Duftapotheke. Band 1-3 im Bundle - Anna Ruhe - E-Book

Duftapotheke. Band 1-3 im Bundle E-Book

Anna Ruhe

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Beschreibung

***Die ersten drei Bände des Kinderbuch-Bestsellers im Bundle*** In der alten Villa riecht es seltsam - nach tausend Dingen gleichzeitig. Es ist das erste, was Luzie an ihrem neuen Zuhause auffällt. Aber die Gerüche führen nirgendwohin und der Schlüssel, den Luzie unter einer Bodendiele findet, passt in kein Schloss. Gibt es in der Villa etwa ein verstecktes Zimmer? Gemeinsam mit ihrem kleinen Bruder Benno und dem Nachbarsjungen Mats macht sich Luzie auf die Suche. Als sie in den verborgenen Teil der Villa vordringen, trauen die Kinder ihren Augen kaum: Auf deckenhohen Regalen reihen sich zahllose Duftflakons aneinander, in denen es nur so schillert und sprudelt! Doch in den Fläschchen schlummern nicht nur schöne Überraschungen, sondern auch jede Menge Gefahren. Vor allem ein Flakon wäre besser für immer verschlossen geblieben… *** Ausgezeichnet mit dem "Leipziger Lesekompass" und dem Leserpreis "Ulmer Unke" ** Im Bundle enthalten sind: Die Duftapotheke. Ein Geheimnis liegt in der Luft (Band 1) Die Duftapotheke. Das Rätsel der schwarzen Blume (Band 2) Die Duftapotheke. Das falsche Spiel der Meisterin (Band 3)

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Seitenzahl: 802

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Impressum

© 2020 Arena Verlag GmbH Rottendorfer Straße 16, 97074 Würzburg Alle Rechte vorbehalten Cover und Illustrationen: Claudia Carls Gestaltung der Handschriften: Suse Kopp Lektorat: Anna Wörner E-Book-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmund, www.readbox.net ISBN 978-3-401-80916-8 Besuche uns unter: www.arena-verlag.de www.annaruhe.de

Anna Ruhe

Duftapotheke Bundle. Bände 1-3

Inhalt

Die Duftapotheke (1). Ein Geheimnis liegt in der Luft

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

Die Duftapotheke (2). Das Rätsel der schwarzen Blume

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

Die Duftapotheke (3). Das falsche Spiel der Meisterin

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

Anna Ruhe

Die Duftapotheke

Ein Geheimnis liegt in der Luft

Mit Illustrationen von Claudia Carls

 

 

 

 

 

 

Anna Ruhe wurde in Berlin geboren. Nach einem Abstecher an die englische Küste studierte sie Kommunikationsdesign und Illustration und arbeitete einige Jahre als Grafikdesignerin in großen und kleinen Designbüros. Spannende Geschichten hatte sie schon immer im Kopf, mit dem Schreiben begann sie nach der Geburt ihrer zwei Kinder. Mit ihrer Familie lebt sie in Berlin.

Claudia Carls erklärte in ihrer Kindheit abwechselnd, Schriftstellerin oder Künstlerin werden zu wollen, bis sich dieser Konflikt mit dem Beschluss, Buchillustration zu studieren, schließlich auflösen ließ. Als Diplom-Designerin lebt und arbeitet sie in Hamburg und gestaltet Bilderbücher, Kinder- und Jugendbücher, Sachbücher und Plakate.

 

 

Für Luk & Milo … wie immer und alles

 

 

 

 

1. Auflage 2018 © 2018 Arena Verlag GmbH, Würzburg Alle Rechte vorbehalten Cover und Illustrationen: Claudia Carls Gestaltung der Handschriften: Anna Ruhe ISBN 978-3-401-80752-2

Besuche uns unter: www.arena-verlag.dewww.twitter.com/arenaverlagwww.facebook.com/arenaverlagfans

www.annaruhe.de

 

1. Kapitel

Das Erste was mich weckte, war dieser seltsame Duft. Fremd und ziemlich intensiv wehte er um mich herum. Er kam nicht nur aus den Möbeln oder der dunklen Holzvertäfelung an der Wand. Er kam von überall.

Das Zweite war mein kleiner Bruder, der von unten nach mir brüllte.

