Dr. Stefan Frank Sammelband 7 - Arztroman - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank Sammelband 7 - Arztroman E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

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Dr. Stefan Frank - dieser Name bürgt für Arztromane der Sonderklasse: authentischer Praxis-Alltag, dramatische Operationen, Menschenschicksale um Liebe, Leid und Hoffnung. Dabei ist Dr. Stefan Frank nicht nur praktizierender Arzt und Geburtshelfer, sondern vor allem ein sozial engagierter Mensch. Mit großem Einfühlungsvermögen stellt er die Interessen und Bedürfnisse seiner Patienten stets höher als seine eigenen Wünsche - und das schon seit Jahrzehnten!

Eine eigene TV-Serie, über 2000 veröffentlichte Romane und Taschenbücher in über 11 Sprachen und eine Gesamtauflage von weit über 85 Millionen verkauften Exemplaren sprechen für sich:

Dr. Stefan Frank - Hier sind Sie in guten Händen!

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2218 bis 2220:

2218: Ich wünsche mir rosarote Rosen

2219: Glaub nicht seinen schönen Worten!

2220: Ab heute gehört uns die Welt!


Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.

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Seitenzahl: 347

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © shutterstock: gorillaimages ISBN 978-3-7325-6902-1

Stefan Frank

Dr. Stefan Frank Sammelband 7 - Arztroman

Inhalt

Stefan FrankDr. Stefan Frank - Folge 2218Mit unsicheren Schritten nähert sich die siebenjährige Maja Feldmann der Praxis von Dr. Frank. Vor der Tür bleibt sie noch einen Moment stehen und schnuppert. "Vorsicht, mein Schatz!", warnt der Grünwalder Arzt, als Maja ihre Hand nach einem blühenden Rosenbusch ausstreckt. "Das sind Rosen, die haben Dornen, an denen du dich stechen könntest." "Oh!" Hastig zieht das blinde Mädchen die Hand wieder zurück. "Die duften so gut. Welche Farbe haben die?" "Rosarot." "Wenn ich sie doch nur sehen könnte!" "Sie sehen genauso aus wie die Rosenblüten auf deinem Kleid", erklärt ihr Dr. Frank. "Ich habe aber vergessen, wie mein Kleid aussieht", flüstert Maja. "Ich habe sogar vergessen, wie 'rosarot' aussieht. Und bald werde ich auch vergessen haben, wie du aussiehst."Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2219Warum ein junger Arzt sein Neujahrsversprechen nicht hielt Was für ein charmanter Mann, denkt Nina, als sie auf einer Party dem attraktiven Neurologen Dr. Jonas Töpfer begegnet. Und auch er scheint Gefallen an ihr gefunden zu haben, zumindest umwirbt er sie in den nächsten Wochen auf sehr ritterliche Art und Weise. Doch als er sie schließlich bittet, sie auf eine Silvesterfeier bei seinen Freunden zu begleiten, ist Nina doch ein wenig verwundert. Er möchte sie allen vorstellen, hat Jonas gesagt. Aber ist es dafür nicht noch ein bisschen früh? Immerhin ist außer ein paar relativ unschuldigen Küssen noch gar nichts zwischen ihnen passiert! Dennoch sagt sie zu, nicht ahnend, dass um Punkt zwölf Uhr eine noch größere Überraschung auf sie wartet...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2220Dr. Frank und zwei junge Patienten auf der Suche nach dem Glück Direkt an seinem achtzehnten Geburtstag hat Ben Reuttenthal sein Elternhaus verlassen, weil es dort nicht auszuhalten war. Zu seiner Familie hat er keinen Kontakt mehr, lediglich seine kleine Schwester Lea trifft er hin und wieder heimlich. Als sie ihm eines Tages schreibt, er soll sofort nach Hause kommen, ahnt er deshalb, dass etwas Schreckliches passiert sein muss. Und in der Tat: Sein Bruder Alexander hat sich betrunken hinters Steuer gesetzt und einen Autounfall verursacht, der eine junge Frau namens Nina beinah das Leben gekostet hätte! Alexander bereut nichts, doch Ben schämt sich - wieder einmal - für seine Familie. Also macht er sich auf den Weg ins Krankenhaus, um Nina zu besuchen. Was er nicht ahnt: Diese Begegnung wird sein gesamtes Leben verändern...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Ich wünsche mir rosarote Rosen

Vorschau

Ich wünsche mir rosarote Rosen

Wie Dr. Frank einem kranken Mädchen seinen Traum erfüllte

Mit unsicheren Schritten nähert sich die siebenjährige Maja Feldmann der Praxis von Dr. Frank. Vor der Tür bleibt sie noch einen Moment stehen und schnuppert.

„Vorsicht, mein Schatz!“, warnt der Grünwalder Arzt, als Maja ihre Hand nach einem blühenden Rosenbusch ausstreckt. „Das sind Rosen, die haben Dornen, an denen du dich stechen könntest.“

„Oh!“ Hastig zieht das blinde Mädchen die Hand wieder zurück. „Die duften so gut. Welche Farbe haben die?“

„Rosarot.“

„Wenn ich sie doch nur sehen könnte!“

„Sie sehen genauso aus wie die Rosenblüten auf deinem Kleid“, erklärt ihr Dr. Frank.

„Ich habe aber vergessen, wie mein Kleid aussieht“, flüstert Maja. „Ich habe sogar vergessen, wie ‚rosarot‘ aussieht. Und bald werde ich auch vergessen haben, wie du aussiehst.“

„Und? Was hat sie gesagt?“

Der Grünwalder Arzt hielt sich beide Hände vor den Mund, um das breite Grinsen dahinter zu verbergen, das er nicht mehr unterdrücken konnte, und simulierte ein Gähnen.

Das lange, verdutzte Gesicht seines Freundes und Kollegen Ulrich Waldner, der eben jetzt den Frühstücksraum betrat, sah einfach zu komisch aus.

„Ha!“ Der Leiter der renommierten Münchner Privatklinik ließ sich auf einen der rustikalen Holzstühle fallen und zuckte dann erschrocken zusammen, als plötzlich ein lautes „Määh!“ durch das offene Fenster ertönte.

„Was ist los?“, rief er der weißen Ziege, die den Kopf zum Fenster hereinsteckte, missmutig fragend zu. „Liegt ein Notfall vor? Wenn nicht, dann bin ich heute für niemanden zu sprechen.“

„Und?“, wiederholte Stefan Frank lachend seine Frage. „Hat sich dein Gefühl bestätigt? Müssen wir sofort wieder packen und heute noch zurückreisen, weil in der Waldner-Klinik ohne dich alles drunter und drüber geht?“

„Wenn du es genau wissen willst …“ Ulrich Waldner drehte den Kopf in alle Richtungen und hielt besorgt nach einem Frühstücksbüfett Ausschau, doch da war keines. Frustriert seufzend fuhr er fort: „Die exakte Auskunft meiner lieben Gemahlin lautete: ‚Bleib, wo du bist, Ulrich, hier in der Klinik kräht kein Hahn nach dir‘.“

„Armer Uli!“ Stefan spannte sämtliche Muskeln in seinem Gesicht an und presste die Lippen fest zusammen, um nicht in lautes Lachen auszubrechen. „Bestimmt sagt Ruth das nur so, um dich nicht zu beunruhigen.“

Gegen Abend des vergangenen Tages waren die beiden Ärzte auf dem Wellness-Bergbauernhof Hügli in einem idyllischen kleinen Bergdorf im Schweizer Engadin angekommen. Während Stefan dem einwöchigen Aufenthalt mit Freude entgegensah, wollte bei Ulrich keine rechte Urlaubsstimmung aufkommen.

