Dr. Stefan Frank Sammelband 8 - Arztroman - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank Sammelband 8 - Arztroman E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

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Dr. Stefan Frank - dieser Name bürgt für Arztromane der Sonderklasse: authentischer Praxis-Alltag, dramatische Operationen, Menschenschicksale um Liebe, Leid und Hoffnung. Dabei ist Dr. Stefan Frank nicht nur praktizierender Arzt und Geburtshelfer, sondern vor allem ein sozial engagierter Mensch. Mit großem Einfühlungsvermögen stellt er die Interessen und Bedürfnisse seiner Patienten stets höher als seine eigenen Wünsche - und das schon seit Jahrzehnten!

Eine eigene TV-Serie, über 2000 veröffentlichte Romane und Taschenbücher in über 11 Sprachen und eine Gesamtauflage von weit über 85 Millionen verkauften Exemplaren sprechen für sich:

Dr. Stefan Frank - Hier sind Sie in guten Händen!

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2221 bis 2223:

2221: Wo bist du nur, mein Sohn?

2222: Zwei neue Kollegen für Dr. Waldner

2223: Drei Engel im Schnee


Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.

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Seitenzahl: 369

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © shutterstock: Ramona Heim ISBN 978-3-7325-6903-8

Stefan Frank

Dr. Stefan Frank Sammelband 8 - Arztroman

Inhalt

Stefan FrankDr. Stefan Frank - Folge 2221Dr. Frank und eine verzweifelte Mutter auf der Suche nach ihrem Kind Seit Christian sie verlassen hat, ist das Leben nicht einfach für die hübsche Buchhalterin Susanna. Ohne Christians Gehalt konnte sie die Raten für ihr Haus nicht mehr zahlen und musste deshalb wieder bei ihren Eltern einziehen. Auch mit ihren Sorgen um den gemeinsamen Sohn steht Susanna alleine da. Weil Anton viel zu früh zur Welt kam, ist er oft krank, vor allem mit der Lunge hat er häufig Probleme. Als Christian eines Tages völlig unvermittelt wieder vor der Tür steht, traut Susanna ihren Augen kaum. Er will sie und Anton wirklich zurück? Aber warum denn auf einmal? Da stimmt doch etwas nicht! Zögerlich beschließt sie, Christian eine zweite Chance zu geben. Doch sie hätte auf ihr Gefühl hören sollen, denn bald schon ist Christian wieder verschwunden - und mit ihm Anton. Aber was das Schlimmste ist: Christian hat die Medikamente ihres Sohnes nicht mitgenommen! Und ohne seine Medizin droht Anton zu ersticken...Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2222Dr. Ulrich Waldner ist erleichtert: Endlich hat er zwei fähige junge Chirurgen gefunden, die ihn bei seiner Arbeit unterstützen können. Dr. Christian Klose und Dr. Tom Hellmann sind beide hervorragende Operateure, und so wundert sich der Leiter der Waldner-Klinik auch, als die Mutter der herzkranken Lili ihn eindringlich darum bittet, dass ihr Kind nicht von Dr. Hellmann operiert wird. Was hat sie nur gegen den nicht nur äußerst erfahrenen, sondern zudem sehr sympathischen Arzt? Als Laura Seewald ihm zur Erklärung einen Brief vorlegt, traut Dr. Waldner seinen Augen nicht! Offenbar hat ein anonymer Verfasser der jungen Frau mitgeteilt, dass Dr. Tom Hellmann schon einmal ein Kind auf dem OP-Tisch verloren hat - durch Fahrlässigkeit! Nichts an dieser Behauptung entspricht der Wahrheit, doch davon kann der Chefarzt die besorgte Mutter nicht überzeugen. Schweren Herzens übernimmt er selbst den Fall der kleinen Lili. Doch wie soll er Tom beibringen, dass ihm ausgerechnet die Frau, an die er sein Herz verschenkt hat, nicht vertraut?Jetzt lesen
Dr. Stefan Frank - Folge 2223Dr. Frank und drei aufgeweckte Kinder Der Unfallchirurg Dr. Jan Heller und die hübsche Physiotherapeutin Marion sind wie für einander geschaffen, finden Dr. Stefan Frank und seine Lebensgefährtin Alexandra Schubert. Deshalb sagen die beiden auch nur zu gern zu, als das befreundete Paar sie bittet, ihnen bei ihrer Hochzeit als Trauzeugen zur Seite zu stehen. Es wird eine wunderschöne Trauung, die alle zu Tränen rührt. Doch dann öffnet sich das hölzerne Kirchenportal, und herein tritt ein Mann, der das Leben der beiden Frischvermählten gehörig auf den Kopf stellen wird! Der Beamte vom Grünwalder Jugendamt hat soeben erfahren, dass Jans Schwester Sabine, die schon seit vielen Jahren in Südafrika lebt, tödlich verunglückt ist und drei kleine Kinder zurücklässt. Der einzige noch lebende Verwandte ist Jan, also wird er sich um die Rasselbande kümmern müssen. Viel Zeit zu überlegen hat er nicht, denn das Flugzeug aus Johannesburg, in dem Dana, Joel und Lilly sitzen, ist soeben auf dem Münchner Flughafen gelandet...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Wo bist du nur, mein Sohn?

Vorschau

Wo bist du nur, mein Sohn?

Dr. Frank und eine verzweifelte Mutter auf der Suche nach ihrem Kind

Seit Christian sie verlassen hat, ist das Leben nicht einfach für die hübsche Buchhalterin Susanna. Ohne Christians Gehalt konnte sie die Raten für ihr Haus nicht mehr zahlen und musste deshalb wieder bei ihren Eltern einziehen. Auch mit ihren Sorgen um den gemeinsamen Sohn steht Susanna alleine da. Weil Anton viel zu früh zur Welt kam, ist er oft krank, vor allem mit der Lunge hat er häufig Probleme.

Als Christian eines Tages völlig unvermittelt wieder vor der Tür steht, traut Susanna ihren Augen kaum. Er will sie und Anton wirklich zurück? Aber warum denn auf einmal? Da stimmt doch etwas nicht! Zögerlich beschließt sie, Christian eine zweite Chance zu geben. Doch sie hätte auf ihr Gefühl hören sollen, denn bald schon ist Christian wieder verschwunden – und mit ihm Anton. Aber was das Schlimmste ist: Christian hat die Medikamente ihres Sohnes nicht mitgenommen! Und ohne seine Medizin droht Anton zu ersticken …

„Servus Frau Bayer, nehmen Sie bitte noch einen Augenblick Platz, Dr. Frank ist gleich frei“, sagte die Sprechstundenhilfe Martha Giesecke und blickte dann amüsiert auf Susanna Bayers Sohn, den achtjährigen Anton, der seine bunte Wollmütze abgenommen hatte und sein blondes Haar, das er wild hochgegelt hatte, mit den Fingern in Form brachte.

„Hallo junger Mann“, begrüßte sie ihn fröhlich. „Du hast aber eine tolle Frisur heute.“

„Sie sehen aber auch ganz toll aus, Schwester Martha“, gab der Kleine charmant zurück, strahlte die Sprechstundenhilfe aus klaren blauen Augen an und schielte dann auf das große Glas mit Bonbons.

