Duality part one - Roger Gilomen - E-Book

Duality part one E-Book

Roger Gilomen

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Beschreibung

In jeder Kultur wird der Ursprung des Lebens einem Schöpfer zugeschrieben. Doch was passiert, wenn Zeit keine Rolle mehr spielt? Die Reise, die wir unternehmen, ist unvorstellbar weit. Beginn und Ende unseres irdischen Lebens bedeuten nicht der Anbeginn und das Ende unseres Seins. Im Universum strebt das bösartige Wesen Aton nach Unendlichkeit, indem es die natürliche Ordnung verlässt, um das Universum in eine Entropie zu stürzen. Sein Einfluss reicht von seinem Heimatplaneten Dillimus bis zur Erde, wo Aleyna, eine geflohene Bewohnerin von Dillimus, sich ihm entgegenstellt. Ein fesselndes Abenteuer entfaltet sich, in welchem Gut und Böse verschmelzen und die Sichtweise auf das Leben verändert wird. Tauchen Sie ein in dieses epische Abenteuer, das Überzeugungen herausfordert und Hoffnungen wiedererweckt! 

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Seitenzahl: 513

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2025 novum publishing gmbh

Rathausgasse 73, A-7311 Neckenmarkt

[email protected]

ISBN Printausgabe: 978–3–7116–0061–5

ISBN e-book: 978-3-7116-0062-2

Lektorat: Elena Iby

Umschlagabbildung: Roger Gilomen

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

PROLOG

Auf eine Schöpfung durch einen Schöpfer wird in allen Religionen und Kulturen der Anbeginn des Lebens zurückgeführt. Damit sich ein Lebewesen weiterentwickeln kann, muss es sich durch Bewusstseinserweiterungen evolvieren. Es gibt im hiesigen Universum sieben Bewusstseinsstufen, welche man durchleben kann, bis man am Ende wieder bei der Schöpfung angelangt ist, woraus das Leben dann letzten Endes wieder entstehen wird.

1. Stufe

Die niedrigste, erste Stufe des Bewusstseins birgt ein unbekümmertes Leben. Es ist das Überlebensbewusstsein und begrenzt sich auf die Erfüllung der Grundbedürfnisse wie Essen, Schlaf und Sicherheit. Man lebt auf dieser Ebene vor sich hin und frönt seinen nächstgelegenen Trieben. Wie Tiere in der freien Natur, welche ihren Belangen freien Lauf lassen und den einfachen Trieben nachgehen. Wie Haustiere, welche sich gegenseitig am Hintern beschnuppern, um sich kennenzulernen, aber auch wie der einfache Schläger, welcher erblindet seiner Wut nach einer Provokation nachgeht. Es können keine langen zeitlichen Zusammenhänge gebildet werden, man ist nicht in der Lage, sich geistlich darauf einzulassen. Eine primitive, nahezu hedonische Lebenshaltung mit begrenzten Verhaltensmustern. Keine schlechte Lebensweise, denn die Chance auf Glückseligkeit liegt immer bei 50 Prozent. Man jagt oder wird gejagt, teilt aus oder steckt ein. Die partnerschaftliche Konnektivität wird ebenso auf dieses Muster heruntergebrochen und es gibt nur die fromme Lust und pure Abneigung.

2. Stufe

Es folgt der Dämmerungszustand. Das Gehirn ist nun fähig, einen gesellschaftlichen Ablauf festzustellen und sich diesem zu fügen. Man hinterfragt die Verhaltensweisen und wertet diese in einer tieferen Instanz. Das Kollektivbewusstsein unter Seinesgleichen erachtet man als Gradmesser und hinterfragt deren Unschlüssigkeiten nur zögernd. Der Umstand, dass man überhaupt fähig ist, einen Gedanken für andere Lebewesen zu hegen, ist bereits die ganze Variabilität. Durch das Umfeld bedingte Muster werden angeeignet und erweitert, man erkennt und führt weiter aus. Die partnerschaftliche Verbindung besteht, begrenzt sich aber auf Äußerlichkeiten und begibt sich nur in minime, spirituelle Tiefen.

3. Stufe

Es kommt der emotionale Aspekt zum ersten Mal zum Vorschein. Das anfänglich entwickelte Ego entdeckt sein schallendes Echo. Durch die gesellschaftliche Ansicht vergleicht sich das Bewusstsein mit anderen Lebewesen und man wird zunehmend nachdenklicher. Es erfolgt eine Flucht in ein geordnetes, ohne Widerstand bestehendes, konservatives Leben, welches sich im Verstand zunehmend manifestiert. Es wird nur vereinzelnd versucht, emotional auszubrechen und dann auch nur mit einem heimtückischen Schuldbewusstsein. Die Regeln scheinen klar und jegliche Art von Abweichung wird mit negativen Aspekten verknüpft. Die Arbeit fungiert dabei als Antriebsmotor, Mitglied der Gesellschaft zu sein, ist oberstes Gut. Das gesellschaftliche Ansehen ist des Arbeiters Lohn. Die selten aufblitzenden Emotionen führen dazu, dass das Denken durch vordergründige Gefühle beeinflusst wird. Die partnerschaftlichen Beziehungen enden oftmals in Abneigung und Hass, da die Bindung so emotional geprägt ist, dass ein Partnerteil den seelischen Ausbruch automatisch sucht, ja sogar danach schreit. Die Beziehung konzentriert sich auf den Besitz des anderen und gewährt diesem kaum Freiheiten. Es wird erwartet, dass beide Parteien das gleiche Leben führen und dieselben Entscheidungen treffen, was in den meisten Fällen ein Scheitern zur Folge hat.

4. Stufe

Erst in der vierten Bewusstseinsstufe kommt die Mentalebene zum Vorschein und wird von dieser geprägt. Die Neugier wächst und die Begrenzung auf gesellschaftliche Normen reichen dem Geiste nicht mehr aus. Man hinterfragt diese Verhaltensweisen zunehmend und eröffnet sich neue Wege. Es entsteht eine kritische Distanz zu den aktuell geltenden Denkweisen. Der Geist beginnt sich zu erheben und man sieht die Dinge losgelöst von jeglichen Gesellschaftsmustern. Entscheidungen werden unabhängig von religiösen oder familiären Einflüssen getroffen und man entdeckt zunehmend das Karmaprinzip. Es erfolgt die Erkenntnis, dass bei guten Taten ebenso gute Ereignisse folgen. Auch aus uneigennütziger Sicht ist es zunehmend erstrebenswert, gute Taten und damit einhergehende positive Ereignisse zu provozieren. Auch in der lieblichen Beziehung tritt die Geistigkeit in den Vordergrund und man versucht, sich mental zu finden, sogar auf einer anderen Ebene zu funktionieren. Der Besitzwunsch des Partners schwindet allmählich dahin und man beginnt langsam, die Freiheiten, welche beansprucht werden, zu erkennen und zu respektieren. Der freie Wille ist in dieser Phase zentral, und auch wenn die Entscheidungen nicht immer denen der Gesellschaft folgen, wird die jeweilige Fügung vom Partner beinahe restlos akzeptiert. Diese Stufe ist sehr fordernd und die meisten Lebewesen werden sie nie überwinden. Auf dieser Bewusstseinsstufe ist die von der Schöpfung vorgesehene Gabelung zwischen zwei Wegen, dem Guten und dem Bösen.

In der jüdischen Mystik ist der Aufstieg in noch höhere Bewusstseinsebenen beschrieben. Sie ist in der Merkaba-Literatur zu finden und wie der Name schon vorgibt, benötigt man für die Überwindung in diese Ebenen eine Merkaba, was in der althebräischen Sprache ein Beschrieb für den Thronwagen der biblischen Vision des Ezechiels ist. Dargestellt mit zwei großen, altertümlichen Wagenrädern, welche ineinanderfließen und somit kugelförmig erscheinen und sich rotierend bewegen. Jedes Wesen hat diese Seele in sich, weiß aber nicht immer, wie es sie aktivieren kann.Die Aktivierung erfolgt mit dem erlangten Wissen über die Dualität, dem Wissen über das Gleichgewicht zwischen dem Guten und Bösen. Durch die Verinnerlichung der Liebe kann eine natürliche, kraftvolle Merkaba entstehen und der ordentliche Weg der Schöpfung bis zur letzten, der siebten Bewusstseinsstufe beschritten werden. Mit Erlangen dieser Stufe wird man selbst zu einem schöpfenden Selbst und es beginnt ein neuer Kreislauf. Wählt man aber ab der vierten Stufe das Böse und füttert den Hass in sich selbst, wird dieser Pfad zur siebten Stufe versiegen und es stehen nur noch andere, künstlich erschaffene Wege zur Verfügung. Schneidet man einmal die Schleife der Liebe ab, ist es nicht mehr möglich, eine natürliche Merkaba zu aktivieren, und die Seele ist verdammt, auf Ewigkeiten den Weg des Bösen zu beschreiten.

Vor nicht allzu langer Zeit entschied sich ein Lebewesen namens Aton, diesen Weg des Bösen zu beschreiten. Auf seinem gasförmigen Heimatplaneten Dillimus in der Milchstraße lebte er als oberster Herrscher der Kursbevölkerung. Aton war das intelligenteste Wesen, das je erschaffen worden war, und wurde durch die erste göttliche Schöpfung erzeugt. Früh erkannte er die Notwendigkeit, die sieben Stufen des Bewusstseins zu durchschreiten, um wie die göttliche Schöpfung selbst zu werden und eine schöpferische Macht zu erreichen. Er wollte jedoch nicht akzeptieren, dass er niemals besser als diese Macht werden konnte, und begann daher, nach einem anderen Weg zu suchen, um eines Tages eine höhere Stufe zu erreichen und den Kreislauf der sieben Ebenen zu überwinden.