Erstens war er ein typischer Workaholic, der der Meinung war, seine Klinik würde keinen Tag lang ohne ihn weiterbestehen; zweitens gefiel ihm der Gedanke, entbehrlich zu sein, nicht besonders – und drittens war er ganz und gar nicht freiwillig hier. Seine Frau, die Anästhesistin Dr. Ruth Waldner, hatte ihn, nachdem er eine Woche lang fast durchgehend am Operationstisch gestanden und danach einen kleinen Schwächeanfall erlitten hatte, zu diesem Erholungsurlaub genötigt.

Und da auch Stefan Frank schon länger keine Pause mehr eingelegt hatte und seine Freundin, die Augenärztin Dr. Alexandra Schubert, sich zurzeit auf einer Vortragsreise durch Europa befand, hatte er seine Praxis dichtgemacht und sich seinem Freund angeschlossen.

„Suchst du was, Uli?“, wollte er nun schmunzelnd wissen und sog die kühle, klare Bergluft tief in seine Lungen.

Der Chefarzt, der aufgestanden war und nun in jeden einzelnen der bäuerlich bemalten Tontöpfe blickte, die auf einer Anrichte am Fenster der rustikalen Stube standen, drehte sich zu Stefan um.

„Ein Frühstück würde ich suchen, wenn du nichts dagegen hast. Ich bin hungrig! Ich habe die ganze Nacht lang nichts gegessen, obwohl ich einen sehr anstrengenden Traum hatte.“ Er hob eines der irdenen Gefäße hoch, nahm den Deckel ab, warf einen prüfenden Blick hinein und schüttelte es. „Da sind ein paar tote Fleischfliegen drin. Meinst du, das könnte es sein? So eine Art Alpen-Sushi?“

In dem Moment betrat Urs Hügli, ein kleiner stämmiger Mann im mittleren Alter, mit schulterlangem Haar und noch längerem Bart, die Stube.

„Grüezi! Na, haben die Herren ein guets Nächtli gehabt?“, begrüßte er die beiden Ärzte freundlich und ging dann zum Fenster. „Sie haben schönes Wetter mitgebracht, oder? Na, ischt das heute eine würzige Luft, oder?“

„Ohne Frage“, erwiderte der Chefarzt. „Aber selbst wenn die Luft noch so gut gewürzt ist, satt wird man davon leider nicht. Wenn die Hühner vielleicht Probleme haben sollten, die Eier für mein Schinkenomelette zur Welt zu bringen …“ Er zeigte auf Stefan. „Er hier ist unter anderem Geburtshelfer.“

„Ha-ha-ha!“ Urs Hügli brach in schallendes Gelächter aus. „Ja, ja, die Bergluft macht ein gesundes Hüngerli“, fuhr er fort, nachdem er sich die Lachtränen aus den Augen gewischt hatte. „Bei Ihnen zu Hause heißt das aber wohl Kohldampf, oder?“

„Wir kommen aus Bayern“, stellte Ulrich Waldner klar. „Und ein richtiger Bayer hat weder Kohldampf noch ein Hüngerli, sondern einen ausgewachsenen Hunger. Und zwar viel, unabhängig von der Höhenlage und immer.“

„Jä so? Wohl, so ischt‘s recht! Wer viel schafft, muss auch tüchtig essen. Die Regula kommt gleich mit dem Zmörgele, oder?“

„Mit was?“

„Zmörgele oder Zmorge, so heißt bei uns das Frühstück. Das bringt die Regula gleich, oder?“

„Ja, ich weiß das leider nicht, mein lieber Herr Hügli.“ Dr. Waldner zuckte ratlos mit den Schultern. „Ich kenne die Regula ja noch nicht einmal.“

„Das war keine Frage, Uli“, klärte Stefan seinen Freund schmunzelnd auf. „Das ist Schweizerdeutsch, da gehört an jeden Satz ein ‚oder‘.“

Das etwas missmutige Gesicht des Klinikchefs hellte sich schlagartig auf, als eine junge Frau mit einem großen Tablett die Stube betrat.

„Ah, das Zmörgele kommt, Stefan!“

Doch so schnell Ulrich Waldners Mundwinkel sich nach oben bewegt hatten, so schnell hingen sie auch wieder nach unten. Fassungslos starrte er auf Körner, Nüsse, getrocknete Beeren, Getreideflocken und Joghurt.

„En Guete!“, wünschte Regula mit einem sonnigen Lächeln und verschwand wieder.

„Ischt was nicht in Ordnung?“ Urs Hügli trat besorgt an den Tisch heran, als Dr. Waldner seine Schüssel von sich schob und einen abgrundtiefen, verzweifelten Seufzer ausstieß, der sich beinahe wie ein Schluchzen anhörte.

„Ihrer Regula ist hier ein gravierender Irrtum unterlaufen, mein lieber Herr Hügli“, erwiderte der Chefarzt mit sorgenvoll gerunzelter Stirn. „Vermutlich hat sie unseren gebratenen Speck, die Eier und die frischen Brötchen in den Stall gebracht und uns stattdessen das Ziegen-Zmörgele vorgesetzt.“ Mit Nachdruck und viel Hoffnung im Blick fügte er noch ein lautes: „Oder?“, hinzu.

„Ha-ha-ha!“ Herr Hügli amüsierte sich köstlich mit den beiden verrückten Bayern. Als er jedoch Ulrich Waldners aufrichtig verzweifelten Blick bemerkte, erklärte er: „Das tut mir leid, oder? Aber den Ernährungsplan, den hat die Frau Ruth so feschtgelegt. Sie meint, ich sollte auf Ihr Choleschterin achten, und Ihr Blutdruck wäre auch zu hoch, oder?“

„Iss einfach, Uli!“, riet Stefan Frank, der bereits damit begonnen hatte, sich sein Müsli zusammenzumischen. „Mit der Zeit gewöhnt man sich daran, oder?“

„Eben! Genauso ischt das“, stimmte ihm Urs Hügli zu. „Wenn Sie nachher hungrig von der Wanderung zurückkommen, dann gibt es dafür zum Zmittag öppis Deftiges. Ein schönes Stück gedämpftes Fischfilet mit einem Sößchen aus würzigen Bergkräutern und Gummeli dazu.“

„Was für eine Wanderung?“ Ulrich Waldner blieb vor Überraschung der Mund offen stehen. „Ich glaube, Sie verwechseln uns. Oder? Wir sind keine Alpinisten, die einen eurer Gipfel erklimmen wollen.“

„Die Frau Ruth hat gesagt, ich soll drauf schauen, dass Sie jeden Morgen mindescht drei Stunden wandern, oder? Und nach dem Zmittag packen wir Sie für eine Stunde ins Heu. Das entschlackt und ischt das Beschte für den Stoffwechsel.“

„Schön! Drei Stunden latschen! Und dann ein gedämpftes Fischli! Und dabei soll ich mich erholen? Und was, um Himmels willen, soll ich entschlacken und verstoffwechseln, wenn ich nichts im Bauch hab?“

„Vergiss die Bergkräuter und die Gummeli nicht, Uli!“, mahnte Stefan lachend. „Die sind bestimmt sehr nahrhaft. Was immer auch ein Gummeli sein mag.“

„Kartöffli sind das, oder?“, erklärte Herr Hügli.

