Duell - Jürgen Pigors - E-Book

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Jürgen Pigors

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Beschreibung

Werner Breuer, Hauptkommissar und Turnierschachspieler ermittelt wegen eines Mordes an einem Wissenschaftler. Der Mörder gibt einen Teil seiner Deckung auf und fordert ihn im Internet zu einen Schachspiel. Es passieren weitere Morde, aber der erfahrener Ermittler Breuer kommt nur langsam voran. Der unsichtbare Auftragskiller ist ihm immer einen Schritt voraus. Auch auf dem Schachbrett erspielt er sich einen Vorteil. Beide ahnen nicht, dass sie selbst nur Figuren einer höheren Ebene sind.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Zum Autor:

1955 in Oberhausen geboren

Wohnhaft in Mülheim/Ruhr

Ingenieur für technische

Gebäudeausrüstung

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Der Schachspieler

Die Pressekonferenz

Die Eröffnung

Die Kamera

Breuer

Ein Verhör, ein ungebetener Besuch, Belfast und ein Messer

Das Blockhaus

Videokameras

Das Mittelspiel

Hassan

In der KTU

Vorbereitungen

Die Wende

Der Polizeipräsident

Newcastle upon Tyne

Es klart auf

Doktor Preuss

Das Läuferopfer

Eine Ungenauigkeit

Das Kongresscenter

Der letzte Zug

Die Pressekonferenz

Danksagung

:

Prolog

Samstagmorgen. Der Mercedes S-600 verlässt das feudale Anwesen in Westerhude. Hinter ihm schließt das automatische Tor. Auf dem Rücksitz Doktor Wilhelm Gandolf Preuss, 63 Jahre alt, Vorstandsvorsitzender des größten deutschen Mineralölkonzerns.

Das volle, graue Haar verleiht ihm ein aristokratisches Aussehen. Dem promovierten Juristen, Sohn eines bekannten Strafrechtlers und einer Richterin, sagt man nach, dass ihn niemand außerhalb der Familie duzt und dass ihn noch niemand hat richtig herzhaft lachen gesehen hat.

„Haben sie die Verkehrshinweise gehört?“, fragt Doktor Preuss seinen Fahrer. Natürlich hat er die Verkehrshinweise gehört. „Keine Staus!“, antwortet der Fahrer kurz. „Die Straße ist trocken. Ich schätze, dass wir in zwei Stunden da sind.“

Doktor Preuss hat seit Zweiundzwanzig Jahren denselben Fahrer. Seit dem Tag, als ihm vom Konzern ein Wagen zur Verfügung gestellt wurde. Sein Fahrer war in dieser Zeit nicht einen Tag krank. Den Urlaub nimmt er ausschließlich, wenn Doktor Preuss auch im Urlaub ist. Im Konzern wird der Fahrer hinter seinem Rücken als der Leibeigene bezeichnet.

Doktor Preuss spricht kaum mit seinem Fahrer, wenn, dann Dienstliches, so gut wie nie etwas Persönliches. Aber Doktor Preuss hat dafür gesorgt, dass sein Fahrer sehr gut bezahlt wird, für einen Fahrer sogar außergewöhnlich gut.

Neben seiner Vorstandstätigkeit ist Doktor Preuss noch in Gremien tätig und berät auch die konservative Partei in Wirtschaftsfragen. Dabei versucht er natürlich die Interessen seiner Vereinigung durchzusetzen, sei es mit Ratschlägen aus seiner langjährigen Erfahrung oder auch schon mal mit dem Hinweis auf die satten Spenden seines Konzerns.

Während seines Studiums hatte er sich in der konservativen Partei engagiert, in der irrigen Meinung, dass er etwas mit Fachkenntnis und guten Argumenten bewegen könnte. Er war an Intrigen und den komplizierten Strukturen der Partei gescheitert. Letztendlich hat er aber sein Ziel erreicht. Macht und Einflussnahme.

Der Fahrer sieht Doktor Preuss im Innenspiegel. Normalerweise liest Preuss während der Fahrt die Zeitung oder beschäftigt sich mit diversen Unterlagen. Aber Doktor Preuss guckt die ganze Zeit nur aus dem Fenster. Der Fahrer spürt wie angespannt Doktor Preuss ist.