Da er sich für den dunklen Weg entschieden hatte, war es ihm nicht mehr möglich, eine organische, natürliche und aus Liebe bestehende Merkaba zu erschaffen. Stattdessen plante er, mit Hilfe okkulter Techniken, eine künstliche Merkaba zu errichten. Er versuchte, durch den Einsatz von digitalen Fortschritten und okkulter Geometrie ein künstliches Energiefeld zu erzeugen, das einer extremen Energiequelle bedarf und lange genug stabil gehalten werden muss. Sobald sich diese künstliche Merkaba entfaltet, werden den Bewohnern ihre Seelen geraubt und zum Erzeuger gesandt, was ihm eine enorme Macht verleihen würde. Mit dieser neu erlangten Energiequelle wäre es ihm möglich, die Bewusstseinsgrenzen zu durchbrechen und über die sieben Stufen hinauszuwachsen. Da die Durchführung dieses Rituals für die umliegenden Lebewesen und Einrichtungen jedoch die komplette Zerstörung oder den Rückfall auf die erste Bewusstseinsstufe bedeuten würde, konnte er auf seinem Heimatplaneten Dillimus keine künstliche Merkaba errichten.

Getrieben von undenklicher Wut und erfüllt von kaum erfassbarem Hass strebte er daher eine Expansion auf andere Planeten in der Milchstraße an. Zusammen mit seinem Bruder Enki und seiner Schwester Ninhursaq konnte er mit Hilfe der künstlich erschaffenen Intelligenz Anu einen Ferminionenantrieb erfinden, mit dem er in einem subatomaren Quantennetzwerk reisen konnte. Er konnte so Distanzen von mehreren Lichtjahren in Sekundenschnelle überwinden und nahm deshalb alle Planeten in der Galaxie ins Visier, auf denen er sein Vorhaben endlich durchführen konnte.

KAPITEL 1

RICK CERRONE

MENSCHLICHKEIT

Juli 2010

San Francisco International Airport

Ich war verliebt, verheiratet und auf dem besten Weg, meine eigene Familie zu gründen. Es war im Jahr 2010, als ich mit jungen 28 Jahren mit meiner geliebten Frau Heather und mit einem befreundeten Ehepaar, Sam und Natasha, in die Ferien nach Vietnam gegangen war. Wir kannten die beiden schon sehr lange und erfahrungsgemäß hatten wir keinerlei Differenzen, ansonsten hätten wir uns nicht für eine gemeinsame Zeit von zwei Wochen in unseren hart erkämpften Ferien entschieden. Wir arbeiteten beide als Postboten und hatten uns ebenso auf der Arbeit kennengelernt. Die ganze Anreise war ideal geplant und wir hatten uns hauptsächlich von Alkohol ernährt, befanden uns immer in einer seidig wohligen Wolke, gemischt mit ein wenig Leichtsinn und Zufriedenheit. Als wir ankamen und eingecheckt hatten, wollten die Frauen die Zimmer einrichten und sich ein bisschen ausruhen. Ich und Sam ergriffen die Chance, mieteten uns einen typisch asiatischen Roller und sind ein kühles, vietnamesisches Bier trinken gegangen. Gut, wir haben es nicht bei einem Bier belassen, sind jedoch nicht lange dortgeblieben. Wir wussten, dass unsere Frauen diverse Erwartungen an uns stellten und sich vermutlich ein gemütliches Abendessen erhofften. Aus diesem Grunde hatten wir uns dann ziemlich schnell wieder auf den Heimweg ins Hotel gemacht. Da die Verkehrsregeln in Vietnam nicht allzu streng und wir dazu noch angeheitert waren, hatten wir eine wirklich amüsante Rückfahrt.

Als wir ankamen und die Roller zurückstellten, sahen wir überall vietnamesische Polizeiautos und viele Polizisten. Mir wurde es direkt flau im Magen, und Sam und ich hatten ein ungutes Gefühl. Mir fiel aber auf, dass Sam viel nervöser geworden war als ich, was mein flaues Gefühl vehement verstärkte. Wir konnten nicht einmal die Lobby betreten, schon hatten sich ein paar Polizisten in unsere Richtung bewegt und »Passport! Passport!« gerufen. Sie zielten auf uns mit angestellter Waffe und kamen zunehmend näher. Wir konnten nicht einmal darauf verweisen, dass unsere Pässe in Folge des noch anhaltenden Check-ins an der Rezeption hinterlegt wurden, schon wurden wir auf den Boden gedrückt und unsere Handgelenke mit Handschellen versehen. Wir schauten uns an und mit Schrecken konnte ich bei Sam eine Art Gewissheit feststellen. Er wehrte sich nicht und resignierte bereits nach wenigen Sekunden, währenddessen ich meinen ersten Instinkten nachgab und mich gewehrt hatte. Als ich die Gewissheit aber in seinen Augen sah, erstarrte ich und konnte mich ebenfalls nicht mehr wehren. Ein eiskalter Schauder floss meine Wirbelsäule hinunter und schnürte mir die Luft in der Lunge zu, worauf ich leise zu husten begann.

Die Polizisten richteten uns auf und hatten uns in Richtung zweier Bungalows gestoßen. Vor diesen Bungalows befanden sich unsere Frauen, ebenfalls mit Handschellen versehen, weinend und mit hoffnungsvollen Blicken uns erwartend. Auf der vorliegenden Veranda waren diverse kleine Skulpturen aufgebahrt, eine dieser Skulpturen war aufgebrochen und es ragte unverkennbar ein weißer Beutel hervor. Sam stellte nicht einmal mehr Blickkontakt mit mir her und beachtete ebenso kaum mehr seine Ehegattin. Er blickte lediglich voller Scham auf den Boden und ließ alles mit sich machen. Er beantwortete keine Frage und wieder strahlte er eine resignierte Gleichgültigkeit aus. Ich hingegen hatte immer wieder nach dem Grund der offensichtlichen Verhaftung gefragt und hatte zudem versucht, meine geliebte und zerstreute Frau zu beruhigen. Die Polizisten schrien immer »Thuoc!« dazwischen und stießen uns sehr schroff in der Gegend herum. Als die Polizisten gemerkt hatten, dass wir sie nicht verstehen konnten, brachten sie uns alle separat in ihren Polizeibussen unter. Ich schrie die ganze Zeit den Namen meiner Frau, konnte jedoch nur machtlos zusehen, wie sie weinend abgeführt wurde. Sam erhob nicht einmal mehr sein Haupt und seine Frau versuchte erfolglos, Blickkontakt zu ihm herzustellen. Die ganze Fahrt kam mir vor, als würden wir eine wochenlange Reise durchlaufen, alle kürzlich erhaltenen Eindrücke von der ganzen Verhaftung schossen mir immer wieder durch den Kopf, gleichzeitig starrte ich schwach aus dem Fenster und beobachtete das Treiben. Als das Adrenalin aber langsam schwand, fügten sich die Gedanken zusammen und es gab ein klares Bild. Ich wusste, wir wurden mit sehr vielen Drogen erwischt, welche sich in diesen aufgereihten Statuen befanden. Mir dämmerte, dass die Reaktion von Sam nur bedeuten konnte, dass er Kenntnis von diesen Drogen und er sich ertappt und beschämt gefühlt hatte. Einerseits beruhigte mich dies ein wenig, auf der anderen Seite machte es mich ungewiss nervös. Immer wieder schossen mir die Bilder von meiner weinenden Frau durch den Kopf und das Adrenalin flammte kurzerhand wieder auf, mein Herz raste zeitweilen und ich fühlte, wie ich blasser wurde, gefolgt von einer Hitze, welche aus meinem ganzen Körper emporquoll. Als wir ankamen, wurde ich harsch aus dem Auto gezerrt und in eine volle Zelle mit vielen Vietnamesen gestoßen. Ich hatte immer wieder gefragt, was denn los sei und wo meine Frau war, hatte aber nie eine Antwort auf meine Fragen erhalten. Glücklicherweise ignorierten mich die anderen Insassen und ich fand sogar ein Plätzchen, wo ich mich hinsetzen konnte. Nach einer ganzen Weile erkannte ich ein westliches Gesicht vor den Gittern, welches meinen Namen rief: »Herr Cerrone, Rick Cerrone.«

»Ja?«, entgegnete ich mit wässriger und unklarer Stimme. »Ich bin Richard West von der amerikanischen Botschaft in Hanoi. Ich musste leider sieben Stunden mit dem Zug hierher nach Na Thrang fahren und es gab diverse Baustellen, was den Zug massiv verlangsamte, tut mir wirklich sehr leid.«

»Was wird mir vorgeworfen?«, fragte ich ihn weiter mit zittriger Stimme, ignorierte dabei den angefangenen »Small-Talk«-Versuch von ihm. Er senkte sein Haupt, atmete tief ein und wieder aus, entgegnete mir dann: »Sie sind in echten Schwierigkeiten Herr Cerrone. Sie wurden mit fünf Kilogramm Kokain erwischt.«

»Wo ist meine Frau?«, antwortete ich spontan und ignorierte erneut das Gesagte. »Sie ist in einer Einzelzelle, hier in diesem Provinzgefängnis in Nha Trang. Ihre beiden Freunde, Herr Ceronne, die sind dafür bereits auf der Botschaft in Hanoi«, fügte der Botschafter an. Ich war verdutzt und hatte bereits die Sorge um meine Frau vergessen und fragte entrüstet: »Wieso sind die bereits auf der Botschaft in Hanoi, während ich und meine Frau noch hier in einem Gefängnis festsitzen?« Erneut schnaubte er tief aus und zog die Luft wie Zigarettenrauch wieder ein: »Die Drogen, Herr Cerrone, die Drogen! Sie wurden schließlich bei Ihnen gefunden, dass wissen Sie doch?«

»Welche Drogen?«, fragte ich mit leicht erhöhter Stimme. »Ich habe keine Drogen mitgeführt und diese Figuren bei der Festnahme hatte ich noch nie gesehen.« Er schüttelte sanft und langsam seinen Kopf und entgegnete mir: »Ihr Freund Sam hat es uns gestanden, Herr Ceronne, er hat uns alles gebeichtet.« Eine gewisse Erleichterung überfiel mich und ich entgegnete: »Dann ist ja alles gut, warum ist er und seine Frau denn bereits wieder draußen und ich nicht?«, fragte ich gewissenhaft.

