.“

„Wieso nicht?“, fragte Flora.

„Weil du so zart und zierlich bist. Fußball ist doch eine ziemlich robuste Sportart.“

„Ich war ziemlich robust“, erklärte Flora. „Jetzt bin ich natürlich untrainiert, aber wenn ich wieder regelmäßig spiele, ändert sich das schnell, du wirst schon sehen.“

„Hoffentlich bist du dann nicht dauernd verletzt“, sagte Saskia besorgt.

„Das ist doch kein Profifußball, wo der Gegner dich so hart attackiert, dass du um deine Gesundheit fürchten musst.“ Flora lachte herzlich. „Ich war erst ein einziges Mal verletzt, da bin ich blöd gestürzt, es war sogar meine eigene Schuld. Mach dir da mal keine Sorgen.“

„Und wann seht ihr euch wieder?“

„Heute, er holt mich ab.“

„Und dann?“ Saskias Augen leuchteten hoffnungsvoll auf.

„Du bist wirklich unverbesserlich! Ich weiß noch nicht, was dann passiert, ich lasse das auf mich zukommen.“

An dieser Stelle wurden sie von ihrer Chefin Marion Kumpfmüller unterbrochen, die so plötzlich neben ihnen auftauchte, dass sie erschraken.

„Eure Patienten sind da“, sagte sie knapp, bevor sie wieder verschwand.

„Dicke Luft“, raunte Saskia Flora zu. „Sie hat Stress mit ihrem Ex, weil der die Kinder am nächsten Wochenende nicht nehmen will.“

Flora hatte keine Ahnung, woher Saskia das schon wieder wusste. Über solche Dinge, die sie selbst nur am Rande interessierten, war Saskia immer bestens informiert. Aber was ging sie der Ex ihrer Chefin an?

Sie eilte in den Warteraum, um ihren Patienten zu begrüßen. Frederik Krone war ein massiger Mann von Mitte vierzig, der über starke Rückenschmerzen klagte. Flora hätte ihm gern eine Diät und ein gezieltes Sportprogramm empfohlen, doch das war, wie Marion Kumpfmüller ihr deutlich gesagt hatte, nicht ihre Aufgabe.

„Wenn sein Arzt ihm Krankengymnastik und Massagen verschreibt, ist das gut für uns. Also mach, was auf dem Rezept steht, und halt dich gefälligst ansonsten raus! Gesunde Menschen bringen uns kein Geld, merk dir das.“

Marion war die Chefin, und so tat Flora, was sie konnte, um wenigstens die Symptome ihres Patienten zu lindern, obwohl sie lieber die Ursachen seiner Schmerzen bekämpft hätte.

„Können Sie mir einen Hausarzt empfehlen, Frau Elias?“, fragte Frederik Krone am Ende der Behandlung zu ihrer Verwunderung. „Ich bin mit meinem unzufrieden. Der verschreibt mir nur immer wieder Krankengymnastik, das ist alles. Aber ich würde auch gern selbst etwas tun. Nichts gegen Ihre Arbeit, Sie machen das sehr gut, immer wenn ich hier war, geht es mir eine Weile besser, aber es muss doch auch etwas geben, was ich selbst tun kann, oder?“

„Oh ja“, sagte Flora erfreut, behielt ihre diesbezüglichen Ideen aber erst einmal für sich.

Wenn sie Herrn Krone zu ihrem Hausarzt schickte, würde der ihm schon sagen, was er zu tun hatte, da war sie ganz sicher.

„Mein Hausarzt ist Dr. Frank, er hat seine Praxis in Grünwald“, sagte sie leise. „Dr. Stefan Frank, Gartenstraße. Offiziell darf ich keine Empfehlungen abgeben, das verstehen Sie sicher, aber ich bin mit Herrn Dr. Frank sehr zufrieden. Er ist der Beste, und er wird Ihnen auch sagen, was Sie außer Krankengymnastik noch tun können.“

Frederik Krone bedankte sich herzlich bei ihr.

„Dann bis zum nächsten Mal“, sagte er, als er sich verabschiedete. „Ich werde Ihnen Bericht erstatten, wie mein Besuch bei Herrn Dr. Frank verlaufen ist, Frau Elias.“

***

„Herr Sindermann?“, fragte Patrick Holm.

Benjamin sah den Sechzehnjährigen an.

„Ja?“, fragte er. „Was ist denn?“

An Patricks verwirrtem Blick sah er, dass das die falsche Reaktion gewesen war. Verflixt, er musste sich endlich konzentrieren, sonst würde dieser Schultag eine Katastrophe werden. Jetzt war große Pause, und er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, wie er die ersten Stunden hinter sich gebracht hatte. Er hatte eigentlich immer nur an Flora denken können.