»Luzie! Kooomm!«

Eisern zog ich die Bettdecke höher. Ich war einfach noch nicht bereit für das, was auf mich wartete. Außerdem war es viel zu früh zum Aufstehen, auch wenn die Vögel draußen schon wie verrückt vor sich hin zwitscherten und es in meinem Zimmer taghell war. Aber das lag vor allem an der blöden Oma-Gardine. Die hing nämlich nur vor der unteren Hälfte des Fensters. Mein erster Gedanke, als ich das hässliche Teil gestern bei unserer Ankunft gesehen hatte, war, es sofort nach dem Aufstehen verschwinden zu lassen. Schließlich war ich nicht hundertzwanzig wie dieser gehäkelte Lappen an der Stange. Aber dann dachte ich, wenn die Gardine es trotz ihres Aussehens geschafft hatte, dort hundert Jahre zu hängen, dann sollte sie wenigstens eine faire Chance bekommen.

Jedes andere Mädchen hätte bestimmt keinen einzigen Gedanken darüber verschwendet und einfach einen neuen Vorhang verlangt. Aber Ma hatte mir schon immer viel zu viel Respekt vor allem, was alt war, eingebläut. Manchmal sagte sie alberne Sätze wie: »Gebrauchte Dinge hüten Geschichten.« Ob irgendjemand diese Geschichten hören wollte oder nicht, interessierte sie dabei überhaupt nicht. War etwas alt, war es automatisch wertvoll. Punkt. Diesen Grundsatz stellte man in meiner Familie besser nicht infrage. Außer man wollte Ärger mit Ma bekommen. Und Ärger war nicht so mein Ding.

»Luuuzie! Früüühstück!«

Benno war wie immer hartnäckig.

Ich seufzte. Für meinen Bruder war unser Umzug ein riesiges Abenteuer. Die alte Villa, der Garten und der ganze altmodische Krimskrams. Alles war höllisch aufregend.

Klar, Benno war ja auch erst fünf.

Ein letztes Mal betrachtete ich die Risse in der Stuckdecke und rutschte dann aus dem Bett. Meine erste Nacht in der Villa Evie hatte ich also schon mal hinter mich gebracht. Und so wie es aussah, würden noch Hunderte folgen.

Ich schlüpfte in Jeans und T-Shirt und stieg die Treppe runter. Dabei knarrte jede einzelne Holzstufe und kündigte mich Schritt für Schritt an.

Hier unten roch es genauso komisch. Irgendwie nach zu vielen Dingen gleichzeitig. Nicht unangenehm, aber definitiv komisch. Und dieser Geruchsmischmasch waberte mir gleichzeitig hinterher und entgegen. Er hing überall wie ein zu stark aufgesprühtes Parfüm, das Leute manchmal in engen Räumen wie Fahrstühlen zurückließen und dort einsperrten. Hoffentlich blieb er ab jetzt nicht auch an mir hängen und kündigte mich in Zukunft schon aus der Entfernung an, ob ich das wollte oder nicht.

Zum Glück gab es auch ein paar vertraute Gerüche, wie den Duft von heißem Toast, geschmolzener Butter und Kaffee, also drückte ich mich im Erdgeschoss zwischen den Umzugskisten durch Richtung Küche. Alle anderen in meiner Familie saßen längst am Esstisch. Benno leckte gerade die Marmelade von seinem Toast und kippelte auf seinem Stuhl.

»Marmelade pur zählt nicht als Frühstück!« Pa hörte sich an, als erwähnte er das heute nicht zum ersten Mal.

»Morgen«, sagte ich.

»Guten Morgen, mein Schatz!« Ma schlürfte ihren Kaffee und blätterte in einer Zeitung.

Es war also alles wie immer. Ich schnappte mir einen Toast, beschmierte ihn ebenfalls, so dick es ging, mit Marmelade und setzte mich neben Benno.

»Gut geschlafen?« Ma warf mir einen ihrer Blicke zu, die Eis zum Schmelzen bringen konnten. Normalerweise gelang ihr das. Heute nicht.

»Geht so«, nuschelte ich und biss in meinen Toast.

