Dr. Stefan Frank Sammelband 5 - Arztroman - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank Sammelband 5 - Arztroman E-Book

Stefan Frank

0,0
2,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

3 spannende Arztromane lesen, nur 2 bezahlen!

Dr. Stefan Frank - dieser Name bürgt für Arztromane der Sonderklasse: authentischer Praxis-Alltag, dramatische Operationen, Menschenschicksale um Liebe, Leid und Hoffnung. Dabei ist Dr. Stefan Frank nicht nur praktizierender Arzt und Geburtshelfer, sondern vor allem ein sozial engagierter Mensch. Mit großem Einfühlungsvermögen stellt er die Interessen und Bedürfnisse seiner Patienten stets höher als seine eigenen Wünsche - und das schon seit Jahrzehnten!

Eine eigene TV-Serie, über 2000 veröffentlichte Romane und Taschenbücher in über 11 Sprachen und eine Gesamtauflage von weit über 85 Millionen verkauften Exemplaren sprechen für sich:

Dr. Stefan Frank - Hier sind Sie in guten Händen!

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2212 bis 2214:

2212: Doch vergessen werde ich dich nie!

2213: Der Fremde, der ihr Hoffnung schenkte

2214: Talfahrt ins Glück


Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.

Jetzt herunterladen und sofort sparen und lesen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 382

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © shutterstock: pikselstock ISBN 978-3-7325-6900-7

Stefan Frank

Dr. Stefan Frank Sammelband 5 - Arztroman

Inhalt

Stefan FrankDr. Stefan Frank - Folge 2212Als Stefan Frank seine Kollegin Sarah Weinhäuser nach vielen Jahren zum ersten Mal wiedersieht, erschrickt er zutiefst! Die junge Kinderchirurgin ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Tiefe Sorgenfalten haben sich in ihr Gesicht eingegraben, und sie ist abgemagert bis auf die Knochen. Was mag ihr nur Schreckliches widerfahren sein? Stockend und unter Tränen erzählt sie dem Grünwalder Arzt schließlich, was der Grund für ihre Veränderung ist: Sarahs Ehemann hat sich vor ihren Augen das Leben genommen! Und nicht nur das: Auf seiner Beerdigung musste sie dann erfahren, dass er sie über Jahre hinweg mit anderen Frauen betrogen hat. Als sie ihren Bericht beendet hat, stellt sich Dr. Frank nur eine Frage: Kann ein Mensch, der so viel Leid ertragen musste, je wieder lernen, wie man lacht und liebt?Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2213Seitdem ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen, ist für die hübsche Larissa nichts mehr so, wie es einmal war. Seit fünf Jahren trägt sie nun schon allein die Verantwortung für sich und ihre flippige Schwester Sina. Kein Wunder, dass ihr da Sicherheit über alles geht. Deshalb arbeitet sie in der Grünwalder Stadtverwaltung statt Biologie zu studieren, und deshalb ist sie mit dem sehr seriösen, wenn auch etwas langweiligen Holger Loh zusammen. Umso mehr trifft es sie, als er ihr eines Tages aus heiterem Himmel erklärt, dass eine andere Frau ein Kind von ihm erwartet. Auf einmal scheint das stabile Gerüst, auf dem Larissa ihr Leben aufgebaut hat, zu wanken. Als Sina ihr dann auch noch erklärt, dass sie in den nächsten Monaten in Florenz studieren und während dieser Zeit ein fremder Mann in ihrem Zimmer wohnen wird, scheint Larissas Welt endgültig aus den Fugen zu geraten. Doch wer weiß, vielleicht bringt dieser Fremde ja auch endlich wieder etwas Licht in ihr Leben ...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2214Als die hübsche Ina im Skiurlaub der Liebe begegnete, "Ich hoffe ja, dass wir die drei Männer von der Talstation wieder treffen", sagte Dora mit einem verschwörerischen Lächeln. "Ich nehme den großen Blonden mit den lachenden grünen Augen, und für dich habe ich den gut gebauten Schwarzhaarigen mit dem markanten Gesicht vorgesehen." - "Mein Dorchen ist wie immer auf Männersuche! Es wird wirklich Zeit, dass dir mal der Richtige über den Weg läuft. Was ist denn mit Nummer drei?", fragte Ina belustigt. "Für wen hast du den vorgesehen?" - "Nun, der sieht auch ganz gut aus. Er hat braune lockige Haare, aber darauf stehen wir ja beide nicht so, oder?" Ina muss der Freundin recht geben, und so entscheidet sie sich für den attraktiven Mann mit dem schwarzen Haar - ein fataler Fehler, denn Torsten ist nur auf eins aus: Inas Vermögen!Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Doch vergessen werde ich dich nie!

Vorschau

Doch vergessen werde ich dich nie!

Dr. Frank und eine verzweifelte Kollegin

Als Stefan Frank seine Kollegin Sarah Weinhäuser nach vielen Jahren zum ersten Mal wiedersieht, erschrickt er zutiefst! Die junge Kinderchirurgin ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Tiefe Sorgenfalten haben sich in ihr Gesicht eingegraben, und sie ist abgemagert bis auf die Knochen. Was mag ihr nur Schreckliches widerfahren sein?

Stockend und unter Tränen erzählt sie dem Grünwalder Arzt schließlich, was der Grund für ihre Veränderung ist: Sarahs Ehemann hat sich vor ihren Augen das Leben genommen! Und nicht nur das: Auf seiner Beerdigung musste sie dann erfahren, dass er sie über Jahre hinweg mit anderen Frauen betrogen hat. Als sie ihren Bericht beendet hat, stellt sich Dr. Frank nur eine Frage: Kann ein Mensch, der so viel Leid ertragen musste, je wieder lernen, wie man lacht und liebt?

„Es macht dir wirklich nichts aus, Stefan, wenn ich dich für vierzehn Tage allein lasse?“ Unsicher schaute Alexandra Schubert den Grünwalder Arzt an. „Möglicherweise sogar für drei Wochen?“

„Unsinn!“, erwiderte er lächelnd. „Deine Familie braucht dich jetzt. Und glaub mir, ich käme niemals auf die Idee, dir zu sagen, dass du ihnen nicht helfen darfst! Paula ist mir ja auch ans Herz gewachsen.“

„Weiß ich doch“, murmelte Alexandra. Sie schlang ihre Arme um seine Taille und lehnte ihren Kopf an seine Brust.

Dr. Frank schob die hübsche Ärztin ein Stück von sich weg, sodass er ihr ins Gesicht schauen konnte.

„So, jetzt gib mir noch einen letzten Kuss, und dann ab mit dir, sonst lassen sie dich nicht mehr in die Maschine.“

„Bloß nicht!“ Für einen Moment schien der Gedanke sie zu erschrecken, aber dann lachte sie. „Ach was, die fliegen schon nicht ohne mich los. Und es ist ja auch noch Zeit genug.“

Sie gab ihm einen langen, zärtlichen Kuss, dann löste sie sich von ihm und griff nach ihrem Handgepäck.

„Sei brav, während ich weg bin“, meinte sie mit einem Lächeln.

„Immer!“

„Und mach mir keinen Unsinn!“

„Niemals!“, versicherte der Grünwalder Arzt und legte die rechte Hand aufs Herz.

