Dracula - Elizabeth Miller - E-Book

Dracula E-Book

Elizabeth Miller

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Beschreibung

Dracula ist ein Mythos, der Jung und Alt gleichermaßen fasziniert. Mehr als hundert Jahre nach seinem Erfolg als Titelheld von Bram Stokers gleichnamigem Roman (Dracula, 1887) ist es mehr als an der Zeit, dem unangefochtenen Helden des Unheimlichen ein umfassendes Oeuvre zu widmen. In diesem Bildband erfährt der Dracula Spezialist und -laie den historischen Ursprung des Mythos, der bis in das 15. Jahrhundert zurückreicht, seine fiktionale Verarbeitung im 19. und seine Adaption für den Film, das Fernsehen, die Bühne etc. im 20. Jahrhundert. Ein Muss für jeden, der sich für Dracula und die Welt des Grusels interessiert. Elizabeth Miller ist Professorin für englische Literatur an der Memorial University von Neufundland, Kanada.

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Seitenzahl: 162

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Autor:

Elizabeth Miller

© Confidential Concepts, worldwide, USA

© Parkstone Press International, New York, USA

Image-Barwww.image-bar.com

Weltweit alle Rechte vorbehalten.

Soweit nicht anders vermerkt, gehört das Copyright der Arbeiten den jeweiligen Fotografen, den betreffenden Künstlern selbst oder ihren Rechtsnachfolgern. Trotz intensiver Nachforschungen war es aber nicht in jedem Fall möglich, die Eigentumsrechte festzustellen. Gegebenenfalls bitten wir um Benachrichtigung.

ISBN: 978-1-64461-622-2

Elizabeth Miller

Inhalt

Kapitel I Dracula Der Woiwode

Die Geschichte Der Walachei

Mircea Cel Batrin Und Vlad Dracul

Vlad Der Pfähler (Dracula)

Historische Quellen

Politik Und Grausamkeit

Vlad Dracula Im Neunzehnten Jahrhundert

Kapitel II “Das Blut Ist Das Leben”

Mythos Vampir

Begegnungen Mit Dem Vampir Im 18. Jahrhundert

Der Satanische Graf

Die Femme Fatale

Chapter III Dracula Der Vampir

Bram Stoker Und Die Entstehungsgeschichte Des RomansDracula

Transsylvanien Oder Siebenbürgen

Warum Dracula?

Dracula Als Vampirroman

Interpretationen Des Romans

Kapitel IV Dracula Der Unsterbliche

Die Wandlungen Des Urtextes

Der Graf Der Vielen Gesichter

Der Graf Und Der Woiwode

Die Draculas In Rumänien

Dracula-Tourismus

Der Kreis Weitet Sich

Bibliografie

Liste Der Abbildungen

Anmerkungen

1. Porträt von Vlad dem Aufspießer, 15. Jh., Öl auf Leinwand, Kunsthistorisches Museum Wien.

KAPITEL I DRACULA DER WOIWODE

Mit dem Namen “Dracula” verbinden die meisten Menschen das Bild des Vampirs, dem der irische Autor Bram Stoker mit seinem Roman Dracula (1897) Unsterblichkeit verlieh. Doch neben dem volkstümlichen Vampir, der in Stokers Roman literarische Gestalt angenommen hat, gibt es noch einen zweiten Dracula: den historisch bezeugten Walachenprinzen des fünfzehnten Jahrhunderts, der in Rumänien unter dem Namen Vlad Tepes (Vlad der Pfähler) bekannt ist. Während viele Amerikaner und Westeuropäer überrascht und irritiert sind, wenn sie erfahren, dass es einen Dracula tatsächlich gegeben hat und er sogar als Nationalheld gilt, sind ebenso viele Rumänen geradezu entsetzt, wenn ihr Woiwode mit dem mythischen Vampir verwechselt wird. Diese Widersprüche lösen sich auf, wenn man die Biografie Draculas des Woiwoden (die Herrscher der Walachei wurden damals Woiwoden genannt, ein Wort slawischen Ursprungs, das in Rumänien einen Fürsten, Kriegsherrn oder Befehlshaber bezeichnete) mit der Geschichte von Dracula dem Vampir vergleicht und untersucht, wie beide die zeitgenössische Kultur beeinflußt haben und welche Verbindungen zwischen ihnen bestehen.