Pas rechter Mundwinkel schob sich nach oben. »Jaja, die erste Nacht ist immer die härteste. Bei uns im Schlafzimmer zieht’s wie auf einer Bergspitze. Mein Nacken ist steif wie ein Brett.« Übertrieben rieb er sich die Schulter. Dazu zog er eine selbstmitleidige Grimasse, als müsste er gleich sterben. So war Pa eben. Er versuchte, jede Situation mit einem Scherz zu retten. Aber auch mit denen biss er bei mir heute auf Granit.

»Wir hätten ja einfach zu Hause bleiben können«, sagte ich nur. »Oder wenigstens in ein richtiges Haus ziehen. Eins mit elektrischer Heizung zum Beispiel?«

Ma lachte ungläubig auf. »Wie bitte? Die Villa Evie ist ein Traum! Wir können froh sein, dass wir sie so günstig bekommen haben. Alle anderen Mädchen würden platzen vor Neid!«

»Ja, aber nur, wenn unser bröckeliges Museum nicht vorher zusammenkracht und sie unter sich begräbt.« Ich atmete einmal tief ein. »Und wenn ich ihnen erst erzähle, dass ich den Badeofen eine Stunde vorheizen muss, damit mal ein bisschen warmes Wasser aus dem Hahn kommt, dann platzen sie ganz sicher alle sofort vor Neid.«

»Luzie!« Ma klappte ihre Zeitung zu und funkelte mich an. »Das bisschen Vorheizen haben die Leute früher auch hinbekommen. Du solltest froh sein, dass die Villa Evie kein gesichtsloses Neubauhaus ist! Sie ist alt und genau deshalb ist sie so atemberaubend schön. Wer hat heutzutage schließlich noch einen antiken Badeofen?«

»Eben! Niemand!«

Ich verdrehte die Augen. Meine Ma arbeitete als Restauratorin, was bedeutete, dass sie alles anhimmelte, was verstaubt oder kaputt war. Am glücklichsten sah sie immer aus, wenn sie Altes wieder zum Glänzen brachte. Manchmal nannten wir sie deshalb nur Flohmarktkrankenschwester, aber nicht mal das ärgerte sie. Das Kleidungsstück, das ich an Ma am häufigsten sah, war ihr mit Farbe und Gips verschmierter Arbeitskittel. In dem saß, kniete oder lag sie oft in irgendwelchen Kirchen auf Baugerüsten und pinselte Wandgemälde nach, die außer ihr niemand mehr erkannte. In der Villa Evie gab es zwar keine Wandgemälde, dafür aber haufenweise gruftigen Kram, der – zugegebener Weise – ihre Hilfe ziemlich nötig hatte.

Ich beobachtete Benno, der die Gelegenheit genutzt hatte: Die Marmelade war in seinem Mund verschwunden und der Toast irgendwo unter dem Tisch. Jetzt stand er auf und machte sich auf die Suche nach seinem Lego. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen, um ihn nicht zu verraten.

»Leider hat der Bäcker hier am Samstag nur vormittags geöffnet.« Ma nahm einen letzten Schluck aus ihrer Tasse und sah mich an. »Wir brauchen dringend noch ein Brot für morgen. Ich weiß, du bist gerade erst aufgestanden, aber wir müssen so viel …«

»Jaja, ich mach das schon. Kein Problem.« Seit letztem Jahr zählte es zu meinen Aufgaben, am Wochenende zum Bäcker zu gehen.

»Danke, mein Schatz«, flötete Ma mir zu. »Die Bäckerei ist gleich die Straße runter, nur bis zur Kreuzung.«

»Okay.« Schnell stellte ich meinen Teller ins Waschbecken. Eigentlich war ich ganz froh über einen Grund, vor die Tür zu kommen.

Beim Zähneputzen überlegte ich einen Moment, wie ich am schnellsten meine Haare zu einer Frisur überreden konnte. Aber auch heute fiel mir zu meinen dunkelblonden Schnittlauchlocken nicht viel ein. Also machte ich mir einfach einen Zopf. Das war erstens nichts, womit man übermäßig auffiel, und zweitens ging es schnell.