„Sie haben am Freitag gesagt, Sie müssten mal in Ruhe mit mir reden“, erinnerte Patrick ihn.

Benjamin riss sich zusammen, immerhin erinnerte er sich an dieses Gespräch, das er vor dem Wochenende im Vorbeigehen mit dem Jungen geführt hatte. Patrick war ein Mathe-Genie und eine Sport-Niete, Benjamin unterrichtete ihn in beiden Fächern, was sich mittlerweile zu einem Problem auswuchs.

„Ich muss dir in Sport eine Sechs geben, wenn das so weitergeht“, sagte er. „Natürlich will ich das nicht, also möchte ich mit dir besprechen, wie wir das ändern können.“

„Wir?“, fragte Patrick. „Mein Körper ist ungeeignet für Sport, das sieht man doch.“

„Kein Körper ist ungeeignet für Sport“, widersprach Benjamin. „Aber wenn man sich natürlich mit Bedacht ein Kilo nach dem anderen – entschuldige bitte – anfrisst, wird man irgendwann so unbeweglich, dass nichts mehr geht. Das ist schon richtig. Du musst damit aufhören, Patrick.“

„Das sagen mir meine Eltern auch ständig.“

„Und recht haben sie.“

„Weiß ich ja. Aber wenn ich diese komplizierten Matheaufgaben löse, brauche ich Nahrung fürs Gehirn, und dann stopfe ich die ganze Zeit etwas in mich hinein.“

Benjamin hatte Patrick ermutigt, sich an allen möglichen Mathematik-Wettbewerben zu beteiligen, was er auch tat. Etliche hatte er bereits gewonnen. Er war auch in anderen Fächern überdurchschnittlich gut, eine Klasse hatte er bis jetzt übersprungen, vermutlich würde er demnächst eine weitere überspringen.

„Dann hör auf damit“, sagte er barsch. „Du ruinierst dir nämlich deine Zukunft als Mathematiker, wenn du so weitermachst. Wie viel wiegst du jetzt?“

Patrick schob seine Unterlippe vor.

„Hundertfünfunddreißig“, sagte er leise.

„Hundertfünfunddreißig Kilogramm bei einer Körpergröße von ungefähr einem Meter und achtzig“, stellte Benjamin fest.

Der Junge wich seinem Blick aus.

„Ich weiß ja“, begann er, doch Benjamin ließ ihn nicht ausreden.

„Ich gebe dir hiermit eine Sonderaufgabe, die du lösen musst, wenn du deine Eins in Mathematik behalten willst“, sagte er. „Ich will, dass du ein ausgeklügeltes Diätprogramm für dich entwickelst, aufgrund von genauesten Berechnungen deiner Energiezufuhr pro Tag und so weiter und so fort. Du wirst ausrechnen, wie lange du brauchst, bis du mit der Diät zehn Kilo, dann zwanzig, dann dreißig und so weiter abgenommen hast. Ist das klar?“

„Das hat aber mit Mathematik nichts zu tun“, widersprach Patrick.

„Dann entwickele das Programm so, dass es doch etwas damit zu tun hat. Du hast zwei Wochen Zeit. Der Zeitplan fürs Abnehmen sollte nicht zu ehrgeizig sein, schnelles Abnehmen ist nicht nachhaltig. Aber ich will Resultate sehen: auf dem Papier und an deinem Körper. Außerdem schreibst du dich gefälligst sofort in einem Fitnessstudio ein und nimmst dort an Kursen teil. Ich dulde nicht, dass du dich in meinen Sportstunden weiter wie ein nasser Sack aufführst.“

„Ein nasser Sack kann sich nicht aufführen“, sagte Patrick, besserwisserisch wie immer.

„Du hast mich schon verstanden, schätze ich. Und jetzt zisch ab, beweg dich. Das könnte ein guter Anfang für dein Projekt sein.“

„Es ist nicht mein Projekt, es ist Ihrs“, murrte Patrick. „Ich werde meinen Eltern sagen, dass sie sich über Sie beschweren sollen.“

„Und du glaubst, dass du damit Erfolg hättest?“

„Nein.“

„Na also. Sie werden mir die Füße küssen, wenn sie hören, dass ich anfange, dich unter Druck zu setzen.“

„Das glaube ich nun wieder nicht“, sagte Patrick. „Aber es könnte sein, dass sie sich auf Ihre Seite schlagen.“

„Worauf du dich verlassen kannst. Ich bin sehr gespannt auf deine Vorschläge, Patrick.“

Der Junge warf ihm einen so trübseligen Blick zu, dass Benjamin sich ein Lachen nur mühsam verkneifen konnte. Patrick schlurfte davon wie ein sehr alter Mann, er sah nicht nach links und nicht nach rechts. Freunde hatte er kaum, und das lag, wie Benjamin wusste, weniger an Patricks Hochbegabung als an seinem trägen Körper.