Nach zwei Stunden Fahrt über fast leere Landstraßen sind sie am Ziel.

Das luxuriöse Gästehaus liegt völlig abgeschieden. Eine sehr gepflegte, circa zwei Meter hohe Hecke umfasst das gesamte Gelände. Das Haupthaus mit dem prächtigen Reetdach ist aus dem 19. Jahrhundert, aber umfassend renoviert. In den letzten Jahren ist ein Anbau hinzugekommen.

Es handelt sich um ein ehemaliges Herrenhaus, das von seinen Besitzern nicht mehr unterhalten werden konnte und vom Verband der Mineralölwirtschaft, kurz VdM, gekauft und von Grund auf saniert wurde.

Das Objekt wird als Schulungszentrum für Manager, aber auch für die Beherbergung besonderer Gäste genutzt. Das Haupthaus hat im Erdgeschoss neben einer Eingangshalle zwei Räume, die früher als repräsentative Wohnräume genutzt wurden. Ferner sind im Erdgeschoss vier, teils luxiurös ausgestattet Räume. Im Obergeschoss sind fünf großzügig angelegte Schlafräume mit eigenem Bad vorhanden.

Das Nebengebäude, das aus den alten Stallungen umgebaut wurde, hat ebenfalls kleine Räume für Schulungen und auch Schlafzimmer im Obergeschoss. Diese sind aber bei weitem nicht so aufwendig eingerichtet wie im Haupthaus. Es gibt ein Zwanzig-Meter Becken, einen sehr gut eingerichteten Sportraum und eine großzügige Sauna.

Aber weder Doktor Preuss noch diejenigen, die er dort treffen wird, ist der Sinn danach, diesen Komfort für dieses Wochenende zu genießen. Diese Leute können sich nicht einfach treffen. Sie stehen im Blick von Medien und Öffentlichkeit. Schon der Hinweis, dass sie sich treffen, wäre fatal.

Die vier Vorstandsvorsitzenden der größten Mineralölkonzerne haben ein Problem. Dieses Problem soll am diesem Wochenende angegangen werden, denn die Zeit drängt auf eine Lösung. An der Einfahrt zum Anwesen stehen diskret zwei Männer in schwarzem Anzug und Ohrhörer. Sie nicken dem Chauffeur zu. Man kennt sich.

Der Mercedes hält vor dem Haupteingang. Der Fahrer steigt aus, geht ohne Hast um das Auto herum und öffnet Doktor Preuss die Wagentür. Doktor Preuss steigt aus. „Richten sie sich morgen auf 10 Uhr ein. Wenn es eine Änderung gibt, werden sie benachrichtigt.“ Der Fahrer antwortet nicht. Er weiß natürlich, was zu tun ist.

Doktor Preuss geht über den kurzen Kiesweg. An der Tür steht ein Mann in weißem Hemd, Krawatte und schwarzem Anzug. Er sieht aus, als hätte er selten beim Sportunterricht gefehlt. Er öffnet die Tür und grüßt mit einer leichten Verbeugung. Doktor Preuss nickt ihm kurz zu und geht durch die Empfangshalle in den großen Salon, wo schon zwei seiner Gesprächspartner warten. Der großzügige Salon hat ein raumhohes Panoramafenster zum weitläufigen Garten. Im Garten sind geometrisch angeordnet Bäume und Beete. Alles ist erstklassig gepflegt.

Die Wände sind in edlem Holz vertäfelt. An den Wänden teure Gemälde. Hier wurde an nichts gespart. In der Mitte des Raumes steht ein großer, runder Glastisch. Um den Tisch sind drei Sofas für je drei Personen sowie drei alte, schwere Sessel angeordnet. Die Anordnung wurde extra für dieses Treffen so gestaltet. Den Anwesenden sind die Räumlichkeiten gut bekannt. Sie treffen sich in unregelmäßigen Abständen hier über das Wochenende, tauschen sich aus, treffen aber auch weitreichende Entscheidungen.