In der Diele griff ich mir das Geld, das Ma mir hingelegt hatte, schlüpfte in meine Turnschuhe und ließ die Eingangstür nach einem »Bis gleich!« hinter mir zufallen. Die vier Stufen unserer Veranda sprang ich nach unten und lief den Lavendelweg entlang Richtung Bäcker. Rechts und links reichten mir die Gartenzäune nur bis zum Knie, was echt ungewohnt war für ein Großstadtkind wie mich.

Zum Bäcker war es wirklich nicht weit. Das Schild mit dem aufgemalten Croissant erkannte ich schon von Weitem. Am Ende des Lavendelwegs öffnete ich die Ladentür und erschreckte mich kurz über das Bimmeln einer Messingglocke über mir. Der Raum war altmodisch eingerichtet, eng und die Leute drängelten sich. Ein richtiger Tante-Emma-Laden! Ich mochte unseren neuen Bäcker sofort und stellte mich ans Ende der Warteschlange. Es roch herrlich nach warmen Brötchen, Vanille und Zimtschnecken.

Vor mir standen zwei Jungs, von denen sich einer zu mir umdrehte. Er war fast einen Kopf größer als ich und bestimmt zwei Klassen über mir. Bevor ich weggucken konnte, hob er eine seiner Augenbrauen. Sofort wurde mir warm. Jetzt fing er auch noch an zu grinsen. Hoffentlich lief ich nicht gleich wieder rot an! Das konnte ich nämlich super, wenn mir etwas unangenehm war.

»Hi«, sagte er. »Bist du neu hier?«

Zack! Sofort begann sich mein Körper in ein Streichholz zu verwandeln. Stocksteif und mit knallrotem Kopf.

»Ähm … wir sind gestern in die Villa Evie gezogen«, sagte ich, um einfach irgendwas zu sagen. »Das ist das alte Haus mit dem –«

»Echt jetzt? Du wohnst in der Villa Evie?« Der Junge riss die Augen auf und stieß den dunkelhaarigen Jungen neben ihm in die Seite. Dann grinste er noch breiter. »Hey, Mats, was sagst du dazu? Die wohnt neben uns, in deiner geliebten Gruselvilla!«

Gruselvilla? Na, das fing ja toll an. Noch keinen Tag hier und schon war es für einen Lacher gut, dass ich in der Villa Evie wohnte. Ich holte tief Luft und kniff die Lippen aufeinander.

Mats, der Junge mit den dunklen Locken, verzog nur ärgerlich den Mund. »Halt doch die Klappe, Leon!«

Der Blonde lachte und klopfte Mats auf die Schulter. »Hör nicht auf ihn«, meinte er und drehte sich wieder zu mir. »Mein Bruder ist von der Villa Evie total besessen. Bestimmt kommt er dich jetzt ständig besuchen und will dann jedes Mal eine Führung durchs Haus bekommen.« Kurz beugte er sich ein Stück näher und flüsterte: »Um das ›große Geheimnis‹ zu lüften.«

»Mann, du nervst!« Mats lief jetzt genauso rot an. Aber bei ihm sah es mehr nach Wut als nach Verlegenheit aus. Für den Bruchteil einer Sekunde warf Mats mir einen Blick zu, den ich schwer deuten konnte. Dann drehte er sich einfach zu der Frau hinter der Theke um. »Äh, hallo. Sechs Brötchen, zwei Croissants und ein Krustenbrot, bitte.«

Leon grinste mich weiter an. »Und? Hast du auch einen Namen, Mädchen aus der Villa Evie?«

»Ja. Hab ich«, sagte ich nur und hob mein Kinn, weil mir das alles so unangenehm war. Im gleichen Moment bezahlte Mats und drückte Leon eine seiner Tüten in den Arm. Mit einem Nicken in meine Richtung verschwand er samt seinem Bruder durch die Ladentür. Schnell bestellte ich ein Brot und vier Hörnchen und tat so, als hörte ich Leons »Tschüss dann, Mädchen mit Namen!« einfach nicht mehr.

Zurück lief ich doppelt so schnell. Erst vor unserem Haus blieb ich stehen. Ich überlegte, was dieser Leon damit gemeint haben könnte, dass sein Bruder von der Villa Evie besessen war. Welcher Junge war bitte schön von einem alten Haus besessen? Und was meinte er überhaupt mit »Gruselvilla«? Langsam öffnete ich das Gartentor und sah an den Hausmauern hinauf.