2. Die Schlacht bei Posada, wo Basarab I., der Gründer der Walachei, 1330 den Einfall der ungarischen Armee aufhielt. Miniaturmalerei aus der farbigen Wiener Chronik, die um 1358 begonnen wurde.

DIE GESCHICHTE DER WALACHEI

Die Anfänge der Walachei liegen im frühen 13. Jahrhundert, als die Rumänen (Nachkommen der antiken Daker) von Transsylvanien aus nach Süden über die Karpaten wanderten, sich in den Ausläufern dieses Gebirges und in den Ebenen niederließen und im 14. Jahrhundert unter Basarab I., der im Jahre 1330 bei Posada den Angriff einer ungarischen Armee zurückschlug, einen neuen Staat gründeten. Sein Reich wurde von späteren Herrschern wie Nikolai Alexandru und Vladislav-Vlaicu erweitert und gefestigt. Bis zum Jahre 1385 hatte sich die Walachei zu einem von der Hauptstadt Tirgoviste aus regierten eigenständigen und unabhängigen Staat entwickelt, in dem die rumänisch-orthodoxe Kirche als religiöse Macht dominierte. Obwohl sie in Verbindung zur orthodoxen Zentralkirche in Konstantinopel stand, war die rumänische Kirche im wesentlichen autonom. Der Sitz ihres obersten Bischofs befand sich in der ursprünglichen Hauptstadt der Walachei, Curtea de Arges, in der Basarab I. auch die erste Kirche gebaut hatte. Der erste Metropolit der Walachei, Iachint, wurde 1359 offiziell ernannt.

Zudem waren über die gesamte Walachei zahlreiche, mit geistiger und weltlicher Macht ausgestattete Klöster verstreut und viele der frühen Woiwoden unterstützten sie durch großzügige Schenkungen. Zwar gab es vereinzelt auch römisch-katholische Abteien, doch diese Religion war im nördlich gelegenen Transsylvanien weitaus stärker vertreten. Die Kirche Roms hatte in der Walachei nur sehr wenig Macht und Einfluss, und als Religion der Ausländer, darunter auch Deutsche und Ungarn, wurde sie geradezu beargwöhnt.

Während der folgenden Jahrhunderte sind die Geschicke der Walachei untrennbar mit der osmanischen Herrschaft in Südosteuropa verbunden. Die Kaiser von Byzanz brauchten Unterstützung gegen die Bedrohung, die vom Balkan (und besonders von den Serben) für ihre Vormachtstellung ausging. In ihrem Auftrag fielen die Türken im Jahre 1353 zum ersten Mal in Europa ein. Nachdem sie Fuss gefaßt hatten, erwachte ihr Ehrgeiz, auf eigene Faust zu expandieren. Bis 1371 hatten die Türken einen großen Teil Bulgariens besetzt und in der Schlacht von Kosovo (1389) den entscheidenden Sieg über Serbien errungen und konnten dadurch ihren Einflussbereich bis zur Donau ausdehnen. Während die Eindringlinge ihre neuen Untertanen einerseits nicht dazu zwangen, ihrem christlich-orthodoxen Glauben abzuschwören, rekrutierten sie andererseits die besten jungen Männer, ließen sie zum Islam konvertieren und gliederten sie in die türkische Armee ein. Auf diese Weise sicherten sie ihre Macht und beeinflussten in den kommenden Jahrhunderten die Innen- und Außenpolitik der gesamten Region.