Es schellte bereits zum Ende der Pause, und wieder kam ihm Flora in den Sinn. Die hübsche, zierliche Flora mit den langen blonden Haaren und dem überraschend starken linken Fuß …

Was für ein Glück, dass er gestern das Fußballspielen nicht geschwänzt hatte! Er war durchaus in Versuchung gewesen, den ersten richtig schönen warmen Tag gemütlich ausgestreckt auf seinem Balkon zu verbringen und einfach einmal gar nichts zu tun. Aber da er wusste, dass sie ohnehin immer zu wenige Leute waren, hatte er sich dann doch aufgerafft.

Und Flora kennengelernt.

***

„Da ist ein neuer Patient, Chef“, sagte Martha Giesecke am späteren Montagmorgen leise zu Stefan Frank. „Frederik Krone heißt er, er klagt über erhebliche Rückenprobleme. Er hat vorhin erst angerufen, aber weil ja Frau Gehring ihren Termin abgesagt hat, dachte ich, wir könnten ihn einschieben.“

„Natürlich. Was macht der Mann denn für einen Eindruck auf Sie, Schwester Martha?“

Stefan Frank hatte diese Frage mit Bedacht gestellt. Martha Giesecke, seit vielen Jahren seine Sprechstundenhilfe und in dieser Zeit in Ehren ergraut, hatte im Lauf der Zeit einen scharfen Blick und enorme Menschenkenntnis entwickelt. Kannte sie Patienten besser, wurde ihr zudem vieles anvertraut. Nichts davon vergaß sie jemals, sie war, wie Stefan manchmal scherzhaft sagte, ein lebendes Archiv.

„Sein Hausarzt hat ihm Krankengymnastik gegen die Rückenschmerzen verschrieben. Etwas anderes, behauptet der Arzt, könnte man nicht machen. Es sei denn, Herr Krone würde sich einer Bandscheibenoperation unterziehen, aber das will er auf keinen Fall. Heute Morgen war er bei der Krankengymnastik, und deshalb, sagt er, geht es ihm im Augenblick ganz gut, aber er wüsste schon, dass das nicht lange so bleiben würde.“

„Und weiter?“

„Er muss abnehmen, und er muss sich mehr bewegen, das alte Lied“, erwiderte Martha Giesecke.

Stefan dankte ihr und bat sie, Frederik Krone hereinzurufen. Als der neue Patient mit schwerfälligen Schritten auf ihn zukam, sah Dr. Frank bereits, dass seine Mitarbeiterin den Zustand des Patienten zutreffend beschrieben hatte. Er schätzte Frederik Krone auf höchstens fünfundvierzig Jahre. In dem Alter hatten gesunde Menschen einen ganz anderen Gang. Dieser Patient hier ging wie ein alter Mann.

„Guten Tag, Herr Krone, ich bin Dr. Frank.“

„Sie sind mir empfohlen worden“, erwiderte sein neuer Patient. „Von meiner Krankengymnastin, Frau Elias. Sie hat gesagt, sie fühlt sich bei Ihnen gut aufgehoben.“

„Ach, bei Frau Elias sind Sie? Sie ist sehr tüchtig in ihrem Beruf.“

„Das ist sie, aber ich glaube, sie darf nicht so, wie sie gern möchte. Mir gefällt die Chefin in dem Laden nicht. Die macht immer den Eindruck, als ginge es ihr vor allem ums Geldverdienen und weniger darum, den Leuten zu helfen, die mit ihren Beschwerden zu ihr kommen.“

Das deckte sich mit Stefan Franks Einschätzung, doch das sagte er nicht laut.

„Sie haben also Rückenschmerzen. Waren Sie mal in der Röhre?“

„Mehrfach, es sind Bandscheibenschäden vorhanden, aber einen Vorfall hat es noch nicht gegeben. Mein bisheriger Hausarzt hält eine Operation in absehbarer Zeit für unumgänglich.“

„Haben Sie die Bilder bei sich?“

Frederik Krone nickte und zog sie aus einer Tasche. „Hier, bitte.“

Stefan studierte die Bilder ausgiebig, das letzte war eine ziemlich neue Aufnahme.