Neben Doktor Preuss ist noch ein Teilnehmer von seinem Chauffeur gebracht worden. Pieter Greenhoff, Belgier, 58 Jahre alt. Der promovierte Physiker hat auch internationales Management studiert. Nach dem Studium ist er ins Unternehmen eingetreten und letztendlich an der Spitze angelangt.

Wolfram Schmidtke, Diplom-Ökonom, mit 43 Jahren der Jüngste und mit etwas weniger als 1,70 Meter Körpergröße der kleinste im Kreis kommt in seinem privaten BMW 545i. Der in kleinen Verhältnissen groß gewordene Sohn eines Lagerarbeiters und einer Verkäuferin gilt als knallharter Controller und gnadenloser Sanierer. Er ist Organisator dieser Runde. Die Männer geben sich die Hand. Man merkt sofort die angespannte Stimmung. Die üblichen Höflichkeiten Wie geht es Ihnen? wirken heute gekünstelt.

„Sind das die Mitarbeiter von ihrem Werkschutz?“, fragt Doktor Preuss Schmidtke mit seinem üblichen skeptischem Blick. Schmidtke nickt kurz. „Wir haben hier auf dem Gelände acht Mitarbeiter verteilt. Alle schön diskret. Wie immer die gleichen Leute“.

Doktor Preuss setzt sich in den Sessel. Es ist sein Stammplatz. Er sitzt immer alleine. Immer mit etwas Abstand zu den Anderen. Greenhoff und Warmbold blättern in Unterlagen. Sie sitzen auf einem Sofa. Jeweils an einem Ende. Als letzter kommt Jonathan Willington, 51 Jahre.

Der sportliche Engländer kommt standesgemäß mit seinem Zweitwagen, einem Aston Martin DB9. Er ist studierter Volkswirt und Jurist. Ruhig, regelrecht schweigsam, aber ein brillanter Denker und Stratege. Er hat vom Praktikum vor dem Studium bis zum Vorstandsvorsitz alles im Unternehmen gesehen. Ihm ist nichts, aber auch gar nichts, in der Welt der Großkonzerne fremd.

Er setzt sich in die rechte Ecke eines Sofas. Das linke Bein locker auf der Sitzfläche ausgestreckt. So verschieden diese Männer auch sein mögen, eines haben sie gemeinsam. Der Wille zur Macht und auch diese Macht einzusetzen und zu verteidigen.

Ihre Unternehmen haben zusammen einen Umsatz von circa 110 Milliarden Pfund und beschäftigen etwa 31.000 Menschen. Alleine diese beiden Zahlen verleihen ihnen Macht. Große Macht.

Andererseits vergessen sie nicht, dass sie auch Konkurrenten sind. Und als Doktor Preuss vor zwei Jahren zum Manager des Jahres gekürt wurde, kam auch eine persönliche Note hinzu.

Es gibt eine eiserne Regel für diese Treffen, an die sich alle Beteiligten strikt halten. Keine Aufzeichnungen! Keine Notizen und auch keine Aktenvermerke im Nachhinein. Seit ihrem letzten Treffen, an gleicher Stelle, sind knapp vier Wochen vergangen und die beunruhigende Situation, die seinerzeit zur Sprache kam, hat sich offensichtlich dramatisiert und fordert eine schnelle und klare Entscheidung.

Es ist nicht so, als seien die anderen Treffen immer locker gewesen. Absolut nicht. Aber heute ist die Spannung fast physisch greifbar. Es gilt, die neuesten Informationen zu bewerten und vor allem der Zwang eine Entscheidung zu treffen ist jedem anzumerken.

Schmidtke beginnt: „Unsere schlimmsten Befürchtungen haben sich seit unserem letzten Treffen bestätigt. Eigentlich sogar übertroffen.“

Schmidtke bittet Doktor Preuss mit einer Handbewegung fortzufahren: „Sie haben mit diesem Neuendorf gesprochen!“.