„Ich verlass mich drauf!“, erwiderte Alexandra lachend, dann wandte sie sich ab und ging davon. Doch bevor sie sich zur Sicherheitskontrolle begab, drehte sie sich noch einmal um und winkte ihm zu.

Dr. Frank winkte zurück. Er vermisste sie jetzt schon. Aber natürlich verstand er, warum Alexandra nach Hamburg flog. Robert – der Mann ihrer verstorbenen Schwester – hatte sie früh am Morgen angerufen, noch vor Beginn ihrer Sprechstunde.

„Paula ist krank“, hatte er mit verzweifelter Stimme geklagt. „Und ich muss heute für mindestens eine Woche dienstlich nach Frankfurt, wir haben große Probleme in unserer dortigen Filiale. Paula meinte zwar, sie sei schon ein großes Mädchen und könne allein auf sich aufpassen, aber ich hätte keine ruhige Minute, wenn ich wüsste, dass sie ganz allein ist.“

Alexandras Schwager hatte einen Moment geschwiegen.

„Es ist ja nicht nur, dass sie krank ist“, hatte er dann hinzugefügt. „Wir haben auch gerade eine mittlere Katastrophe erlebt: Meine Kleine hat Liebeskummer. Richtig schlimmen, gemeinen, bösen Liebeskummer. Paula ist am Boden zerstört, auch wenn sie das nicht zeigen will. Sie reißt schon wieder Witze über Sven, aber ich weiß, dass es ihr immer noch ziemlich mies geht.“

Da Alexandra auf Lautsprecher gestellt hatte, hatte der Grünwalder Arzt mitgehört.

„Fahr zu ihnen“, hatte er ihr zugeflüstert.

„Alexandra, es wäre schön, wenn du kommen könntest. Paula hat seit dem Tod ihrer Mutter eine ganz besondere Beziehung zu dir. Sie braucht dich. Und du als Frau kommst mit diesem ganzen Liebeskummer-Kram eh besser zurecht als ich.“ Robert hatte geseufzt. „Ich habe mir ja wirklich alle Mühe gegeben, sie zu trösten, aber meine Tochter wirft mir trotzdem vor, dass ich schrecklich unsensibel sei. Bitte, falls du es irgendwie hinkriegen kannst, dann komm zu uns. So schnell wie möglich!“

Für Alexandra hatte sofort außer Frage gestanden, dass sie ihrem Schwager und ihrer Nichte helfen würde. Wie elend musste sich Paula fühlen: krank und außerdem von einem so miesen Kerl hintergangen! Sie hatte jedoch noch „das Problem“ Helene Braun lösen müssen …

Die Augenärztin hatte Alexandra als Partnerin in ihre Praxis aufgenommen. Die beiden Frauen arbeiteten gut zusammen, und Alexandra war zuversichtlich gewesen, dass sie zwei oder drei Wochen Urlaub bekommen konnte.

„Natürlich geht das“, hatte Helene gemeint, nachdem Alexa ihr die Situation geschildert hatte. „Oder hast du vielleicht vergessen, dass wir jetzt einen charmanten Helfer haben? So kann ich diesen gut aussehenden jungen Mann wenigstens eine Zeitlang ganz allein genießen.“

Der „charmante Helfer“ war ein junger Mediziner, der sich in seiner Facharztausbildung zum Augenarzt befand und ein Jahr in der Praxis mitarbeiten würde.

Erleichtert hatte Alexandra einen Flug gebucht und tatsächlich noch einen Platz für denselben Abend bekommen – und so stand der Grünwalder Arzt nun ein wenig verloren in der Abflughalle und schaute Alexandra hinterher, bis er sie nicht mehr sehen konnte.

***

Etwa zur gleichen Zeit warteten die letzten Passagiere einer Maschine aus Düsseldorf auf ihr Gepäck.

Eine junge Frau mit blonden Locken stand ungeduldig am Gepäckband und beugte sich vor, als sie einen dunkelblauen Koffer auf das Band rutschen sah.

„Ist des Ihrer?“, fragte ein kräftiger, breitschultriger Mann mit unverkennbar bayerischem Akzent neben ihr. „Mei, der ist ja fast so groß wie Sie!“, fügte er mit einem Blick auf die zierliche, fast schon zu schlanke Frau hinzu. „Warten Sie, ich helfe Ihnen!“ Ohne sonderliche Kraftanstrengung hievte er das schwere Gepäckstück vom Band und stellte es neben sie. „Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen den Koffer auch noch bis zum Ausgang tragen. Sobald meiner da ist.“

„Danke, geht schon“, erwiderte Dr. Sarah Weinhäuser knapp.

Es klang frostiger, als sie beabsichtigt hatte. Es war nicht nett, dass sie ihre schlechte Laune an diesem freundlichen Mann ausließ, der ihr ja nur seine Hilfe angeboten hatte – und der Koffer war wirklich schwer. Aber sie war immer noch genervt von dem jungen Mann, der während des Flugs neben ihr gesessen und sich offensichtlich für unwiderstehlich gehalten hatte. Obwohl sie ihm deutlich gezeigt hatte, dass sie nicht das geringste Interesse an einer Unterhaltung hatte, hatte er die ganze Zeit auf sie eingeredet und sich unbedingt mit ihr in München verabreden wollen.

Gott sei Dank hatte er als einer der Ersten sein Gepäck bekommen, und erleichtert hatte Sarah festgestellt, dass er sofort in Richtung Ausgang losgerannt war. Den war sie los!

Dennoch fühlte sie sich nicht besser. Denn nun, da sie in München gelandet war, fragte sie sich, ob es tatsächlich richtig gewesen war, hierher zurückzukehren.

Wahrscheinlich nicht, sagte sie sich und zog den Griff heraus, an dem sie ihren Koffer hinter sich her ziehen konnte. Da ich so viele falsche Entscheidungen getroffen habe, wird auch diese nicht meine klügste gewesen sein.

Himmel, war der Koffer schwer! Sarah blieb einen Moment stehen, doch als sie den großen Mann auf sich zukommen sah, ging sie schnell wieder weiter.

Ihr freundlicher Helfer zuckte mit den Schultern.

„So sind sie eben, die Preußen“, murmelte er vor sich hin. „Und aufdrängen tu ich mich nicht.“

Sarah musste noch einmal anhalten, und ihr Lächeln wirkte ein wenig angestrengt, als der Mann mit einem Gruß an ihr vorbeischlenderte, als wäre der Koffer, den er trug – kaum kleiner als der ihre – ein Federgewicht.

Wie dumm sie war, sich nicht von ihm helfen zu lassen! Aber jetzt würde sie ihm ganz bestimmt nicht hinterherrufen: „Wenn Sie vielleicht doch meinen Koffer nehmen könnten …“

Sarah mühte sich weiter. Sie registrierte, dass der Mann erwartet wurde. Ein kleines Mädchen stürzte auf ihn zu. Lachend hob er die Kleine hoch und schwenkte sie herum. Ein anderer Mann beobachtete die fröhliche Begrüßung mit einem Lächeln.

