Du gehörst mir! - Melanie Grundner - E-Book

Du gehörst mir! E-Book

Melanie Grundner

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Beschreibung

"Wie viel Hänseleien kann ein Mensch ertragen?" "Was würdest du dafür geben es zu beenden?" Diese Dinge fragt sich Marlene, als die schüchterne Magdalena neu in die Klasse eingewiesen wird. Als Außenseiterin verhöhnt bekommt Marlene die Aufgabe, sich um ihre Mitschülerin zu kümmern, damit sie besser in die Klassengemeinschaft aufgenommen wird. Was sie anfangs als Chance sieht, etwas Gutes zu tun, entpuppt sich schnell als Albtraum. Denn hinter der Fassade dieses unschuldigen Mädchens, lauert der Teufel... Denn Magdalena verfolgt ein Ziel. Ein Ziel, von dem sie weiß, dass sie es auch erreichen wird.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9 - Hannah

Kapitel 1

Müde aufgrund der frühen Uhrzeit am Frühstückstisch, nickte ich nur stumm und überreichte Mom die Butter, nach der sie mich gefragt hatte.

„Danke Marlene.“, sagte sie lächelnd.

Dad saß mir gegenüber und las die Morgenzeitung. Kopfschüttelnd legte er sie beiseite und begann mit meiner Schwester Lena ein Gespräch. Er hielt eine Standpauke über ihre letzten Schulnoten.

„Nächstes Jahr hast du deine Abschlussprüfung, ich hoffe sehr, dass du dir dieses Jahr mehr Mühe geben wirst!“

Sie seufzte laut. „Ja…“ Genervt strich sie sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht.

Im Gegensatz zu meiner Schwester war ich ab heute in der Abschlussklasse und besaß die Noten, auch ohne großartiges Lernen durch die Prüfungen zu kommen. Dennoch hatte ich ein ungutes Gefühl in der Magengrube. So, als hätte ich bereits spüren können, dass etwas Schlimmes auf mich zukommen würde.

„Wo ist Lukas?“, fragte Mom und hielt nach ihm Ausschau.

Als hätte sie es geahnt, schlurfte mein großer Bruder mit trägen Armen und zerzaustem blondem Kopf die Treppe zu uns ins Esszimmer hinunter und gähnte laut.

„Morgen“, brummte er und ließ sich zwischen mir und Lena auf den Stuhl fallen. Lukas war der älteste von uns drei Kindern und hatte die Schule bereits beendet. Seit Anfang August war er in der Lehre zum Maler tätig, jedoch sah man ihm an, dass er wenig Lust darauf hatte.

Er bekam kaum die Augen auf und reagierte auch nicht, als Dad ihn ansprach.

„Lukas ich habe dich etwas gefragt.“, wiederholte er.

Wie in Zeitlupe wanderte Lukas Blick zu ihm. „Was?“

„Wo warst du gestern Abend? Ich dachte du hilfst mir beim Zaun streichen.“

„Ich war bei Jenny und hab´s vergessen. Sorry.“ Genervt schüttete er sich ein Glas Orangensaft ein. Jenny war seine Freundin, mit der er seit einem halben Jahr eine Beziehung führte – sehr zum Erstaunen unserer Eltern, eingeschlossen mir und Lena.

Bisher waren Lukas Beziehungen eher flüchtige Mädchen gewesen, die wir an einem Abend kurz an der Wohnzimmertür vorbeischlurfen sahen und am Morgen wieder verschwanden.

Nie war dieselbe zweimal aufgetaucht. Nur bei Jenny, die er auf einer Hausparty kennengelernt hatte, war dies anders. Noch nie hatte ich meinen Bruder so aufgeregt erlebt, eine Frau mit nach Hause zu nehmen und sie unseren Eltern vorzustellen.

„Wunderbar.“, sagte Dad ironisch und nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. Erneut hob er die Zeitung und schlug dieselbe Seite noch einmal auf.

„Gibt es etwas Interessantes mein Schatz?“, fragte Mom ihn neugierig.

„Ja…“, murmelte er. „Ein Fall aus unserem Nachbarort. Ein Mädchen in Lukas Alter wollte jemanden lebendig begraben.“

Er schüttelte abfällig den Kopf.