„Ich habe mit Neuendorf, dem technischen Leiter des IAE, gesprochen und darauf bestanden“, berichtet Doktor Preuss, „dass diese Entwicklung erst einmal nicht veröffentlicht wird. Ich habe ihm gesagt, dass wir, aufgrund der Konkurrenzsituation das Ergebnis vorerst nicht in den Umlauf geben werden, sondern erst ein mal eine Strategie zur Umsetzung entwickeln werden. Danach werden wir das konzernübergreifend nutzen. Ich hatte den Eindruck, dass er das wohl geschluckt hat.“

Alle registrieren, dass Schmidtke kaum merklich mit dem Kopf schüttelt. Doktor Preuss ist beim Institut für Alternative Energieerzeugung, kurz IAE, Vorsitzender des Beirates. Schweigendes Nicken im Raum. „Wir haben aber den Verdacht“, sagt Schmidtke ruhig und emotionslos, „dass Neuendorf damit hausieren geht!" Eine kleine, bedeutsame Pause.„Eigentlich ist das mehr als ein Verdacht.“

„Es ist unsere Entwicklung! Das habe ich ihm sehr klar dargelegt“, unterbricht ihn Doktor Preuss. Es ist eine Unart von ihm, die Leute während derer Auslassungen zu unterbrechen. Während alle Anwesenden auf eine Krawatte verzichtet haben und mehr oder minder lockere Freizeitkleidung tragen, ist Doktor Preuss der einzige, der mit Krawatte, Weste und Jackett in der Runde sitzt. „Der hat gar nichts eigenständig zu machen. Sonst hänge ich ihm eine Riesenklage an den Hintern. Er wird nirgendwo mehr einen Job bekommen. Die Unterlagen kommen in den Safe und das war es!“

„Einen Moment bitte“, sagt Doktor Greenhoff und hebt beruhigend beide Hände. „Ich höre immer Neuendorf, Neuendorf!“ Nachdem er sicher ist, dass ihm die Aufmerksamkeit gilt. „Was ist das für ein Mensch? Bieten Sie ihm eine gehörige Summe und einen guten Posten an. Das wäre doch nicht das erste Mal, das wir so etwas machen.“

Er blickt erst Doktor Preuß an und dann in die Runde.

„Ich habe ihn viermal getroffen.“, sagt Preuß, „letzte Woche und davor kurz nachdem er uns über seine“, Doktor Preuss schüttelt den Kopf, als können er es immer noch nicht fassen, „eigentlich rein zufällig gemachte Entdeckung dieses Verfahrens informiert hat.“ Er guckt in die Runde von Teilnehmer zu Teilnehmer und zuckt die Schultern.

„Er ist ein Individualist. Schulterlange Haare, Bart. Ein Freak, wie man jetzt wohl so sagt.“

Schmidtke, der eine Mappe vor sich hat, ergänzt: „Mittelmäßiges Abitur, Chemiestudium, mittelmäßiger Abschluss zum Diplom Chemiker. In die Labore unserer Unternehmen hätten wir ihn nicht eingestellt.“

„Dann schmeißen wir ihn raus", wettert Doktor Preuss, „seine Erkenntnisse behalten wir für uns. Wir lassen uns doch nicht von so einer Wurst an der Nase herumführen.“

„Fangen wir doch von vorne an“, Greenhoff gilt als ruhig und besonnen, aber auch äußerst durchsetzungsfähig. Er bittet Doktor Preuß mit einer Handbewegung um Ruhe. „Was bedeutet die Entwicklung eigentlich für unsere Unternehmen? Sie wollten doch so einige Berechnungen und Prognosen anstellen.“

Er guckt Schmidtke an. „Über welche Grössenordnung reden wir denn jetzt. Bei unserem letzten Treffen war da die Rede von 10 bis 15% Mineralölprodukte, die wir weniger umsetzen würden.“

„Wahrscheinlich mehr“, Schmidtke übernimmt wieder das Wort, „und das ist ja nur der Anfang. Wenn Neuendorf mit seinen bescheidenen Mitteln im Laborversuch 15% herausholt, werden andere, zum Beispiel spezielle Anlagenbauer und vor allem die Automobilindustrie das weiterentwickeln.“ Er holt kurz Luft, „und es sind nicht nur die Automobile, die mit diesem Verfahren betrieben werden können. Auf diese Weise kann natürlich auch der Wasserstoff für den Betrieb von Motoren kleiner und mittlerer Blockheizkraftwerke gewonnen werden.