„Gut …“ Dr. Waldner nickte gottergeben. „Jetzt weiß ich auch endlich, warum ihr Schweizer als so ordentlich geltet und ständig alles sauber macht.“

„Warum denn?“, wollte Urs Hügli wissen und lachte schon einmal vorsorglich laut los.

„Weil Ihr eure Spuren verwischen müsst, damit euch die ausgehungerten Feriengäste nicht auflauern können.“

„Ha-ha-ha! Ihr seid mir schon zwei Luschtige, oder?“

Unter schallendem Gelächter verließ Herr Hügli das zmörgelige Notstandsgebiet.

***

„Frankfurt, den …“

Lena Feldmann erhob sich halb von ihrem Stuhl und schaute über den Rand des Bildschirms zu ihrer Kollegin hinüber.

„Den wievielten haben wir heute, Katrin?“

„Den neunzehnten“, erwiderte die junge Frau, ohne das Tippen zu unterbrechen.

„Kann nicht sein!“, stöhnte Lena und schüttelte ihre honigblonden Locken. „Noch fast zwei Wochen bis Monatsende? Mein Geld ist aber jetzt schon alle!“

„Meins auch.“ Katrin beugte sich ein wenig zur Seite, um Lena an dem Bildschirm ihres Computers vorbei sehen zu können. „Dafür wird es diesmal aber ein bisschen mehr – bei den vielen Überstunden, die wir machen müssen.“

„Träum weiter!“, zischte Lena und druckte den Brief aus, den sie gerade getippt hatte. „Der alte Geizhals lässt sich bestimmt wieder etwas einfallen, damit er uns die Überstunden nicht bezahlen muss.“

„Alter, knickriger Sklaventreiber!“ Katrin setzte ihre Kopfhörer wieder auf und drückte auf den Start-Knopf des Diktaphons.

Lena legte den ausgedruckten Brief in die Mappe, die sie dann später – wenn sie die gesamte Post erledigt hatte – dem Chef zur Unterschrift vorlegen wollte.

Einige Minuten später zuckte sie erschrocken zusammen, als das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte.

„Ach Mensch! Du hast doch gesagt, du nimmst mir die Anrufe bis Mittag ab, Katrin“, maulte sie. „Ich schaffe den Berg Arbeit sonst nicht, den mir der Alte aufgeladen hat, und ich muss doch Maja spätestens um sechs von der Nachmittagsbetreuung abholen. Jede Minute länger kostet extra!“

„Ist privat“, erwiderte Lenas Bürokollegin und zuckte mit den Schultern.

„Verlag Heinz Röhrig, Lena Feldmann am Apparat“, meldete sich Lena misstrauisch. Sie konnte sich absolut nicht vorstellen, wer sie hier im Verlag privat anrufen sollte.

„Sie müssen bitte sofort kommen!“ Die weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung klang atemlos, beinahe hysterisch.

„Wer, was, warum und wohin?“, fragte Lena genervt und verdrehte die Augen.

Der kleine Verlag, für den sie arbeitete, war spezialisiert auf Broschüren, Handzettel und Gebrauchsanweisungen, aber auch Dissertationen und Memoiren von Leuten, die der Meinung waren, ihre Lebensgeschichte sei so aufregend und einzigartig, dass die ganze Welt davon erfahren sollte. Diese Leute zahlten beachtliche Summen für ein paar billig gemachte Büchlein, die dann doch nur dazu taugten, die eigene Verwandtschaft damit zu nerven.

Es waren immer wieder einige Kunden darunter, die wegen jeder Kleinigkeit anriefen, weil ihnen gerade etwas eingefallen war, was unbedingt noch mit ins Buch hinein musste.

Sie schloss ergeben die Augen und wartete auf etwas, wie:

„Frau Feldmann, mir ist gerade wieder eingefallen, dass Horst-Heinrich, als er 1976 am Strand von Rimini um meine Hand angehalten hat, Tränen in den Augen hatte. Das muss unbedingt noch …“

Doch stattdessen …

„Tut mir leid, Frau Feldmann. Hier ist Isolde Blum von der Grundschule in der Kaiserstraße. Ich bin völlig außer mir. Es ist etwas Schreckliches passiert. Bitte kommen Sie sofort!“

„Wa … wo … ich … bitte …“ Lena bekam kaum noch ein Wort heraus. Ihre Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. Auch konnte sie den Hörer kaum noch halten, so heftig zitterten ihre Hände. Kalter Schweiß brach auf ihrem ganzen Körper aus, und ihr Kopf war innerhalb von Sekunden blutleer und wollte das Gehörte nicht in eine vernünftige Reihenfolge bringen.

„Ich erfahre gerade, dass man Maja in die Sauerbruch-Klinik bringt, Frau Feldmann. Kommen Sie bitte gleich dorthin.“

Es machte „Klick“ in der Leitung, dann war die Verbindung unterbrochen.

„Meine Güte! Was ist passiert?“, rief Katrin erschrocken aus, als Lena aufstand und schwankend zur Tür stakste, als befände sie sich auf einem Schiff, das durch meterhohe Wellen pflügte. „Du bist ja schneeweiß im Gesicht! Ist dir übel geworden?“

Katrin sprang auf, riss sich die Stöpsel aus den Ohren und schaffte es gerade noch, ihre Kollegin festzuhalten, ehe diese gegen die geschlossene Tür prallte.

„Maja … die Direktorin der Grundschule hat angerufen. Ich muss in die Klinik … etwas Schreckliches … weiß nicht genau …“

Katja sog scharf die Luft ein.

„Verdammte Sch …! Warte!“ Sie rannte zu ihrem Platz zurück, kramte in ihrer Handtasche und drückte Lena dann einen Zwanziger in die Hand. „Du fährst mit dem Taxi! Klar?“

„Aber …“ Lena Feldmann hielt den Geldschein hoch. „Ähm … ich … du hast doch selbst …“

„Nimm und geh! So viel hab ich schon noch. Und wie ich dich kenne, ist dein Konto bis zum Limit überzogen. – Oh, warte noch!“ Katrin sauste zu Lenas Schreibtisch und nahm die Handtasche, die über der Stuhllehne hing. „Tasche nicht vergessen! Ruf mich an, sobald du was weißt!“

In dem Moment kam Heinz Röhrig, der Direktor des Verlags – wie immer in leichter Rückenlage und wie eine hochschwangere Frau seinen mächtigen Kugelbauch stolz vor sich her tragend – aus seinem Büro.