„War bestimmt eine von Lukas Liebschaften, die jetzt Amok läuft.“, scherzte Lena und bekam von unserem Bruder eine Weintraube an den Kopf geworfen.

„Das ist ja furchtbar!“, sagte Mom und schüttete sich Tee ein.

Ich murmelte etwas Unverständliches vor mich hin, als mein Handy eine Nachricht empfing. Sie war von meiner besten Freundin Betty.

„Beweg deinen dünnen Hintern aus dem Haus, ich hab dir etwas zu erzählen.“, lautete sie.

Ich musste grinsen. Bettys Klatsch- und Tratschgeschichten waren oftmals ein wenig nervig wenn es sich alles um Ein- und Dasselbe drehte, dennoch war ich meistens gespannt was sie zu erzählen hatte.

„Ich muss los.“, sagte ich und sprang auf.

„Jetzt schon? Du hast doch noch Zeit fertig zu frühstücken.“,

meinte Mom und sah wehleidig auf meinen Teller mit dem erst halb gegessenen Marmeladenbrot.

„Das esse ich auf dem Weg. Betty wartet.“ Mit einem Wink schmiss ich meinen Rucksack über die Schulter, stopfte mir das Brot zwischen die Zähne und schlüpfte in meine Turnschuhe.

Als ich die Haustür öffnete, wartete Betty bereits auf dem Gehweg vor unserem Haus. Ihre blonden, schulterlangen Locken wurden von dem lauwarmen Sommerwind in die Luft getragen.

Sie sah fantastisch aus. Sie trug eine enge, dunkle Hose mit einem weit ausgeschnittenen roten Top. Auf ihren Lippen hatte sie Lippenstift aufgetragen, ihre Augen waren geschminkt. Sie hatte sogar das edle Parfüm ihrer Mutter aufgetragen, das meine Nase streifte als ich mich neben sie stellte.

„Was hast du vor?“, fragte ich skeptisch und biss von dem Brot ab, als ich sah, dass sie sogar erhöhte Stiefel trug.

Sie lächelte überheblich und entblößte eine Reihe weißer Zähne.

„Darf ich mich denn nicht stylen?“, fragte sie neckisch.

Ich kannte Betty seit dem Kindergarten, ich wusste genau dass etwas anderes dahintersteckte. Mit ziemlicher Sicherheit ein Typ, den sie sich anlachen wollte.

„Was ist los?“ Ich stemmte die Hände in die Hüften.

„Ok, Ok!“, sagte sie und zog mich mit sich. Normalerweise fuhren wir mit dem Rad, doch Betty hatte sich immer beschwert, dass ihre Haare nach der kleinen Schultour zerzaust waren.

„Wir bekommen einen neuen Schüler!“ Ihre Augen leuchteten aufgeregt.

„Ist das die Neuigkeit? Und dafür putzt du dich so heraus? Was ist, wenn er hässlich ist?“, sagte ich lachend.

Ihre Miene wurde grimmig. „Nein! Er sieht gut aus… ich hab gestern Lisa getroffen. Die ist doch im Schülerrat und konnte sich sein Foto aus der Schulakte ansehen. Sie sagte er wäre gutaussehend und sein Name wäre Thomas.“

Auf halbem Weg zur Schule, in der Betty davon schwärmte wie toll das Jahr mit dem neuen Schüler laufen würde, fiel mir auf, dass wir jemanden vergessen hatten.

„Wo ist Rebecca?“, fragte ich.

Betty zuckte die Schultern. „Ich habe vor ihrem Haus gewartet, aber sie ist nicht gekommen. Die wird wieder verpennt haben.“

Rebecca war die dritte in unserer Truppe und wie immer zu spät. Sei es, weil sie verschlafen, nicht in die Puschen kam oder es vergessen hatte. Zwischen ihr und Betty herrschte eine sogenannte Hass-Liebe. Es gab oft Streit, dennoch waren beide in schlechten Zeiten füreinander da.

Achselzuckend ging Betty weiter. Nur mit Mühe konnte ich ihrem Schritt folgen.

„Renn doch nicht so!“, maulte ich.

„Dann geh schneller, ich muss mich noch einmal im Klospiegel checken bevor der erste Schultag beginnt.“

„Wir sind ungefähr ein Jahrhundert zu früh dran, du schaffst es auch dich zu überprüfen, bevor überhaupt unser Schulleiter aus dem Bett aufsteht…“ Schmollend verlangsamte Betty ihren Schritt, als sie abrupt stehen blieb.