»Er hat gestanden, dass Sie ihn informiert hatten, Drogen ins Land zu schmuggeln. Er hat gestanden, davon gewusst und nichts darüber gesagt zu haben, aber er hat das Eigentum der Drogen klar ab- und Ihnen zugewiesen.« Ich wurde zunehmend stiller und musste mich wieder hinsetzen. Meine Beine wurden schwach und kalter Schweiß lief von meiner Stirn herunter: »Was hat er gesagt?«, fragte ich erneut komplett überfordert. »Er hat mich angeschwärzt? Ich habe nichts damit zu tun, das müssen Sie mir glauben Herr West!« Er schaute behutsam von links nach rechts und antwortete mit leiser Stimme: »Es spielt keine Rolle, was ich glaube, Sie sind in ernsten Schwierigkeiten, Rick, wirklich sehr ernst. Sie können nur noch sich oder Ihre Frau retten. Entweder, Sie gestehen die ganze Schuld und nehmen diese auf sich, oder Sie belasten Ihre Frau mit den Vorwürfen.«

Ich kratzte mich an meinem bescheidenen Kinnbart und fragte: »Was ist mit Sam? Er war das, ich hatte nichts damit zu tun. Warum kann ich ihn nicht belasten?«

»Man hat die Drogen in Ihrem Gepäck, mit Ihren Fingerabdrücken, gemischt mit Ihren Kleidern gefunden, Rick, das ist für die Behörden hier eindeutig«, antwortete er postwendend auf meine Frage. »Sie hatten ein zusätzliches Gepäckstück und wurden seit dem Passieren vom Flughafen beobachtet.« Verdutzt hakte ich nach: »Warum wurden wir dann nicht direkt beim Flughafen ausgesondert und kontrolliert?«

»Sie wollten wissen, wer der Kontaktmann im Lande ist, als Sie sich aber von der Hotelanlage ohne Drogen entfernt hatten, mussten sie frühzeitig zuschlagen«, sagte der Botschafter und fügte an: »Lassen Sie sich noch ein paar Minuten Zeit, die Behörde benötigt Ihre Aussage in einer halben Stunde.« Ich setzte mich hin und weinte, es wurde mir langsam klar, dass ich mich wirklich in sehr großen Schwierigkeiten befand. Als aber dann mit den Tränen die letzten Endorphine ausgeschüttet wurden und mir eine gewisse Klarheit verschafften, entschied ich mich, ein Geständnis abzulegen. Meine erste Intention war, meine geliebte Frau zu entlasten und sie in Sicherheit zu wiegen.

Nach gut zwei Stunden kamen die Polizeibeamten und brachten mich in ein Verhörzimmer. Dort wartete auch der Botschafter West und begrüßte mich mit ganz leiser Stimme. Sein Kopf war mehrheitlich gesenkt und ich wurde abermals nervös. Ein gut gekleideter Beamter, welcher sich von den herkömmlichen Polizisten abhob, kam in den Raum und hielt ein Blatt Papier bereit. »Hier, unterschreiben Sie das und Ihre Frau kann gehen«, befahl mir der Beamte und klatschte das Papier vor meinen Augen auf den Tisch. »Es ist eindeutig, Sie waren es und können die Schuld allein tragen«, fügte er trocken an. Ich schaute fragend zum Botschafter, dieser nickte aber nur ganz langsam und blickte auf das Unterschriftenfeld. Das ganze Blatt war in vietnamesischer Sprache geschrieben und ich wusste nicht, was ich zu unterschreiben hatte. Nichtsdestotrotz unterschrieb ich den Zettel in der Hoffnung, dass es meiner Frau gut ergehen würde. Ich fragte dann noch den Botschafter, ob ich einen Anwalt gestellt bekommen würde oder was jetzt mit mir geschehen werde. Er zog lediglich seine Mundwinkel nach unten und entgegnete mir: »Mit der Unterzeichnung dieses Papiers benötigen Sie keinen Anwalt mehr. Es wird Ihnen ein Rechtsbeistand zur Verfügung gestellt, dieser wird aber nur die Rechtsprechung verfolgen und schauen, dass Sie nicht noch härter und vor allem nicht ungerechtfertigt bestraft werden.« Langsam dämmerte es mir, dass ich vermutlich für eine lange Zeit hinter Gitter wandern würde. Aus diesem Grund fragte ich den vorgesetzten Polizisten: »Wie lange werde ich hinter Gitter gehen müssen, Sir?« Verachtungsvoll blickte er auf mich herunter und entgegnete mir: »Mindestens 15 Jahre und im schlimmsten Fall werden Sie hingerichtet, Sir.« Mir stockte der Atem und ich hyperventilierte zunehmend innerlich, versuchte aber, ruhig zu wirken, und fügte an: »Aber es waren ja nur Drogen, ich habe keinen Mord begangen, die Drogen sind nicht einmal von mir.« Botschafter West sprang für den Polizisten ein und antwortete mir direkt: »In Vietnam sind Drogen schlimmer als Gewalt, Rick, Sie müssen damit rechnen, hart für Ihre Taten bestraft zu werden. Ich denke nicht, dass Sie hingerichtet werden, aber rechnen Sie damit, als ein alter Mann das Land wieder zu verlassen, das macht es für alle Beteiligten einfacher.«

»Einfacher?!«, schrie ich ihn an, »einfacher macht es sich für alle anderen, aber ich werde es mit Bestimmtheit nicht einfach haben. Versetzen Sie sich in meine Lage, ich habe nichts verbrochen und muss für eine Ewigkeit in ein Gefängnis, in welchem ich nicht einmal die Sprache beherrsche.« Er schaute mich lange an und sagte nichts. Dann schnaubte er aus seiner etwas schiefen Nase und sagte: »Wir versuchen unser Bestes, Rick, wir versuchen, Sie zurück in die Staaten zu bringen, damit Sie dort die Haftstrafe absitzen und beenden können, mehr kann ich aber nicht für Sie machen und es wird zunehmend schwieriger, solche ,Deals‘ mit der Behörde abzuschließen. Sie wissen ja, wie es um die Geschichte zwischen uns Amerikanern und den Vietnamesen steht. Was ich Ihnen mit Gewissheit sagen kann, ist, dass dies nicht vor Ablauf der nächsten fünf Jahre geschehen wird. Stellen Sie sich auf eine gewisse Gefängnisdauer hier in Vietnam ein.« Ich konnte keine Kraft mehr aufbringen, eine Antwort oder auch weitere Fragen zu stellen, kehrte in mich und schwieg alsdann. Der Polizist klopfte an die Türe und rief in vietnamesischer Sprache nach seinen Kollegen. Diese kamen in den Raum und brachten mich zurück in die Zelle.

Zwei Wochen später, August 2010

Ich wurde zu 24 Jahren Haft im Hao-Lo-Gefängnis in Hanoi verurteilt. Der Richter versicherte mir, dass dies ein hervorragendes Urteil für mich wäre und ich dem Tode gerade noch von der Schippe gesprungen sei. Es fühlte sich aber nicht so an, denn ich hatte nur noch die Zahl 24 im Kopf und rechnete aus, dass ich als 52-jähriger Mann dieses Land verlassen würde. Immerhin wurde ich in einer Einzelzelle untergebracht, wobei die Begründung dafür nicht wirklich erheiternd wirkte. »Die anderen Insassen würden Sie umbringen, Herr Cerrone, daher werden wir Sie zu Beginn in Einzelhaft unterbringen«, sagte mir der Richter mit tiefer Stimme. Ich bekam eine äußerst dunkle Zelle ohne Fenster, dafür mit einer aus Chromstahl gefertigten Toilette. Jeden Tag wurde mir zweimal Essen in die Zelle hineingestellt und ich bekam beaufsichtigten Ausgang innerhalb des Hofes. Jeden Tag für eine Stunde, danach ging es umgehend wieder in die Zelle und ich musste mich selbst beschäftigen. Die ersten drei Wochen vergingen nicht, es kam mir so vor, als wären bereits Jahre ins Lande gestrichen. Meine Psyche wurde zunehmend labiler und ich musste vielfach ohne tieferen Grund weinen. Ich wusste nicht einmal, was mit meiner Frau und den Freunden geschehen war, wobei ich die Gedanken an meine Freunde mit großem Hass verband.