„Was soll denn das werden, meine Damen?“, erkundigte er sich mit hochgezogenen Augenbrauen. „Machen wir einen kleinen Spaziergang? Haben wir nichts zu tun?“

„Ein Unfall in der Schule, ihre Tochter“, erklärte Katja, atemlos vor Aufregung und den Tränen nahe. „Sie muss sofort in die Klinik.“

„Jetzt? Ist denn die Post schon fertig? Die Briefe müssen alle heute noch raus!“

„Das kann ich ja dann machen“, bot Katrin an. „Es ist ein Notfall, sie muss weg!“

„Ach so? Und wer macht dann Ihre Arbeit?“

So etwas wie Mitleid kannte Herr Röhrig nicht. Drohend baute er sich vor Lena auf und hob einen seiner kurzen Wurstfinger.

„In einer Stunde sind Sie wieder da, oder Sie brauchen erst gar nicht mehr zu kommen. Die Stunde arbeiten Sie natürlich am Abend nach, das versteht sich doch, oder? Wenn das Kind in der Klinik ist, haben Sie ja jetzt ohnehin keine Ausrede mehr, warum Sie immer so pünktlich gehen müssen.“

„Geh jetzt, Lena!“ Katja schob ihre Kollegin einfach zur Tür hinaus. „Denk nicht an die Arbeit, sondern komm erst wieder, wenn du wirklich kannst. Notfalls arbeite ich die ganze Nacht durch. Ruf mich an, wenn du Hilfe oder Geld brauchst. Ich drücke dir beide Daumen.“

Bis zum nächsten Taxistand waren es keine dreißig Meter. Dennoch hatte Lena das Gefühl, die längste und beschwerlichste Wanderung ihres Lebens hinter sich gebracht zu haben, als sie endlich auf der Rückbank des Taxis saß und dort ihre schweißnassen Hände so fest knetete, bis sie schneeweiß, gefühllos und blutleer waren.

***

„Pommes, Burger, Hotdog, Weißwurst, Döner? Nein? Wenigstens eine Frikadelle, die Sie mir in ein Brötchen legen könnten, liebe Frau Bürgerli?“

Mit Rucksack und Wanderschuhen ausgestattet, hatten sich Stefan Frank und Ulrich Waldner nach dem frustrierenden Frühstück auf die vorgeschriebene Wanderung begeben. Zu Dr. Waldners großer Freude waren sie an einem kleinen Dorfladen mit der Aufschrift Feinkost Bürgerli vorbeigekommen. Doch die Freude währte nicht lange …

„Na, so wasch hab i nit!“ Frau Bürgerli schüttelte ratlos den Kopf. „Aber ich kann den Herren schon ein bäumigsch Mümpfeli zurechtmachen“, versprach sie und bemühte sich sehr, Hochdeutsch und extra langsam zu sprechen, weil sie sofort bemerkt hatte, dass die beiden Männer Touristen und der deutschen Sprache nicht wirklich mächtig waren. „Öppis Schwinigs kann ich euch in ein Bürli oder ein Schlumbi gäbe“, bot sie freundlich an. „Ein paar Plätzli hätt ich auch noch. Oder wär Ihnen ein Brütli lieber?“

„Stefan“, sagte Ulrich Waldner zerknirscht. „Wir hätten ein Wörterbuch kaufen oder vorher einen Sprachkurs machen sollen. Jetzt stehen wir da und müssen verhungern, weil wir rein gar nichts kapieren, wir zwei dämlichen Touristen.“

Frau Bürgerli lachte schallend. Dann holte sie ein weißes und ein dunkles Brötchen aus einem Korb.

„Das weiße ischt ein Schlumbi und das dunkle ein Bürli“, erklärte sie.

„Ah, Brötchen sind das! Und was ist ein Schwinli?“, fragte Stefan hoffnungsvoll.

„Schwinigs, das ischt vom Gusi.“ Frau Bürgerli grunzte, hielt sich beide Zeigefinger wie Ohren an den Kopf und wackelte mit der Nase.

„Schwein!“ Dr. Waldners Augen leuchteten. „Oh ja! Für mich bitte ein großes Gusi in einem Bürli!“

„Ihr seid aber recht gschpässig, oder?“ Frau Bürgerli öffnete lachend die Tür zu einem kleinen Kühlraum, um von dort einen großen Schinken zu holen.

„Schnitzel!“, rief der Klinikchef begeistert aus, als er die Köstlichkeiten erspähte, die sich hinter der Tür befanden. „Sie haben ja Schnitzel!“

„Plätzli!“, korrigierte Frau Bürgerli. „Dös sind Plätzli.“

„Nehmen wir auch!“ Stefan und Ulrich nickten sich begeistert zu.

„Je ein Plätzli in ein Schlumbi und ein Schwinigs in ein Bürli bitte – und dann noch was zu Trinken, wir gehen nämlich wandern“, bestellte Stefan Frank.

„Ein Blööterliwasser?“

„Ja, ich bin total verrückt nach Blööterliwasser“, gestand Dr. Waldner und wartete gespannt, was Frau Bürgerli bringen würde.

Es handelte sich schlicht und einfach um Limonade.

„Öppis Bölle aufs Plätzli, oder?“

„Ähm …?“

Frau Bürgerli hob eine Zwiebel hoch.

„Oh, ja, bitte! Öppis viel Bölle!“ Dr. Waldner war begeistert. „Und haben Sie auch dieses gelbe Zeug in Tuben, das ein bisschen scharf ist und aus kleinen runden Körnern gemacht wird?“

„Senf?“

„Ach, Senf heißt das bei euch?“

„Ja freilich, wie denn sonscht?“ Frau Bürgerli lächelte nachsichtig, schnitt die Zwiebel in feine Ringe, legte sie auf die Schnitzel, gab einen großen Klecks Senf darauf und packte dann alles fein säuberlich in Butterbrotpapier ein. „Ein paar Dröpsli vielleicht noch?“

„Ja, Dröpsli nehmen wir auch mit“, entschied Stefan, freute sich darüber, dass es sich dabei um Bonbons handelte, und steckte diese zum Blööterliwasser und den Schlumbis und Bürlis mit dem Schwinigs in den Rucksack.

Und weil sie so köstlich aussahen und ebenso dufteten, nahmen sie noch jeder ein Gipfeli, anderswo als Croissant bekannt.

Frau Bürgerli war ein wenig besorgt über dieses ziemlich reichhaltige Mümpfeli so früh am Morgen.

„Nit, dass Sie nachher Ranzepfiffe kriegen“, warnte sie. Und als sie die verwirrten Blicke bemerkte, hielt sie sich stöhnend den Bauch. „Auweh, auweh!“

„Ah, Bauchschmerzen sind das wohl!“ Stefan legte die Gipfeli vorsichtig oben auf ihre Einkäufe und schloss die Klappe des Rucksacks.