„Was ist?“, fragte ich und versuchte ihrem Blick zu folgen.

„Lass uns einen Umweg gehen.“, meinte sie.

„Was? Zuerst willst du so schnell wie möglich in die Schule und jetzt änderst du plötzlich deine Meinung?“

„Dort hinten steht Florian…“ Seitdem Betty letztes Jahr einmal mit Florian Berger ausgegangen war, war er ihr selten von der Seite gewichen. Er überhäufte sie mit Blumen, Schokolade und lud sie zu jeder Gelegenheit ein. Doch Betty ließ ihn jedes Mal abblitzen und nutzte seine Zuneigung aus, um Arbeiten zu erledigen, die sie nicht verrichten wollte.

Er war ein lieber Kerl und ich war oft traurig dass sie ihn so behandelte. Er war ein alter Kindergartenfreund von mir, doch das Verhältnis hatte sich trotz vieler gemeinsamer Jahre in derselben Schulklasse verlaufen.

„Ich dachte, er will nichts mehr von dir?“, meinte ich und stutzte als ich sah, dass Betty auf ihrer Unterlippe kaute. Das machte sie nur wenn sie etwas verheimlichen wollte. „Was hast du getan?“, drängelte ich.

„Nichts…“, murmelte sie und zog mich an meinem Ärmel mit in die andere Richtung.

„Ich bin nicht blöd!“

Wieder kaute sie an ihrer Unterlippe, bis sie schließlich seufzte.

„Ja gut, ich hab mich letzte Woche noch einmal mit ihm getroffen.“

Mir klappte der Mund auf. „Wie getroffen? Warum hast du nichts erzählt?“

„Weil ich genau wusste, dass du so reagierst!“

Ich musste zugeben dass ich etwas sauer war. „Wie soll ich denn sonst reagieren? Du hast dich immer beschwert dass er dich nervt und du ihn loshaben willst, triffst dich aber wieder mit ihm, nachdem du das endlich erreicht hast.“

„Ja ich weiß, aber Korbinian hat mich wieder sitzen gelassen und ich hab mich so allein gefühlt…“ Korbinian war der einzige Mann, der den Spieß mit Betty bisher umgedreht hatte. Er war in der Klasse meines Bruders gewesen und ließ Betty immer wieder an sich heran, bis er sie erneut abservierte.

„Du bist meine Freundin, aber ich muss dir ganz ehrlich sagen, dass ich das echt gemein von dir finde…“, sagte ich.

„Ich hab´s verstanden! Ich bin eine gemeine Ziege. Trotzdem ist es jetzt nun mal passiert.“

*

Es herrschte ein unglaubliches Gedränge als wir auf dem Flur der oberen Etage unserer Schule eintrafen. Alle Abschlussklassen und ein Jahrgang darunter hatten hier ihre Klassenzimmer.

Umarmungen, Grüße und die neuesten Nachrichten wurden ausgetauscht, denn über die Sommerferien hatte sich einiges angesammelt. Mit Mühe und Not drängelten wir uns durch die Masse und lächelten dabei bekannten Gesichtern zu. Ich kam mir vor wie beim Sommerschlussverkauf im Shopping-Center.

Lisa die Schülersprecherin, kam auf uns zugelaufen und winkte dabei.

„Hey ihr beiden!“, rief sie. „Habt ihr schon einen Spint gefunden?“

Ihr blonder Zopf wippte auf und ab bis sie bei uns zu stehen kam. Erschöpft pustete sie sich den Pony aus dem Gesicht. Ihre athletischen Arme stemmte sie in die Hüften und kassierte dafür einige Rempler.

„Einen Spint finden? So wie es hier zugeht werden wir wohl eine Etage runter müssen.“, maulte Betty.

Es war jedes Jahr ein Kampf einen Spint zu finden, der im besten Falle neben befreundeten Personen lag, sowie auf Rumpfoder Augenhöhe.

„Bei den Baseball-Spielern ist schon alles belegt, aber im Flur des Mathematikraums ist noch in der Mitte etwas frei.“, meinte Lisa.

„Na wundervoll, wir gehen zu den Strebern.“, sagte ich lachend und folgte Lisa und Betty in den nächst gelegenen Gang.