Sechs Monate später, Februar 2011

Als ich bereits resigniert in der Zelle verweilte, klatschte ein Beamter mit seinem Schlagstock an die Zellentüre und teilte mir trocken mit, dass ich Besuch hätte. Ich musste mich mit dem Rücken zur Türe begeben und meine beiden Hände verschränkt in die kleine Öffnung schieben, wo mir dann Handschellen angelegt wurden. Sie führten mich durch das ganze Gefängnis und ich konnte zum ersten Mal die Größe der Anstalt erkennen. Als ich hineingebracht wurde, konnte ich dies aus Nervositätsgründen nicht richtig aufnehmen. Ich wurde in den vermutlich saubersten Raum der Anstalt gebracht, welcher offensichtlich der Besuchsraum war. Dort blickte mich meine wunderschöne Frau mit Tränen und sichtlicher Wut in den Augen an. Mich störten die Tränen und die Wut nicht einmal, ich war einfach nur froh, ein vertrautes Gesicht zu sehen, und eilte mit großen Schritten zur Plexiglas-Trennwand hin und nahm den alten Telefonhörer ab. »Ich habe dich so vermisst mein Schatz, wie geht es dir?«, sagte und fragte ich sie direkt ohne Begrüßung. Sie atmete tief ein und schluchzte: »Gut, danke. Es geht mir gut. Wie geht es dir?«, fragte sie mit gebrochener Stimme. Ich fühlte einen tiefen Schmerz in mir und antwortete: »Den Umständen entsprechend in Ordnung, danke. Aber es ist die Hölle auf Erden hier, ich bin so einsam und die Tage gehen einfach nicht vorbei. Ich vermisse dich so sehr, das macht alles noch viel schlimmer.« Ohne auf meine Aussagen einzugehen, fragte sie mich harsch: »Warum, Baby, warum hast du das gemacht? Es ging uns doch gut und wir hatten so viele Pläne. Botschafter West hat mir gesagt, dass du insgesamt 24 Jahre bekommen hast. Was hast du dir nur dabei gedacht?« Ich konnte ihr zu diesem Zeitpunkt fast nicht mehr in die Augen blicken und es überkam mich ein Schleier voller Scham. Trotzdem raffte ich mich auf und entgegnete mit bestimmter Stimme: »Das war ich nicht, Heather, ich war das nicht. Es war Sam, der die Drogen schmuggelte, und er hat mir nichts davon gesagt.« Sie schüttelte gezielt den Kopf und antwortete: »Sam hat mir alles erzählt. Er hat mir gesagt, dass du ihn eingeweiht und ihn gebeten hast, mir nichts davon zu erzählen. An diesem Tag, wo wir verhaftet wurden, ist für mich eine Welt zusammengebrochen. Ich hatte so viel Angst, das kannst du dir nicht vorstellen.«

»Du hattest Angst?!«, entgegnete ich ihr mit lauter Stimme und hielt dabei den Hörer auf mein Genick. »Ich bin seit mehr als sechs Monaten in einem vietnamesischen Gefängnis eingesperrt und du sagst, du hast Angst? Ich kann dir nicht beschreiben, was ich bisher alles erlebt und wie ich mich zeitweilen gefühlt habe, aber du kannst mir glauben, es ist die verdammte Hölle hier drin.« Sie senkte ihr Haupt und sagte: »Es war ja auch deine Schuld. Wie kommst du darauf, so viele Drogen in ein solches Land zu schmuggeln, hattest du das Gefühl, dass du damit durchkommst?« Ich musste zuerst tief einatmen, bevor ich antworten konnte: »Ich war es nicht, das war Sam. Er hat mich verarscht und hat mich ans Messer geliefert. Woher hatte ich wohl den separaten Koffer, ist dir nie aufgefallen, dass ich immer nur einen Koffer bei mir hatte?« Heather überlegte ein paar Sekunden und antwortete: »Du hattest zwei Koffer eingecheckt und es war dein zweiter Koffer.« So weit hatte ich noch gar nicht überlegt, meine Wut gegenüber Sam war so groß, dass ich mich damit noch nicht beschäftigen konnte. Es fiel mir aber wie Schuppen von den Augen und ich sagte zu Heather: »Ich hatte Sam am Vorabend der Abreise meinen zweiten Koffer ausgelehnt und er überredete mich beim Einchecken, den Koffer über mich aufzugeben.«

»Warum sollte er dies tun und warum hast du das ohne weitere Fragen gemacht?«, entgegnete sie mir harsch. Ich musste nicht lange überlegen, denn es dämmerte mir sofort und ich führte meine Erklärung weiter aus: »Er hatte beim Check-in gesagt, dies sei doch mein Koffer und wenn er verloren ginge, würde er zu mir nach Hause kommen. Ich hatte mir nichts dabei gedacht, wir waren vorher ja noch in der Bar und ich war ein bisschen angetrunken. Aber der Inhalt war nicht von mir und ich hatte ihn auch nicht danach gefragt.«

»Tut mir leid, mein Schatz«, antwortete sie mir umgehend, »aber das kann ich dir einfach nicht glauben. Es ergibt für mich einfach keinen Sinn.« »Es ergibt für dich keinen Sinn?!«, fragte ich sie verdutzt. »Du kannst doch ni…« Sie unterbrach mich kurzum und fügte an: »Es spielt keine Rolle mehr, Rick. Ich kann dir nicht mehr vertrauen. Es waren fünf Kilo Kokain in diesem Koffer und du wirst hier noch über 20 Jahre bleiben. Was erwartest du von mir?« Verletzt hielt ich inne und ich konnte ihr nur noch schwach entgegnen: »Ich weiß, meine Liebe, ich weiß. Aber es wird mir schon noch etwas einfallen, bitte habe noch ein bisschen Geduld.« Sie schloss die Augen, senkte ihr Haupt und sagte: »Ich kann nicht so lange warten, Rick. Tut mir wirklich leid. Damit ich alles vergessen kann, werde ich ausziehen und in eine kleinere Wohnung umziehen. Ich habe unsere Wohnung geräumt und habe deine Sachen in einem Lager untergebracht. Du kannst dieses Lager nach deiner Entlassung aufsuchen und die Sachen dort abholen. Die Lagerung ist kostenlos, ich kenne den Besitzer, Ralph. Weißt du, Ralph von nebenan. Er hatte immer so viel von dir gehalten und er wird die Sachen für dich aufbewahren. Tut mir wirklich leid, ich muss jetzt wieder gehen, ich kann hier nicht mehr bleiben, es trifft mich einfach zu sehr.« Ich konnte nichts mehr sagen, mir liefen nur noch die Tränen herunter und ich hängte wortlos den Hörer in die Halterung. Heather stand auf, hielt ihre linke Hand an das Glas und verabschiedete sich von mir, für immer.

Vier Jahre später, Februar 2015

Mittlerweile wurde ich in eine allgemeine Zelle, zusammen mit anderen Insassen, gebracht. Sie nannten mich »The white mossy frog«, einen einheimischen, hässlichen Frosch, da ich anders aussah als alle anderen Häftlinge. Bisher konnte ich einigermaßen gut überleben, ich wurde lediglich zweimal niedergeschlagen und nur einmal abgestochen, was für eine Bilanz. Bereits zu Beginn meines Umzugs in die neue Zelle wurde ich übelst zugerichtet, quasi als Willkommensgruß. Beim zweiten Mal hatte ich mich um das einzige gute Essen in dieser beschissenen Anstalt gestritten. Immer am letzten Donnerstag im Monat gab es vegetarische Frühlingsrollen, die echt lecker waren. Nach dieser Prügelei war ich aber leider nicht mehr in der Lage, mein Siegesgut zu genießen, und hatte es dem schwächsten Insassen geschenkt. Da ich aber die Schlägerei gewonnen hatte, wusste ich, was mich noch erwarten würde. Zuerst wurde ich zwei Wochen in ein Loch gesteckt, in welchem die Umstände noch prekärer waren als ohnehin schon in dieser Anlage. Als ich dann aber entlassen wurde, hatten mich die Verlierer der Auseinandersetzung hinterrücks abgepasst und mich mit einer abgeschrägten Zahnbürste in die Schultern gestochen. Ich ging zu Boden und wurde danach mit Fußtritten malträtiert, bis ich das Bewusstsein verloren hatte. Ich verbrachte drei Wochen im Spital der Anstalt und musste mich lange erholen. Dieses Spital befand sich ein bisschen außerhalb der Wohntrakte und mir war aufgefallen, dass die Sicherheitsmaßnahmen massiv geringer ausfielen als im Hauptgebäude. Es trennten mich lediglich drei Türen vom Außenbereich, wo man bei der Ankunft mit den Transportbussen hingebracht wurde. Da ich noch weitere 20 Jahre in diesem Höllenloch verbringen musste, dachte ich nur noch an eine Sache, an einen Ausbruch.

Ich überlegte mir, wie ich dies am besten anstellen würde, und hatte mich während der ganzen Aufenthaltszeit im Spital um Möglichkeiten bemüht. Mir war aufgefallen, dass während meiner Aufenthaltszeit im Außenbereich des Spitaltraktes Renovierungsarbeiten stattfanden. Auch wenn das Wort Renovierung ein bisschen übertrieben war, aber zumindest wurde etwas repariert und es sah so aus, als würde dies noch eine Weile so bleiben. Es lag eine große Leiter im Hof und dahinter war nur noch ein Zaun mit Stacheldraht. Ich musste also nur in den Außenbereich kommen, mir die Leiter aneignen und über die Mauern springen. Danach musste ich irgendwie den Zaun überwinden und abhauen. Ich wusste geografisch nicht direkt, wo sich das Gefängnis genau befand, aber ich würde schon einen Weg finden, dachte ich mir. Mein größtes Problem war, dass ich hier kurzum entlassen werden würde und ich irgendwie wieder ins Spital zu kommen hatte.