„Wohl“, bestätigte Frau Bürgerli, nahm das Geld entgegen, das Ulrich Waldner ihr reichte, und gab den beiden hungrigen Ärzten noch einen kostenlosen medizinischen Tipp obendrein: „Bei Ranzepfiffe oder bei Tutswitt helfen Heubeeri. Die wachsen jetzt eh überall im Wald.“

Stefan und Ulrich wanderten gerade so weit, dass sie vom Wellnesshof des Herrn Hügli aus sicher nicht mehr gesehen werden konnten. Dann ließen sie sich auf einem umgefallenen Baumstamm nieder und holten erst einmal das Frühstück nach.

„Schling nicht so, Uli, sonst kriegst du Ranzepfiffe, oder?“, scherzte der Grünwalder Arzt. „Oder gar Tutswitt. Ich nehme an, das heißt Durchfall.“

„Ich muss schlingen, Stefan“, erwiderte der Chefarzt mit vollem Mund. „Ich brauche sehr viel Schwinigs mit Bölle und Bürlis mit Plätzli und Dröpsli, damit ich das traurige Zmörgele vergessen kann und auch gleich für das vermutlich ebenso trostlose Zmittag gewappnet bin.“

„Ach was!“ Stefan machte eine wegwerfende Handbewegung. „Jetzt haben wir ja die nette Frau Bürgerli mit ihrem gut gefüllten Kühlraum. Die werden wir noch sehr, sehr oft besuchen. Der Herr Hügli wird darüber entzückt sein, wie oft wir täglich wandern gehen.“

„Wenn sie uns nur nicht verpfeift“, hoffte Dr. Waldner. „Ruth kommt doch jedes Jahr für ein paar Tage hierher. Die kennt hier vermutlich bereits alle Leute.“

Der Chefarzt stopfte, zufrieden seufzend, die leeren Papiertüten in den Rucksack zurück, trank noch einen Schluck Blööterliwasser und stand auf.

„Komm, Stefan, machen wir uns wenigstens die Schuhe ein bisschen schmutzig, damit es nachher so aussieht, als hätten wir uns unser karges Zmittag redlich verdient.“

Endlich satt und somit gut gelaunt, nahmen die beiden Ärzte erstmals die unglaubliche Schönheit der Natur rings um sie herum bewusst wahr. Ein Stück unter ihnen schmiegte sich das kleine Dorf, das nur aus wenigen schlichten Backsteinhäusern bestand, an den steilen Abhang. Mittendrin stand ein kleines Kirchlein, und rundherum ragten die Berge hoch auf.

Auf den mit bunten Blumen übersäten steilen Wiesen grasten Kühe und Ziegen. Das Gras war so grün, der Himmel so blau und die vereinzelten Schäfchenwolken so weiß wie auf einer kitschigen Postkarte – nur dass man bei der angenommen hätte, dass hier jemand kräftig nachgebessert hat.

„Unglaublich, diese Stille!“, seufzte der Grünwalder Arzt. „Hier merkt man erst so richtig, von wie viel Lärm wir zu Hause ständig umgeben sind.“

„Ja“, stimmte der Klinikchef ihm zu. „Mit vollem Bauch lässt es sich hier aushalten. Diese Ruhe, die gute Luft, dieser unglaubliche Frieden, diese …“

Als Stefan und Uli einen großen, mit Moos bewachsenen Felsbrocken umrundet hatten, kam ihnen von oben her ein Mountainbike in rasender Geschwindigkeit entgegengeschossen.

„Vorsicht! Ich kann nicht ausweichen, der Weg ist zu schmal!“, rief der Fahrer.

Die beiden Ärzte flüchteten sich auf den Felsen hinauf und klammerten sich dort fest.

„Von wegen Ruhe und Frieden!“, stöhnte Ulrich.

„Tut mir echt leid!“ Das Mountainbike schlitterte noch ein paar Meter weiter und kam dann zum Stillstand. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass so früh am Morgen schon Touristen unterwegs sind.“ Ein junger Mann stieg von dem Fahrrad und nahm sich den Helm vom Kopf.

„Wie kommen Sie auf die Idee, dass wir Touristen sind?“, fragte Ulrich Waldner schnippisch.

Der junge Mann lachte laut auf.

„Das sieht man an den neuen, sauberen Wanderschuhen und den bayrischen Joppen, auf denen noch die Krümel vom Gipfeli kleben.“

„Pah!“ Dr. Waldner putzte sich die Krümel von der Jacke und blickte den Fremden herausfordernd an. „Und? Wie viele Murmeltiere haben Sie heute schon plattgemacht mit Ihrem gemeingefährlichen Dingsda?“

„Gar keine. Die sind ja vorsichtig, schnell und wendig“, lautete die Antwort.

„Im Gegensatz zu uns, meinen Sie?“ Stefan sprang lachend von dem Felsbrocken herab.

„Na ja, besonders geländegängig scheinen Sie mir nicht zu sein. Aber das wird schon noch. Sie sind ja gestern Abend erst angekommen.“

„Tz!“ Ulrich Waldner schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Und woher wollen Sie das schon wieder wissen?“

„Dieses Dorf hat keine hundert Einwohner. Hier weiß jeder alles über jeden.“ Der junge Mann schlüpfte aus seinem rechten Handschuh. „Clemens Althoff übrigens. Und nichts für ungut. In Zukunft passe ich besser auf.“

Er schüttelte Stefans Hand, der sich ebenfalls vorstellte, und wandte sich dann mit fragendem Blick dem Chefarzt zu.

„Ulrich Waldner.“ Der Klinikchef reichte Herrn Althoff die Hand und musterte ihn ungeniert von oben bis unten. „Sie klingen allerdings auch nicht gerade nach einem waschechten Schweizer. Was machen Sie denn so, wenn Sie nicht gerade in den Schweizer Bergen harmlose Touristen jagen?“

Clemens Althoff lachte und fuhr sich mit der Hand durch das streichholzkurze braune Haar.

„Ich habe ein paar Weiterbildungskurse in Zürich gemacht und dann gleich ein paar Urlaubstage drangehängt“, verriet er.

„Wie bremse ich rechtzeitig – so ein Kurs war wohl nicht dabei, oder?“, fragte Dr. Waldner sarkastisch.

„Nein! Wäre wohl besser gewesen, nicht wahr?“, fragte Clemens Althoff, der offensichtlich nicht zu den Menschen gehörte, die leicht beleidigt waren.

„Wie erklimme ich das Matterhorn auf einem Fahrrad?“, bohrte der Chefarzt weiter.