Von außen betrachtet sah die Villa Evie eigentlich wie ein in Zuckerguss getauchtes und verziertes Minischloss aus. Zumindest wenn man ganz weit weg stand und dabei die Augen halb zukniff. Gestern bei unserer Ankunft hatte Ma ständig das Wort »zauberhaft« geflötet und dabei auf die gusseisernen Schnörkel-Geländer, die endlosen Fenstersprossen und bunten Glasscheiben gezeigt.

Aber spätestens wenn man direkt davorstand, war klar: Die Hütte war einfach nur kurz vorm Zusammenkrachen. An allen Ecken bröckelte die Fassade, die Fenster schlossen kaum noch, der Lack blätterte, es roch superkomisch und überall wucherte wilder Efeu die Hauswände und Glasscheiben hinauf. Aber das Schlimmste von allem war der Ort, an dem die Villa stand. Ganze sechs Stunden hatten wir uns im Auto gelangweilt, bis wir endlich hier angekommen waren – irgendwo kurz vor der holländischen Grenze in einem verträumten Kleinstadt-Nirgendwo. Mit fünf fand man solche Umzüge vielleicht lustig, aber mit dreizehn? Bestimmt nicht!

Langsam ging ich auf die Veranda vor der Eingangstür zu. Hätte Pa sich nur nicht mit dem Direktor seiner Schule verkracht, dann hätte er nicht nach freien Stellen für Musiklehrer gesucht und er hätte niemals vorgeschlagen umzuziehen. Und ich würde jetzt nicht im Lavendelweg 33 von Schnarchhausen hocken.

Wie so oft stellte ich mir vor, was wäre, wenn ich geheime Superkräfte hätte, mit denen ich alles verändern könnte. Da gab es nämlich ein paar Dinge. Als Erstes würde ich natürlich jemand sein, der nicht immer gleich rot anlief. Ich würde nie mehr vor mich hin stammeln, wenn mich jemand anquatschte, und mir müsste nichts mehr peinlich sein.

Vor allem aber würde ich mich zurück in mein altes Zuhause zaubern.

Aber leider konnte ich nicht zaubern und Superkräfte hatte ich erst recht keine. Ab jetzt würde mein Leben also nicht nur langweilig werden, ich war auch noch völlig allein.

Mit Gänsehaut auf den Armen dachte ich an die bevorstehende Zeit, in der ich auf die Schule gehen würde, in der mein Papa unterrichtete. Sehr viel uncooler konnte es gar nicht mehr werden. Schnell schob ich den Gedanken beiseite. Jetzt waren erst mal Sommerferien und ein bisschen Schonfrist hatte ich noch, jedenfalls wenn ich diesen Leon nicht mehr traf.

Ich griff nach meinem Handy, aber es war das Gleiche wie gestern: kein Empfang. Ich konnte also nicht mal meiner besten Freundin Mona ein paar »Bruchbuden«-Fotos von hier schicken und auf Mitleid hoffen. Ich seufzte. Wenn Mona nur nicht in Berlin und Hunderte von Kilometern weit weg wohnen würde, dann wäre alles halb so schlimm. Was machte ich jetzt plötzlich ohne sie? Ob ich schon anrufen konnte? Aber bestimmt lag sie noch im Bett. Wenn keine Schule war und Mona nicht aufstehen musste, tat sie es auch nicht so schnell. Außerdem war sie, genau wie jede Sommerferien, mit ihren Eltern in Italien. Ich tröstete mich damit, dass es eh zu teuer war, dort anzurufen, und steckte mein Handy wieder weg.

So gut es ging, verscheuchte ich meine Gedanken und sah zu Benno, der im Vorgarten einen Ball hin und her kickte. Also legte ich erst mal die Brötchentüte neben der Haustür ab, setzte mich auf die Stufen unserer Veranda und sah ihm zu.

Über mir klapperte ein Emailleschild im Wind. Die Buchstaben darauf waren angeschlagen und nur noch schwer zu entziffern. Die Augen sind der Schlüssel zur Seele, aber die Nase ist das Tor, las ich mit Mühe.