3. Mittel- und Osteuropa, französische Karte, 18. Jh.

4. Fresko im Innern des Klosters Cozia mit einer Dartsellung von Mircea Woiwode.

5. Das Kloster Cozia.

6. Die Prinzenkirche Curtea von Arges.

MIRCEA CEL BATRIN UND VLAD DRACUL

Der berühmteste der frühen Herrscher der Walachei war der Großvater Vlad Draculas, Mircea der Alte, dem die Befestigung eines ausgedehnten walachischen Reiches gelang, das etwa jenen Teil des heutigen Rumäniens umfasste, der sich von den südlichen Karpaten bis zur Donau erstreckt. Gleichwohl war die gesamte Zeit seiner Herrschaft vom Kampf gegen das osmanische Imperium überschattet und obwohl er zahlreiche Schlachten gewann, musste er sich den Türken schließlich beugen und dem Sultan Tribut zollen. Im Gegensatz zu seinen Nachbarn auf dem Balkan konnte er aber ein gewisses Maß an Autonomie für die Walachei durchsetzen: die Kirche blieb unabhängig, das Land im Besitz der wohlhabenden Oberschicht – der Boierie – und auf walachischem Boden durften keine türkischen Siedlungen errichtet werden.

Mircea starb im Jahre 1418 und fand seine letzte Ruhestätte im Tal des Flusses Alt. Dort ist sein Grab im Kloster Cozia bis auf den heutigen Tag zu besichtigen. Ein Buntglasfenster zeigt ihn mit seinem einzigen rechtmäßigen Sohn, Michail, der sich einige Jahre lang die Macht mit seinem Vater teilte. Mircea, “...der lasterhafte Woiwode der Walachei...”, wie es ein griechischer Historiker formulierte, hinterließ zahlreiche uneheliche Kinder – ein Umstand, der erhebliche Konsequenzen nach sich zog, da es keine eindeutigen Nachfolgeregelungen gab. Die Ratsversammlung der adligen Boierie konnte jeden beliebigen Sohn eines amtierenden Herrschers zum Woiwoden ernennen. In der Folge kam es daher regelmäßig zu familiären Auseinandersetzungen, bei denen die potenziellen Nachfolger um den walachischen Thron rangen. Und so war es wenig erstaunlich, dass Mirceas Tod einen Machtkampf auslöste. Als Michail zwei Jahre nach seinem Vater starb, machten nicht nur seine unehelichen Kinder (darunter Vlad, der Vater Vlad Draculas) Ansprüche auf den Thron geltend, sondern auch Dan, der Sohn eines von Mirceas Brüdern. Damit hatte ein Ringen um den Thron begonnen, das von Historikern als Fehde der Dracula-Dynastie bezeichnet wird und das die walachische Geschichte des 15. Jahrhunderts nachhaltig beeinflussen sollte.

Vlad der Ältere hatte einen großen Teil seiner Jugend am Hofe König Siegmunds in Buda und Nürnberg verbracht, wo ihm die Erziehung und Kultur zuteil wurden, die eines königlichen Nachkommens würdig waren. Nach dem Tod seines Vaters und seines Bruders Michail strebte er zunächst mit mäßigem Erfolg nach dem Thron, da ihm sein Neffe Dan und sein Halbbruder Alexandru das Anrecht darauf streitig machten. Doch im Jahre 1431 gab ihm Siegmund (der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches) eine einmalige Chance und verlieh den Ambitionen Vlads, der zu dieser Zeit als Kommandeur an der Grenze dafür verantwortlich war, die Bergpässe zwischen Transsylvanien Kommandeur an der Grenze dafür verantwortlich war, die Bergpässe zwischen Transsilvanien und der Walachei gegen feindliche Eindringlinge zu verteidigen, gewaltigen Auftrieb. Sein Amtssitz befand sich in Schäßburg, einer transsylvanischen Stadt, in der einst sächsische Herrscher residiert hatten. Noch heute ist sie mit ihren Straßen, den mächtigen Mauern der Zitadelle und den Wehrtürmen eine der am besten erhaltenen mittelalterlichen Städte Europas. In der Nähe ihres Wahrzeichens, einem Tor mit Uhrturm auf dem zentralen Platz, stehen sowohl das Haus, das Vlad bezogen hatte, als auch ein kleines Museum mit Gebrauchsgegenständen des 15. Jahrhunderts. Heute ist eine kleine Tafel an dem Gebäude angebracht, auf der steht:

Casa Vlad Dracul

In aceasta casa a locuit între ani 1431-1435 domnitorul Tara Romanesti

VLAD DRACUL fiul lui Mircea cel Batrin

(“In diesem Haus lebte zwischen den Jahren 1431 und 1435 der Herrscher der Walachei, Vlad Dracul, der Sohn Mirceas des Alten”). Während der Restaurationsarbeiten in den 1970er Jahren wurde ein Wandgemälde entdeckt, auf dem nach Ansicht von Historikern Vlad Dracul abgebildet sein könnte; sollte diese Annahme richtig sein, dann ist es das einzige erhalten gebliebene Porträit vom Vater Vlad Draculs.

7. Porträt von Mircea cel Batrin, Vlad Tepes Grossvater, Herrscher der Walachei (1386-1418). Darstellung aus dem 19. Jh.

8. Blick auf Targoviste, die Hauptstadt der Walachei zu Vlad Tepes Zeiten.

9. Vlad Draculs Haus in Sighisoara, Transsylvanien.

Im Jahre 1431 berief Siegmund mehrere Prinzen und Vasallen – und einer von ihnen war Vlad – nach Nürnberg, die ihm für politische und militärische Bündnisse nützlich erschienen. In erster Linie ging es ihm dabei um den Eintritt dieser Gruppe in den Drachenorden. Dank aktueller Forschungen des rumänischen Historikers Constantin Rezachevici wissen wir heute vieles über die Ursprünge, den Zweck und die Ikonografie dieses Ordens (der im Englischen “Order of the Dragon” und lateinisch “Societatis draconistrarum” genannt wird). Der Orden des Heiligen Georg hatte für diese Institution als Vorbild gedient und so war sie anderen Ritterorden jener Zeit durchaus ähnlich. Der Drachenorden wurde im Jahre 1408 zum besonderen Schutz der königlichen Familie von Siegmund (der damals auch noch König von Ungarn war) und seiner Frau Barbara Cilli gegründet. Wie sich in einem Exemplar der Statuten von 1707 nachlesen lässt, wurde von den Mitgliedern des Ordens verlangt, das Kreuz zu verteidigen und darüber hinaus seine Feinde, vor allem die Türken, zu bekämpfen. Dem ursprünglichen Orden gehörten 24 Adlige an, darunter so herausragende Persönlichkeiten wie König Alfons von Aragon und Neapel sowie Stefan Lazarevic von Serbien. Das Wappensymbol von 1408 zeigte einen kreisförmigen Drachen mit um den Hals geschlungenem Schwanz. Auf seinem Rücken, vom Nackenansatz bis zum Schwanz, prangte auf silbernem Grund das rote Kreuz des Heiligen Georg, und je mehr der Orden wuchs, desto mehr Symbole kamen hinzu, die das Thema vom Drachen und dem Kreuz variierten.

So verwendete beispielsweise eine Abteilung des Ordens einen Drachen, der von einem auf seinem Rücken hängenden Kreuz gewürgt wurde; ein anderes Wappen zeigt ein Kreuz, das senkrecht auf einem zusammengerollten Drachen steht und von zwei Inschriften geziert wird: “O quam misericors est Deus” (vertikal) und “Justus et paciens” (horizontal). Auf anderen Emblemen des Ordens sind neben den verschiedenen Abwandlungen des Drachenmotivs eine Halskette und ein Siegel zu sehen.