„Mensch, Frau Bayer, auf den müssen Sie aber aufpassen. Wenn der größer ist, liegen ihm die Mädels bestimmt reihenweise zu Füßen – bei dem Charme!“

Martha grinste, strich ihren Kittel glatt und fuhr mit den Fingern durch ihr graues Haar; dann hielt sie Anton das Bonbonglas hin.

Über Susannas sehr hübsches, aber auch ernstes Gesicht huschte ein stolzes Lächeln. Anton war wirklich ausgesprochen höflich. Das Kind hatte gute Manieren, wie ihre Mutter immer sagte. Anton hatte schnell gelernt, dass er mit Witz und Freundlichkeit punkten konnte.

Mutter und Sohn setzten sich ins Wartezimmer. Anton packte die Süßigkeit aus und fingerte dann ein dickes Buch aus seinem Rucksack. Da das Lesezeichen herausgefallen war, blätterte er hindurch und suchte die Stelle, an der er weiterlesen musste.

Interessiert beobachtete ihn eine Patientin, die neben ihm saß.

„Sie lesen schon Harry Potter vor? Ich dachte immer, das wäre etwas für ältere Kinder“, sagte sie zu Susanna. „Der Kleine geht doch bestimmt noch nicht einmal zur Schule?“ ergänzte sie fragend.

„Erstens lese ich selbst, und zweitens gehe ich schon in die dritte Klasse“, antwortete Anton etwas eingeschnappt.

„Oh, Entschuldigung“, sagte die Dame und widmete sich wieder ihrer Zeitschrift.

Susanna blickte liebevoll auf ihren Sohn, der sich nun in sein Buch vertieft hatte. Anton, der als Frühchen zur Welt gekommen war, war sehr klein für sein Alter und wurde immer für viel jünger gehalten. In der letzten Zeit hatte Susanna das Gefühl, dass Anton darunter zu leiden begann. Auf dem letzten Klassenfoto war Anton der kleinste von allen Mitschülern, und oft fragte er seine Mutter, wann er denn endlich wachsen würde.

Wenn die Größe nur das einzige Problem wäre, dachte Susanna betrübt. Viel mehr Gedanken machte sie sich wegen der Atemprobleme ihres Kindes, auch eine Folge der zu frühen Geburt.

„Junger Mann, du bist an der Reihe. Und deine Mutter nehmen wir auch mit, oder?“, fragte Martha Giesecke augenzwinkernd, als sie die beiden ins Sprechzimmer holte.

„Guten Tag, Frau Bayer, guten Tag, Anton. Wie geht es dir?“, fragte Dr. Stefan Frank und deutete auf zwei Stühle, die vor seinem Schreibtisch standen.

„Mir geht es gut, Herr Dr. Frank. Wie geht es Ihnen?“, fragte Anton.

Der Arzt musste lachen; es gab nur wenige Patienten, die sich für sein Befinden interessierten.

„Danke, mir geht es sehr gut. Aber was dich betrifft, hast du wohl ein bisschen geflunkert, oder? Deine Mutter hat mir erzählt, dass du schlecht Luft bekommst und immer japsen musst, wenn du dich etwas anstrengst?“

„Ach, so schlimm ist das nicht. Meine Mama macht sich immer so große Sorgen. Ich muss bestimmt nicht wieder ins Krankenhaus“, sagte Anton mit ängstlicher Stimme.

„Ich werde dich jetzt erst einmal untersuchen, dann wissen wir mehr. Setz dich bitte auf die Liege, und zieh deinen Pullover und dein T-Shirt aus.“

Anton tat, wie ihm geheißen, machte seinen Oberkörper frei und blickte erwartungsvoll auf Dr. Frank, der sein Stethoskop hervorgeholt hatte.

Susanna schaute auf den mageren Körper ihres Sohnes; jede Rippe zeichnete sich gut sichtbar unter der blassen Haut ab.

„Anton isst so schlecht, Herr Dr. Frank“, sagte sie, so als müsse sie eine Erklärung dafür abgeben, dass ihr Kind so dünn war.

„Das ist bei Frühchen nichts Ungewöhnliches“, beruhigte sie der Arzt. „Die meisten sind schlechte Esser. Anton ist zwar sehr dünn, aber er ist ja auch ein ganz zarter Junge. Für seine Größe ist das Gewicht in Ordnung.“

Susanna nickte, aber so richtig beruhigt war sie nicht.

Dr. Stefan Frank horchte Anton ab, ließ ihn tief ein- und ausatmen, den Atem anhalten und dann husten.

„Also Anton, du weißt ja, dass du ganz empfindliche Lungen hast, das habe ich dir schon erklärt. Erinnerst du dich?“

„Natürlich. Das liegt daran, dass ich so früh auf die Welt gekommen bin und meine Lungen noch nicht ganz fertig waren, noch nicht ganz ausgereift …“, setzte Anton stolz nach, weil ihm das richtige Wort eingefallen war.

„Genau“, sagte Dr. Frank. „Das bedeutet, dass bei dir eine kleine Erkältung schon zu Problemen mit der Lunge führen kann. Sie rasselt. Willst du mal hören?“

Dr. Frank reichte Anton den Ohrbügel und legte ihm den Kopf des Stethoskops auf die Brust.

„Jetzt hol mal tief Luft, halte sie kurz an, und atme dann ganz langsam wieder aus.“

Anton atmete konzentriert.

„Sie haben recht. Es rasselt“, stellte Anton fest.

„Da bin ich aber froh, dass du meine Diagnose bestätigst“, scherzte Dr. Frank. „Es ist aber kein schlimmes Rasseln. Ich schreibe dir ein Medikament auf, und du inhalierst mehrmals am Tag. In ein paar Tagen sollte es besser sein. Du kannst dich wieder anziehen.“

Erleichtert atmete Susanna aus. Zum Glück nicht schon wieder eine Lungenentzündung!

„Ich würde gern noch kurz mit Ihnen sprechen“, sagte Susanna und blickte vielsagend auf Anton.

Dr. Frank verstand, dass die junge Mutter mit ihm allein reden wollte.

„Anton, kannst du bitte schon mal zu Schwester Martha gehen? Sie muss dich noch wiegen und messen“, sagte er, öffnete Anton die Tür und gab seiner Sprechstundenhilfe die entsprechenden Anweisungen.

„Was haben Sie auf dem Herzen, Frau Bayer?“, erkundigte er sich, als Anton den Raum verlassen hatte.

Susanna strich sich eine Strähne ihres langen blonden Haars aus der Stirn und hob den Blick. Sie hatte genauso strahlend blaue Augen wie ihr Sohn.