Nase? Sollte das eine Anspielung auf die vielen seltsamen Gerüche im Haus sein? Ein komisches Gefühl machte sich in meinem Magen breit. Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob ich das alles lustig oder doch ein bisschen unheimlich fand.

Wo waren wir hier nur hingezogen?

 

2. Kapitel

Noch während ich über den Spruch auf dem Schild nachdachte, klapperte es neben mir. Ich drehte mich zur Seite und entdeckte Hanne van Velden im Vorgarten.

»Einen ganz wundervollen, schönen guten Morgen!« Sie winkte mir mit ihrer Gartenschere in der Hand zu.

»Morgen«, antwortete ich und zwang mich zu einem Lächeln. Aber Hanne kümmerte sich längst wieder um ihre Rosensträucher und schnitt die vertrockneten Blüten ab.

Hanne van Velden war die Erbin der Villa Evie und unsere Mitbewohnerin. Na ja, zumindest fast. Sie hatte meinen Eltern den größten Teil der Villa verkauft. Nur die ehemalige Dienstbotenwohnung im seitlichen Teil des Erdgeschosses hatte sie behalten. In der wohnte sie angeblich schon seit Ewigkeiten, weil sie die ganze Villa zu groß für sich allein fand und keine Lust mehr hatte, sich darum zu kümmern.

Hanne war eine »etwas durchgeknallte, aber liebenswürdige Dame«. Zumindest hatte Pa das bei unserem Einzug in mein Ohr geflüstert. Mit ihrer flatternden Blumenbluse, den vielen Perlenketten um Hals und Handgelenke wirkte sie, wie aus einem anderen Jahrhundert übrig geblieben. Hoffentlich war sie nicht so altmodisch, wie sie aussah, und meckerte bei jeder Gelegenheit gleich rum. Mit alten Damen in Erdgeschosswohnungen war ja meistens nicht zu scherzen – auch so ein Spruch von Pa. Aber zum Glück ließ Hanne mich gleich wieder in Ruhe.

Benno verschwand mit seinem Ball hinterm Haus, also stand ich auf und lief ihm nach. Unter meinen Sohlen knirschte der Kies. Ich blinzelte und schaute an den verwaschenen Backsteinmauern hinauf zum Dach. Moos wuchs überall auf den Ziegeln und ein Blitzableiter schwankte besorgniserregend auf der Hausspitze.

Hinter mir auf dem Kopfsteinpflaster vor der Villa Evie bremste plötzlich ein Auto und hupte. Ich drehte mich um und hoffte für eine Sekunde, dass Mona gleich auf mich zustürzen würde. Aber aus der dunklen Limousine stieg nur eine ältere Frau. Ich drehte mich enttäuscht weg. Das musste Besuch für Hanne sein.

»Was hupen Sie hier rum? Gibt es irgendeinen Grund dafür?« Hanne klang ziemlich gereizt. Okay, befreundet waren die beiden also doch nicht.

Ich blieb erst mal stehen und schaute zum Auto. Die Frau war gar nicht selbst gefahren. Vorne am Steuer saß ein Chauffeur. Mannomann! Der trug einen dunklen Anzug und sogar Handschuhe und die Frau sah noch übertriebener aus. Und mindestens zwanzig Mal so altmodisch wie Hanne! Sie hatte echt ein violettes bodenlanges Samtkleid an, das so aussah, als gehörte es eigentlich einer vor hundert Jahren ausgestorbenen Schlossherrin. War heute irgendwo ein Karnevalsumzug?

»In der Tat gibt es einen Grund!« Die verkleidetet Lady ging auf das Gartentor zu. »Ich suche einen Herrn Boer, wenn Sie gestatten. Wäre es möglich, mich zu ihm zu geleiten?«

Ge…leiten? Ich kicherte in mich hinein. Die war ja schräg.

Hanne winkte sie barsch weiter. »Gehen Sie einfach nach hinten durch. Willem treibt sich bestimmt irgendwo im Gewächshaus rum. Sie finden ihn schon selbst.«

»Besten Dank.« Die Lady raffte ihren Rock und öffnete unser Gartentor. Mit erhobenem Kopf stolzierte sie an mir vorbei und ich überlegte, wie lange sie wohl für ihre kringelige Hochsteckfrisur unter dem winzigen Hütchen gebraucht hatte.