Die Aufnahme in den Orden erfüllte Vlad ganz zweifellos mit Stolz. Später ließ er Münzen prägen, auf deren Rückseite ein geflügelter Drache abgebildet ist, ähnlich dem Untier auf Paolo Uccellos Gemälde “Der Heilige Georg und der Drache” (Italien), und auch Vlads persönlichen Wappenschild zierte ein Drache. All diese Darstellungen von Drachen griffen ein beliebtes Bild mittelalterlicher Ikonografie auf, in dem der Drache den Antichristen oder Satan repräsentiert, der von den Mächten des Guten (des Christentums) hingestreckt wird. Und in unserem Zusammenhang ist von besonderer Bedeutung, dass Vlad sich in Anspielung auf seine Aufnahme in den Orden den Beinamen “Dracul” gab, denn zu jener Zeit war die Bezeichnung, die Vlad – und später sein Sohn – für sich wählte, noch positiv besetzt. Zwar verlor der Orden nach dem Tode Siegmunds im Jahre 1437 an Bedeutung, doch blieb seine Bildsprache weiterhin Bestandteil der Wappen zahlreicher Adelsfamilien.

Als Siegmund noch in Nürnberg herrschte, hatte er Vlad Unterstützung im Kampf um den walachischen Thron zugesichert, seine Hilfe aber an die Bedingung geknüpft, dass Vlad nach seiner Machtergreifung in dem orthodoxen Fürstentum katholische Institutionen förderte. Doch es sollten noch weitere fünf Jahre vergehen, ehe sich Vlads Hoffnungen erfüllten. Zwischen ihm und dem Thron stand sein Halbbruder Alexandru Aldea. Als Vlad erfuhr, dass Alexandru schwer erkrankt war, zog er Truppen zusammen, marschierte gegen Tirgoviste und eroberte den Thron. Seine Frau und zwei Söhne (ein dritter kam zwei Jahre später zur Welt) folgten ihm und bezogen den Prinzenpalast. Vlad Dracul herrschte mit einer kurzen Unterbrechung – in den Jahren 1442/43 – bis 1447 als Woiwode.

10. Vlad Tepes, Holzdruck aus Dracole Wayda, Barth. Ghotan Edition, Lübeck, 1485.

11. Der heilige Georg tötet den Drachen von Raffael, 1505, Gemälde auf Holz, 30 x 26 cm, Louvre, Paris.

VLAD DER PFÄHLER (DRACULA)

In das gleiche Jahr, in dem Vlad in den Drachenorden eintrat, scheint auch die Geburt des jungen Vlad zu fallen. Die Mutter des zweiten von drei legitimen Söhnen (die beiden anderen hießen Mircea und Radu) war wahrscheinlich die Prinzessin Cnejana aus der Familie des moldawischen Prinzen Musat. Nach dem Umzug nach Tirgoviste wurde der junge Vlad am Hofe erzogen und genoss eine ritterliche Ausbildung. Doch sollte die politische Verschlagenheit seines Vaters erhebliche Konsequenzen für Vlad und seinen jüngeren Bruder Radu haben. Nach dem Tod seines Gönners Siegmund gab Vlad Dracul seine pro-türkische Politik auf und verhielt sich neutral, um die Interessen seines eigenen Landes zu schützen. Der türkische Sultan zweifelte an der Loyalität Draculs (oder auch nur seiner Neutralität) so sehr, dass er von Vlad verlangte, ihm zwei seiner Söhne – Vlad und Radu – zu überlassen. Als Faustpfand sollten sie garantieren, dass ihr Vater türkische Interessen aktiv vertreten würde. Man nimmt an, dass die zwei Knaben bis zu sechs Jahre lang diesem prekären Arrangement unterworfen waren. Der junge Vlad muss zu Beginn dieser Geiselhaft etwa elf Jahre und sein Bruder ungefähr sieben Jahre alt gewesen sein. Laut türkischen Aufzeichnungen wurden die zwei Jungen zunächst in der Burg von Egregoz in Westanatolien und später am Hofe von Sultan Murad in Adrianopel untergebracht. Bisweilen war die Situation sehr angespannt. Bei einer Gelegenheit erlaubte Vlad Dracul seinem ältesten Sohn Mircea sogar, in der Schlacht von Varma mit den christlichen Truppen zu kooperieren und riskierte so das Leben seiner zwei verpfändeten Söhne. Welchen Effekt ein solches Handeln auf den jungen Vlad und seinen Begriff von Vertrauen hatte, lässt sich nur vermuten. Einige Historiker behaupten, dass Vlads spätere sadistische Tendenzen wenigstens teilweise auf diese prägenden Jahre in der Gefangenschaft zurückzuführen seien. Dem jüngeren Bruder Radu, ein stattlicher Bursche, der die Aufmerksamkeit des Sultans erregte, erging es besser: ein Umstand, der den bitteren Hass und die Rivalität erklären könnte, die sich später zwischen den Brüdern entwickelte. Zwar nahmen die beiden Jungen während ihrer jahrelangen Gefangenschaft offensichtlich keinen ernsthaften körperlichen Schaden, doch die psychologischen Auswirkungen auf Vlad sind nur schwer einzuschätzen. Nachdem die beiden im Jahre 1448 in die Freiheit entlassen worden waren, entschied sich Radu dafür, in der Türkei zu bleiben. Vlad aber hatte andere Pläne.