„Ich mache mir langsam Sorgen, weil Anton immer noch so klein ist. Er wächst kaum und ist der Kleinste in seiner Klasse.“

„Wird er denn deswegen gehänselt? Hat er Freunde?“

„Mit seinen Klassenkameraden kommt er gut aus, und er ist auch anerkannt, sagt seine Lehrerin. Aber außerhalb der Schule macht er kaum etwas mit seinen Mitschülern. Anton ist so viel allein! Er hat auch ganz andere Interessen als die anderen Kinder. Anton liest ein Buch nach dem anderen, übt freiwillig jeden Tag Klavier und hasst Fußball und all die Sportarten, bei denen körperliche Kraft eine Rolle spielt. Ich habe Angst, dass er sich isoliert. Es ist alles noch viel schlimmer geworden, seit Christian, sein Vater, weg ist.“

„Ich verstehe Ihre Sorge. Anton hat in seinem jungen Leben schon einiges durchgemacht. Aber er hat sich doch sehr gut entwickelt. Nach meinen Unterlagen wächst er zwar langsam, aber stetig. Außerdem ist er ein sehr kluger, aufgeweckter und witziger Junge – nur eben ein bisschen anders als seine Altersgenossen. Mein Eindruck ist, dass er im Kopf schon viel erwachsener ist als andere Kinder in seinem Alter. In den nächsten Jahren wird sich da bestimmt noch vieles ändern. Solange Sie nicht den Eindruck haben, dass Anton leidet, sehe ich keinen Handlungsbedarf“, versuchte Dr. Frank, Susanna zu beruhigen.

„Wahrscheinlich bin ich zu besorgt. Aber das ist doch ganz normal, wenn man ein Kind hat, das nach der Geburt fast gestorben wäre, dann ewig im Krankenhaus gelegen hat und so oft krank ist, oder? Meine Mutter sagt auch immer, ich soll gelassener werden, Anton würde seinen Weg schon gehen.“

„Ich schätze Ihre Mutter sehr, wie Sie wissen. Sie ist eine kluge und besonnene Frau. Sie können ruhig auf sie hören“, sagte Dr. Frank, der Antons Großmutter seit Jahren kannte.

„Ich wäre schon etwas beruhigter, wenn ich wüsste, ob Anton, wenn er ausgewachsen ist, eine normale Größe haben wird. In der letzten Zeit spricht er ständig davon, dass er gerne wachsen würde. Sie haben doch mal von einer Röntgenuntersuchung der Hand gesprochen …“

„Ja, man kann durch die Auswertung des Röntgenbildes der Hand die zu erwartende Größe eines Heranwachsenden bestimmen. Wir können das gerne veranlassen, wenn Sie es möchten. Bei Kindern wie Anton, die zwar wenig, aber immerhin stetig wachsen, wird in der Regel aber nichts unternommen, um das Wachstum anzuregen. Wenn überhaupt, setzt man später mit einer Hormontherapie ein.“

„Um Himmels willen, ich will Anton doch nicht mit Hormonen vollpumpen! Ich möchte es nur gerne wissen.“

„Dann machen Sie am besten einen Termin in der Waldner-Klink“, schlug Dr. Frank vor. „Dr. Waldner hat im letzten Jahr die Klinik um eine Kinderorthopädie erweitert, dort arbeiten ganz hervorragende Diagnostiker.“

***

„Habe ich dir schon gesagt, dass mein Bruder bald zurückkommt?“, fragte Susanna ihre Arbeitskollegin und Freundin Resi Stein.

Damit Susanna nicht sah, wie sehr sie die Nachricht schockierte, senkte Resi den Kopf und stocherte in ihrem Essen herum. Sie brauchte einen Augenblick, ehe sie antworten konnte.

„Nein, das wusste ich nicht“, brachte sie leise hervor, ohne ihre Freundin anzusehen.

Susanna hätte sich auf die Zunge beißen können. Vor lauter Freude über die Rückkehr ihres Bruders, der ein Jahr in den Vereinigten Staaten gearbeitet hatte, hatte sie ganz vergessen, dass jede Erwähnung ihres Bruders bei Resi Salz in alte Wunden streute.

„Entschuldigung, Resi“, sagte Susanna mitfühlend. „Tut es immer noch weh? Ich dachte, du wärst über Benjamin hinweg.“

Resi schüttelte sich kurz und blickte auf. Ihr Mund lächelte, aber an den Augen konnte Susanna erkennen, dass es ein aufgesetztes Lächeln war.

„Es ist besser, wenn ich weiß, dass Benjamin wieder da ist. So bin ich vorgewarnt, wenn ich ihm begegne.“

„Ich will mich ja nicht einmischen, aber ich würde es gut finden, wenn ihr euch aussprecht“, meinte Susanna ernst. „Benjamin wird erst einmal auch bei meinen Eltern wohnen, bis er etwas Eigenes findet. Willst du mich und Anton dann nicht mehr besuchen, weil du Angst hast, Benjamin zu treffen?“

„Im Prinzip hast du recht, aber ich weiß nicht, ob ich das kann. Kommt er allein zurück, oder bringt er seine amerikanische Poolschönheit mit?“, fragte Resi mit einem Kloß im Hals.

„Er kommt alleine. Es war bisher auch nicht die Rede davon, dass Mary-Ann nachkommt.“

„Sind sie nicht mehr zusammen?“, fragte Resi bemüht beiläufig.

„Das weiß ich nicht. Benjamin trägt sein Herz ja nicht gerade auf der Zunge, das weißt du doch am besten.“

„Es war der größte Fehler meines Lebens, mich von Benjamin zu trennen, als er nach Amerika gegangen ist“, seufzte Resi.

„Das mag ja sein, aber du hast dich von ihm getrennt! Du kannst doch Benjamin jetzt nicht ein Leben lang böse sein, weil er sich eine neue Freundin gesucht hat.“

„Böse trifft es nicht. Ich bin nicht böse auf ihn, ich bin nur einfach traurig, weil ich zu spät gemerkt habe, was Benjamin mir bedeutet.“

„Mensch, Resi, das Ganze ist jetzt über ein Jahr her. Vielleicht bildest du dir einfach nur ein, dass er der Mann deines Lebens ist. Es gibt so viele andere tolle Männer. Du bist hübsch, jung, witzig … du könntest doch sofort einen neuen Freund haben.“

„Du musst gerade reden!“, antwortete Resi leicht verärgert. „Deinem Christian trauerst du doch schon fast zwei Jahre nach. Jeden anderen, der sich für dich interessiert hat, hast du ohne näheres Hinsehen abserviert. Ich glaube, du bist in der Frage nicht die Richtige, mir Ratschläge zu geben.“

„Ich war immerhin sieben Jahre mit Christian zusammen, nicht nur ein paar Monate. Außerdem habe ich Anton. Da kann ich doch nicht ständig mit neuen Männern ankommen!“, verteidigte sich Susanna.

Die beiden sahen sich streitlustig in die Augen, keine sagte etwas.

Resi war die Erste, die es nicht mehr aushielt. Sie musste lächeln und legte über den Tisch der Kantine hinweg eine Hand auf Susannas Unterarm.

„Wir sind ganz schön bescheuert, dass wir uns über unsere Verflossenen streiten, oder?“, fragte sie, schon wieder beinah gut gelaunt.

Susanna ergriff Resis Hand und drückte sie.