Dann können wir unseren Laden fast zumachen. Gehen Sie von Umsatzeinbussen von fünfundfünfzig, vielleicht sogar sechzig Prozent aus.“

Es entbrennt eine, teilweise hitzige, Diskussion, wie man mit Druck auf Neuendorf, sei es mit einer Klageandrohung oder mit arbeitsrechtlichen Schritten, diese Entwicklung verschwinden lassen könnte. Auch wie belastbar die Prognosen sind wird lebhaft diskutiert.

„Meine Herren!“ Schmidtke hat Mühe die Gemüter, vor allem das von Doktor Preuss, zu besänftigen. „Ich möchte sie bitten eine kurze Pause einzulegen. Lassen sie uns einen Kaffee trinken und dann hören sie sich an, was Herr Langmann, unser Leiter des Werkschutzes, zu sagen hat.“

„Ist er involviert?“ Nicht nur Doktor Preuss ist über den zusätzlichen Gast erstaunt. „Langmann kennt keine Zusammenhänge. Nichts von dieser Entwicklung. Er hat Neuendorf beschatten lassen und wird ihnen das Ergebnis vortragen. Im Übrigen: Langmann ist ein ehemaliger Polizist vom LKA. Ich habe ihm einmal einen Gefallen getan, einen sehr großen.“ Schmidtke macht eine entsprechende Geste.

Die Anwesenden nicken. Sie wissen genau. Ein Gefallen ist ein Schuldschein, der irgendwann wieder auf den Tisch kommt.

„Ich kann Ihnen versichern, dass er einhundertprozentig loyal ist.“

Es gibt Kaffee und erlesene Kleinigkeiten zu Essen.

Langmann wird von Schmidtke hereingeführt. Er grüßt mit einem kurzen Kopfnicken und man merkt an seiner Körperhaltung sofort, dass er sich sichtlich unwohl in dieser Gesellschaft fühlt.

„Guten Tag, meine Herren“, Langmann fängt sofort mit seinem Vortrag an. „Ich will es kurz machen. Wir beschatten Neuendorf seit zwei Monaten. Wir“, er musste sich kurz sammeln,„das bedeutet, eine professionelle Detektei aus unsrer Umgebung. Ich erhalte täglich einen Bericht. Bis auf einen Vorfall, zu dem ich gleich gesondert komme, gibt es nichts Ungewöhnliches.“

Langmann guckt in die zunehmend unruhig werdende Runde.

„Neuendorf ist offensichtlich Frühaufsteher. Meistens ist er gegen sieben Uhr im Institut teilweise schon früher. Neuendorf ist Fussballliebhaber. Er spielt zweimal Mal in der Woche in einer Hobbytruppe. In der ganzen Zeit hat er kein Training ausgelassen. Für unseren Bundesligaverein hat er eine Jahreskarte. Stehtribühne Süd. Er geht am Wochenende regelmäßig in das Kneipenviertel unserer Altstadt. Besonders in eine namens Blockhaus.“ Er guckt auf seine Notizen.

„Er trinkt dann nicht gerade wenig. Dort besorgt er sich schon einmal was zu rauchen.“ Er guckt wieder in die Runde. „Sie wissen, was ich meine?!“

Doktor Preuss wird ungeduldig. „Haben Sie auch was Interessantes?", fragt er herausfordernd. „Ist er schwul oder fingert er an kleinen Mädchen herum? Haben sie etwas mit dem wir ihn bis ans Lebensende diskreditieren können?“ Er macht eine Pause. „Oder merkt er womöglich, dass er beschattet wird?“ Er guckt spöttisch in die Runde.

„Das glaube ich nicht. Sonst hätte es sich nicht vor zwei Wochen im Blockhaus mit diesen Leuten getroffen.“ Er überreicht jeden Teilnehmer sechs Fotos.

Auf dem Foto sitzen vier Männer mit ernsten Gesichtern beieinander. Die Runde erstarrt. Ein einziges Gesicht reicht den Anwesenden. Dominik Grabski! Der Fraktionsvorsitzende der Bunten Liste ist jedem bekannt.