Vier Wochen später, März 2015

Seit meiner Entlassung aus dem Spital hatte ich einen Rückkehrplan zum Spital geschmiedet. Ich hatte diverse Kakerlaken gesammelt, mir ein Einmachglas gekauft und diese Viecher als Haustiere gehalten. Ich unterhielt mich mit ihnen den ganzen Tag und machte auf verrückten Insassen. Ich hatte bereits seit fünf Tagen bemerkt, dass mich zwei Wärter beobachteten und sich entsprechend über mich wunderten. Dies nutzte ich aus, und immer, wenn der Fokus auf mich gerichtet war, verhielt ich mich unheimlich. Ich schnitt mich regelmäßig mit Scherben und sang dabei, danach malte ich die Kakerlaken mit dem Blut an. Eines Tages hatte sich ein Wärter, welcher sich die Haare unter der Mütze blond gefärbt zu haben schien, mit mir unterhalten und mich gefragt, ob alles in Ordnung sei. Ich fing spontan an, laut zu lachen und zu nicken, schlug mir das ganze Einmachglas ins Gesicht, sammelte die Kakerlaken mit meinem Mund ein und aß sie vor seinen Augen auf. Blutend fing ich an zu schreien und weiterzulachen, ungeachtet des Schmerzes, welcher mich überfiel. Ich war während der Aktion verwundert, dass ich überhaupt zu einer so verrückten Tat fähig gewesen war. Als ich aber seine Panik und Verwunderung erkannt hatte, motivierte mich dies zunehmend, und ich fing an, unkontrolliert laut zu summen und mich weiter mit geballten Fäusten zu schlagen. Ich nahm die Scherben auf und ritzte mich erneut in die Arme und sah ihn gleichzeitig mit starrem Blick an. Der Wärter drehte sich um, sprang Richtung Ausgang und holte seinen Vorgesetzten. Nach ungefähr einer halben Stunde kam ein Mann mit einem weißen Kittel, beobachtete mich und gab den Wärtern ein Zeichen, mich aus der Zelle zu holen. Sie brachten mich erneut zur Verarztung ins Spital und beförderten mich anschließend in ein Spitalzimmer. Ich wusste, dass ich die erste Hürde überwunden hatte, und richtete meine Aufmerksamkeit auf den zweiten Schritt, nach draußen zu gelangen.

Nach einem Tag kamen zwei Personen mit weißen Kitteln in mein Zimmer, um mich zu untersuchen. Sie fragten mich Dinge in englischer Sprache, welche ich aber nicht beantwortete. Ich machte Anzeichen, dass ich Probleme mit der Luft bekommen hatte und nach draußen gehen wollte. Sie hatten sich gegenseitig angeschaut und genickt. Danach hatten sie die Wärter gerufen, welche mich nach draußen begleiteten. Ich dachte schon, dass der Plan nun komplett daneben gehen würde, aber die Wärter hatten sich nach einem unhöflichen Schubser nach draußen wieder in den Spitaltrakt zurückgezogen. Da war ich also, im Außenbereich ganz allein. Es befanden sich lediglich noch zwei Handwerker vor Ort, was mich umgehend zum dritten Schritt bewegte – die Leiter. Diese Leiter wurde zu meinem Leidwesen in einem separaten, teilweise geschlossenen Unterstand untergebracht, ich konnte sie aber durch ein kleines Fenster erkennen. Sie aus dem Unterstand zu bringen und über die Mauer zu steigen, wäre ein Kinderspiel. Ich musste aber noch eine Decke oder einen Pullover haben, welchen ich über den Stacheldraht werfen konnte, sobald ich außerhalb der Mauern war. Da ich aber keine andere Chance mehr erkannte, hatte ich alles auf eine Karte gesetzt und schlich mich dennoch ohne weitere Vorbereitung in diesen Unterstand. Die Handwerker bemerkten mich nicht und waren mit Maurerarbeiten beschäftigt. Die sengende Hitze war unerträglich und brachte sie dazu, ein Tuch über ihren Hüten zu tragen, sodass sie kein peripheres Sehen mehr hatten. Ich kam tatsächlich zu dieser Leiter, sah noch eine befleckte Malerdecke und packte beide Dinge. Ich eilte nach draußen und legte die Leiter an, sprang über die Mauer nach unten und stieß mir dabei den Knöchel. Es tat schrecklich weh, ich riss mich aber zusammen und humpelte los Richtung Zaun. Beim Zaun angekommen, warf ich die Malerdecke über den Stacheldraht und kletterte darüber. Ich war tatsächlich frei und sprang voller Adrenalin davon. Jauchzend wurde ich schneller und vergaß den Schmerz im Knöchel, welchen ich mir beim Sprung zugezogen hatte.

Nach ungefähr 20 Minuten verlangsamte ich das Tempo und aus weiter Ferne ertönten Sirenen. Sie schienen den Ausbruch bemerkt zu haben. Unmittelbar nach diesen Tönen überfiel mich ein flaues Gefühl im Magen und ich wurde zwangsläufig wieder schneller. Ich musste mich irgendwo verstecken und vor allem wollte ich mich umziehen. In der Gefängniskluft wäre ich ein leichtes Ziel für die Polizei gewesen. Ich sprang in Richtung des Roten Flusses von Hanoi,, in der Hoffnung, irgendein Boot zu finden, welches mich außer Landes bringen hätte können. Ich überquerte die letzte, stark befahrene Straße und gelang an ein Gebäude mit der Aufschrift »Hair Salon Duong Black«, welches leer zu sein schien. Ich hob einen mittelgroßen Stein auf, schlug das kleinste Fenster ein und ging hinein. Es handelte sich um einen verlassenen Coiffeur-Salon, welcher noch halb voll hinterlassen wurde. Vielleicht war er auch nur heruntergekommen, was für mich letztendlich auch keine Rolle mehr spielte. Da ich bereits längere Haare und einen Bart hatte, musste ich mein Aussehen irgendwie verändern. Ich entschloss mich, den Bart komplett zu rasieren, nahm eine liegengebliebene Rasierklinge auf und begann, mich zu rasieren. Da die Klinge stumpf und mit Rost bestückt war, schnitt ich mich mehrheitlich das ganze Gesicht auf. Ich rasierte mich dennoch weiter und hatte die Wunden mit Vaseline zugekleistert. Die Haare hatte ich gewaschen und mit einem ebenso rostigen Streckeisen geglättet. Dann befand sich noch ein braunes Kleid an der Wand, welches mir ein bisschen zu klein war. Trotzdem zwängte ich mich in dieses Kleid und frisierte mich wie eine Frau. Da ich aufgrund meiner Psychoaktion im Gefängnis mit Narben im Gesicht übersäht war, wickelte ich mir einen seidenähnlichen Schal ums Gesicht und verließ den Salon. Ich ging in südliche Richtung, wo ich von weiter Ferne große Boote gesehen hatte. Ich dachte, ich müsste einfach nur noch auf eines dieser Boote gelangen und dann wäre ich ein freier Mann. Als ich dann beim »Jenny Shop«, einem Kosmetikgeschäft, vorbeikam, lief ich gegen einen Mann, welcher neben dem Eingang gewartet hatte. Ich hob mein Haupt und entschuldigte mich mit tiefer Stimme bei diesem Herrn. Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter, als ich bemerkte, dass ich diesen Typen tatsächlich bereits einmal gesehen hatte. Er hatte blond gefärbte Haare und wirkte sehr streng. Es war der Wärter vom Gefängnis, welcher mich ins Spital eingeliefert hatte. Er war mit seiner Frau im Kosmetikshop und hatte draußen auf sie gewartet. Was für ein verdammtes Pech. Der Wärter schimpfte mich zuerst uninteressiert an, ich konnte aber an seinen weit geöffneten Schlitzaugen mit stark geweiteten Pupillen erkennen, dass er mich erkannt hatte. Ich sprang sofort los und wollte mich im Stechschritt zu den Booten begeben. Der Wärter ließ aber nicht lange auf sich warten und nahm unmittelbar die Verfolgung auf. Er rief ununterbrochen »GiÚ lây anh ta«, was vermutlich »Haltet ihn auf!« bedeutete. Als ich einmal kurz zurückblickte, schlug mich ein normaler Zivilist mit dem Ellenbogen ins Gesicht, was mich zu Fall brachte. Ein paar Augenblicke später sah ich bereits die Blaulichter am Horizont, und der schnaubende Wärter war auch schon bei mir angekommen. Er schlug sofort auf mich ein, bis letztendlich die Polizei ankam und mich wieder zurück ins Gefängnis brachte.