Hier war der Trubel etwas geringer, dennoch hatten wir Mühe vorwärts zu kommen. Als wir bei der Reihe ankamen, konnten wir mit Glück feststellen, dass noch zwei nebeneinander zur Verfügung standen.

„Igitt, der Spint riecht als hätte dort jemand seine Socken den Sommer über vergessen.“, schimpfte Betty und rümpfte die Nase als sie ihre Schulbücher in das oberste Fach verstaute.

„Sehen wir es positiv, zum Mathe Unterricht haben wir nicht weit unsere Schulbücher und Hefte mitzuschleppen.“, meinte ich und Lisa stimmte zu.

„Noch besser, das Mathezimmer wird dieses Jahr sogar unser Klassenzimmer.“, sagte Lisa und deutete eine Reihe weiter.

„Nicht umsonst hab auch ich hier meine Bücher verstaut.“

„Ich liebe es, dass du Schülersprecherin bist.“, sagte Betty lachend. „Hoffentlich wirst du dieses Jahr erneut gewählt!“

„Solange du es tust.“, meinte Lisa grinsend und verschwand als sie ihre Volleyball Gruppe entdeckte.

„Jetzt fehlt nur noch, dass Herr Richard unser Klassenleiter wird, dann kann unser Schuljahr nur der Wahnsinn werden!“,

sagte Betty und folgte ihr in Richtung Schultoilette.

Ich verdrehte die Augen. „Dann hat er bestimmt anderes zu tun als sich von dir umschwärmen zu lassen.“

Sie gab mir einen bösen Blick von der Seite. „Tu doch nicht so, dir gefällt er doch genauso!“

Ich zuckte die Achseln. „Er ist aber unser Lehrer und zu alt.“

„Er ist zweiunddreißig, das ist doch kein Alter!“

„Mir egal wie alt er ist, er ist immer noch ein Lehrer!“, mahnte ich sie.

„Ein verdammt gut aussehender Lehrer. Hast du mal seine Oberarme gesehen? Wenn er ein T-Shirt trägt, sind seine Ärmel kurz vor dem Platzen.“

Betty kam aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Selbst als sie sich noch einmal fertig gestylt hatte und wir uns zu unserem Klassenzimmer aufmachten, redete sie ohne Punkt und Komma von ihm.

Herr Richard war einer der jüngsten Lehrer an unserer Schule und erst vor zwei Jahren zu uns versetzt worden, um sich aufgrund fehlender Schulkräfte, einer Abschlussklasse widmen zu können.

Es war kaum zu übersehen, wie sehr er der Schwarm vieler älterer Mädchen an der Schule war. Groß, muskulös, symphytisches Lächeln und noch dazu ein schlauer Mann. Innerhalb von Sekunden hatte er die Macht das Gehirn sämtlicher Frauen Schach-Matt zu setzen.

Sein Hauptfach war Mathematik, weshalb er sogar das Wunder verbrachte, die Teilnehmerzahl an den zusätzlichen Mathematik-Zweigen zu verdoppeln.

Eine dieser neu dazugekommenen Streber war selbstverständlich auch Betty. Diese Betty, die bisher in diesem Fach auf einer Vier saß. Wie sie den Mathezweig jemals bestehen sollte, war mir ein Rätsel.

Eventuell könnte ihr Rebecca helfen, die sich ebenfalls eingetragen hatte, doch nicht aus dem Grund dem Lehrer schmachtenden Blicke zuwerfen zu können, sondern weil sie einfach eine besondere Begabung für das Fach hatte und sich jedes Jahr eintrug.

So wie ich sie jedoch kannte würde sie keine große Lust daran finden Betty unter die Arme zu greifen, da sie ebenfalls den Grund für ihre Anmeldung kannte und die ständig wechselnden Schwärmereien von ihr noch nie leiden konnte.

„Hast du dich eingetragen?“, wollte sie von mir wissen als wir zusammen durch die Tür in das Klassenzimmer gingen und uns einen Platz in der Mitte des Raumes aussuchten.

„Ganz bestimmt nicht.“, beantwortete ich ihre Frage und stellte meinen Rucksack neben den Tisch.