Nachdem der erste Schock vorüber ist, sagt Greenhoff: „Der mit dem langen Haar ist Neuendorf, nehme ich an. Den Scheißkerl von Grabski kennt jeder. Wer sind die anderen?“

„Dominik Grabski dürfte bekannt sein.“ Langmann fährt mit seinem Vortrag fort. „Militanter Tierschützer und Umweltaktivist. Dogmatischer Linker. Großkonzerne und Banken verstaatlichen usw. Das brauche ich ja hier nicht näher ausführen. Neuendorf und Grabski kennen sich vom Gymnasium. Rechts sitzt Doktor Paul Stelzer, von der Transport & Environment und links außen Nils Weimann, Diplom Physiker, Bereichsleiter Technik bei Umicore, die größte europäische Rohstoff- und Recyclingfirma für Batterien..“

Eine gefühlt endlose Stille folgt. Jedem ist klar, dass Neuendorf seine Entdeckung verbreiten will. Er hat die richtigen Ansprechpartner um sich gescharrt.

„Neuendorf hatte den anderen Teilnehmern erst einmal etwas auf dem Laptop präsentiert. Danach hatte er zwei DIN-A-4 Seiten herumgereicht und wieder an sich genommen. Diese wurden von allen Beteiligten, besonders von Weimann und Stelzer mit großem Interesse gelesen.“

„Wir haben leider nicht mitbekommen, worüber sich der Kreis unterhalten hat“, der Vortrag von Langmann endet, „aber die Beschatter haben, obwohl Grabski und Neuendorf ein paar Bier getrunken hatten, von einem langen, sehr ernsthaften Gespräch berichtet.“

Es gibt keine Nachfragen der Teilnehmer und Langmann verlässt den Raum.

„Ich lasse mir von diesem linksgrünen Abschaum nicht das Geschäft kaputtmachen!“ Doktor Preuss ist ausser sich. Danach herrscht Sprachlosigkeit.

Willington steht auf. Er zieht seine teure Designerlederjacke aus. Seine frühe sportliche Karriere als Ruderer ist nicht zu übersehen. Er trägt einen Rollkragenpullover mit dem Wappen des Leander Ruderclubs London. An der Bar holt er sich einen Whisky, geht zurück auf seinen Platz. Er setzt sich aber nicht, sondern guckt auf die Runde herab.

Er hat sich kaum an den Diskussionen beteiligt, sondern nur intensiv zugehört. Ab und zu kaum merklich genickt oder mit dem Kopf geschüttelt. Man sagt ihm ein außergewöhnliches Gedächtnis nach. „Gentlemen!“,sagt er und hebt die Hand. Er spricht perfekt deutsch, allerdings lässt sich sein englischer Akzent nicht verbergen. „Wenn der Kreis von Neuendorf über das gesprochen hat, wovon wir ausgehen, sind wir AM ARSCH, wie das so schön auf deutsch heißt. Unsere Umsätze werden dramatisch fallen, die Aktienkurse einbrechen.“

Er blickt jeden Teilnehmer genau an. „Wieviel verdienen sie im Jahr? Fünf Millionen oder gar sieben Millionen? Das wird vorbei sein. Ebenso unser Einfluss auf die Politik. Die Politiker sind unsere Marionetten. NOCH! Ich will jetzt nicht die gesamten Gesetze aufzählen, die wir beeinflusst oder verhindert haben. Wie viele verwöhnte, unfähige Politikerkinder haben in unseren Unternehmen gutdotierte Positionen.“

Wieder der Blick in die Runde. „Unsere Unternehmen werden dramatisch an Bedeutung verlieren und unser Einfluss auf die Politik würde ins Bodenlose fallen. Wir wären nichts mehr als ein mittelständiger Handwerksbetrieb.“

Er macht eine Pause. „Das heißt“, wiederum eine Pause, eine nicht enden wollende Pause. Alle schauen Willington erwartungvoll an. „Wir müssen diese Männer stoppen.“

„Mit einer Kalaschnikov?“, fragt Doktor Preuss spöttisch, wie immer.