Sarah schaute schnell weg. Irgendwie ging ihr diese Szene zu Herzen, und das wollte sie nicht. Der Mann und das Kind gingen so liebevoll miteinander um – doch das erinnerte sie lediglich an all das, was ihr versagt geblieben war.

Sie kniff die Lippen zusammen und zerrte verbissen ihren Koffer hinter sich her zum Taxistand.

Glücklicherweise stand dem Fahrer genauso wenig der Sinn nach einem Gespräch wie ihr. Nachdem sie ihm ihre Adresse mitgeteilt hatte, lehnte sie sich zurück und schloss die Augen.

Es würde knapp vierzig Minuten dauern, bis sie ihr Ziel erreichte, und Sarah war müde. Sie schlief nicht mehr gut. Zuerst fand sie keine Ruhe, und wenn sie dann irgendwann spät in der Nacht endlich einschlief, wurde sie von schlechten Träumen gequält.

Sie wollte, dass das endlich aufhörte. Dass sie wieder normal leben konnte, nicht ständig von ihren Erinnerungen gejagt wurde. Deshalb hatte sie Düsseldorf verlassen, die Stadt, in der sie die letzten Jahre gelebt hatte. Die Schadt, in der sie glücklich gewesen war, bis …

Nein, nicht daran denken. Sie hoffte, in ihrer Heimatstadt München ein neues Leben beginnen zu können.

Als Sarah die Augen wieder öffnete, näherten sie sich bereits Grünwald. Und wieder fragte sie sich bang, ob sie nicht doch einen Fehler beging. Schließlich konnte man Erinnerungen nicht zurücklassen, sie folgten einem, waren in einem selbst.

Doch nun war es zu spät. Sie hatte sämtliche Brücken hinter sich abgebrochen, das Wenige, was sie besaß, in ihren Koffer gepackt.

Das Taxi hielt. Nachdem sie die Rechnung beglichen hatte, stieg der Fahrer aus, öffnete die Heckklappe und hob ihren Koffer heraus.

Sarah hörte kaum, wie er sich verabschiedete. Die Finger fest um den Koffergriff geschlossen stand sie auf dem Bürgersteig und starrte durch das schmiedeeiserne Portal auf das alte Haus, das sie vor einiger Zeit von ihrer Großmutter geerbt hatte.

Noch eine Schuld, die ich auf mich geladen habe, dachte sie, während sie den großen Schlüssel ins Schloss steckte und ihn herumdrehte. Omi hätte mich bestimmt gern noch einmal gesehen. Aber ich war viel zu beschäftigt mit mir und meinem Kummer, um auf die Bedürfnisse anderer zu achten.

Sarah schob den Torflügel auf und betrat das Grundstück. Als junges Mädchen hatte sie viel Zeit hier verbracht. Damals hatte sie das Haus geliebt – viel mehr als ihr so schrecklich modern und kühl eingerichtetes Elternhaus, samt ihren schrecklich modernen und kühlen Eltern.

Was würde sie jetzt vorfinden? Ihre Großmutter war lange krank gewesen und hatte nicht mehr die Kraft aufbringen können, sich um das Haus und das Grundstück zu kümmern. Der Anwalt, der das Erbe verwaltete, hatte ihr mitgeteilt, dass alles recht vernachlässigt war.

Ist mir völlig egal, dachte sie mit einem Anflug von Trotz. Das Haus war immer mein eigentliches Zuhause. Und nun bin ich zurückgekehrt.

***

Dr. Frank saß in der Küche und starrte trübsinnig auf sein Frühstück. Der Kaffee war ihm zu dünn geraten, und die frische Semmel, die er sich vorhin noch beim Bäcker geholt hatte, schmeckte wie Sägemehl.

Was Alexandra wohl gerade machte? Bestimmt saß sie bei Paula, versuchte, ihre Nichte ein wenig aufzuheitern, betüddelte und verwöhnte sie.

Ohne Alexandra machte ihm das Samstagmorgenfrühstück überhaupt keinen Spaß. Normalerweise genossen sie es, am Wochenende gemütlich und in aller Ruhe miteinander zu frühstücken. Sie liebten es, sich so viel Zeit zu lassen, wie sie wollten, ohne den Druck, gleich in die Praxis zu müssen.

Doch nun war niemand da, mit dem er reden konnte. Niemand, der ihn ein bisschen aufzog, mit ihm lachte.

Alexandra fehlte ihm so sehr – und dabei waren noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden vergangen, seit er sie zum Flughafen gebracht hatte!

Und sie waren auch nicht zum ersten Mal getrennt, Alexandra hatte ihre Familie schon öfter in Hamburg besucht. Doch bisher war sie nie länger als ein paar Tage fortgeblieben.

Nun schien es ihm eine kleine Ewigkeit zu dauern, bis sie wieder zu ihm zurückkehren würde. Wie sollte er bloß zwei oder drei Wochen ohne sie überstehen?

Der Grünwalder Arzt schüttelte über sich selbst den Kopf. Sie waren doch keine verliebten Teenager mehr, die ohne einander nicht sein konnten!

Aber ich kann tatsächlich nicht ohne sie sein, dachte Dr. Frank und lächelte ein wenig hilflos. Ich brauche sie, und ich habe das Gefühl, dass ein Teil von mir selbst fehlt, wenn sie nicht da ist. Sie hat die Liebe zurück in mein Leben gebracht, ohne Alexandra bin ich einsam.

Er stand auf, nahm seine Tasse, kippte sie in der Spüle aus und bereitete sich neuen zu. Während er darauf wartete, dass der Kaffee durchlief, stellte er sich ans Fenster und blickte nach draußen.

Die Sonne schien, und einige wenige weiße Wölkchen zeigten sich am Himmel, als hätte jemand sie mit dem Finger dorthin getupft, weil ihm das strahlende Blau zu langweilig geworden war.

Vielleicht sollte ich einen langen Spaziergang machen, überlegte er, der Tag ist viel zu schön, um die ganze Zeit im Haus zu hocken. Außerdem lenkt es mich bestimmt ab.

Doch gleich darauf kam ihm in den Sinn, wie oft er zusammen mit Alexandra unten an der Isar spazieren gegangen war.

Der Kaffee war fertig, und Dr. Frank nahm seine Tasse. Ja, der schmeckte schon wesentlich besser – aber nicht so gut wie Kaffee in Gesellschaft von Alexandra.

Der Grünwalder Arzt seufzte. Wenn es doch schon Montag wäre! Die Arbeit in der Praxis würde ihn sicher auf andere Gedanken bringen. Fast sehnte er sich danach, dass irgendjemand anrief und seine Hilfe brauchte. Aber er konnte ja auch in die Waldner-Klinik fahren und seine beiden Patienten besuchen, die im Moment dort betreut wurden. Anschließend könnte er vielleicht bei den Waldners vorbeischauen und ein wenig Zeit mit ihnen verbringen.

Reiß dich zusammen, Stefan, ermahnte er sich selbst. Du benimmst dich wirklich wie ein kleiner Junge, dem man sein Lieblingsspielzeug weggenommen hat und der nun nicht mehr weiß, womit er sich beschäftigen soll!