Zehn Jahre und drei Monate später, Juni 2025

Aus dem Versprechen vom Botschafter West, mich in die Staaten zurückzuholen, wurde leider nichts. Spätestens nach meinem Ausbruchsversuch vor 10 Jahren ging die Verhandlungsgrundlage regelrecht flöten. Ich musste nach meiner Rückkehr ins Gefängnis für ganze sechs Monate ins Loch, und dort hatte ich beinahe meinen ganzen Verstand verloren. Ehrlich gesagt würde ich lieber noch einmal 10 weitere Jahre im Gefängnis bleiben, als wieder in dieses beschissene Loch zurückzukehren. Dieses Loch war nicht irgendein normales Loch, es war so klein, dass ich mich kaum hinsetzen konnte, die Knie schürften jedes Mal an den Wänden und ich bekam Dauerkrämpfe, welche so höllisch schmerzten, dass ich zeitweilen in Ohnmacht fiel. Ich hatte es zusätzlich so langweilig, dass ich anfing, mich ausgiebig mit mir selbst zu unterhalten. Ich glaubte, wirklich Gespräche zu führen, was mir im Nachhinein ziemlich unheimlich vorkam. Ich träumte immerzu davon und hatte sogar Angst vor meinen eigenen Persönlichkeiten. Die ganze Dauer des Aufenthaltes kam mir vor, als würde mich dauernd ein grauer Schleier umhüllen und mich in Zeitlupe gefangen halten. Jegliches Sonnenlicht, welches durch die maroden Mauern durchschimmerte, schmerzte höllisch in den Augen und am Abend wurden diese Löcher mit einem stinkenden Mörtel zugedeckt. Die Wärter kontrollierten jeden Abend, dass ich kein Sonnenlicht bekam und dass der Zustand auf einem unerträglichen Level blieb. In diesem Loch verlor ich einen Teil von mir selbst, diesen Teil, welcher mich jeweils noch fröhlich stimmte. Seit dieser Zeit, seit den ganzen 10 Jahren, hatte ich es nicht einmal mehr geschafft, normal zu lächeln. Ich verlor zudem jegliche Hoffnung auf Erlösung und hatte mich dann vollkommen auf den Knast eingelassen. Ich hatte mich regelmäßig tätowieren lassen und nahm bei einem Insassen Kampfsportstunden. Ich wurde vom »White mossy Frog« zum »White Lion«. Ich wurde respektiert und musste diverse Kämpfe in der Anstalt abhalten. Die Leute hatten mittlerweile mehr Angst vor mir als ich vor ihnen. Es ist verrückt, wie viel die Ausstrahlung ausmacht und was es bedeutet, kontinuierlich Selbstvertrauen auszustrahlen.

Mittlerweile hatte ich nur noch vier Finger an der linken Hand. Vor ungefähr vier Jahren musste ich die Zelle wechseln und kam aus unerklärlichen Gründen in eine komplett neue Zelle mit neuen Insassen. Komischerweise waren es die Insassen, mit welchen ich jeweils Krieg führte. Bereits bei meinem Einzug musste ich mich mit drei dieser Insassen um mein neues Bett befehden und hatte es letztendlich auch erhalten. Dies hatte aber seinen Preis – als ich dann am ersten Abend versuchte, trotz Wunden dem Schlafe nicht zu erliegen, fiel ich trotzdem in einen tiefen Schlaf. Als ich dann aufwachte, saßen zwei Bastarde auf meinen Beinen und zwei andere Mistkerle banden meine Hände mit Schnürsenkeln an die Bettpfosten. Der hässlichste, nach Lebertran riechende Fettsack in dieser Zelle saß auf mir und lachte mir mit seinem ekelhaften Mundgeruch ins Gesicht. Er hatte ein dünnes, stumpfes Küchenmesser in der Hand und ritzte mich sanft an meiner Wange auf. Im Anschluss stieg er von mir herunter, lachte lauthals in die Zellengänge hinaus und schnitt mir meinen kleinen Finger an der linken Hand ab. Ich schrie wie am Spieß und wurde erneut dreimal in den Bauch und zweimal in die Beine gestochen, ehe es die Wärter bemerkten und mir zu Hilfe eilten. Sie knüppelten den Übeltäter so hart, dass er an den Folgen kurzum verstarb. Eigentlich schade, denn ich wollte sehen, wie der letzte Hauch seines armseligen Lebens aus seinem fetten Körper emporgestiegen wäre. Ich lag satte und schmerzhafte drei Monate im Spital, da ich nach einer kurzen Genesungszeit eine schlimme Sepsis erlitt. Die Krankenstation war nicht gerade ein Palast und die Käfer konnte ich jeden Tag mit beiden Händen zählen, somit war diese Sepsis in Anbetracht der Umstände lediglich eine Frage der Zeit.

Da ich nach meiner Rückkehr aus dem Loch erneut vor dem Strafgericht antraben musste, wusste ich, dass ich noch viel länger in diesem Höllengefängnis verbringen würde als bisher angedacht. Die Richter verlängerten meine Strafe um insgesamt fünf weitere, grauenvolle Jahre. Ich zählte die Tage schon seit geraumer Zeit nicht mehr und wartete einfach meine Entlassung ab, rechnete aber ehrlich gesagt überhaupt nicht mehr damit.

Nach insgesamt 10 Jahren seit meinem Ausbruchsversuch bekam ich Besuch von einem neuen Botschafter, Jonathan Smith, welcher seit ungefähr drei Jahren im Amt weilte. Es war der erste Besuch seit dem letzten Besuch meiner Frau Heather, welche mittlerweile meine Ex-Frau war. Ich hatte vor langer Zeit einmal ein Schreiben weitergeleitet bekommen, in welchem die Scheidung per amerikanischem Gericht kundgetan wurde. Zu dieser Zeit kümmerte es mich bereits nicht mehr, ich war so abgestumpft, dass ich es komplett verdrängen konnte. Irgendwie hatte ich einen unbegründeten Hass entwickelt, da sie mich im Stich gelassen hatte. Natürlich konnte sie nichts dafür, ich jedoch auch nicht, und das war der Umstand, welcher mich gegenüber Heather in Rage brachte. Da dies nicht von großem Nutzen war, verschwanden diese Emotionen jeweils blitzartig wieder. Der Botschafter lud mich zu meinem Erstaunen in ein schönes, sauberes Verhörzimmer ein. Komischerweise wurde ich mit einem alten Bus dahin gebracht, somit konnte dieser Raum nicht Teil der Anstalt gewesen sein, was mich zu diesem Zeitpunkt sehr verwunderte. Im tiefen Inneren hatte ich ein komisches, positives Gefühl und war ungewohnt nervös, wie ich es schon lange nicht mehr gewesen war. Ich wusste nicht einmal mehr, dass ich zu solchen Gefühlen fähig war. Botschafter Smith hatte nicht um den langen Brei herumgesprochen und gesagt: »Herr Cerrone, Sie sind frei.« Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich mich nicht verhört hatte, und schüttelte deshalb nur leicht den Kopf. »Wie meinen Sie frei?«, entgegnete ich mit leiser, flattriger Stimme. Ich bemerkte, wie sich seine beiden Mundwinkel nach oben zogen und seine düster erscheinenden Augen Freude ausstrahlten. Er nickte in schnellen Auf- und Ab-Bewegungen und sagte erneut: »Sie sind frei und können den Knast noch heute verlassen, Rick! Ich darf Sie doch Rick nennen, oder?« Aus unerfindlichen Gründen fiel mir zu diesem Zeitpunkt auf, dass mich der alte Botschafter West nach ein paar Sätzen auch beim Vornamen nannte und ich das nie realisiert hatte. Warum auch immer ich solche Gedanken hegte, aber mein Herz fing an heftig zu pochen und ich brachte kein Wort aus meinem trockenen Munde. »Was sagen Sie dazu, Rick?«, fragte er erneut nach. Ich schüttelte nur den Kopf und sagte: »Ja, natürlich.«

»Was meinen Sie mit ‚Ja, natürlich‘?«, hakte er ungläubig nach. »Selbstverständlich dürfen Sie mich Rick nennen, ich wurde seit mehr als 15 Jahren nicht mehr so genannt«, sagte ich und ignorierte die Kernaussage seines Satzes. Es herrschte eine kurze Stille und der Botschafter verlor langsam seine Freude und hakte weiter nach: »Haben Sie denn keine Freude an der Entlassung, oder wie muss ich das verstehen?« Ich zog nur meine Schultern hoch und sagte mit ganz gelassener Stimme: »Wo soll ich denn auch hin und was soll ich denn auch nur machen? Ich habe nichts mehr in den Vereinigten Staaten von Amerika, keine Frau, keinen Job, rein gar nichts mehr, Jonathan, ich darf Sie doch Jonathan nennen, oder?«

»Es ist so«, fuhr der Botschafter fort und ignorierte ebenso meine irrelevante Frage nach seinem Namen. »Sie werden viel Geld erhalten, Rick. Sie werden ein reicher Mann sein.« Er richtete sich ein wenig senkrechter auf, rutschte auf den vorderen Teil des Stuhls und blickte mir tief in die Augen. »Wir haben Aufnahmen bei Ihrem früheren Freund Sam Walters gefunden. Auf diesen Aufnahmen war ersichtlich, dass Sam den Plan hegte, Kokain nach Vietnam zu einem gewissen Chok Sun zu bringen. Wir hatten ihn seit den letzten zwei Jahren observiert und konnten ihn aufgrund anderer Delikte letztendlich festnehmen. In seinem Zuhause fanden wir dann Aufnahmen von selbst gemachten Überwachungsvideos aus dem Jahre 2015. Daraufhin habe ich die Behörden in Vietnam kontaktiert und war beim Gericht vorstellig. Nun wurden Sie vorzeitig entlassen und bekommen eine Entschädigung von insgesamt fünf Millionen US-Dollar, ist das nicht großartig?« Das Geld interessierte mich zu diesem Zeitpunkt nicht, ich wunderte mich eher über die Selbstverständlichkeit, dass ich mich so freuen sollte, obwohl ich bereits 15 Jahre in der Hölle schmoren musste. »Danke, aber wieso bekomme ich von der vietnamesischen Behörde so viel Geld, das kümmert die doch kaum?«, fragte ich ihn verdutzt. Er lächelte leicht und entgegnete mir: »Das Geld kommt zum größten Teil von uns. Es wurde belegt, dass mein Vorgänger, Herr West, ebenso in diese Geschichte involviert war und die Vereinigten Staaten somit ebenso Schuld an Ihrer Misere trug.« Ich lächelte sanft, vermutlich das erste Mal wieder nach so vielen Jahren, und schwieg einfach vor mich hin.