„Ach komm schon, das wird bestimmt toll! Wir drei im selben Kurs.“

„Du meinst zwei. Du würdest nämlich in der ganzen Zeit nicht anwesend sein und vor dich hin sabbern.“, neckte ich sie. Betty zeigte mir die Zunge.

„Witzig, Frau Döritsch.“, sagte sie gespielt beleidigt und setzte sich neben mich.

„Das Fräulein Mäuschen hat sich schick gemacht.“, sagte eine Stimme hinter uns. Gleichzeitig drehten wir uns um. Tobias Strecker, der Klassenclown, zwinkerte Betty zu.

„Halt die Klappe.“, sagte sie und wandte sich wieder um, doch von ihrer Abfuhr ließ er sich nicht beirren.

„Ich hab einen Witz für dich. Was fehlt bei einer schönen Dame wie dir in der Handtasche?“, fragte er.

Betty seufzte laut. „Was weiß ich.“

„Das Gehirn.“ Tobias lachte so laut, dass er sich fast an seiner eigenen Spucke verschluckt hätte.

„Kannst du auch einmal nicht scheiße sein?“, fragte Betty und zeigte ihm den Stinkefinger.

Genervt wandte auch ich mich um und zog aus meinem Rucksack meine Stifte und einen Block, als die Klassentür aufging und eine laut keuchende Rebecca mit verschwitzten, dunklen Haaren auf uns zukam.

„Da draußen geht es zu wie im Tierpark.“, sagte sie schwer atmend. Mit einem lauten Seufzer ließ sie sich links neben mir auf den Stuhl fallen und legte den Kopf in den Nacken. „Scheiß Schulanfang.“

„Auch schon da?“, fragte ich lachend.

„Frag einfach nicht, ich hab verpennt. Ich hab ungefähr den weit entferntesten Spint der ganzen Welt erwischt und mein Fahrrad hat einen platten Reifen.“

„Du bist mit dem Fahrrad gefahren?“, fragte Betty ungläubig und lugte an mir vorbei zu Rebecca.

„Nein, weißt du!?“, sagte sie gereizt und hob den Helm auf.

„Den hab ich für das Elefantenreiten dabei.“

Wie so oft entstand ein Streit zwischen beiden. Dass sie überhaupt miteinander befreundet waren, gab mir oft Rätsel auf.

Unterschiedlicher hätten sie nicht sein können.

Betty blonde, kurze Locken und ein athletisches Ass. Rebecca trug ihre dunklen Haare bis zu den Hüften und war ein kompletter Sportmuffel, bei jeder Gelegenheit vermied sie Bewegung.

Während sie auch wenig lernen musste um gute Noten zu erhalten, war Betty in zwei Nachhilfekursen.

Auch ihre Meinungen gingen weit auseinander. Für Betty war das Leben oft ein Spiel, das sie sich mit vielen Verabredungen, Tratsch und Partys versüßen konnte.

Rebecca hingegen war zwar nicht auf den Mund gefallen, hielt sich von Partys jedoch eher fern und war bisher auch nicht an einer Beziehung interessiert, geschweige denn hatte sie je von einem Jungen gesprochen, der ihr gefallen hätte. Betty hatte oft den Verdacht ausgesprochen Rebecca wäre vielleicht gar nicht an Männern interessiert, doch das glaubte ich wiederrum auch nicht.

Ihre Streitigkeiten konnten manchmal sehr anstrengend werden, da ich oft zwischen den Fronten stand und zwischen beiden vermitteln musste wenn die Dickköpfe wieder einmal kein Wort miteinander sprachen. Es war dennoch schön zu sehen, dass sie zusammenhielten wenn es einen von beiden nicht so gut ging.

Während sich die Streithähne gegenseitig Dinge an den Kopf warfen war in der Zwischenzeit Lisa im Klassenzimmer aufgetaucht.

„Ich hab vorher ganz vergessen zu fragen, ob ihr auch Lust habt auf meine Schulanfangsparty zu kommen. Ich weiß noch nicht den genauen Tag, aber auf jeden Fall dann, wenn meine Eltern nicht zu Hause sind.“, sagte Lisa und die Streithähne wurden hellhörig.

„Eine Hausparty? Bin ich auf jeden Fall dabei!“, meinte Betty und wickelte sich eine Strähne um den Finger. „Du ladest doch auf deinen Partys auch die Abschlussklassen von bis vor zwei Jahren ein. Das wird bestimmt toll!“

„Ja, kannst dir wieder einen aufgeblasenen Dummkopf anlachen.“, meckerte Rebecca.