Unwillkürlich schrak er zusammen, als sein Handy klingelte, und griff dann eilig danach. Bestimmt war das Alexandra! Sicher wollte sie ihm erzählen, wie der Flug verlaufen war und wie es Paula ging. Am Abend zuvor hatte sie ihm nur eine kurze SMS geschickt, dass sie gut angekommen war. Sicher sehnte sie sich genauso danach, seine Stimme zu hören, wie er sich danach sehnte, die ihre zu hören.

Doch es war nicht Alexandra. Es war Inka Brünnen, die Enkelin einer alten Dame, die bei ihm in Behandlung war. Die junge Frau entschuldigte sich vielmals dafür, dass sie ihn zu Hause stören musste, doch ihre Oma hatte vergessen, in welcher Dosierung sie die Tabletten nehmen musste, die er ihr verschrieben hatte, damit ihr Herz ruhig und gleichmäßig arbeitete.

Er gab ihr die gewünschte Auskunft, Inka bedankte sich und legte dann auf.

Der Grünwalder Arzt trank seinen Kaffee aus. Ob er Alexandra anrufen sollte?

Nein, sagte er sich, ich werde geduldig warten, bis sie sich bei mir meldet.

Doch er wusste schon jetzt, dass seine Geduld nicht allzu weit reichen würde.

***

Im hellen Tageslicht wirkte das Haus noch viel bedrückender als am vergangenen Abend, was nicht nur daran lag, dass es ein bisschen muffig roch – Sarah hatte als Erstes sämtliche Fenster weit aufgerissen, damit frische Luft hereingelangen konnte.

Alles war von einer dicken Staubschicht bedeckt, und auch sonst war es nicht wirklich sauber. Der Boden in der Küche klebte, das Bad hatte eine gründliche Reinigung bitter nötig, und auch dem großen Wohnzimmer merkte man an, dass sich lange niemand mehr um die nötige Ordnung gekümmert hatte.

Wie es hier früher geblitzt und geblinkt hat! Aber wie hätte Omi das auch alles in Schuss halten können, krank und schwach, wie sie im letzten Jahr ihres Lebens war. Da hatte sie mit ganz anderen Dingen zu kämpfen als mit nicht ordentlich geputzten Zimmern!

Und ich hatte ihr noch versprochen, dass ich sie besuchen würde!, dachte Sarah reuevoll.

Nicht einmal an der Beerdigung hatte sie teilnehmen können, weil sie krank geworden war – wie so oft in dem letzten Jahr nach Manfreds Tod. All das Leid, das ihr Mann ihr zugefügt hatte, hatte auch ihren Körper angegriffen.

Denk nicht mehr an ihn, ermahnte sie sich, während sie weiter durch das Haus wanderte, in dem sich so deutlich die Spuren der Vernachlässigung zeigten.

Vielleicht sollte ich überall im Haus die Rollläden herunterlassen, damit ich nicht mehr sehe, wie es hier ausschaut, überlegte sie. Dann kann ich mich in der Dunkelheit verkriechen.

Nein. Sarah straffte die Schultern. Sie war nicht nach Grünwald gekommen, um sich zu verkriechen. Sie wollte ein neues Leben beginnen – eines, in dem sie sich ganz allein auf sich selbst verließ und in dem sowohl Liebe als auch Lügen keinen Platz mehr hatten.

Dass alle Welt dermaßen auf Liebe erpicht war! Liebe war nichts als ein dummes, unnützes Gefühl, das letztlich nichts anderes als Kummer und Pein brachte.

Vom Nachbargrundstück klangen Kinderlachen und Stimmen herüber, doch Sarah achtete nicht weiter darauf, zu tief war sie in ihre freudlosen Gedanken versunken.

Ich gehe jetzt einkaufen und besorge mir alles, was ich für einen gründlichen Hausputz brauche, beschloss sie. Wenn das Haus erst wieder auf Vordermann gebracht ist, werde ich mich hier gleich wohler fühlen.

***

Vier Stunden später hatte sich Sarah fast durchs ganze Erdgeschoss gekämpft.

Sie stand in der Küche – die Hände auf dem Stiel des Schrubbers, das Kinn darauf gelegt – und schaute sich zufrieden um.

Ja, das war wieder der Raum, an den sie sich erinnerte. Fast meinte sie, ihre Omi am Tisch sitzen zu sehen, den unvermeidlichen Kaffee vor sich.

„Madl, ich bin so stolz auf dich“, hatte ihre Großmutter gesagt, als Sarah damals auf einen Besuch nach München gekommen war, kurz nachdem sie ihre Facharztprüfung als Kinderchirurgin vor der Landesärztekammer abgelegt hatte.

Zwei Jahre lang hatte sie im Rahmen ihrer Facharztausbildung in der Waldner-Klinik gearbeitet. Dann, nach ihrer Hochzeit, war sie mit Manfred nach Düsseldorf gegangen und hatte dort eine Stelle an einem großen Krankenhaus gefunden.

Sarah liebte ihren Beruf so sehr, dass es ihr nichts ausmachte, all die Einschränkungen in Kauf zu nehmen, die die Arbeit in einer Klinik für einen Arzt mit sich brachte: den vielen Stress, den Schicht- und Wochenenddienst …

Doch Manfred hatte es etwas ausgemacht.

Aber er hat sich ja darüber hinweggetröstet, wenn ich nicht da war, dachte Sarah und spürte, wie die vertraute Bitterkeit zurückkehrte.

War es wirklich schon vier Jahre her, dass sie ihre Omi das letzte Mal besucht hatte?

Oh Gott, ja, dachte sie, ich bin tatsächlich seit vier Jahren nicht mehr in München gewesen!

Aber in ihrer Abteilung waren sie chronisch unterbesetzt gewesen, und wenn sie sich mal ein paar Tage Urlaub hatte abknapsen können, hatte sie keine Lust auf eine längere Reise gehabt. Das höchste der Gefühle war gewesen, einmal mit Manfred nach Holland an die See zu fahren. Am liebsten aber war sie dann einfach zu Hause geblieben und hatte sich ausgeruht.

Sarah räumte den Schrubber weg und bereitete sich einen Tee zu, dann setzte sie sich an den Tisch.

Vorhin, als sie einkaufen gewesen war, hatte sie auch das Nötigste zu essen und trinken besorgt.

Sie lächelte unwillkürlich, als sie daran dachte, wie ihr plötzlich eingefallen war, dass sie ja gar kein Auto hatte, um ihre Besorgungen zu erledigen. In Düsseldorf hatte sie fast alles zu Fuß erledigen können oder die öffentlichen Verkehrsmittel benutzt, doch hier …

Aber dann hatte sie in der Garage nachgeschaut, und dort stand tatsächlich der Wagen ihrer Großmutter, ein wahres Altertümchen, das trotz einiger kleiner Macken immer noch lief.

Ach, Omi, dachte sie, während sie einen Schluck trank, ich hätte dich doch häufiger besuchen sollen. Nun ja, wenigstens haben wir öfter miteinander telefoniert, fügte sie in Gedanken hinzu, doch dann musste sie sich eingestehen, dass sie sich nach Manfreds Tod vollkommen eingeigelt und ihre Großmutter nur noch ganz selten angerufen hatte.