Dracul wurde im Jahre 1447 von den Bojaren Tirgovistes auf Anweisung von Janos Hunyadi ermordet. Dieser hatte sich entschlossen, Ladislaus II., einen Abkömmling der rivalisierenden Familienlinie Danetti, zu unterstützen. Und um alle weiteren Bedrohungen auszuschließen, wurde auch der älteste Sohn Mircea umgebracht (angeblich begrub man ihn bei lebendigem Leib), während sich die beiden anderen Söhne Draculs noch in türkischer Gefangenschaft befanden. Nun war der Weg frei und Hunyadi verhalf seinem Protegé, Ladislaus II., zum walachischen Thron. Als die Nachricht vom Tod Draculs die Türkei erreichte, wurde Vlad nicht nur die Freiheit geschenkt, sondern der Sultan unterstützte ihn auch bei der Vertreibung Ladislaus´. Seines Widersachers Abwesenheit ausnutzend (Ladislaus befehligte gerade ein Truppenkontingent, um Hunyadi in der glücklosen zweiten Schlacht von Kosovo zu unterstützen), konnte er, wenn auch nur für kurze Zeit, den Thron für sich erobern.

Über diese erste Periode der Herrschaft Vlads ist nur wenig bekannt und wir wissen lediglich, dass gegen Ende des Jahres 1448 sein Vorgänger das Amt des Woiwoden wieder an sich gebracht und Vlad das Fürstentum verlassen hatte. Die nächsten Jahre verbrachte er damit, die Kontrolle über die Walachei zurückzuerlangen. Lange Zeit hielt er sich in Moldawien bei seinem Neffen Stefan auf (später als Stefan der Große bekannt). Im Jahre 1456 konnte er sein Ziel schließlich erreichen und es begann die Periode seiner sechsjährigen Regentschaft, über die heute am meisten bekannt ist. Nach größeren Schlachten gegen die Türken im Jahre 1462 entkam er über die Berge nach Transsilvanien, wurde dort aber vom ungarischen König Matthias Corvinus bis Mitte der 1470er Jahre gefangengehalten. Auch als er den Thron 1476 ein drittes Mal zurückerobern konnte, dauerte seine Herrschaft nur kurz, denn bei einer Schlacht im darauffolgenden Winter wurde er getötet.

12. Porträt von Jean Hunyadi, Prinz von Transsylvanien (1441-1456) und Gouverneur Ungarns (1446-1453).

13. Darstellung des 1408 gegründeten Drachenordens. 1431 erhielt Vlad Dracul aus den Händen des Kaisers des Heiligen Deutschen Römischen Reiches Sigismund den Drachenorden.