„Auch nicht. Obwohl … die Idee ist gar nicht übel. Es käme auf einen Versuch an.“

„Was kann man denn in Zürich lernen, was man daheim nicht lernen kann? Machen Sie in Schokolade?“ Dr. Waldner ließ nicht locker. „Oder haben Sie nur mal wieder in Ihrem geheimen Bankschließfach aufgeräumt?“

„Weder noch. Ich habe in der Augenklinik von Zürich Laserchirurgie und Hornhauttransplantation geübt – fast ein halbes Jahr lang. Nun hoffe ich, mit meinen neuerworbenen Fähigkeiten irgendwo in Deutschland einen Job in einer guten Klinik zu bekommen.“

„Hast du nicht neulich einmal gesagt, du suchst einen guten Facharzt für Augenchirurgie, Uli?“

„Hab ich, Stefan.“ Dr. Waldner blickte den jungen Mann prüfend an. „Sind Sie gut?“

„Schwer zu sagen“, erwiderte Clemens Althoff und zuckte lächelnd mit den Schultern. „In jungen Jahren tendiert man ja dazu, sich immer für etwas besser zu halten, als man tatsächlich ist. Aber ich denke, dass ich mein Handwerk inzwischen recht gut beherrsche. Allerdings habe ich noch keine Anstellung an einer Klinik. Ich kann mir Ihr Problem gerne mal ansehen, aber operieren kann ich eben nur in einer Klinik.“

„Ich habe kein Problem, junger Mann“, protestierte Ulrich Waldner. „Zumindest nicht mit den Augen.“

„Aber eine Klinik hat er dafür“, fügte Stefan Frank schmunzelnd hinzu. „In München.“

„Eine Klinik? In München? Waldner …? Doch nicht etwa der Dr. Waldner aus München?“ Clemens schaute den Chefarzt überrascht an. „Sagen Sie bloß, Sie sind der Leiter der berühmten Waldner-Klinik?“

„Das hätten Sie nicht vermutet, was?“, schmunzelte dieser. „Wie Sie uns auf dem Felsen haben hängen sehen, dachten Sie, Sie hätten es mit zwei Alm-Öhis zu tun, die vom Gletscher herabgestiegen sind, um unten im Dorf den selbstgemachten Ziegenkäse gegen Gipfeli und Blööterliwasser zu tauschen … oder?“

Dr. Waldner nahm eine Visitenkarte aus seiner Brieftasche.

„Da, junger Mann! Spätestens in einer Woche sind wir wieder zurück. Kommen Sie doch einfach einmal mit Ihren Zeugnissen und Unterlagen vorbei. Wenn Sie in der Medizin ähnlich rasant sind wie auf dem Fahrrad, sehen wir weiter.“

„Vielen Dank!“ Clemens Althoff strahlte. „Was für ein Glück, dass ich ausgerechnet Sie beide fast überfahren hätte. Ich muss leider heute schon abreisen, aber wir sehen uns ganz bestimmt in München wieder.“

„Bitte ohne Fahrrad, wenn es geht!“, rief Dr. Waldner dem jungen Kollegen nach, der sich bereits wieder auf sein Mountainbike geschwungen hatte.

„Na? Was man in den Schweizer Bergen doch alles finden kann, oder?“, fragte der Grünwalder Arzt grinsend, als Clemens Althoff um die nächste Wegbiegung verschwunden war.

„Wohl“, erwiderte Ulrich Waldner schmunzelnd und zeigte auf einen Wegweiser, der ein paar Meter weiter vorne am Wegesrand stand. „Schau! Zur Edelweißhütte. Nur zwei Stunden. Was hältst du davon, wenn wir auf die Gummeli und das Fischli pfeifen, weiterwandern und uns dafür auf der Edelweißhütte ein anständiges Zmittag einverleiben?“

„Ich hätte nichts dagegen, Uli.“ Stefan schlüpfte in die Riemen des Rucksacks. „Aber du versäumst dein zünftiges, entschlackendes Heubad.“

Die letzte Silbe war noch nicht verklungen, da hatte der Klinikchef bereits mehrere Meter zurückgelegt.

„Mach voran, Stefan!“, rief er über die Schulter zurück. „Ich will weg von hier. Und für morgen schreibst du mir ein ärztliches Attest, in dem du mir bestätigst, dass ich unter schwerem Heuschnupfen leide!“

***

In Frankfurt erreichte Lena Feldmann wie in Trance die Sauerbruch-Klinik, in die man ihre kleine Tochter gebracht hatte.

Lena wirkte erstaunlich gelassen. Sie weinte nicht, sie klagte nicht, und sie dachte auch nicht darüber nach, was mit Maja geschehen sein könnte. Dazu war sie schlichtweg nicht mehr in der Lage. Ihr Gehirn schien ihr die Zusammenarbeit vorübergehend aufgekündigt zu haben. Sie musste sich jede kleine Bewegung fest vornehmen und ganz bewusst ausführen, sonst kam sie nicht von der Stelle.

Linkes Bein, rechtes Bein, linkes Bein, Arm ausstrecken, Türklinke nach unten drücken …

Zu spät! Sie prallte mit der Schulter gegen die Glastür, blieb wie angewurzelt stehen und dachte darüber nach, was schiefgelaufen war.

In der Eingangshalle der großen Klinik sprang eine Pflegerin, die am Aufnahmeschalter saß, auf, als sie sah, wie Lena zu schwanken begann. Hastig öffnete sie die Tür und hakte die junge Frau unter.

„Geht es Ihnen nicht gut?“, erkundigte sie sich besorgt. „Brauchen Sie einen Arzt?“

Brauchte sie einen Arzt? Lena dachte angestrengt nach.

„Nein … oder … ich weiß nicht genau. Ich funktioniere nicht mehr richtig … glaube ich.“

„Können Sie mir Ihren Namen sagen?“

„Ja … Feldmann … Lena …“

„Oh, Frau Feldmann! Ich weiß schon Bescheid.“ Schwester Antonia führte Lena zum Empfangsschalter und griff zum Telefon, ohne den Arm der jungen Frau loszulassen. „Es wird Sie gleich jemand abholen kommen“, sagte sie, als sie das kurze Gespräch beendet hatte. „Ihre Tochter ist im vierten Stock, in der Augenabteilung.“

„Augen?“ Lena schüttelte den Kopf.

Sie schüttelte ihn übertrieben heftig, denn sie spürte sich selbst nicht mehr richtig. Es war wie in einem Traum. Sie sah Bilder, und sie konnte hören, aber alle anderen Sinne schienen fest zu schlafen.

„Nein! Maja hat sehr gute Augen.“ Nach zwei oder drei Sekunden wiederholte sie: „Nein, Maja hat sehr gute Augen. Oder … habe ich das etwa schon gesagt? Glauben Sie, dass ich verrückt werde?“

„Sie stehen unter Schock, liebe Frau Feldmann.“ Die Pflegerin blickte sie mitfühlend an. „Vermutlich wird man Ihnen oben etwas geben.“

„Ja?“ Lena musste die Augen sehr weit öffnen, um gut sehen zu können. Ihr Blickfeld war irgendwie eingeengt. So, als stünde sie in einem Tunnel und blickte nach draußen. Sie lachte leise auf. „Wenn ich in einer Stunde nicht zurück bin, verliere ich meinen Job. Komisch, nicht?“

„Nein, das finde ich gar nicht komisch“, entgegnete Schwester Antonia. „Geben Sie mir bitte den Namen Ihrer Firma und die Telefonnummer. Ich werde den Herrn – zumindest gehe ich davon aus, dass es sich um einen Mann handelt – daran erinnern, dass es bei uns Gesetze gibt.“

„Röhrig Verlag … oder so. In meinem Kopf ist plötzlich alles ein bisschen durcheinander.“

„Natürlich ist es das.“ Die Pflegerin strich Lena beruhigend über den Rücken. „Ich suche mir die Nummer aus dem Telefonbuch heraus. Denken Sie gar nicht mehr an den fiesen Typen. Sie haben Anspruch auf Pflegeurlaub. Ich schicke Ihnen dann eine Sozialarbeiterin hinauf, die wird Ihnen die nötigen Schritte abnehmen und dem feinen Herrn eine schriftliche Bestätigung schicken. Kann ich jemanden für Sie verständigen? Ihren Mann vielleicht?“

„Das wäre schön!“, seufzte Lena. „Mark ist Pilot …“

„Sehr gut!“ Schwester Antonia sprach langsam und überdeutlich, wie mit einem Kind. Sie wusste so ungefähr, in welchem Zustand sich die junge Frau jetzt befand. Theoretisch zumindest.