Seufzend stand Sarah auf. Der Tee war ausgetrunken. Im Erdgeschoss blieb nur noch ein Raum, den sie in Ordnung bringen wollte: das Schlafzimmer ihrer Großmutter. Eine merkwürdige Scheu hatte sie bisher daran gehindert, es zu betreten, bei ihrem Rundgang am Morgen hatte sie es ausgespart.

Nun ging Sarah den Flur entlang. Sie zögerte einen Moment, als sie vor der Tür stand, doch dann betrat sie den Raum.

Als Erstes zog sie den Rollladen hoch und stieß die Fensterflügel weit auf. Licht strömte in das Zimmer, und der Staub, der durch Sarah aufgewirbelt worden war, tanzte in den Sonnenstrahlen.

Die Bettdecke war ordentlich aufgeschlagen, als wäre ihre Omi nur mal eben aus dem Zimmer gegangen und käme gleich wieder.

Sarah spürte, wie sich ihre Kehle zusammenzog. Sie ließ sich auf die Bettkante sinken und strich mit der Hand über das Kissen.

Wie hatte sie es geliebt, wenn sie als Kind über Nacht bleiben durfte und ihre Omi ihr erlaubte, bei ihr in dem großen Bett zu schlafen. Sie hatte sich dann an ihre Großmutter gekuschelt, die sie liebevoll in den Arm nahm und ihr noch eine Geschichte vorlas, bis sie eingeschlafen war.

Doch dann fiel Sarahs Blick auf die Bilder, die auf dem Nachttisch standen und die sie bisher nicht bemerkt hatte.

Unwillkürlich streckte sie die Hand aus und nahm eins der silbergerahmten Fotos auf.

Ihre Lippen wurden schmal, während sie sich selbst betrachtete: eine glückliche, strahlende Braut an ihrem Hochzeitstag. Manfred, der neben ihr stand, blickte eher ein wenig gelangweilt drein.

War das der Grund?, fragte sie ihren Mann in Gedanken. Dass dich alles gelangweilt hat? Dein Leben? Unsere Ehe? Hast du dich deshalb so feige davongeschlichen, ohne ein Wort der Erklärung?

Manfred hatte Selbstmord begangen, und bis heute wusste Sarah nicht, warum.

Von plötzlichem Zorn erfasst, schmiss sie das Bild auf den Boden und trat darauf, bis das Glas vollkommen zersplittert war.

„Hast du mich mit deinem Tod bestrafen wollen, für was auch immer?“, rief sie laut. „Wenn ja, dann ist dir das verdammt gut gelungen!“

***

Dr. Frank war aus der Waldner-Klinik zurückgekehrt. Er hatte seine beiden Patienten besucht und war dann hinauf in den siebten Stock der Klinik gefahren. Dort bewohnten die Waldners ein Penthouse mit Blick auf den Englischen Garten. Ruth, die Frau des Klinikchefs, hatte Stefan zum Mittagessen eingeladen, aber allzu lange hatte er nicht bleiben können, denn die Waldners waren verabredet und wollten am Nachmittag Bekannte besuchen.

Zurück in Grünwald kam ihm sein Haus ohne Alexandra viel zu leer vor, und so beschloss er, doch hinunter zur Isar zu gehen und einen Spaziergang zu machen.

Allerdings kam er nicht weit. Gerade als er um eine Ecke biegen wollte, stürmte von der anderen Seite eine Frau heran, und sie stießen recht heftig zusammen.

„Können Sie denn nicht besser …“, begann er und packte die Frau, die ins Stolpern geraten war, an den Armen, damit sie nicht fiel.

Doch dann stutzte er.

„Sarah, bist du das wirklich?“, fragte er verdutzt. „Mein Gott, fast hätte ich dich nicht erkannt. Du bist so dünn geworden. Und …“ Er sprach nicht weiter.

„Stefan!“, sagte Sarah, und sie klang nicht minder verwundert als er. Dann lachte sie auf, aber es klang nicht sonderlich fröhlich. „Du hast dich kein bisschen verändert: Bietest immer noch kräftigen Widerstand, wenn jemand gegen dich anrennt, und hältst den anderen dann fest, wenn er ins Straucheln gerät.“

Dr. Frank, der Sarah noch nicht losgelassen hatte, musterte die junge Kollegin prüfend. Er hatte sie tatsächlich kaum wiedererkannt. Die Sarah Weinhäuser, an die er sich erinnerte, war eine glückliche junge Frau, warmherzig und voller Lebensfreude, die von ihren kleinen Patienten heiß und innig geliebt wurde.

Doch die Sarah, die nun vor ihm stand, schien eine gänzlich andere Frau zu sein. Scharfe Linien durchzogen ihr Gesicht, und sie wirkte niedergedrückt, als trüge sie auf ihren Schultern eine Last, die zu schwer für sie geworden war. Und ihr Lachen eben hatte so geklungen, als wüsste sie gar nicht mehr, wie man richtig lacht.

„Bist du denn ins Straucheln geraten?“, wollte er wissen. „Brauchst du jemanden, der dich festhält?“

„Oh ja“, flüsterte sie, und plötzlich sah der Grünwalder Arzt Tränen in ihren Augen schimmern.

Was, um Himmels willen, mochte nur mit Sarah geschehen sein?

„Und dein Mann? Hält er dich denn nicht fest?“, erkundigte sich Dr. Frank aus diesem Gedanken heraus.

Nun liefen Sarah die Tränen über die Wangen.

„Hast du denn nicht davon gehört?“, fragte sie leise. „Manfred lebt nicht mehr.“

„Oh Sarah, das tut mir so leid!“, erwiderte er und zog sie an sich. Er schlang die Arme um sie und hielt sie fest an sich gedrückt. „Das wusste ich nicht, wirklich nicht.“

Er spürte, wie sie zitterte.

„Möchtest du darüber reden?“, fragte er sanft. „Weißt du was? Wir gehen zu mir, es sind ja nur ein paar Meter. Ich mache dir einen Kaffee, Tee oder was immer du willst, und ich habe auch noch ein paar Stücke von dem Pflaumenkuchen da, den Frau Quandt mir gestern gebacken hat. Und dann setzen wir uns in den Garten, wenn du möchtest, und reden ein bisschen.“

„Ich liebe Pflaumenkuchen“, murmelte sie an seiner Brust.

„Ich weiß.“

„Das hast du nicht vergessen?“, fragte sie erstaunt und hob den Kopf. Dann löste sie sich von ihm und trat einen Schritt zurück.

Dr. Frank nahm ein Taschentuch und tupfte ihr die Tränen ab.

„Weißt du eigentlich auch, dass ich einmal in dich verliebt war? Ein ganz klitzekleines bisschen? Kurz nachdem ich in der Waldner-Klinik angefangen hatte? Auch wenn mir von Anfang an klar war, dass nie etwas aus uns beiden werden würde …“

Der Grünwalder Arzt nickte.

„Ja, das war mir bewusst, Sarah.“

„Du warst mein großer Held damals. Ich wollte so werden wie du, meinem Beruf mit der gleichen Hingabe nachgehen.“ Sie schwieg einen Moment. „Vielleicht hätte ich dir auch in der Beziehung nacheifern und auf eine Ehe verzichten sollen. Du hast immer deine Arbeit vor alles andere gestellt, auch vor dein Privatleben. Wahrscheinlich bist du immer noch allein, Stefan?“

Sarah hatte sich zwischenzeitlich bei ihm eingehakt, und gemeinsam gingen sie die Straße hinunter in Richtung Doktorhaus.