Nur ganz kurz sah sie mich im Vorbeigehen an und sofort strömte mir ihr schweres Parfüm entgegen. Oh Mann, roch das muffig! Irgendwie dunkel und erdig. Ugh! Das war doch kein Duft, den man sich freiwillig aufsprühte?

Als ich meinen Hals nicht mehr weiter verdrehen konnte, um sie zu beobachten, schlich ich ihr nach. Auf dem Rasen hinter dem Haus hielt Benno seinen Ball gerade unter dem Arm und sah zu einem älteren Mann in dreckverschmierter Latzhose hinauf. Er stand ungefähr einen Meter von Benno entfernt. Sein halbes Gesicht bedeckte der Schirm eines abgeschabten speckigen Basecaps. Ich erkannte nur seinen Mund und der sah so aus, als gebe er unfreundliche Töne von sich. Genau verstand ich sie nicht, aber seine Handbewegung machte unmissverständlich klar, dass Benno woanders spielen sollte.

»Hey, Benno, komm mal her!« Ich winkte meinen kleinen Bruder zurück und warf dem Alten einen bösen Blick zu.

Von einem Gärtner, der sich um das Gewächshaus hinter der Villa Evie kümmerte, hatte ich schon gehört. Auch dass es für uns alle strengstes Tabu war und nicht mehr zur Villa dazugehörte.

Dieses Gewächshaus war wieder so eine Sache. Fast das komplette Grundstück hinter der Villa Evie bestand aus einem uralten Glashaus von der Größe eines Einfamilienhauses. Eine »viktorianische Schönheit«, hatte Ma das Ding genannt. Okay, es war zugegeben ganz hübsch, ich verstand nur wirklich nicht, wieso es so riesig war.

Benno stapfte mir schlecht gelaunt entgegen, während sich der alte Mann an sein Basecap tippte und die Lady fast unterwürfig ins Gewächshaus führte.

Was die beiden wohl zu besprechen hatten?

Als ich mich wieder umdrehte, hatte Benno schon was Neues entdeckt. Jemanden, um genau zu sein. Gegenüber auf dem Nachbargrundstück ließ dieser Mats, der Junge, der angeblich besessen war von unserem Haus, einen Basketball hüpfen. Na super, die zwei Jungs wohnten also wirklich nebenan.

Ich spürte, dass er mich aus den Augenwinkeln beobachtete. Am besten, ich tat erst mal so, als hätte ich ihn nicht gesehen. Auf die Art konnte ich ihn prima ignorieren. Ich starrte geradeaus auf den Kiesweg und ging schnell weiter. Nichts wie weg, bevor ich mich noch mit ihm unterhalten musste. Bestimmt fiel mir nach einem »Hallo« sowieso wieder nichts ein.

Aber Benno lehnte schon am Gartenzaun und rief: »Haaallo? Was machst duuu?«

Mats lächelte, als hätte er nur auf das Stichwort gewartet, und kam näher. »Basketball spielen. Willst du auch mal?«

Benno juchzte vor Freude und kletterte sofort über die kniehohen Holzlatten auf das Nachbargrundstück. Geschlagen verabschiedete ich mich von meinem Plan, Mats zu ignorieren, und ging Benno hinterher. Mit genügend Sicherheitsabstand blieb ich hinter dem Zaun stehen.

Ich tippte darauf, dass Mats ungefähr in meinem Alter war, auf jeden Fall war er der jüngere der zwei Brüder.

Es war gut, dass ich mir Zeit gelassen hatte. Mittlerweile machte Mats Benno vor, wie man den Ball zum Korb hochwerfen musste, um ihn durchs Netz zu bekommen. Mats schaffte es jedes Mal und ein kleines bisschen nervte mich das. Es wäre zwar albern gewesen, wenn er mit Absicht danebengeworfen hätte, aber ich fand es trotzdem angeberisch von ihm.

Ich blieb erst mal, wo ich war, schob meine Hände in die Hosentaschen und beobachtete die beiden. Mats trug eins dieser bunten Basketballshirts aus Nylon, das hinter ihm herflatterte, wenn er rannte.

»Ihr seid also die Alvensteins, die neuen Nachbarn?«, rief er zu mir rüber und strich sich dabei durch seine kurzen dunklen Locken.