„Stimmt! Wir sind halt beide treue Seelen. Eigentlich eine gute Eigenschaft, nur wenn der Partner nicht mitspielt …“

„Mein Essen ist kalt geworden, außerdem habe ich keinen Appetit mehr.“ Resi schob das Tablett mit dem fast unberührten Essen über den Tisch. „Was ist mit dir? Soll ich uns noch einen Kaffee holen?“

„Ja, gerne. Wie immer mit viel Milch und ohne Zucker.“

„Meine liebe Freundin, wir kennen und jetzt seit zehn Jahren, und du denkst wirklich, ich weiß immer noch nicht, wie du deinen Kaffee trinkst?“, tadelte Resi lächelnd.

Während ihre Freundin die Getränke holte, sah sich Susanna in der inzwischen recht leer gewordenen Betriebskantine um. In der hinteren Ecke hatte man schon angefangen, für das Betriebsfest am nächsten Freitag zu schmücken.

Susanna seufzte leise. Eigentlich hatte sie keine Lust auf die Feier mit den Kollegen. Aber ihr Chef sah es gern, wenn alle Mitarbeiter der Abteilung erschienen, also hatte sie zugesagt.

Am großen Nebentisch hatten sich zwei Männer angeregt unterhalten; einer der beiden stand nun auf und ging. Susanna kannte die beiden nicht. Das war allerdings in einem Verlag mit fast dreihundert Angestellten auch kein Wunder. Wahrscheinlich kannte sie aber die Namen der Männer, denn als Buchhalterin war sie unter anderem für Löhne und Gehälter zuständig.

Manchmal machte sie sich den Spaß und ordnete den unbekannten Kollegen, die in der Kantine in ihrer Nähe saßen, einen Namen zu. Natürlich konnte sie nie überprüfen, ob sie einen Treffer gelandet hatte.

Susanna musste kichern, als sie an ihr albernes Spiel dachte.

In dem Augenblick bemerkte sie, dass der Mann vom Nebentisch sie freundlich anlächelte. Seine dunklen Augen blitzten und strahlten mit seinen weißen Zähnen um die Wette. Aufmunternd hob der Fremde seine Kaffeetasse, um Susanna über den Tisch hinweg zuzuprosten.

Susanna war so verdutzt, dass sie mit ihrem Wasserglas die Geste erwiderte, ohne groß darüber nachzudenken.

Der Mann stand auf, und für einen Moment dachte Susanna, er würde an ihren Tisch kommen. Aber als er Resi mit den Kaffeetassen kommen sah, nickte er ihr bloß kurz zu und lenkte seine Schritte dann in Richtung Ausgang.

„Na, sieh mal an“, kommentierte Resi. „Kaum hat man dich mal für drei Minuten allein gelassen, verdrehst du schon dem neuen Kollegen den Kopf.“

„Ach, was du immer denkst!“ Susanna winkte ab, doch dann siegte ihre Neugier. „Du kennst den? Wer ist das?“

„Also doch! Du bist interessiert. Schau, schau. Der gut aussehende junge Mann heißt Julian Grünthal, ist Grafiker und arbeitet seit vorgestern in meiner Abteilung. Er ist Single, kommt aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Kreuth und kennt noch niemanden in München. Sein bester Freund heißt Gunnar, wohnt in Garmisch und ist bei der Bergwacht. Julian spielt Klavier und ist Hobbyastronom. Nett ist er außerdem, eher einer von der ruhigen Sorte.“

„Privatdetektivin Resi Holmes hat wieder zugeschlagen! Wie hast du denn das alles in zwei Tagen herausbekommen?“, wunderte sich Susanna.

„Ich habe eben Interesse an meinen Mitmenschen – und einen Mund, um Fragen zu stellen“, antwortete Resi mit Unschuldsmiene.

***

„Dreckwetter“, schimpfte Christian Berger, als er durch den Schneematsch stiefelte.

Noch etwas verkatert schloss er die Tür zu seiner Bar Sexy-Hexy auf, die in einer kleinen Nebenstraße der Hamburger Reeperbahn lag. Das schummerige Licht erhellte den Raum nur wenig, abgestandene, kalte Kneipenluft empfing ihn.

In einer Stunde würde er öffnen.

Christian drehte die Heizung auf, ging in einen kleinen Hinterraum und suchte nach Putzeimer, Schrubber und Reinigungsmitteln.

„So weit ist es schon gekommen, dass der Chef selbst putzen muss“, grummelte er schlecht gelaunt. Eine Putzfrau konnte er schon seit Wochen nicht mehr bezahlen. Die Bar lief zwar recht gut, aber Christian hatte sich mit seinen Krediten übernommen.

Zum Glück hatte Cora, seine Freundin und Barfrau, ihn noch nicht im Stich gelassen. Aber er machte sich nichts vor: Seit das Geld nicht mehr so floss wie am Anfang ihrer Bekanntschaft, war Cora auf Distanz gegangen. Sie arbeitete wohl nur noch in der Bar, weil das Trinkgeld stimmte.

Laut fluchend reinigte Christian die Theke und wischte den klebrigen Fußboden.

Er war noch nicht ganz fertig, als ihn ein unüberhörbares Wummern an der Tür zusammenzucken ließ. Schlagartig brach Christian der Schweiß aus. Adrenalin schoss durch seinen Körper und gab ihm den Befehl zur Flucht. Doch wohin?

Sie wollten doch erst nächste Woche kommen!

Langsam ging Christian zur Eingangstür. Er zwang sich, ruhig zu atmen, und versuchte, seine Gedanken zu sortieren. Was wollten die heute schon hier?

Zwei bullige Männer in schwarzen Lederjacken drängten sich in die Bar und schoben Christian vor sich her, bis er mit dem Rücken am Tresen stand.

„Na, wie geht’s denn?“, fragte einer der Männer leutselig, ließ ein Messer geräuschvoll aufschnappen und hielt die Spitze unter Christians Kinn.

Christian schluckte trocken, er konnte kein Wort herausbringen. Angstvoll schielte er auf das Messer.

„Hey, Vassili, du machst unserem Freund ja Angst“, sagte der andere grinsend.

„Ich glaube, das ist gar nicht nötig. Er weiß doch, dass er zahlen muss, oder?“ Vassili bohrte die Messerspitze ganz leicht in Christians Fleisch, nahm dann aber das Messer weg und reinigte sich damit demonstrativ die Fingernägel.

Christian atmete tief durch. Er musste etwas sagen, er musste die Männer hinhalten.

„Natürlich weiß ich, dass ich zahlen muss“, krächzte Christian mit einer Stimme, die er selbst nicht wiedererkannte. „Aber wir haben doch nächste Woche vereinbart. Dann habe ich das Geld. Bestimmt!“

„Nächste Woche. Ja, ja. Haben wir vereinbart. Haben wir“, bestätigte Vassili. „Wir wollten heute auch nur mal sehen, wie es dir so geht, und dich an den Termin erinnern. Oder, Oleg?“

„Stimmt.“ Oleg nickte. „Geschäftspartner muss man ab und zu besuchen. Wir wollen doch nicht, dass der Kontakt abbricht.“

„Und wir mögen gar nicht, wenn Geschäftspartner auf dumme Gedanken kommen. Oder, Oleg?“

„Vassili, du machst dir immer zu viele Sorgen. Unser Freund ist ein ehrlicher und kluger Mann. Kluge Männer gehen nicht zur Polizei, und kluge Männer hauen auch nicht ab, denn kluge Männer wissen, dass wir sie überall finden.“

Die Tür zur Bar öffnete sich mit einem leisen Quietschen. Die beiden Geldeintreiber drehten sich blitzschnell um. Vassili ließ das Messer in seiner Jackentasche verschwinden.