Die Blicke von Doktor Preuss und Willington treffen sich und verharren. Doktor Preuss ist der Erste, der begreift, was gemeint ist. Dann einer nach dem Anderen. Keiner im Raum braucht es aussprechen. Jeder hat begriffen, was der Engländer gemeint hat.

An Schmidtke gewandt, fährt Willington fort: „Wenn ihr Herr Langmann wirklich so loyal und verschwiegen ist, wie sie meinen“, Willington guckt Schmidtke eisern an, „dann werde ich den Kontakt mit einem Mann namens Hassan in London herstellen. Er trifft sich in London mit diesem Hassan und schildert unser Problem. Hassan kennt Leute, die unser Problem lösen werden. Diskret und vor allem gründlich.“

Man kann die berühmte Stecknadel fallen hören. So still ist es im Raum. Jedem gehen unendlich viele Gedanken durch den Kopf.

Sie haben alle schon Politiker, Journalisten oder andere Entscheidungsträger bestochen, beziehungsweise, Männer von Welt, wie sie, lassen bestechen. Gegen Gesetze zu verstoßen und andererseits auf deren Einhaltung zu pochen ist ein Teil ihres täglichen Geschäftes. Genauso wie Preisabsprachen oder Einflussnahme auf politische Entscheidungen.

Bei Probebohrungen in Afrika oder Südamerika geht man rücksichtslos mit den Bewohnern um. Mord und Vertreibung nehmen sie schulterzuckend zur Kenntnis.

Umweltaspekte werden ignoriert oder verschleiert. Es sei denn, in der Umgebung ihrer prächtigen Villen. Sie kümmern sich nur um den Gewinn und um die damit verbundene Macht.

Aber, sie lassen machen. Jetzt müssen sie entscheiden. Mal wieder. Das eiserne Schweigen dauert drei, vielleicht vier Minuten.

Dann fragt Willington, jetzt mit neutraler Stimme: „Soll ich den Kontakt zwischen Langmann und Hassan herstellen?“

Die Teilnehmer gucken einander an. Erst vorsichtig, wie Boxer zu Beginn der ersten Runde. Dann nach und nach vernimmt man ein einvernehmliches, immer deutlicher werdendes Nicken.

Alea iacta est.

„Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, meine Herren?“, Schmidtke unterbricht das Schweigen und geht in einen geschäftsmässigen Ton über, „ich würde mich jetzt gerne vor dem Abendessen eine Stunde auf mein Zimmer zurückziehen.“

Während sich Schmidtke, Willington und Greenhoff eine Stunde auf ihre Zimmer zurückziehen, teils für ein Nickerchen, bleibt Preuß in seinem Sessel und liest das Handelsblatt.

Vier Mitarbeiter eines Sternerestaurants drappieren, streng abgeschirmt, in einem anderen Salon das Abendessen für die Vorstandsvorsitzenden: Meeresfrüchteravioli mit Kammuscheln, Filet Wellington und geeistem Portwein-Melissen-Schaum.

Während besagter Neuendorf etwa 120 Kilometer entfernt nach den Spiel seiner Hobbymannschaft im Blockhaus sein verdientes Bier trinkt, unterhalten sich die vier Manager locker bei Chateau Petrus und Champagner.

Selbst Doktor Preuß erzählt eine Anekdote über seinen jüngsten Enkel.

Sonntagmorgen

Alle Teilnehmer haben gut geschlafen. Sie kommen bei Kaffee, Espresso und sündhaft teuren Häppchen noch einmal kurz im Salon zusammen.

„Und sie,“, Willington spricht Doktor Preuss an, „haben doch so gute Kontakte zur Politik.“ Willington guckt in ein fragendes Gesicht. „Sie können uns über den Stand der Ermittlungen bei der Polizei auf dem Laufenden halten. Der Polizeipräsident ist doch auch Mitglied der Konservativen.“

Preuss ist es nicht gewohnt, Anweisung entgegen zu nehmen. Aber er weiß, wie wichtig diese Informationen sein können. „Ich halte sie auf dem Laufenden“, ist die knappe Antwort.

Dann löst sich die Gruppe auf. Alle haben es eilig nach Hause zu kommen. Doktor Preuss verlässt das Gebäude. Vor dem Haupteingang steht schon sein Wagen. Der Fahrer hält ihm wortlos die Tür auf.