„… gewesen“, vervollständigte Lena ihren Satz.

„Und jetzt nicht mehr?“, erkundigte sich die Pflegerin und schloss kurz die Augen. Bitte, nicht das auch noch!

„Nein, jetzt nicht mehr. Jetzt ist er tot. Vor einem Jahr, an Majas sechstem Geburtstag. Ein Betrunkener ist ihm auf dem Weg vom Flughafen nach Hause ins Auto gekracht. Frontal.“ Sie sah beinahe erstaunt aus, als sie hinzufügte: „Und ich habe mir jahrelang Sorgen gemacht, er könnte mit dem Flugzeug abstürzen.“

„Das tut mir leid, Frau Feldmann. Hier kommt Schwester Tanja, die wird Sie jetzt hinauf begleiten.“

„Frau Feldmann?“ Eine andere Pflegerin fasste sie am Oberarm. „Kommen Sie bitte mit. Man hat Maja vor fünf Minuten von der Notaufnahme in die Augenklinik gebracht. Sie ist …“

Als Lena schwankte, reichte die Pflegerin ihr eine kleine gelbe Tablette.

„Möchten Sie das einnehmen? Es wird Ihnen helfen, ein bisschen besser mit der Situation zurechtzukommen.“

Schwester Antonia hatte inzwischen am Wasserspender einen Pappbecher gefüllt, und Lena schluckte die Tablette, ohne erst lange zu fragen, um was für ein Medikament es sich dabei handelte.

Wozu denn auch? Es war ja ohnehin nur ein dummer Traum. Wenn sie aufwachte, würde sie darüber lachen.

Als sie im vierten Stock aus dem Lift trat, kam Isolde Blum – die Direktorin der Grundschule, in der Maja die erste Klasse besuchte – auf sie zugelaufen.

„Frau Feldmann! Oh mein Gott, es tut mir so leid! Es ist so schrecklich! Ich weiß gar nicht …“, klagte sie mit schriller Stimme.

„Bitte nicht!“ Schwester Tanja schob die aufgeregte Frau sanft, aber energisch zur Seite.

„Was hat sie denn?“, erkundigte sich Lena mitfühlend. „Ist einem der Kinder etwas passiert?“

Eine neue, fremde, männliche Stimme drang wie aus weiter Ferne an Lenas Ohren.

„Wir haben sie in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt“, erklärte sie. „Erstens war die Gefahr sehr groß, dass sie einen hypovolämischen Schock erleidet, und zweitens möchten wir ihr die Schmerzen ersparen.“

„Wer hat Schmerzen?“, fragte sie. „Frau Blum?“

Schwester Tanja gab dem Arzt, der Lena eben auf den Anblick ihrer Tochter vorbereiten wollte, hinter dem Rücken der jungen Frau ein Zeichen.

„Ich verstehe. Sie wissen wohl noch gar nicht, was vorgefallen ist. Nun, leider hat das Personal der Reinigungsfirma, die in der Schule sauber macht, eine Flasche mit hochkonzentriertem Abflussreiniger im Kinderwaschraum vergessen. Eines der Kinder hat damit herumgespielt und ihrer Tochter beide Augen verätzt.“

Der Arzt blickte Lena prüfend an, und als er keine Anzeichen eines drohenden Schocks erkennen konnte, fuhr er fort, die Mutter – die nur lächelnd nickte – ins Bild zu setzen.

„Maja wurde in der Notaufnahme sofort narkotisiert. Die Augen wurden mit Borat-Pufferlösung gründlich gespült und die geschädigte Bindehaut mit Eigenblut unterspritzt. Wir warten jetzt noch zwei bis drei Tage, bis wir das nekrotische Gewebe operativ entfernen können. Erst dann können wir die exakte Tiefe und Ausdehnung der Epitheldefekte ermitteln. Bis dahin werden wir … Frau Feldmann!“

Der Mediziner konnte gerade noch zupacken, bevor Lena auf dem Boden aufschlug.

***

Vier Tage später …

Im Schweizer Engadin neigte sich der Erholungsurlaub von Stefan Frank und Ulrich Waldner seinem Ende zu. Was von Ruth Waldner ursprünglich als gesundheitsfördernde Diät- und Sportwoche gedacht gewesen war, war für die beiden Ärzte längst zu einem kulinarischen Schlemmertrip geworden, den sie in vollen Zügen genossen.

Während Herr Hügli sich bereits Sorgen wegen des mangelnden Appetits der beiden Gäste machte, die das Zmörgele jeden Morgen beinahe unberührt ließen und sogar das Zmittag versäumten, weil sie bis zum späten Nachmittag scheinbar unermüdlich durch Wälder und Berge streiften, ließ Frau Bürgerli ihrer Kreativität bei der täglichen Zubereitung des Wanderproviants für die beiden Touristen freien Lauf.

Der Bürgerli-Burger – Ulrich Waldner hatte sich den Spaß erlaubt, seine Wortkreation mit Kreide auf die Tafel vor dem Laden zu schreiben – war längst zu einem echten Verkaufsschlager geworden. Besonders bei den Touristen!

Mit Begeisterung ließ sich die Ladenbesitzerin täglich neue Zutaten einfallen, die sie in die extra großen Semmeli packte, die sie beim Pfister, wie der Bäcker auf Schweizerdeutsch genannt wurde, bestellt hatte.

An diesem vorletzten Tag ihres Aufenthalts in dem kleinen Bergdorf saßen Stefan und Ulrich – wie an all den Tagen zuvor – auf der Sonnenterrasse der Edelweißhütte und pickten satt und zufrieden die letzten Reste eines recht üppigen Zmittag von ihren Tellern.

„Toni, noch zwei Herrgöttli, bitte!“, bestellte der Grünwalder Arzt beim Wirt der Edelweißhütte.

Dann legte er sein Besteck auf den leeren Teller, lehnte sich, zufrieden seufzend, zurück, schloss die Augen und wandte sein Gesicht der Sonne zu.

Als kurz darauf ein ziemlich strenger Geruch in seine Nase stieg, blickte er sich verwundert um.