„Was ist denn hier los?“, fragte Cora, der natürlich sofort klar war, was gerade passierte. Aber irgendetwas musste sie ja sagen.

„Wir haben nett geplaudert, und jetzt wollten wir gerade gehen. Schade, dass du jetzt erst kommst, Schätzchen. Wir hatten viel Spaß. Nicht, Vassili?“, fragte Oleg.

„Hatten wir“, bestätigte Vassili. „Aber leider müssen wir schon los. Soll ich noch auf Wiedersehen sagen?“

Oleg nickte.

Vassili holte kurz aus und rammte dann seine Faust – ohne weitere Vorwarnung – in Christans Magen. Christian sackte zusammen, rang nach Luft und stöhnte.

„Das reicht. Raus jetzt“, rief Cora und versuchte, ihre Stimme resolut klingen zu lassen; die Männer sollten nicht merken, dass sie Angst hatte.

„Vassili, die Dame möchte, dass wir gehen. Dann tun wir ihr den Gefallen.“

Ganz langsam machten sich die beiden Männer auf den Weg zur Ausgangstür.

Als er an Cora vorbeiging, deutete Oleg eine kleine Verbeugung an.

„Lady, wir sehen uns nächste Woche. Pass gut auf deinen Kerl auf, damit er keine Dummheiten macht.“

Cora ging zu Christian und half ihm auf.

„Ich habe dir doch gesagt, du sollst dich nicht mit der Bande einlassen“, schimpfte sie. „Mit denen ist nicht zu spaßen!“

„Aber ich brauchte doch das Geld“, verteidigte sich Christian matt und hielt die Hand auf den schmerzenden Bauch.

„Und? Kannst du nächste Woche zahlen?“, fragte Cora spitz.

„Ich weiß nicht, wie“, gestand Christian verzweifelt. „Kannst du mir nicht helfen? Du kennst doch alle auf dem Kiez. Vielleicht kriege ich noch einen Aufschub?“

„Ha! So einfach ist das nicht. Die lassen nicht mit sich reden. Außerdem will ich damit gar nichts zu tun haben!“

„Aber ich liebe dich doch. Wir gehen zusammen durch dick und dünn, das haben wir uns damals versprochen. Erinnerst du dich nicht mehr?“, fragte Christian flehend und fasste nach der Hand seiner Freundin.

Mit einem Ruck entzog Cora ihm ihre Hand und trat einen Schritt zurück.

„Damals. Da wusste ich noch nicht, was für ein Loser du bist! Es hat keinen Zweck mehr mit uns, Christian. Ich muss jetzt an mich denken.“ Cora drehte sich auf dem Absatz um, zog ihren Pelzmantel fest um den schlanken Körper und ging zur Tür. „Ich wünsch dir alles Gute.“

„Cora, ich habe deinetwegen meine Frau und mein Kind verlassen. Du kannst jetzt nicht einfach gehen!“, rief Christian verzweifelt. „Du musst bei mir bleiben!“

Noch einmal drehte sich Cora um und sah Christian in die Augen.

„Ich muss gar nichts“, sagte sie kalt.

***

„Chef, Frau Schubert bittet um Rückruf“, sagte Martha Giesecke, als sie Dr. Stefan Frank die letzte Patientenakte für den heutigen Tag auf den Tisch legte.

„Danke, Schwester Martha, ich rufe sie gleich zurück. Schicken Sie bitte den nächsten Patienten in fünf Minuten.“

Versonnen lächelnd nahm Dr. Stefan Frank den Hörer hoch und drückte die Kurzwahltaste 1, hinter der sich die Nummer seiner Freundin Alexandra Schubert verbarg. Die beiden wollten sich heute Abend mit dem Ehepaar Waldner zu einem gemütlichen Abendessen in Schwabing treffen.

„Schubert“, meldete sich Alexandra.

„Hallo, du schönste Augenärztin von ganz Bayern.“

„Wie, nur von Bayern? Muss ich mir Gedenken machen? Liebst du mich nicht mehr, Stefan?“, scherzte Dr. Franks Freundin.

„Ich liebe dich über alles, mein Schatz, und kann es gar nicht erwarten, dich zu sehen. Was gibt es? Ist alles klar mit heute Abend?“

„Im Prinzip ja. Ruth hat telefonisch reserviert und den Tisch schon für sieben Uhr statt für acht bestellt. Ich wollte dich fragen, ob du es auch eine Stunde früher schaffst.“

Dr. Frank sah auf die Uhr. Es war jetzt fast fünf. Einen Patienten hatte er noch, dann musste er in die Waldner-Klinik, in der er Belegbetten hatte, um seine dortigen Patienten zu besuchen …

„Könnte ein bisschen knapp werden, Alexa, aber ich bemühe mich. Wenn es später als halb acht wird, rufe ich noch einmal an.“

„In Ordnung“, sagte Alexandra. „Gib dir Mühe. Ich habe jetzt schon Sehnsucht nach dir!“

„Werde ich. Bis später, mein Schatz“, sagte Dr. Frank und schickte einen Kuss durch die Leitung.

Genau in dem Moment öffnete sich die Tür zu seinem Sprechzimmer, und Martha Giesecke trat mit der alten Frau Hornbiegel, der letzten Patientin für heute, ein.

„Muss Liebe schön sein“, sagte Frau Hornbiegel, und über ihr faltiges Gesicht huschte ein freundliches Lächeln.

„Sag ich auch immer“, bestätigte Martha und grinste ebenfalls.

„Na, na, nur keinen Neid, meine Damen“, erwiderte Dr. Stefan Frank etwas verlegen.

***

Zum Glück hatten weder Frau Hornbiegel noch seine Patienten in der Waldner-Klinik heute größere Probleme, und so betrat Dr. Frank bereits um kurz nach sieben das Schwabinger Lokal.

Er entdeckte Alexandra und das Ehepaar Waldner an einem Tisch am Fenster.

„Hallo, mein Schatz.“

Alexandra stand lächelnd auf, und die beiden küssten sich innig.

„Muss Liebe schön sein“, kommentierte Ruth Waldner.

„Das habe ich heute schon einmal gehört.“ Stefan lachte. „Und ich kann nur sagen: Es stimmt. Guten Abend, Ruth.“

Auch Ruth hatte sich zur Begrüßung erhoben und wurde nun von Dr. Frank in den Arm genommen und auf die Wangen geküsst.

„Guten Abend, Stefan. Bei mir kannst du auf das Küssen verzichten“, baute Ulrich Waldner vor.

„Wie schade“, scherzte Dr. Frank.

Es wurde ein sehr entspannter und unterhaltsamer Abend. Obwohl sich die vier Freunde bemühten, auch über Themen außerhalb ihrer Arbeit zu reden, landeten sie doch unweigerlich wieder bei Patienten und medizinischen Problemen. Alle vier waren Ärzte mit Leib und Seele, und auch nach Feierabend waren ihnen die Schicksale der Kranken nicht egal.