Dr. Frank sah die junge Frau von der Seite her an.

„Nein, Sarah, ich bin nicht mehr allein“, erwiderte er. „Ich habe eine Frau gefunden, die mich sehr glücklich macht.“

„Dann muss sie ja eine ganz besondere Frau sein“, meinte Sarah voller Überzeugung.

„Das ist sie auch“, sagte Dr. Frank. „Das ist sie wahrhaftig.“

***

Eine Viertelstunde später saßen sie in der Rosenlaube hinter dem Haus. Dr. Frank schenkte Kaffee ein und schob Sarah dann Milch und Zucker hin, doch die schüttelte den Kopf.

„Ich trinke ihn schwarz“, sagte sie und griff nach dem Teller, auf den der Grünwalder Arzt ihr ein besonders großes Stück Pflaumenkuchen gelegt hatte. „So, und jetzt erzähl mir von dieser Frau, mit der du zusammen bist. Was macht sie zu etwas so Besonderem?“

Dr. Frank zuckte mit den Schultern.

„Einfach alles“, erwiderte er und lächelte. „Aber ganz so schnell, wie du jetzt vielleicht denkst, sind wir nicht zusammengekommen. Es ging ein bisschen hin und her. Erst als etwas ziemlich Dramatisches passiert ist – Alexandra hat sich bei einem Banküberfall als Geisel angeboten, und ich wurde später als Arzt zu den übrigen Geiseln gelassen –, haben wir erkannt, dass wir ohne einander nicht sein wollten. Tja, und seitdem sind wir ein Paar.“

Sarahs Gesicht verschloss sich, und Dr. Frank fragte sich unwillkürlich, ob es nicht doch falsch gewesen war, über seine Beziehung zu Alexandra zu reden. Wie konnte er von seinem Glück erzählen, wenn sie voller Trauer über den Tod ihres Mannes war?

„Möchtest du über deinen Mann sprechen, Sarah?“, fragte er sanft. „Oder tut es dir noch zu weh?“

„Und ob es wehtut!“, stieß sie voller Zorn hervor. „Wenn er nicht schon tot wäre, würde ich ihm glatt den Hals umdrehen.“

Dr. Frank sah sie so entsetzt an, dass Sarah die Hände hob.

„Stefan, ich trauere nicht um ihn, ich bin einfach nur von einer fürchterlichen Wut auf ihn erfüllt. Eine Wut, die mich auffrisst und beinahe noch das Leben eines unschuldigen Kindes gekostet hätte.“ Sie schob den Teller mit dem halb aufgegessenen Kuchen von sich weg. „Ich kann nicht mehr. Er ist köstlich, sag das deiner Frau Quandt, aber ich mag seit Manfreds Tod kaum noch etwas essen. Mein Magen ist wie zugeschnürt.“

„Wie ist es passiert, Sarah?“ Er klopfte auf die Bank neben sich. „Setz dich her zu mir, wenn du möchtest.“

Die junge Ärztin stand auf und setzte sich neben ihn, Dr. Frank legte einen Arm um ihre Schultern.

„Manfred hat sich das Leben genommen“, begann Sarah. „Ein Jahr ist das jetzt her. Ein fürchterliches, entsetzlich langes Jahr. Ich habe damals viele Überstunden gemacht, weil wir auf der Station so schlecht besetzt waren. Doch ausgerechnet an jenem Tag kam ich früher nach Hause. Wir hatten ein schönes Haus, ein bisschen außerhalb, mitten im Grünen. Ein richtiges Heim, wie ich fand, das ich mit viel Liebe eingerichtet hatte und in dem ich immer neue Kraft für meine Arbeit tanken konnte.“

Sie schwieg einen Moment und trank einen Schluck von ihrem Kaffee. Plötzlich wirkte sie so verloren, dass es dem Grünwalder Arzt ins Herz schnitt.

„Ich weiß nicht, ob Manfred absichtlich gewartet hat, bis er mich nach Hause kommen hörte, oder ob es reiner Zufall war, dass er ausgerechnet jenen Zeitpunkt wählte: Jedenfalls erklang in dem Moment, als ich die Tür öffnete, ein merkwürdiger Knall, den ich nicht recht identifizieren konnte – doch gleich darauf wusste ich, was es gewesen war.“

„Oh nein!“ Stefan ahnte, was jetzt kam …

„Ich war ins Wohnzimmer gerannt, und da sah ich Manfred am Tisch, die Waffe noch in der Hand. Er hatte sich in den Kopf geschossen.“ Sarah schlug für einen Moment die Hände vors Gesicht. „Stefan, der Anblick verfolgt mich, ich werde ihn wohl mein ganzes Leben lang nicht vergessen. Es war so grauenvoll.“

„Du Arme“, meinte Dr. Frank leise.

Er wusste, wie Menschen litten, wenn sich jemand, der ihnen nahestand, das Leben nahm – und ganz besonders, wenn es quasi vor ihren Augen geschah.

„Ich war vollkommen schockiert“, fuhr Sarah fort. „Ich wusste, dass er tot war, aber wirklich glauben wollte ich es trotzdem nicht. Es kam mir vor, als wäre ich selbst gestorben, dennoch habe ich noch so weit funktioniert, dass ich sofort die Polizei und den Notarzt verständigt habe. Dann habe ich mich aufs Sofa gesetzt. Ich wollte nicht zu Manfred hinsehen, und dennoch konnte ich meinen Blick einfach nicht abwenden.“

Wieder schwieg sie, knetete nervös ihre Hände. Sie schien nach den richtigen Worten zu suchen.

„Aber danach begann der Albtraum erst richtig. Die Polizisten haben mich stundenlang verhört, bis sie sicher waren, dass ich keine Mörderin bin. Ich hatte das Gefühl, in einem Nebel zu stecken, der mich zu ersticken droht, und mein Verstand weigerte sich, zu arbeiten. Manchmal verstand ich selbst die einfachsten Fragen nicht, die sie mir gestellt haben.“

Sarah atmete ein paar Mal tief durch.

„Sie haben unser ganzes Haus durchwühlt und nach einem Abschiedsbrief gesucht, dabei haben sie eine schreckliche Unordnung hinterlassen. Als ich von der Wache, zurückkam habe ich mich im hintersten Winkel unseres Hauses verkrochen. Nichts, aber auch gar nichts hätte mich dazu bringen können, auch nur in die Nähe des Wohnzimmers zu gehen.“

„Verständlich …“

„Ich war so fertig, so verzweifelt, so voller Entsetzen, dass ich zunächst gar keine Trauer verspürt habe. Da war nur eine Frage, die unablässig in meinem Kopf widerhallte: Warum? Und gleichzeitig habe ich mich dafür geschämt, dass ich nicht um ihn weinen konnte. Ich habe mich immer nur gefragt. Warum hat er das getan? Warum hat er mir das angetan? – Schenk mir noch einen Kaffee ein, ja, Stefan?“

Dr. Frank beugte sich vor und füllte ihre Tasse erneut, genau wie seine eigene. Dann lehnte er sich zurück und legte wieder seinen Arm um sie.