Doktor Preuss nimmt auf der Rückbank platz. Auf der Rückfahrt liest er, wie üblich, in irgendwelchen Akten und macht sich Notizen. Der Fahrer sieht im Innenspiegel einen erheblich entspannteren Vorstandsvorsitzenden als auf dem Hinweg.

Noch am gleichen Abend erhält Langmann einen Anruf. Dem kurzen Gespräch folgt eine Einladung. Nach London.

1. Der Schachspieler

Definition: Das Endspiel beim Schach. Quelle: Schachlexikon

Von einem Endspiel ist die Rede, wenn sich in einer Partie die Figurenanzahl stark reduziert hat, im üblichen Sprachgebrauch etwa bis zu maximal 3 Figuren pro Seite. Die Anzahl der Bauern ist für die Bezeichnung ohne Belang. Materielles Übergewicht macht sich im Endspiel stärker bemerkbar und Bauern haben eine realistische Chance auf eine Bauernverwandlung.

Es ist der 68. Zug. Neben den beiden Königen sind bei Weiß nur noch zwei Bauern und ein Springer, bei Schwarz noch 2 Bauern und ein Läufer im Spiel. Aber der schwarze Läufer hat den weißen Springer so eingeklemmt, dass dieser quasi wirkungslos ist.

Die Könige stehen sich in der so genannten Opposition gegenüber. Der weiße König muss im nächsten Zug die dritte Linie räumen und der schwarze König kann binnen weniger Züge die weißen Bauern schlagen und seinen b-Bauern in eine Dame umwandeln.

Er hat auf auf der Schachplattform Lichess Tamas Kharchiladze geschlagen. Zum dritten Mal nacheinander. Kharchiladze ist nicht irgendein Schachspieler, sondern ein georgischer Grossmeister mit einer ELO-Zahl von 2498.

Sie spielen im virtuellen Raum. Die meisten Spieler geben, wie der Georgier, ihren richtigen Namen an. Man kennt sich in der Community..

Schmunzelnd liest der Schachspieler den Kommentar seines Gegners.

„Who the hell are you?“ Er gibt seinen Namen nicht an. Er spielt unter einem Pseudonym. Immer. Seit Jahren hat er immer nur gegen Computer oder Gegner aus dem Internet spielen können. Anonym.

Das liegt an seinem Beruf. Beruf ist sicher nicht der richtige Ausdruck für das was er seit seinem 17. Lebensjahr getan hatte. Er war bei der britischen Armee. Für England und die Königin. Immer in hochgefährlichen Einsätzen an vorderster Front. Dann für ihn unbekannte Auftraggeber einer, in Fachkreisen bekannten, Sicherheitsfirma und jetzt, und es sollte das letzte Mal sein, für sich.

Er hat einen Traum. Er will wieder in seine Heimat. In das schöne Northumberland. Ein kleiner Halbtagsjob. Selbst wenn er bei Tesco nur Regale einräumen würde. Egal. Er hat Geld an die Seite gelegt. Eine Menge Geld. Bei der Armee gab es nur Lob und Auszeichnungen, bei der privaten Sicherheitsfirma aber 750 Dollar pro Tag. Die Firma streicht sich allerdings für einen Mann mit seinen Qualitäten 1.500 Dollar pro Tag ein. Aber das hat ihn nie gestört.

Northumberland, die am dünnsten besiedelste Landschaft in England. Zwischen Newcastle, der schottischen Grenze und der herrlichen Heritage Coast.

Das ist der Sehnsuchtsort des Schachspielers. Für diesen letzten Auftrag hat man ihm viermal 20.000 Pfund geboten. Er kennt seinen Auftraggeber nicht. Natürlich nicht. Nur seine Zielobjekte.

Diese hat ihm dieser Langmann benannt. Langmann besorgt alles, was er braucht. Und er braucht sehr spezielle Sachen. Das bringt ihn schon manchmal zum Nachdenken über seinen Auftraggeber. Wer kann so einen Aufwand betreiben? Die sogenannte organisierte Kriminalität? Ist es eine offizielle Stelle? Egal.