„Gut, weitere Bilder werden nicht erforderlich sein“, sagte er. „Ich schlage vor, ich untersuche Sie erst einmal gründlich, und dann sehen wir weiter.“

Er ließ sich Zeit bei der Untersuchung.

„Bevor Sie gehen, brauchen wir noch Blut und Urin für eine gründliche Laboranalyse“, sagte er dann endlich. „Sie arbeiten im Büro?“

„Ja, Finanzbuchhaltung, ich sitze mehr oder weniger den ganzen Tag vor dem Computer.“

„So ähnlich habe ich mir das vorgestellt. Erzählen Sie mir doch mal, wie Sie sich ernähren.“

„Nicht sehr gesund, fürchte ich. Morgens habe ich meistens zu wenig Zeit, da trinke ich nur schnell ein paar Tassen Kaffee, damit ich in Schwung komme. Na ja, dann kaufe ich mir in der Bäckerei ein Kuchenteilchen, das esse ich gegen zehn, halb elf. Mittags wird es oft eine Pizza vom Lieferdienst, das geht schnell und kostet keine Zeit. Und abends …“ Er lächelte verlegen.

„Abends hauen Sie dann richtig rein.“

„Stimmt genau.“ Frederik Krone war froh, dass Stefan ihm die Worte aus dem Mund genommen hatte. „Da esse ich richtig, mit Zeit und auch mit Vergnügen. Dazu meist ein, zwei Bier, danach schlafe ich besser.“ Er unterbrach sich. „Wieso fragen Sie? Meine Rückenschmerzen können doch nicht vom Essen kommen, oder?“

„Sie hängen jedenfalls mit Ihrer Lebensweise zusammen“, stellte Stefan Frank fest. „Sie wiegen zu viel, und Sie bewegen sich zu wenig. Sport treiben Sie überhaupt nicht?“

„Sie wissen doch, Sport ist Mord, Herr Dr. Frank.“

„Leider ganz falsch. Sie haben keine Kraft in den Muskeln, die Ihre Wirbelsäule stützen sollten. Das sieht man unter anderem an Ihrer Körperhaltung.“

„Ja, die ist schlecht, ich weiß, das hat mir Frau Elias auch schon gesagt“, murmelte der Patient.

„Sie werden Ihre Lebensweise umstellen müssen, fürchte ich. Sind Sie dazu bereit?“

Der Patient sah ihn verblüfft an.

„Wenn Sie denken, das würde etwas nützen, bin ich natürlich dazu bereit“, versicherte er.

„Dann werde ich Ihnen jetzt zuerst einmal einen kleinen Vortrag über Ihre zukünftige Ernährung halten. Außerdem beginnen wir mit einem maßvollen Sportprogramm und einigen Verhaltensregeln für den Alltag. Zum Beispiel die Art und Weise, wie Sie Ihre schwere Tasche tragen: Das geht gar nicht. Kaufen Sie sich einen Rucksack, der gleichmäßigen Belastung wegen.“

„Aber …“

„Jetzt rede ich. Ihre Einwände höre ich mir später an.“

Aber es gab keine Einwände mehr.

„Das ist zu viel auf einmal, Herr Doktor!“, sagte Frederik Krone matt, als Stefan Frank aufhörte zu sprechen.

„Ach, das wirkt nur am Anfang so. Wenn Sie sich erst einmal an den Gedanken gewöhnt haben, dass Sie ab jetzt ein neues Leben führen, wird es Ihnen irgendwann sogar Spaß machen – besonders, wenn sich die ersten Erfolge einstellen. Und ich versichere Ihnen: Die werden nicht lange auf sich warten lassen. Kein Fahrstuhl mehr, keine kurzen Wege mit dem Auto, kein falsches Bücken, kein falsches Tragen – innerhalb weniger Tage haben Sie das verinnerlicht, Sie werden schon sehen.“

Stefan Frank rief nach Martha Giesecke, damit sie dem Patienten Blut abnahm und ihn zur Urinabgabe schickte.

„Bitte, machen Sie für nächste Woche einen weiteren Termin aus, Herr Krone“, sagte er. „Dann besprechen wir die Laborergebnisse und alles Weitere. Sie werden, schätze ich, am Anfang ein wenig Unterstützung brauchen beim Abschied von schlechten alten Gewohnheiten.“

„Das schätze ich auch, Herr Dr. Frank.“

Wenig später betrat Martha Giesecke erneut das Sprechzimmer.

„Hatte ich recht?“, fragte sie.