Als mich der Gefängnistransport am Flughafen ablieferte, bekam ich noch ein wenig Bargeld auf die Hand und eine Bankkarte mit den entsprechenden Zugangsdaten. Ich wurde ohne große Worte aus dem Fahrzeug entlassen und konnte endlich in ein Flugzeug steigen, welches mich in meine geliebte Heimat bringen würde. Als ich die Rolltreppe zu meinem Gate emporfuhr, fielen mir die zahlreichen Bildschirme mit frenetischer Werbung auf. So etwas hatte ich noch nie gesehen und mein Mund stand weit offen. Ich genoss jeden Atemzug des wohlriechenden Flughafens und kurzum fiel mir eine wunderschöne Fast-Food-Kette auf. Ich eilte im Stechschritt an die Theke und bestellte einfach so 10 Hamburger und einen riesigen Eistee. Fertig aufgestapelt, schlenderte ich mit meinem Festessen durch die Läden. Bei einem wunderlichen Elektrofachgeschäft blieb ich stehen und schaute ins Schaufenster hinein. Meine Augen blieben bei den großen Mobiltelefonen und den kleinen Kopfhörern stehen, denn ich hatte noch nie so fortschrittliche Geräte gesehen. Die gerade erstandenen Fressalien platzierte ich sanft neben dem Eingang und lief zielgerichtet auf einen Kundenberater zu. Ich sorgte dafür, dass ich ein funktionierendes Gerät erhielt, auf welchem ich auch Musik hören konnte. In der ganzen Zeit im Gefängnis konnte ich nie Musik hören und das hatte ich enorm vermisst. Ich wurde in kürzester Zeit eingeführt und konnte sogar diese kabellosen Kopfhörer installieren. Als ich aus dem Geschäft hinausging, saß ich neben meine Hamburger auf den Boden, lud die unterschiedlichsten Lieder herunter und aß genüsslich alles bis auf den letzten Krümel auf. Als ich dann letztendlich in das Flugzeug steigen konnte, bemerkte ich erst, dass ich in der ersten Klasse fliegen durfte, was mich erneut sehr erfreute. Ich beobachtete eine ältere Dame, welche sich beim Flugpersonal über die bereits angeschmolzenen Eiswürfel beschwerte. Es kam mir sehr surreal vor, denn von solchen Problemen konnte ich zu Zeiten des Aufenthaltes im Loch nur träumen. Ich schüttelte ungläubig mein Haupt, stieß die Kopfhörer wieder in meine mittlerweile blumenkohlartigen Ohren und lehnte mich fröhlich zurück in meinen wohlproportionierten Sessel.

San Francisco

Unmittelbar nach meiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten von Amerika eilte ich an einen Bankomaten, um zu sehen, wie viel Geld ich auf dem Konto hatte. Es war ein wunderschöner Anblick, welchen ich nie in meinem Leben vergessen werde. So viele Nullen und allesamt vor der ominösen Kommastelle. Das Lager von meinem früheren Nachbarn Ralph besuchte ich nie, da ich mich der Vergangenheit nicht stellen und alles vergessen wollte. Ich ruhte mich einfach eine Weile aus, saß in meiner neu gemieteten Wohnung und langweilte mich allmählich. Es war schön, alles kaufen zu können, was ich mir erträumt hatte. Ich bemerkte aber, dass ich gar nicht so viele materialistische Träume hatte, wie ich vormals dachte. Ich musste auch keine Wohnung oder sogar ein großes Haus kaufen, denn ich wollte einfach meine Ruhe haben und schwelgte zeitweilen immer wieder in den Erinnerungen an meine frühere Partnerin. Diese Gedanken schmerzten ein wenig, ich musste es aber irgendwie verarbeiten, da ich im Knast gedanklich nicht richtig damit abschließen konnte. Als ich mich aber eines Tages so sehr langweilte, dass ich sogar im Stadtpark flanieren ging, was ich sonst nie tat, wurde ich Zeuge eines Raubüberfalles eines jungen Paares. Irgendein Spinner belästigte das Paar und fuchtelte mit einem großen Messer vor ihren Köpfen herum. Da ich seit meiner Zeit in Vietnam stark abgebrüht war, entschied ich mich, diesen beiden Leuten zu helfen, und ging munter in ihre Richtung. Ich sprach den Missetäter an und fragte ihn, ob ich ihm helfen könne. Dieser Typ schaute zu mir und sagte: »Verpiss dich Alter, oder ich ritze dir ein zweites Grinsen in dein hässliches Gesicht!« Ich ignorierte seine Beleidigung und kickte sein Messer mit einem geraden Kick aus der Hand und schlug ihn mit meiner rechten Faust ins Gesicht, sodass er umfiel wie ein nasser Sack. Er war umgehend bewusstlos und das Pärchen war enorm erleichtert. Sie hatten gesagt, dass sie die Polizei rufen werden, und baten mich, bei ihnen zu bleiben, um sicherzustellen, dass dieser Typ auch liegenbleiben würde. Ich nickte, setzte mich auf die nahe gelegene Sitzbank und kreuzte meine Beine übereinander. Als die Polizei dann kam, musste ich ihre Fragen beantworten und der eine Polizist meinte zum Abschluss: »Sie sollten sich bei der Polizei melden, Mister. Solche Leute wie Sie können wir immer gebrauchen.«

Diese Worte gingen mir noch eine Weile nach und dann entschied ich, mich tatsächlich bei der Polizei anzumelden. Was hatte ich denn auch zu verlieren?

März 2026

Die Polizeiausbildung ging zu meinem Erstaunen läppische sechs Monate, wobei ich wahrscheinlich auch aufgrund meiner Vergangenheit begünstigt wurde. Ich war auf jeden Fall aber der älteste sowie auch der reichste Polizeianwärter der ganzen amerikanischen Geschichte. Es fühlte sich hervorragend an und ich genoss stets die Fahrt in meinem Polizeiwagen und schätzte immerzu die amüsanten Gespräche mit meiner neuen, bezaubernden Kollegin Linda McDavid.

KAPITEL 2

ENKI/FRANK BAUER

VORBEREITUNG

1. Juli 1979, 11.00 AM

New York, Wall Street

Endlich hatten die Menschen den »Walkman« herausgebracht. Als ich auf meinem Heimatplaneten Dillimus geboren war, gab es diese Erfindung schon seit geraumer Zeit. Die Technik war bereits ausgereift und in Form eines Knopfes, welchen man in die Ohren steckte, verfügbar. Später wurden sie dann direkt in die Avatare eingebaut und man musste sich nichts mehr in die Ohren stecken. Ich liebte es schon immer, Musik überall und zu jeder Zeit zu hören. Da ich immer schon ein Träumer gewesen war, konnte ich so in andere Welten versinken, in meinen eigenen bescheidenen Kosmos flüchten und den Gedanken und Träumen frönen, welche mich begleiteten. Da wir schon seit mehreren Jahrhunderten auf der Erde verweilten, musste ich mich bis zu diesem Tage mit meiner eigenen singenden Stimme in meinem Kopfe begnügen. Nun war es aber soweit, und der Zeitpunkt konnte nicht besser sein. Ich musste den »Wall Street Anschlag« durchführen. Ein Anschlag, welcher den Kapitalismus vorantreiben würde. Der Zweck war, die aufkommende Opposition zu dieser Zeit in ein schlechtes Licht zu rücken und die Banker in diesem Viertel auf ein ehrenhaftes Podest zu heben. Ich hatte bereits zahlreiche, komplexere Anschläge geplant und dieser war im Vergleich dazu ein Leichtes. Daher hatte ich ihn ganz allein geplant und auch die gesamte Durchführung selbst durchgezogen. Es war 11.00 Uhr vormittags und die Firma »Sony« gab an, den »Walkman« um 11.30 Uhr herauszubringen. Der Anschlag war kurz nach dem Mittag geplant, da die Bankangestellten um diese Zeit ihre Verpflegungen zu sich nahmen. Sie gingen nach draußen und holten sich ihre Nahrung, um sie in ihren überfüllten Büroräumlichkeiten in sich hineinstopfen zu können. Die New Yorker hatten bereits ihr öffentliches Verkehrsnetz stark ausgebaut und die Orte mittels neuer Hochzüge miteinander verbunden. Es war ein sehr ästhetischer Anblick, denn die teilweise hohen Zugbrücken, welche durch die Stadt gezogen wurden, strahlten einen erhabenen Eindruck aus. Die Mittelschicht war sichtlich begeistert davon, die Leute stiegen mit vollem Stolze in die Bahnen hinein und fuhren auf sieben Meter Höhe durch die Stadt. Als die Menschen diese Art von Verkehr erfunden hatten, waren die Züge noch Dampfbetrieben und dieser Anblick gefiel mir dazumal noch mehr. Nun waren sie elektrisch angetrieben, die Waggons behielten aber immer noch ihren ursprünglichen Charme.