„Sag mal, was machst du denn da? Ich dachte gerade, hier hat jemand einen besonders heftig müffelnden Bergkäse bestellt, dabei sind das deine Füße!“

„Na, na, nun hab dich mal nicht so!“ Dr. Waldner hängte seine linke Wandersocke über die Lehne des freien Stuhls neben sich. „Deine werden auch nicht gerade nach Rosen duften.“

Mit etwas Mühe hob er sein linkes Bein hoch und legte den nackten Fuß auf den rechten Oberschenkel.

„Du meine Güte, was hast du denn da?“ Stefan beugte sich nach vorne, als er das Blut auf Dr. Waldners Ferse sah. „Das ist ja schon ein richtiges Loch!“

„Ja, ich habe heute Morgen vergessen, ein Pflaster drauf zu tun. Ich habe mir gestern eine Blase gelaufen, die jetzt leider aufgeplatzt ist“, erklärte der Chefarzt. „Das tut weh. Hast du ein Erste-Hilfe-Set dabei?“

„Nein, ich habe gar nichts mit.“

„Was bist du denn für ein Arzt?“

„Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“

„Jechterlisau!“, rief der Hüttenwirt aus, als er mit den bestellten zwei Gläsern Bier wiederkam.

Er sog scharf die Luft ein und beugte sich interessiert über die blutige Ferse des Klinikchefs.

„Das können Sie laut sagen, was immer das auch heißen mag“, erwiderte Dr. Waldner. „Haben Sie zufällig ein Desinfektionsmittel und eine gute Wundsalbe in Ihrer Hausapotheke?“

„Wohl, oder?“ Der Mann verschwand im Inneren der Hütte und kam wenig später mit einer Flasche Wodka, einer kleinen Schüssel und etwas Verbandszeug zurück.

„Nein, guter Mann, ich habe keinen Schnaps bestellt“, begann der Chefarzt zu protestieren. „Ich wollte ein …“

Der Rest des Satzes ging in einem lauten, sehr lang gezogenen schrillen Jaulen unter, als der Hüttenwirt – ohne jede Vorwarnung – einen Schwall der glasklaren Flüssigkeit über die offene Wunde kippte.

„Du meine Güte!“ Stefan hielt sich erschrocken die Ohren zu, als der Schrei zwischen den nahen Felswänden wie ein Pingpong-Ball hin und her geschleudert wurde. „Jetzt weiß ich endlich, wie das Jodeln erfunden wurde.“

„Ja, ja, mach du dich nur lustig über mich!“ Dr. Waldner starrte mit tränenden Augen auf seinen Fuß, an dem sich die Zehen vor Schreck verkrampft und nach unten gekrümmt hatten.

Der Hüttenwirt hatte inzwischen die kleine Schüssel mit Lehm gefüllt, den er einfach aus dem Boden gescharrt hatte, und verrührte diesen jetzt mit einem Schuss Wodka zu einem Brei, den er auf eine Wundauflage klatschte.

„Was? Bisch ä Schisshas?“, fragte er, als Ulrich entsetzt versuchte, seinen lädierten Fuß noch schnell in Sicherheit zu bringen.

Mit seiner großen Pranke hielt er den Fuß des Klinikchefs fest, pappte das Gemisch aus Schnaps und Lehm auf die Wunde und verband die Ferse mit geschickten, flinken Fingern.

„So! Morgen bisch wieder vögeliwohl!“

„Vergelt‘s Gott“, bedankte sich Ulrich zerknirscht und machte dabei ein so spitzes Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. „Die lassen Sie gleich da!“ Er hielt die Wodkaflasche fest, die der Hüttenwirt wieder mitnehmen wollte. „Das brauch ich jetzt als Schmerzmittel.“

„Interessante Methoden haben die hier.“ Der Grünwalder Arzt schaute schmunzelnd zu, wie sein Kollege vorsichtig in seine Socke schlüpfte. „Da kann man richtig gespannt sein, welche Praktiken der nette junge Augenchirurg hier gelernt hat.“

„Du meine Güte!“ Dr. Waldner schaute Stefan erschrocken an. „Wenn er tatsächlich kommt und ich mich dazu entschließe, ihn einzustellen, dann werde ich ihn auf alle Fälle genau im Auge behalten.“

***

„Papa, bist du hier irgendwo? Sag doch was, ich kann dich nicht sehen. Es ist so dunkel hier.“

Lena musste sich sehr beherrschen, um die Tränen zurückzuhalten.

Vier Tage lang hatte Maja sich in einem künstlich herbeigeführten Dämmerzustand befunden, zweimal war sie operiert worden, und nun wollten die Ärzte feststellen, ob sich ihre Bemühungen gelohnt hatten oder nicht.

„Ich bin hier, mein Schatz.“ Lena nahm die Hand ihrer kleinen Tochter, beugte sich über sie und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Dabei vermied sie es, in die rotgeränderten trüben Augen zu sehen.

„Oh, Mama! Gut! Ich dachte nämlich, ich bin gestorben und im Himmel, deshalb wollte ich Papa suchen. So ein doofer Traum! Machst du mal bitte das Licht an, Mama?“

„Ich … Maja … es ist …“ Ein heiseres Schluchzen drang aus Lenas Kehle. Hilflos blickte sie sich zu der offenen Tür um, durch die gerade ein Arzt ins Zimmer trat. „Ich … was soll ich denn sagen?“, stammelte sie unter Tränen. „Sie kann sich an nichts erinnern. Und sie kann nichts sehen.“

„Wer ist denn da noch, Mama?“, wollte Maja wissen. „Und an was kann ich mich nicht erinnern?“

„Ich bin Dr. Bauer, kleine Maja, aber du darfst mich Robert nennen.“ Der Arzt trat an Majas Bett heran, nahm die andere Hand des kleinen Mädchens und blickte ihm prüfend in die Augen. „Du bist im Krankenhaus, mein Schatz, weil du in der Schule einen Unfall hattest. Kannst du dich noch daran erinnern?“

„Nee …“ Majas Stimme klang nun verunsichert. „Ist mein Bein gebrochen, so wie das von Lukas, als er von der Schaukel gefallen ist?“

„Nein, deine Beine sind völlig in Ordnung“, versicherte Dr. Bauer und reichte Lena eine Box mit Papiertüchern, die auf Majas Nachtschränkchen gestanden hatte. „Deine Augen haben was abgekriegt, Prinzessin. Jetzt wirst du eine Weile nichts – oder zumindest fast nichts – sehen können. Aber das heißt noch lange nicht, dass es für immer ist. Okay?“

„Okay. Dann ist es also gar nicht dunkel? Nur für mich?“

„Wie gesagt, das kann sich auch wieder ändern“, erwiderte Robert Bauer. „Hier kommt Schwester Natalie, Maja. Die wird dich jetzt in den Behandlungsraum bringen. Dort machen wir einen gründlichen Sehtest. In Ordnung?“

„Tut das weh?“

„Kein bisschen“, versprach Dr. Bauer.

„Dann ist es okay.“

„Gut, mein Schatz. Ich spreche noch kurz mit deiner Mama und komme dann sofort nach. Und Mama wartet natürlich hier auf dich.“

„Versprochen, Mama?“