„Weißt du, wer heute bei uns vorbeigeschaut hat?“, fragte Ulrich Waldner.

„Der Nikolaus?“, riet Dr. Frank.

„Quatsch. Der Nikolaus hat noch fast ein Jahr Urlaub“, gab Ulrich Waldner zurück. „Aber Frau Bayer und der kleine Anton waren heute da. Sie haben einen Termin in der Kinderorthopädie ausgemacht und anschließend mal wieder die Frühchenstation besucht.“

„Ich habe Frau Bayer geraten, in deiner neuen Abteilung einen Termin zu machen.“

„Ja, das hat sie erzählt. Ich finde es prima, dass sie immer noch Kontakt zu der alten Station hält. Alle Ärzte und Schwestern, die den Kleinen damals betreut haben, freuen sich, wenn sie Anton sehen – das Wunder auf zwei Beinen, wie Schwester Renata ihn nennt.“

„Wenn ich das richtig sehe, habt ihr einen großen Anteil daran, dass Anton überlebt hat“, sagte Alexandra.

„Das stimmt“, bestätigte Ruth Waldner. „Wir hatte vor acht Jahren gerade die Frühchenstation neu aufgebaut, und Anton war der erste kleine Patient. Ohne die neuen Geräte hätte das Kind keine Chance gehabt.“

„Aber trotzdem war es sehr knapp. Ich erinnere mich an viele Krisen in den ersten Wochen. Mehrmals haben wir gedacht, wir verlieren den Kleinen“, ergänzte Ulrich Waldner.

„Die arme Mutter!“, sagte Alexandra mitfühlend. „Über Monate um das Neugeborene zu bangen … das muss schrecklich sein.“

„Frau Bayer war sehr tapfer. Sie war täglich in der Klinik und selbst am Rande des Zusammenbruchs, als Anton endlich über den Berg war“, erzählte Ruth.

„War Antons Vater damals eigentlich häufig da?“, erkundigte sich Stefan. „Inzwischen haben sich die Eltern ja getrennt.“

„Der Vater war nur selten in der Klinik. Ich selbst habe ihn nur ein einziges Mal gesehen. Er war Frau Bayer keine große Hilfe“, antwortete Ruth Waldner missbilligend. „Sie hat ihn allerdings immer in Schutz genommen. Angeblich kann er schlecht mit Krankheiten umgehen und betritt möglichst kein Krankenhaus.“

„Dann ist es ja kein Wunder, dass sie jetzt getrennt sind“, fand Alexandra. „Ich würde dem Vater meines kranken Kindes ein solches Verhalten niemals verzeihen!“

„Ich habe das damals auch nicht verstanden“, pflichtete Ulrich ihr bei. „Aber Frau Bayer wollte nicht, dass ich ein ernstes Wort mit Antons Vater spreche.“

„Zum Glück hat Anton ja alles gut überstanden und ist ein ausgesprochen kluger und aufgeweckter Junge. Ich freue mich immer, wenn ich ihn sehe“, sagte Alexandra.

„Ist Anton auch dein Patient?“, wunderte sich Ruth Waldner.

„Ja, Frau Bayer kommt regelmäßig mit ihm zur Augenuntersuchung und zum Sehtest. Das ist ja bei Frühchen auch sehr ratsam“, erklärte Alexandra.

Sie kicherte.

„Anton war vorletzte Woche bei mir in der Praxis und sollte mir Zahlenreihen vorlesen. Bei der ersten Reihe war alles okay, bei der zweiten Reihe sagte er: ‚Dreiunddreißig‘. Ich habe aber sechs einzelne Zahlen gesehen, und keine davon war die Dreiunddreißig. Also habe ich ihn gefragt, ob er nur die Dreiunddreißig sieht oder noch andere Zahlen erkennen kann. ‚Nein, Frau Doktor‘, sagte der kleine Schlauberger, ‚ich sehe nur dreiunddreißig. Fünf plus sieben plus neun plus zwei plus vier plus sechs – das sind dreiunddreißig‘.“

Während noch alle lachten, wurde der Nachtisch serviert: winterliche Birnen auf einem Spiegel von Preiselbeerjus mit hausgemachtem Vanilleeis.

Nach dem Essen verabschiedeten sich die Waldners und gingen trotz des einsetzenden Schneefalls zu Fuß in Richtung Englischer Garten, zu ihrer Penthaus-Wohnung über der Waldner-Klinik.

„Fahren wir zu dir oder zu mir?“, fragte Alexandra, als sie neben Stefan in seinem Wagen saß.

„Wir fahren zu dir, das ist näher. Ich kann es kaum erwarten, mit dir unter die warme Decke zu kriechen“, antwortete ihr Freund.

Alexandra musste lachen, denn ihre beiden Wohnungen lagen nur wenige hundert Meter voneinander entfernt.

***

„Meinst du, ich kann das Kleid anziehen, Mama? Ist das nicht zu übertrieben für das Betriebsfest?“, fragte Susanna und drehte sich vor ihrer Mutter, die bequem auf dem Sofa saß.

Lächelnd betrachtete Inge Bayer ihre Tochter. Hübsch sah sie aus. Das schwarze Etuikleid betonte ihre schlanke Gestalt, das blonde, lange Haar fiel ihr weich über den Rücken, und die schwarzen Pumps mit den roten Sohlen ergänzten das Gesamtbild.

„Nein, Sannchen, das kannst du tragen. Du siehst ganz wundervoll aus. Wen willst du denn verführen?“, fragte Susannas Mutter scherzhaft.

Ein bisschen Ernst stecke allerdings doch hinter der Frage, denn Inge wusste, dass ihre Tochter eigentlich keine Lust auf das Betriebsfest hatte, und wunderte sich deshalb, dass Susanna sich solche Mühe gab, die richtige Kleidung zu finden. Schon drei Outfits hatte sie verworfen. Woher kam der plötzliche Sinneswandel?

„Ach, Mama, was du immer denkst! Nur weil ich mich mal ein bisschen schick mache …“, antwortete Susanna schnell – zu schnell. Ihrer aufmerksamen Mutter war nicht entgangen, dass Susanna leicht errötet war.

Inge Bayer lächelte, bohrte aber nicht weiter nach. Sie war froh, dass sich Susanna offensichtlich wieder für jemanden interessierte. Seit Christian sie verlassen hatte, hatte die junge Frau das Leben einer Nonne geführt – na ja, das Leben einer alleinerziehenden Nonne, falls es so etwas gab.

„Ich sage jetzt noch Anton Gute Nacht, und dann bin ich auch schon weg“, verkündete Susanna und rannte in den ersten Stock.

Inge Bayer blickte ihr lächelnd hinterher. Wer mochte wohl das erwartungsvolle Strahlen in das Gesicht ihrer Tochter gezaubert haben?

***

Susanna lief durch den langen Flur der Grünwalder Villa, Antons Zimmer lag ganz am Ende.

Als Christian von heute auf morgen spurlos verschwunden war, hatte sie die Raten für die Eigentumswohnung in München nicht mehr bezahlen können. Also hatten ihre Eltern, Bernd und Inge Bayer, Tochter und Enkel in ihrer Villa aufgenommen. Susanna hatte zuerst Bedenken gehabt und um ihre Eigenständigkeit gefürchtet, aber mit der Zeit hatte sie das Zusammenleben mit ihren Eltern neu zu schätzen gelernt.