Ich hatte vor ein paar Tagen vier »Semtex-Bomben« in einem Güterzug der »West Side Freight Line« deponiert, welcher mitten durch Manhattan fuhr. Anders als das restliche Hochbahnnetz in New York, wurde diese »High-Line« nicht für den Personenverkehr, sondern für den Gütertransport gebaut. Es war auch nicht mein primäres Ziel, dort viele Leute zu töten, denn ich hatte es ja auf die Bankangestellten in der »Wall Street« abgesehen. Daher war die Explosion, welche um 12.10 Uhr auf der Höhe der »Washington Avenue« geplant war, nur eine Ablenkung. Nach der Ablenkung musste ich noch diverse »C4-Bomben« im Hauptgebäude des finanziellen Komplexes, in der »40 Wall Street«, anbringen. Die Sicherheitsmaßnahmen waren zu dieser Zeit überschaubar, daher war diese kleine Ablenkung absolut genügend. Mein Zeitplan war aber dennoch knapp, denn ich wollte die Bomben unbedingt im Beisein der neu aufkommenden Band »Queen« anbringen. Ich hatte es mir schon vorgestellt, wie ich während des Songs »Crazy little things called love« die Bomben in den Büroräumlichkeiten verteilte. Damit ich sichergehen konnte, dass alles nach Plan verlaufen würde, hatte ich ein charmantes Büro im gegenüberliegenden Gebäude der »37 Wall Street« gemietet. Dort wartete ein großes, aus weißem Leder gesatteltes Sofa auf mich, wo ich genüsslich dem Desaster zuschauen konnte. Zuerst musste ich aber den bereits reservierten »Walkman« im »Radio Shack« an der »Pearl Street« abholen und der Zeitplan drängte. Es lief alles nach Plan und ich erhielt ohne Warten eine Kassette des Albums »Bohemian Rhapsody« und den neuen »Sony Walkman« inklusive Kopfhörer. Um 11.55 Uhr lief ich zum Gebäude an der »40 Wall Street« und wartete dort beim Zeitungsstand an der Ecke auf die Explosion des Hochzuges. Ich schaute auf die Uhr und exakt um 12.10 Uhr hörte ich vier dumpfe Laute aus kurzer Entfernung. Wie es bei Explosionen immer der Fall war, spürte ich direkt nach dem letzten Knall eine kurzwehrende, drei Sekunden andauernde Ruhe, bis danach das Menschengeschrei losging. Ich beobachtete die Leute, wie sich ihre Köpfe ruckartig in Richtung der Lärmquelle drehten und sie anfingen, hysterisch zu atmen und die herkömmlichen Rufe von sich zu geben. Ich setzte die Kopfhörer auf, startete die Musik und lief ganz gemächlich in Richtung des Haupteingangs. Ich blieb direkt neben der Eingangstüre stehen und wartete, bis eine große Menschenmenge aus dem Erdgeschoss stürmte. Nur so war ich sicher, dass in den oberen Etagen die Leute an den Fensterfronten klebten, um einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen.Ich tänzelte Richtung Aufzug und fuhr in die 20. Etage. Höher ging ein einziger Aufzug nicht, ohne umsteigen zu müssen. Ich schlich direkt in das erste Büro und beobachtete, wie die Bankangestellten rege miteinander diskutierten und alternierend aus dem Fenster schauten. Es spielte keine große Rolle, wo ich die Bomben anbringen würde, sie durften einfach nicht auf Anhieb erkennbar sein. Daher lief ich jeweils nur in den Eingangsbereich, schmiss das kleine, plastikverpackte Paket unter den Empfangstresen und ging weiter. Ich hatte insgesamt 10 Pakete dabei und lief im Beisein meiner Musik 9 weitere Stockwerke hinunter. Als ich die letzte Bombe platzierte, hing ich meine blaue Tasche beim Kleiderständer der letzten, betroffenen Firma auf und spazierte stoisch aus dem Gebäude. Ein asiatisch angehauchter »Doorman« hielt mir die Türe auf und sagte mit nervöser Stimme: »Passen Sie auf Sir, draußen geht etwas Schreckliches vor sich.« Ich schmunzelte ihn an, bedankte mich und wünschte ihm einen sicheren Tag. Als ich dann die Straße überquerte, vernahm ich, dass sich die Aufregung allmählich gelegt hatte, die Leute diskutierten aber immer noch miteinander und zeigten in Richtung des explodierten Hochzuges. Abgelenkt von der wunderbaren Musik, hörte ich vereinzelt immer wieder alle möglichen Arten von Sirenentönen, welche sanft die Musik übertönten, und ich wusste, dass bereits alle Rettungsdienste vor Ort sein mussten. An der Türe zum Gebäude der »37 Wall Street« stand erstaunlicherweise kein »Doorman«, also öffnete ich die Türe selbst. Es kam mir eine bezaubernde Frau mit langen, blonden Haaren und einem roten Kleid entgegen, welcher ich genüsslich die Türe offenhielt und ihr ebenso einen sicheren Tag wünschte: »Passen Sie auf, werte Dame, draußen geht etwas Schreckliches vor sich.« Sie schmunzelte mir entgegen und bedankte sich höflich. Ich ging in mein gemietetes Büro, setzte mich auf meine weiße Couch und öffnete eine »Coke light«. Schließlich musste ich auf meine humane Figur achten, diese menschlichen Körper gingen schnell in die Breite. Ich legte nun meine Kopfhörer ab, nahm den Sprengzünder und, wie ich es immer tat, zählte ich von fünf auf eins und drückte den roten Knopf. Die Musik von meinem abgelegten Kopfhörer war nur noch oberflächlich zu hören und wurde in der Folge der 10 Explosionen leicht übertönt. Eine Bombe nach der anderen ging hoch und ich konnte zusehen, wie in jedem Stock die Scheiben regelrecht aus dem Gebäude gesprengt wurden. Es war vollbracht, ich nahm einen zweiten Schluck von meiner »Coke« und schaute zu, wie die Leute nun richtig anfingen, durchzudrehen.

47 Jahre später

24. Mai 2026, 08.00 AM – San Francisco

Die Sonne streifte gerade meine Augenwinkel, was mich dazu zwang, aufzuwachen. Aber ich gönnte es mir, mich noch in der wohlig warmen Decke zu wälzen und versuchte damit, ein paar zusätzliche Sekundenschlafmomente zu erlangen. »Vielleicht kann ich noch einmal einen kurzen Abstecher in das wunderschöne Traumland machen, mich von der drohenden Realität fernhalten und die Gegenwart hinauszögern.« Die weißen Wände waren aber bereits vom Sonnenlicht erfasst und strahlten so hell, dass das angenehme Morgengefühl langsam dahinschwand. Der allseitige Lärmpegel außerhalb meines bescheidenen Hauses war leider auch bereits gestiegen, und ich ahnte, dass der Tag in Angriff genommen werden musste. »Wie das Menschen in dieser Zeit wohl machen, die keinen Kaffee trinken?« Verzichten auf den morgendlichen Duft, bestehend aus dem Dunst frisch gemahlener Bohnen und dem Dampf des aufbrühenden Satzes. Die Nase wird sanft an der Spitze vom dezent arabischen Geruch gekitzelt und umhüllt das Gehirn mit einem schlichten Schleier. Ich benötigte an diesem Tag eine starke Mischung, denn ich musste sehr viele Vorbereitungen für die nächsten zwei Tage treffen. Es stand das wichtigste Treffen mit meinem Bruder Aton bevor, welcher hier auf der Erde Timothy Warburg hieß, und seinem ranghöchsten Offizier Draco, welcher Andrew Vanderbilt genannt wurde. Wir mussten unser letztes Gespräch vor der letzten Phase des übergeordneten Plans abhalten. Ich war für den folgenschwersten Anschlag in der Geschichte der Menschheit verantwortlich, und da wir uns danach nicht mehr ausgiebig treffen konnten, mussten wir zugleich den kompletten übergeordneten Plan durchgehen. Ich hoffte, dass ich mir im Anschluss der Besprechung noch ein wenig Freizeit gönnen und in die Stadt gehen konnte. Seit einigen Jahren war ich auf den Geschmack der Musik und des Tranks der Erdlinge gekommen. Zu lange war ich mit finsterer Miene unterwegs und kopierte die Art meines Bruders. Er war immer schon voller Hass, und es war mir nie erlaubt, Liebe zu erfahren oder der Freude am Dasein zu frönen. Immer musste ich es heimlich machen und es fing an, mich zu nerven. Als ich mich vor langer Zeit, im ach so glorreichen Zeitalter der Ägypter, in eine wunderschöne Abtrünnige verliebte, wurde ich in der Rangfolge degradiert. Ich hatte dies Aton nie verziehen, hatte mich aber auch nicht gegen ihn aufgelehnt. Es hätte keinen Sinn ergeben, denn mein Platz an seiner und seiner Schergens Seite war mir offenbar vorbestimmt. Wo hätte ich auch hingehen und was hätte ich denn machen sollen? Ich fügte mich und verlor immer mehr meine Liebe zum Leben. Nun aber, da die Vollendung des übergeordneten Plans anstand, wachte ich wieder langsam aus dem düsteren Dunst des Hasses auf und ging vermehrt unter die Menschen. Ich fing sogar an, die Menschen ein bisschen zu mögen. Es faszinierte mich, wie sie es immer wieder zustande brachten, positiv und herzlich zu sein, und dann doch wieder so schwerwiegende, miese Entscheidungen trafen. Dies hatte aber vermutlich vor allem damit zu tun, dass unsere Rasse, die Kurs, einen erheblichen Einfluss auf das komplette gesellschaftliche System ausübte.