„Das haben Sie doch eigentlich immer, Schwester Martha. Aber er wird es schaffen, denke ich, er will ja unbedingt selbst etwas tun.“

Martha Giesecke nickte und kündigte ihm den nächsten Patienten an.

***

„Ist er das?“, fragte Saskia, als Flora und sie die Praxis verließen.

„Ja, das ist er. Aber bis ich dich vorstelle, musst du dich noch ein bisschen gedulden, okay?“

„Okay. Bis morgen, Flora.“ Saskia grinste. „Ich wünsche dir einen schönen Abend.“

Flora errötete, bevor sie sich abwandte und auf Benjamin zulief. Er war ebenso verlegen wie sie, aber als sie direkt voreinander standen, breitete er einfach die Arme aus, und sie ließ sich hineinfallen.

„Ich konnte mich kaum auf meinen Unterricht konzentrieren“, sagte er, bevor er sie küsste.

Flora wusste genau, dass Saskia noch irgendwo stand und sie beobachtete, aber es war ihr gleichgültig. Saskia wusste ja ohnehin Bescheid, und über kurz oder lang würde sie Benjamin kennenlernen. Dass allerdings auch Marion Kumpfmüller womöglich an einem der Fenster stand, gefiel ihr weniger.

„Du riechst gut“, murmelte er.

„Ich? Jetzt?“ Sie musste lachen. „Das kann ich mir nicht vorstellen, Benjamin, ich komme manchmal bei der Arbeit richtig ins Schwitzen.“

„Du riechst gut“, wiederholte er. „Und wenn du geschwitzt hast, dann riecht eben auch dein Schweiß gut.“ Er küsste sie wieder.

„Lass uns gehen“, bat sie. „Ich will hier so schnell wie möglich weg.“

„Und wohin gehen wir?“, fragte er, und sein Blick ließ sie erröten.

„Zu mir, wenn du willst.“

„Ich will alles, was du willst. Warum willst du hier weg?“, fragte er, als sie Hand in Hand den Weg zu Floras Wohnung einschlugen.

„Zu viele Leute, die uns beobachten.“

„Kolleginnen und Kollegen?“

„Und vielleicht auch meine Chefin. Die braucht über mein Privatleben nichts zu wissen.“

„Du magst sie nicht besonders, oder?“, fragte Benjamin.

Flora dachte nach.

„Stimmt“, antwortete sie schließlich. „Ich habe so direkt noch nicht darüber nachgedacht, aber ich mag vor allem ihre Berufseinstellung nicht. Sie ist nicht daran interessiert, die Patienten so schnell wie möglich gesund zu machen, denn dann verdient sie ja nichts mehr an ihnen. Und genau so sagt sie das auch zu uns. Ich denke, was sie macht ist dumm, denn über kurz oder lang werden die Leute nicht mehr zu ihr kommen wollen, weil sie merken, dass es immer nur kurzfristig etwas bringt.“

„Wie lange arbeitest du schon bei ihr?“

„Seit zwei Jahren, damals hat sie die Praxis aufgemacht, sie ist gleich ziemlich groß eingestiegen. Aber ich habe Saskia über sie kennengelernt, und sie ist meine beste Freundin geworden.“

„Mit ihr willst du dich selbstständig machen?“

„Ja, genau.“

Benjamin blieb stehen, sobald die Praxis nicht mehr zu sehen war.

„Hier können sie uns nicht mehr beobachten“, sagte er leise. „Ich muss dich unbedingt alle paar Meter küssen, nachdem ich während des Unterrichts ständig nur daran denken konnte.“

Flora lachte leise. Alles fühlte sich so leicht und unbeschwert an, sie hatte das Gefühl, dass sie beim Laufen kaum den Boden berührte.

Ich bin auf Wolke sieben, dachte sie, als sie Benjamins warme Lippen einmal mehr auf ihren spürte.

Seine Zunge spielte mit ihrer, und seine rechte Hand glitt zärtlich ihren Rücken hinunter. Nur unter Aufbietung all ihrer Willenskraft schaffte sie es, sich von ihm zu lösen.

Als sie ihm in die Augen sah, verlor sie sich in seinem Blick.

„Flora“, sagte er, und seine Stimme klang heiser.

Von da an setzten sie ihren Weg sehr viel schneller fort.

***

„Hallo, Uli“, sagte Stefan Frank, als er sich abends, nachdem er seinen Patienten in der Klinik den täglichen Besuch abgestattet hatte, im Chefbüro niederließ, um mit seinem Freund noch einen Kaffee zu trinken.