Leise betrat Susanna Antons Zimmer. Doch was sie da sah und hörte, versetzte ihrem Herzen einen Stich: Der Junge lag bäuchlings auf seinem Bett und hatte drei Postkarten vor sich ausgebreitet.

„Papi, ich habe am Sonntag ein Konzert in der Musikschule. Kannst du nicht kommen? Ich vermisse dich so“, sagte Anton zu den Karten, streichele sanft darüber und hauchte einen Kuss auf jede Postkarte.

Als Susanna sich räusperte, schob Anton die Karten mit einer schnellen Bewegung unters Kopfkissen und drehte sich zu ihr um.

Susanna setzte sich auf die Bettkante, nahm ihren Sohn in den Arm und wiegte ihn sanft.

„Du vermisst deinen Papa, nicht?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort bereits kannte.

Anton nickte.

„Du darfst nicht denken, dass es etwas mit dir zu tun hat, dass dein Vater weggegangen ist. Das weißt du doch, oder?“

Anton nickte.

„Dein Papa hat dich ganz doll lieb. Er hat nur keine Gelegenheit, sich bei dir zu melden. Wahrscheinlich muss er ganz viel arbeiten.“

„So viel, dass er nicht einmal zu meinem Geburtstag anrufen kann?“

Antons große blaue Augen füllten sich mit Tränen.

Susanna wusste nicht mehr, was sie noch sagen sollte. Immer war sie bemüht, Anton nicht spüren zu lassen, wie wütend sie auf Christian war. Drei lapidare Postkarten in zwei Jahren, das war alles, was der Vater seinem Sohn hatte zukommen lassen. Ganz zu schweigen davon, dass Christian keinen Unterhalt für sein Kind zahlte!

„Sei nicht traurig, Anton. Dein Papa meldet sich bestimmt bald wieder. Vielleicht schreibt er dir einen Brief mit seiner neuen Adresse, dann kannst du ihm sogar antworten“, versuchte sie ihren Sohn aufzumuntern.

Anton spürte genau, dass Susanna selbst nicht daran glaubte. Aber seiner Mutter zuliebe zwang er sich zu einem Lächeln.

„Bestimmt meldet er sich bald, Mama.“ Anton schlang seine dünnen Ärmchen um den Hals seiner Mutter, drückte sie ganz fest an sich und flüsterte: „Ich hab dich lieb, Mami.“

„Ich hab dich auch lieb, mein Schatz.“ Susanna gab ihrem Sohn einen Kuss auf die Stirn und wuschelte durch sein blondes Haar. „So, ich muss jetzt los. Denk daran, dass du noch einmal inhalieren musst, bevor du schläfst. Oma weiß Bescheid und hilft dir. Alles klar, Großer?“

„Alles klar, große Mami.“

Susanna ging ins Bad, steckte sich ihr langes Haar zu einem raffinierten Knoten auf und schminkte sich sorgfältig. Zufrieden betrachtete sie ihr Spiegelbild. Ob Julian wohl auch zum Betriebsfest kommen würde?

Nein, die Gedanken an Julian musste sie verscheuchen. So ein Blödsinn! Sie hatte den Mann ein einziges Mal kurz gesehen und nicht ein Wort mit ihm gewechselt. Wieso kehrten ihre Gedanken immer wieder zu ihm zurück?

Außerdem war er viel zu jung für sie. Sie hatte sich heimlich seine Personalakte angesehen. Julian war erst fünfundzwanzig, vier Jahre jünger als sie.

„Vergiss es“, ermahnte sie ihr Spiegelbild halblaut.

***

„Wo wollen wir uns hinsetzen?“, fragte Resi Stein, als sie mit Susanna die Kantine betrat, die schon zur Hälfte gefüllt war.

„Nicht direkt an die Bühne, da hat man dann den ganzen Tombola-Lärm und muss so tun, als ob man der Rede vom Chef zuhört. Was hältst du von dem Tisch da drüben?“

Die beiden lenkten ihre Schritte zu dem ausgesuchten Platz. Resi merkte, dass Susanna sich suchend umsah.

„Nach wem hältst du Ausschau?“

„Ach, nur so. Ich wollte mal sehen, ob meine Kollegen von der Buchhaltung schon da sind“, antwortete Susanna schnell.

„So. So …“, machte Resi und grinste wissend, doch dann stöhnte sie: „Puh, ich hätte die neuen Schuhe nicht anziehen sollen, die drücken jetzt schon. Dabei wollte ich doch tanzen!“

„Du hast doch in deinem Büro noch ein paar bequeme Treter. Wenn du tanzen willst, dann musst du die eben holen“, schlug Susanna vor.

„Aber nur in der allergrößten Not. In den Schuhen gehe ich wie eine Ente. Die sind nur zum Arbeiten, nicht zum Feiern!“

„Du scheinst ja Großes vorzuhaben.“

„Na, wenn ich dich so anschaue, dann scheinst du aber auch Pläne zu haben. Ich habe dich seit Jahren nicht mehr so herausgeputzt gesehen.“

„Man tut halt, was man kann!“

Resi schluckte einmal, ehe sie sich traute, die Frage loszuwerden, die ihr auf der Seele brannte.

„Sag mal, Susanna. Wann genau kommt dein Bruder denn zurück? Ich habe darüber nachgedacht; ich sollte wirklich möglichst bald mit Benjamin sprechen. Seit du gesagt hast, dass er wiederkommt, muss ich ständig an ihn denken“, sagte sie ernst und fuhr sich durch das kurzgeschnittene schwarze Haar.

„Eine gute Entscheidung. Benjamin kommt in drei Wochen. Wie gesagt, er wohnt erst einmal bei uns. Du kannst ihn also über meine Nummer erreichen.“

„Kannst du vielleicht mal ein bisschen vorfühlen, wie er es finden würde, wenn ich mich melde?“, fragte Resi vorsichtig.

„Ich glaube nicht, dass er etwas dagegen haben wird. Ruf doch einfach an, dann kriegst du eine ungefilterte Reaktion. Ist doch besser, oder?“

„Vielleicht. Aber ich habe ein bisschen Schiss davor …“

Bevor Susanna etwas erwidern konnte, trat eine Kellnerin mit einem Tablett an ihren Tisch.

„Sekt? Sekt mit O-Saft? O-Saft?“, fragte die junge Frau.

„Zum Anstoßen nehmen wir einen Sekt pur, oder?“, fragte Susanna.

Resi nickte. Die beiden Freundinnen nahmen sich ein Glas vom Tablett und prosteten sich zu.

„Auf einen schönen Abend mit einer möglichst kurzen Rede vom Big-Boss!“

Die beiden kicherten, denn in dem Augenblick betrat der Chef die kleine Bühne, um das Mikrofon zu testen.

„Test, Test, Test … one, two, three … one, two, three … Guten Abend, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter … Können Sie mich hören? … Ist alles okay? … one, two, three …“, sagte er und klopfte noch einmal mit dem Finger aufs Mikrofon, bevor er die Bühne verließ.