„Ich habe bis heute keine Antwort auf meine Frage gefunden“, fuhr Sarah fort. „Und das frisst mich auf. Manfred war nicht krank, weder körperlich noch seelisch. Er war nicht labil, innerlich zerrissen oder verzweifelt. Wir hatten keine Probleme, hatten genug Geld und führten eine glückliche Ehe, wie ich dachte – auch wenn das offensichtlich eine Illusion war, wie ich später herausfinden musste.“

Ihre Stimme wurde bitter.

„Es blieb das Einzige, was ich herausfand – und ich habe es auf ziemlich demütigende Weise erfahren: an seinem Grab. Die Frau, mit der er eine Affäre hatte – ein blutjunges Ding –, schrie und heulte und warf mir vor allen Trauergästen vor, ich sei schuld an seinem Tod. Hätte ich mich nicht geweigert, ihn freizugeben, wäre er noch am Leben. Stefan, ich schwöre dir, ich habe nicht einmal geahnt, dass er mich betrog! Ich war mir so sicher, dass er mich genauso liebte wie ich ihn, dass ich aus allen Wolken gefallen bin.“

Der Grünwalder Arzt war voller Mitleid. Was musste Sarah durchgemacht haben!

In all den Jahren, in denen er Arzt war, hatte er immer wieder Patienten betreut, die durch den Freitod eines geliebten Menschen aus der Bahn geworfen worden waren. Die ein schlechtes Gewissen hatten, weil sie nicht trauern konnten, sondern voller Wut auf den Verstorbenen waren. Die sich immer und immer wieder mit der Frage quälten, ob sie nicht etwas hätten unternehmen können, um das Schreckliche zu verhindern. Und wenn dann noch ein solcher „Skandal“ hinzukam, wie in Sarahs Fall …

„Aber es kam noch schlimmer, Stefan“, sagte Sarah in seine Gedanken hinein. „Ich stand da, an Manfreds offenem Grab, völlig fassungslos und wie erstarrt, immer noch die Blumen in der Hand, die ich eben auf seinen Sarg hatte hinabwerfen wollen, als eine Fremde auf uns zutrat. Sie packte dieses junge Ding, das vollkommen die Beherrschung verloren hatte, am Arm und zog sie weg.“

Sarah musste sich kurz sammeln, bevor sie weitersprechen konnte.

„Ich hörte noch – genau wie alle anderen! –, wie sie ihr ziemlich grob sagte, sie solle sich nicht so aufführen, schließlich sei sie nicht die Einzige gewesen, mit der Manfred fremdgegangen sei. Und wenn sie auch nur einen Funken Verstand habe, hätte sie wissen müssen, dass er mich niemals für eine andere verlassen hätte. Dafür sei er zu bequem gewesen. ‚Zu bequem‘, verstehst du? Nicht, dass er mich zu sehr geliebt hätte.“

Dr. Frank stöhnte unwillkürlich auf. Was für eine grässliche Szene das gewesen sein musste.

„Und du?“, fragte er. „Was hast du getan?“

„Ich habe mich umgedreht, die Blumen auf den Boden geschmissen und bin gegangen. In dem Moment war mir völlig egal, was die anderen von mir dachten. Ich brachte es nicht länger fertig, Manfred die letzte ‚Ehre‘ zu erweisen. Dieser eine Satz ging mir ständig durch den Kopf. Dass er zu bequem gewesen sei, mich zu verlassen. Aber das hat er dann ja doch getan, oder? Auf ziemlich rigorose Weise. Sich umzubringen, dafür war er offensichtlich nicht ‚zu bequem‘.“

Sarah stand auf, roch an einer Rose und ging ein paar Schritte auf und ab.

„Zwei Tage darauf bin ich wieder in die Klinik gefahren. Ich hoffte, meine Arbeit würde mir ein wenig Normalität zurückbringen, aber es war einfach nur schrecklich. Ich muss beängstigend gewirkt haben in dieser Zeit, wie ein seelenloser Automat. Ich habe meine kleinen Patienten behandelt, die Symptome registriert, Diagnosen gestellt … kurz: Ich habe funktioniert. Aber das war nur der eine Teil von mir. Der andere war innerlich zerrissen, wurde ständig von all diesen Fragen gequält, auf die ich keine Antworten fand.“

Sie setzte sich wieder hin.

„Und dann, Stefan, kamen die Schuldgefühle. Wieso hatte ich nicht bemerkt, was in ihm vorging? Hatte ich ihn je richtig gekannt? Gab es Anzeichen, die ich übersehen hatte? Hatte sich Manfred vielleicht doch meinetwegen umgebracht? War ich ihm nicht die Frau gewesen, die er sich wünschte, die er brauchte? Warum sonst hätte er mich betrügen sollen?“

„Und dann bist du irgendwann zusammengebrochen“, erriet Dr. Frank.

„Ja.“ Sarah nickte. „Vor einem halben Jahr. Mein Körper hat einfach nicht mehr mitgespielt. Ich war nach der Beerdigung nicht mehr in unser Haus zurückgekehrt, sondern hatte eine Firma beauftragt, es zu entrümpeln. Nichts, aber auch gar nichts wollte ich aus unserem gemeinsamen Leben behalten, nicht einmal persönliche Dinge, die gar nichts mit Manfred zu tun hatten. Zu groß war mein Zorn auf ihn.“

„Und wo hast du gewohnt?“

„Ich habe bei einer Freundin Unterschlupf gefunden, doch ich wusste, dass ich nicht ewig bei ihr bleiben kann. Nach dem Zusammenbruch war ich lange krank, und als es mir dann endlich körperlich besser ging, wollte ich mir eine eigene Wohnung suchen …“ Sie lachte bitter auf. „… und beging den nächsten Fehler.“

Das hörte ja gar nicht mehr auf! Wie viel Leid hatte Sarah denn noch ertragen müssen?

„Ein Kollege von einer ganz anderen Station, der sich rührend um mich gekümmert hatte, bot mir eine Wohnung an. Angeblich stand sie schon seit einiger Zeit leer, aber er wollte sie nur an jemanden vermieten, mit dem er befreundet war … Tja, Stefan, Freundschaft hatte er nicht im Sinn. Er hat mich ziemlich übel beschimpft, als ich nicht mit ihm ins Bett gehen wollte. Verheiratet war er übrigens auch, was ich bei diesem Streit dann so nebenbei erfuhr. Also zog ich nach drei Monaten wieder aus – und hatte den nächsten Zusammenbruch.“

Sarah schluckte.

„Wieder wurde ich halbwegs gesund und begann erneut zu arbeiten. Und dann passierte das, wovor ich mich die ganze Zeit insgeheim gefürchtet hatte: Ich machte einen Fehler. Und du weißt, Stefan, in unserem Beruf können Fehler fatal sein.“

Stefan nickte. Als Arzt trug man eine Menge Verantwortung.