14. Schloss Hunedoara, Stich.

15. Vlad Tepes« Verhaftung durch ungarische Soldaten.

16. Rumänischer Film von Doru Nastase, 1978. Vlad wurde bis in die Mitte der 1470er Jahre gefangen gehalten.

Vlad ist unter zwei Namen bekannt: Vlad Tepes (der Pfähler) und Vlad Dracula. Wie so vieles im Zusammenhang mit diesem Woiwoden ist auch umstritten, welcher Beiname der wahre ist. Da in der Nomenklatur der Woiwoden nur selten Nachnamen verwendet wurden, behalfen sich die Chronisten damit, den Vlads und Dans zusätzliche Bezeichnungen zu geben, um sie voneinander zu unterscheiden. So finden wir “Mircea der Alte”, “Stefan der Große”, “Peter der Lahme”, “Vlad der Mönch” und viele mehr. In der rumänischen Geschichte kennt man Vlad vor allem als “Tepes” (den Pfähler). Diese Bezeichnung ist vom türkischen Beinamen “kaziklu bey” abgeleitet, den ihm osmanische Chronisten des späten fünfzehnten und frühen sechzehnten Jahrhunderts gaben, weil er als Hinrichtungsart das Pfählen bevorzugte. Dass in dieser Bezeichnung die Furcht anklang, in die er seine Feinde versetzte, erklärt vielleicht, warum sie in seiner Heimat so weite Verbreitung fand. Dafür, dass Vlad sich selbst jemals Pfähler nannte, gibt es allerdings keine Belege. Dagegen findet man in Manuskripten und gedruckten Texten des sechzehnten Jahrhunderts außerordentlich häufig die Anrede “Dracula” (oder linguistische Variationen des Wortes): bei Papst Pius II.; bei Antonio Bonfini, dem offiziellen Geschichtsschreiber am Hofe des Corvinus und beim großen Humanisten Nikolaus Olahus, einem entfernten Nachfahren Draculas und nach eigener Einschätzung “ex sanguine Draculae”. Gelegentlich wurde sie sogar von Vlad selbst benutzt, beispielsweise in zwei unterschiedlichen Briefen, die er 1475 den Einwohnern von Sibiu und Bra ov schrieb. Gleichwohl wehren sich viele seiner Landsleute seit jeher gegen den Namen “Dracula”, weil dieser Begriff im fünfzehnten Jahrhundert durch Pamphlete aus Deutschland populär wurde. Denn diese betonten, wie wir noch sehen werden, nur die negativen Aspekte seiner Herrschaft und trugen so zu seinem schlechten Ruf bei. Und es wird noch komplizierter, da “dracul” eine zweite und geläufigere Bedeutung angenommen hatte – “der Teufel”. Allerdings wird Vlad seinen Beinamen wahrscheinlich nicht in diesem Sinne verwendet haben. Für ihn bedeutete “Dracula” der Sohn des Dracul, der Sohn des Mannes, der dem Drachenorden angehörte. Er verstand ihn als Zeichen der Ehre, ohne die negativen Konnotationen, die ihm seitdem zugeschrieben werden. Besonders folgenschwer war in dieser Hinsicht die Entscheidung Bram Stokers, den Vampir in seinem Roman Dracula zu nennen. Obwohl sich rumänische Historiker stets geweigert haben, von Dracula zu sprechen (und manche sogar die Authentizität des Begriffs anzweifelten), wird der Widerstand gegen diesen Namen gegenwärtig schwächer.

17. Messbuch des Kardinals Domenica della Rovere, 1490, The Pierpont Morgan Library, M 306, New York.

18. Die von Vlad Tepes Gesandten überraschten Boyarden von Theodor Aman, 1886, Öl auf Leinwand, 150,5 x 236,6 cm. Rumänisches Nationalmuseum für Kunst.

HISTORISCHE QUELLEN