„Na, das war die kürzeste Rede, die er je gehalten hat“, lachte Susanna.

„Meine liebe Freundin, ich will dich ja nicht deiner Illusionen berauben, aber ich glaube, da kommt noch was“, prustete Resi.

„Darf ich mitlachen?“, ertönte in dem Moment eine wohlklingende Stimme hinter Susanna.

Sie drehte sich um und blickte in die freundlichen Augen von Julian Grünthal. Sofort wurden ihre Hände feucht, und ihr Herzschlag beschleunigte sich.

Zum Glück antwortete Resi.

„Klar, Julian, setzt dich zu uns“, lud sie ihn ein. „Wir machen uns gerade ein bisschen über den Big-Boss lustig.“

Julian ging um den Tisch herum und reichte Susanna die Hand.

„Servus, ich bin Julian Grünthal. Ich arbeite seit einer Woche in der Grafikabteilung. Resi kenne ich schon“, sagte er und nickte Resi freundlich zu.

„Hallo … ja … äh … Susanna. Susanna Bayer. Ich bin die Buchhaltung. Äh … ich meine, ich arbeite in der Buchhaltung. Resi und ich … äh … wir beide sind befreundet“, stammelte Susanna und errötete.

Wieso verwirrte sie dieser Mann so? Er musste sie für eine komplette Idiotin halten, so wie sie herumstammelte.

Aber Julian lächelte bloß freundlich, setzte sich neben sie und ließ sich nichts anmerken.

Susanna atmete auf. Vielleicht hatte er ja nichts gemerkt …

„Bei uns in der Grafikabteilung duzen wir uns alle“, sagte er. „Wie wird denn das sonst so gehandhabt? Muss ich ‚Sie‘ sagen?“, fragte er Susanna und blickte ihr dabei so treuherzig in die Augen, dass sie froh war, dass sie saß. Mit den weichen Knien hätte sie nicht stehen können!

„Wir können uns gerne duzen“, sagte sie, diesmal ohne Stottern.

„Du arbeitest also in der Buchhaltung …“, sagte Julian, und Susanna stellte zu ihrer Freude fest, dass auch er etwas verlegen war. Die Anziehung beruhte ganz offensichtlich auf Gegenseitigkeit.

Von der Bühne her hörte man plötzlich ein lautes Räuspern. Es war so weit, die jährliche Rede vom Big-Boss begann.

Die Angestellten drehten höflich ihre Stühle in Richtung Bühne, obwohl Susanna sicher war, dass kaum jemand wirklich Interesse daran hatte, was ihr Chef zu sagen hatte. Auf jeder Betriebsfeier erzählte der Big-Boss das Gleiche, allerdings wurde die Rede von Jahr zu Jahr länger – und langweiliger.

Julian, der zum ersten Mal dabei war, schien aufmerksam zuzuhören, und so konnte Susanna unbemerkt sein Profil studieren. Er war wirklich ein gut aussehender Mann. Er hatte volles dunkles Haar und ein ebenmäßiges Gesicht mit einem sinnlichen Mund, aber das Faszinierendste an ihm waren seine warmen braunen Augen.

Mit seinem letzten Satz eröffnete der Redner das Buffet, und es begann der große Ansturm auf das Essen.

„Ich bin am Verhungern“, sagte Resi und stand auf.

„Ich warte lieber den ersten Schwung ab“, meinte Susanna. „Es gibt bestimmt genug. Ich stehe nicht so gern in der Schlange.“

„Ich auch nicht“, pflichtete Julian ihr bei.

Die beiden sahen sich in die Augen und lachten etwas verlegen. Susanna überlegte krampfhaft, was sie sagen sollte.

Mensch, dachte sie, ich benehme mich wie ein Teenager!

„Resi hat erzählt, dass du Klavier spielst“, sagte sie schließlich.

„Ja, das stimmt. Als kleiner Junge wollte ich Konzertpianist werden, aber dafür hat es dann doch nicht gereicht. Jetzt ist es mein Hobby. Spielst du auch ein Instrument?“

„Ich habe als Jugendliche Querflöte gelernt, aber in den letzten Jahren nicht mehr gespielt. Mein kleiner Sohn spielt allerdings begeistert Klavier. Er träumt auch von einer Karriere als Konzertpianist“, sagte Susanna stolz.

„Du hast einen Sohn?“, fragte Julian überrascht, und sein Blick verdunkelte sich.

Das hättest du dir denken können, du Trottel, schimpfte er mit sich. Natürlich ist eine so schöne Frau nicht mehr zu haben!

Susanna spürte einen Stich in der Magengegend, als sie Julians Gesichtsausdruck sah.

Jetzt ist es vorbei, dachte sie. Ein Kind schreckt ihn bestimmt ab. Ich hätte nicht sofort von Anton erzählen sollen. Aber ich bin nun mal nur mit Anton zu haben!

„Ist dir nicht gut?“, fragte Julian besorgt, denn er hatte gemerkt, dass Susanna bleich geworden war.

„Nein, alles in Ordnung. Du hast nicht gedacht, dass ich eine alleinerziehende Mutter bin, nicht?“, ging sie in die Offensive.

„Alleinerziehende Mutter?“, wiederholte Julian, und plötzlich strahlten seine Augen wieder. „Nein, das wusste ich nicht. Woher auch? Ich bin ganz vernarrt in Kinder! Erzähl mir mehr von deinem Sohn. Wie heißt er? Wie alt ist er? Was machte er noch gern, außer Klavier zu spielen?“

Jetzt war das Eis gebrochen. Susanna erzählte von Anton, von seiner zu frühen Geburt und den Sorgen, die sie sich um die Gesundheit ihres Kindes machte. Julian hörte aufmerksam zu und stellte viele Fragen.

Resi war inzwischen mit einem vollen Teller wieder an den Tisch gekommen. Die beiden hatten sie gar nicht bemerkt, so vertieft waren sie in ihre Unterhaltung.

Resi grinste zufrieden. Sie gönnte ihrer Freundin endlich wieder ein wenig Glück in der Liebe.

„Ich war als Kind auch so, wie du Anton beschreibst“, sagte Julian. „Ich bin erst sehr spät gewachsen, war jahrelang der Kleinste, habe viel gelesen und mich mit mir selbst beschäftigt. Aber ich war ein glückliches Kind – genau wie Anton.“

„Na, der Kleinste bist du jetzt nicht mehr“, mischte sich Resi lachend ein. „Ich schätze, du bist mindestens einen Meter fünfundachtzig groß, oder?“

„Gut geschätzt.“ Julian grinste. „Ich war ein Spätentwickler.“

„Jetzt legt gleich die Band los“, sagte Resi. „Wartet kurz auf mich, ich muss doch meine Entenschuhe aus dem Büro holen.“

Sie stand auf und humpelte so übertrieben auf ihren schmerzenden Füßen aus dem Saal, dass ihr viele verwunderte und fragende Blicke folgten.

„Resi ist echt ne Marke“, sagte Julian. „Mit ihr gibt es immer etwas zu lachen.“

Susanna nickte bestätigend, und die Band begann zu spielen.

„Hast du Lust zu tanzen?“, fragte Julian.