„Ich hatte Glück, dass ich keinen bleibenden Schaden bei meinem kleinen Patienten angerichtet habe, doch mein Chef war ziemlich sauer. Er sagte mir mit recht deutlichen Worten, dass er es nicht verantworten könne, mich in einem solchen Zustand weiter arbeiten zu lassen – ehrlich gesagt habe ich ja selbst viel zu viel Bammel, dass mir so etwas noch einmal passieren könnte. Er versprach, mir ein hervorragendes Zeugnis auszustellen, wenn ich ihm dafür versprechen würde, mir erst dann eine neue Stelle zu suchen, wenn ich ganz gesund sei.“

Unter Tränen blickte Sarah den Grünwalder Arzt an.

„Und deshalb bin ich jetzt wieder hier, mit leichtem Gepäck.“ Na ja, nicht ganz so leicht, wenn sie an ihren Koffer dachte und an den Mann, der ihn am Flughafen vom Band gehievt hatte. Schließlich hatte sie ihr ganzes neues Leben dort hineingepackt, alles, was sie besaß.

„Und du willst auch hier bleiben?“, fragte Dr. Frank, während er sich schon überlegte, wie er Sarah helfen könnte.

„Ja. Ich hab doch das Haus meiner Oma geerbt. Dort wohne ich nun.“ Sie drehte sich halb zu ihm hin und legte ihm die Hände auf die Schultern. „Stefan, was soll ich denn jetzt tun? Ich liebe meinen Beruf so sehr, und es würde mich umbringen, wenn ich nie mehr als Kinderchirurgin arbeiten könnte!“ Sarah klang verzweifelt. „Glaubst du, ich werde all das, was geschehen ist, eines Tages doch noch überwinden?“

***

Es war die erste Nacht seit Langem, in der Sarah halbwegs gut schlief, und als sie am nächsten Morgen aufwachte, spürte sie einen winzigen Hoffnungsschimmer. Vielleicht würde sie ja doch eines Tages wieder Frieden finden …

Nachdem sie geduscht und sich angezogen hatte, ging sie in die Küche, um sich ihr Frühstück zuzubereiten. Nun ja, um sich Kaffee zu machen und einen Joghurt zu essen – den sie nach drei Löffeln zurück in den Kühlschrank stellte.

Mit der Kaffeetasse in der Hand blieb sie noch einen Moment sitzen, lehnte sich zurück und ließ ihren Blick schweifen.

Ich sollte mir eine neue Küche anschaffen, dachte sie. Nostalgie hin oder her, die hier ist mindestens dreißig Jahre alt, und das sieht man ihr auch an. Zu Omi hat sie gepasst, aber nicht zu mir. Herd und Kühlschrank stammen wohl auch noch aus jener Zeit, und wahrscheinlich verbrauchen sie Unmengen von Strom.

Das Wohnzimmer werde ich mehr oder weniger so lassen, wie es ist, überlegte Sarah weiter. Die Möbel sind alle schöne Antiquitäten, trotzdem tausche ich vielleicht das eine oder andere Stück aus und nehme etwas Neueres, Moderneres. Ganz sicher kaufe ich mir eine andere Couchgarnitur, eine, die Farbe in den Raum bringt. Vielleicht in Rot. Eine, die schick und ein bisschen peppig ist und trotzdem zu allem Übrigen passt.

Und dann saß Sarah plötzlich staunend und mit offenem Mund da. Sie hatte tatsächlich Pläne für die Zukunft gemacht, konkrete Vorstellungen entwickelt, zum allerersten Mal seit Manfreds Tod! Sie wollte etwas ändern, für sich ganz allein!

Das habe ich nur Stefan zu verdanken, dachte sie.

Wie gut es tat, jemanden gefunden zu haben, mit dem sie über alles reden konnte. Dem sie blind vertraute, weil sie wusste, dass er tatsächlich Anteil nahm.

Ihre Freundin, bei der sie nach Manfreds Tod eine Weile gelebt hatte, hatte sie nicht ständig mit ihren Problemen behelligen wollen – zumal sich gezeigt hatte, dass Sybille nicht viel von Manfred hielt. Sybille hatte ihr klar und deutlich gesagt, dass sie seinen Freitod als eine letzte Bosheit Sarah gegenüber empfand und dass sie ihm nicht den Gefallen tun solle, sich davon zerstören zu lassen.

Das mochte so sein, doch es half Sarah nicht weiter. Es nahm ihr nicht die Schuldgefühle.

Und Dietmar – jener Kollege, der ihr seine Wohnung überlassen hatte … nun, auch er hatte keineswegs Anteil genommen, obwohl sie geglaubt hatte, er verstünde, was sie bewegte.

Wie oft hatte er sie tröstend in seine Arme gezogen! Sie hatte sich geborgen bei ihm gefühlt, ein wenig zumindest, bis er ihr auf so üble Weise demonstriert hatte, dass sein Verhalten reine Taktik gewesen war.

Überhaupt, je mehr Zeit verstrich, desto öfter musste sie feststellen, dass kaum jemand noch wissen wollte, was sie empfand.

„Mein Gott, Sarah, das Leben geht weiter.“, „Jetzt reiß dich doch endlich zusammen!“ – wie oft hatte sie diese Sätze gehört. Und sich dabei so einsam und verlassen wie nie zuvor in ihrem Leben gefühlt.

Stefan jedoch würde niemals auf solch eine Weise reagieren. Er war immer mit seinem Herzen dabei, und er ließ niemanden im Stich, der seinen Rat und seine Hilfe suchte. Er gab ihr neuen Mut.

Sarah schob den Stuhl zurück und stand auf.

Stefan will mich am Nachmittag zu einem Spaziergang abholen, aber bis dahin werde ich nicht unnütz herumsitzen, sondern erst einmal mit dem Hausputz weitermachen. Da oben wartet noch eine Menge Arbeit auf mich!

Sie suchte alles zusammen, was sie zum Putzen brauchte, dann ging sie die geschwungene Treppe nach oben in den ersten Stock. Als Erstes wollte sie sich das „Kinderzimmer“ vornehmen – den Raum, in dem sie sich ihr eigenes kleines Reich hatte einrichten dürfen.

„Oh Gott!“, murmelte sie vor sich, als sie das Zimmer betrat, und lächelte ein wenig verlegen.

Hier sah es noch so aus, als sei sie gerade sechzehn geworden. Die Wände waren mit Postern von „Take That“ und den „Backstreet Boys“ tapeziert, für die sie damals, genau wie zig Tausende anderer Mädchen, so sehr geschwärmt hatte.

Plötzlich fiel ihr auf, dass sie nach ihrer Schulzeit nie mehr in diesem Raum übernachtet hatte. Nach dem Abitur war sie nach Heidelberg gegangen, obwohl sie auch in München hätte studieren können. Doch sie hatte fort gewollt, weg von ihren Eltern, die darüber genauso froh zu sein schienen wie sie selbst.

Sie hatte die Freiheit dort genossen – auch wenn sie in einer winzigen Bude gehaust hatte –, und war nur selten nach München zurückgekommen. Und wenn, dann hatte sie sich in ihrem Elternhaus einquartiert, denn ihr Vater und ihre Mutter lebten damals bereits den größten Teil des Jahres in Südspanien.

Und Omi hat alles so gelassen, wie es war, dachte Sarah. Sie hat nichts, aber auch gar nichts an diesem Zimmer verändert.