„Kann ich doch nichts dafür, dass du deine Jungfräulichkeit bis an dein Lebensende tragen wirst!“, konterte Betty und sofort ging ein neuer Streit los. Lisa lächelte schwach und verzog sich auf ihren Platz.

„Meine Güte, heute ist der erste Schultag, könnt ihr mit euren Auseinandersetzungen nicht noch warten?“, ging ich genervt dazwischen.

„Dann sag ihr, dass sie mich nicht immer so dumm anmachen soll!“ Betty warf beleidigt ihr Haar zurück.

„Dann rede einfach mal über etwas anderes als nur über irgendwelche dahergelaufenen Kerle die du dir mit nach Hause ziehst!“ Rebecca sah sie böse an.

„Schluss jetzt.“, sagte ich und schnaufte tief ein. „Was haltet ihr heute Abend von Kino?“

„Meine Mutter will mit mir ins Einkaufszentrum fahren, ich kann nicht.“, sagte Rebecca und verzog ihr Gesicht. Sie war kein Freund von Shoppingtouren.

Betty schüttelte ebenfalls den Kopf. „Kann auch nicht. Ich schätze, ich muss für den Mathekurs vorlernen, sonst...“ Sie verstummte als Fabian durch die Tür kam und auf sie zuging.

Man erkannte sofort, dass sie sich am liebsten unsichtbar gemacht hätte.

„Hey.“, sagte er. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Ich hab dich vorgestern angerufen.“

„Ähm… ja. Ich hatte keine Zeit dich zurückzurufen.“, flunkerte sie.

Er fuhr sich nervös durch die Haare. Man sah ihm an, dass er sie etwas fragen wollte, jedoch mit sich haderte.

Rebecca kniff mich unauffällig in die Seite. „Ich dachte, er hätte es aufgegeben?“

Ich verzog das Gesicht. „Betty ist letzte Woche von Korbinian wieder sitzen gelassen worden und hat sich anschließend mit Flori getroffen…“ Kopfschüttelnd lehnte sie sich zurück. „Die spinnt doch.“

„Hast du… hast du abends Zeit? Wir könnten ins Kino.“,

schlug Fabian Betty vor.

„Kann nicht…“, sagte sie abweisend.

Enttäuscht nickte er, seine Miene hellte sich jedoch auf als er den leeren Platz neben ihr sah. „Ist der noch frei?“

„Nein!“ sie hätte fast geschrien als er seinen Rucksack abstellen wollte. „Der ist schon besetzt.“

„Achso. Ja klar.“ Mit einem müden Lächeln ging er in die vordere Reihe zurück.

„Der Arme…“, meinte Rebecca mitfühlend und erntete einen stechenden Blick von Betty.

„Lasst uns über etwas anderes reden!“, meinte sie daraufhin.

Eine Zeit lang redeten wir noch eine Weile über das kommende Schuljahr. In der Zwischenzeit war unsere Klasse bereits vollzählig geworden und Betty hatte mit eisernen Kräften den rechten Platz neben sich verteidigt. Sie wollte unter allen Umständen, dass sich der neue Schüler neben sie setzen würde.

Als die Tür geöffnet wurde und ein braun gebrannter, muskulöser Mann eintrat, wurden alle völlig stumm. Mit einer lässigen Bewegung legte er seine braune Aktentasche auf das Lehrerpult und nahm ein paar Blöcke und Bücher heraus. Mit seinen makellosen Zähnen strahlte er uns freundlich entgegen und wandte sich anschließend an uns. Betty zog scharf die Luft ein.

„Guten Morgen zusammen. Falls mich einige noch nicht kennen sollten, ich bin Markus Richard. Ich werde euch dieses Jahr durch die Abschlussprüfungen begleiten.“

Als hätte jemand einen Schalter gedrückt, rückten fast alle Mädchen ihre Rücken gerade und fuhren sich noch einmal durch das Haar.

Amüsiert musterten Rebecca und ich Betty, wie sie ganz nervös ihr Oberteil richtete und ihn bei jedem seiner Schritte mit den Augen verfolgte.

„Zu allererst möchte ich euch mitteilen, dass ihr einen neuen Schüler bekommen werdet. Er wird etwas später zu uns stoßen.“ Ein wenig Gemurmel ging durch die Runde, ehe er wieder um Ruhe bat und sich an uns wandte:“ Sollte es Probleme in der Klasse geben, könnt ihr euch gerne an mich wenden. Für dieses Jahr bin ich auch euer Vertrauenslehrer.“

„Ich würde ihm gerne noch mehr anvertrauen als meine Probleme.“, munkelte Betty und ich musste grinsen.

„Wie ich gesehen habe, haben sich wieder einige in den Zusatzkurs Mathematik angemeldet. Das freut mich. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird dieser am Donnerstagnachmittag stattfinden...“

Es folgten allgemeine Informationen zum Unterrichtsalltag und dem Ablauf der nächsten Tage.

„Ich bin schon so auf den Neuen gespannt!“, flüsterte mir Betty währenddessen zu und berührte flüchtig den Platz neben sich.

„Besser kann es gar nicht laufen.“

Ihr Elan nahm schier ab, als ein Klopfen ertönte und die Direktorin eintrat.

„Markus, kann ich Sie schnell sprechen?“, fragte sie. Ihre braunen, bereits grau werdenden Haare hatte sie streng zu einem Dutt zusammengebunden.

„Natürlich.“, sagte er und wandte sich an uns. „Ich bin gleich wieder da.“

Beide verschwanden in den Gang und sofort fingen laute Gespräche an. Es dauerte nicht lange und Herr Richard kam wieder hinein, ihm folgend ein Mädchen in unserem Alter.

Sie war blond, so wie ich und hatte ebenfalls blaue Augen. Sie trug einen alten verwaschenen Pulli und ihre Jeans waren zu groß. Schwitzte sie denn nicht? Wir hatten Sommertemperaturen!

„Das ist Magdalena Wümpel. Auf Wunsch von ihr, wird sie anstelle des anderen Schülers in unsere Klasse kommen.“, sagte Herr Richard und sah sie freundlich an.

Sie wurde rot. Auch bei ihr kam der Charme gut an.

Bettys Kinnlade klappte nach unten. Ich konnte direkt spüren wie sich in ihr alles zusammenzog.

„Erzähl uns kurz etwas über dich.“

Magdalena lächelte ihm schüchtern zu und wandte den Blick sofort wieder auf den Boden. Sie war nervös.

„Mein Name ist Magdalena…-“

„Was du nicht sagst.“, quatschte Klassenclown Tobias dazwischen. Einige lachten.

„Tobias bitte!“, mahnte ihn Herr Richard.

Magdalena räusperte sich. Sie wurde nun dunkelrot. „Ich… also… ich komme aus Neckenberg. Aufgrund der Versetzung meines Vaters sind wir hierhergezogen.“

Sie wusste nicht was sie mit ihren Händen anstellen sollte, weshalb sie sie einmal unter ihren Pulli versteckte und dann wieder in der viel zu großen Hosentasche.

„Wen interessierst wo die herkommt?“, maulte Betty leise und ich gab ihr einen Stoß mit dem Ellbogen.

„Was unternimmst du in deiner Freizeit?“, fragte Herr Richard.

„Bestimmt nicht shoppen gehen.“, lachte Tobias und fast alle lachten mit.

„Noch einmal und du wanderst im hohen Bogen hinaus!“ Die Stimme des Lehrers wurde strenger.

Man konnte erkennen, dass sich Magdalena sichtlich unwohl fühlte. Tobias konnte einfach nie seine Klappe halten. Sie tat mir leid.

„Ich… ich spiele ein wenig Klavier.“, sagte sie kleinlaut.

„Fabelhaft, wir haben einen Musikverein. Sie würden dich bestimmt aufnehmen.“ Herr Richard legte ihr die Hand auf die Schulter. „Wo haben wir denn noch einen Platz frei?“ Sein Blick wanderte durch die Schüler und blieb schließlich bei Betty hängen.

„Betty, es macht dir doch nichts aus, wenn sie sich neben dich setzt?“

„Doch, das tut es. Hier sitzt Fabian ab morgen.“ Ich sah sie verwundert an und auch Fabians Gesicht zeigte ein Fragezeichen als er sich zu uns drehte.