Ich nickte nur, weil er seine Frage und die Antwort darauf bereits in einen Satz gepackt hatte.

»Sorry wegen Leon vorhin«, redete er einfach weiter. »Vergiss, was er gesagt hat. Er kann ein ziemlicher Idiot sein.«

Da konnte was dran sein. Aber ich fragte mich trotzdem immer noch, was Leon vorhin genau gemeint hatte mit der »Gruselvilla«. Nachhaken wollte ich aber auch nicht, also hob ich nur die Schulter. »Ist schon okay.«

»Ich bin übrigens Mats, aber das weißt du ja schon.« Er lächelte und in seinen Backen tauchten Grübchen auf. »Und du?«

»Luzie. Und der Kurze heißt Benno.« Ich lächelte knapp zurück. »Hilf meinem Bruder nachher wieder über den Zaun, wenn ihr fertig seid, ja?« Damit nickte ich Benno zu und verdrückte mich Richtung Haus.

Hanne stand nach wie vor an den Rosensträuchern und schnitt einen verblühten Ast nach dem anderen ab.

»Ich wünschte, ich könnte sie noch einmal riechen«, sagte sie ganz plötzlich in meine Richtung.

Verwundert drehte ich mich zu ihr um. »Was möchten Sie gern riechen?«

»Meine Rosen natürlich.« Hanne winkte mich zu sich hinüber. »Als Kind habe ich den Duft so geliebt, weißt du?«

Ich ging zu ihr an die Sträucher. Hanne hielt mir eine der dicksten rosa Blüten hin. Also beugte ich mich vor und atmete den zarten Duft aus Sommer und Leichtigkeit ein. Die Rosen rochen wirklich gut, genau so, wie Rosen es eben taten.

Ich deutete leicht irritiert auf die Blüte. »Was ist so besonders an ihnen?«

»Ach, nichts im Grunde.« Hanne betrachtete verträumt ihre Rose. »Ich rieche sie nur kaum noch. Mein Geruchssinn hat mich vor langer Zeit verlassen. Schlimm, nicht? Das Leben verliert irgendwie an Farbe, wenn man nichts mehr riecht. Selbst das Essen schmeckt nach nichts.«

»Oh, das tut mir leid.« Extra für sie roch ich deshalb noch einmal an der rosa Blüte.

Verzückt sah mich Hanne an. »Ach … nur ein einziges Mal den Duft von blühenden Rosen, von Lavendel oder Flieder riechen können … das wär’s. Als Kind konnte ich von den vielen Düften rund um das Haus nie genug bekommen.« Sie seufzte und warf mir einen langen Blick zu. »Wie gefällt es dir denn so in der Villa Evie?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Ist schon okay.«

»Schon okay?« Hanne hielt für einen Moment die Luft an. »Na, hör mal, Kindchen! Die Villa Evie ist ein ganz und gar einzigartiges Haus. Weißt du das denn gar nicht? Glaub mir, sie ist prall gefüllt mit Geschichten. Und Geheimnissen!«

In dieser Sekunde hatte sie meine volle Aufmerksamkeit. »Was denn für Geheimnisse?«

Aber Hanne schüttelte nur ihren Kopf und wandte sich einem neuen Rosenstock zu. »Manchmal direkt nach dem Aufwachen glaube ich, mich im Traum an etwas erinnert zu haben. Etwas, das ich vor sehr vielen Jahren im Haus entdeckt habe. Aber sobald ich wach bin, ist alles wie weggeblasen. Liegt bestimmt am Alter. Dafür scheint sich deine Mutter mit Leib und Seele auf die Suche nach den alten Geschichten im Hause zu machen, nicht?«

Ich verzog leicht genervt die Lippen und nickte. »Ist ihr Job. Sie findet alles toll, was alt ist. Je älter, desto besser.«

Hanne seufzte wieder und dabei klangen ihre Worte, als hätte sie mir gar nicht richtig zugehört: »Mir hat die Villa Evie nicht viel Glück gebracht. Ich habe in diesem Haus nur verlernt, die Dinge um mich herum zu riechen. Eigentlich bin ich froh, dass ich mich nicht mehr um das Haus kümmern muss. Aber es ist schön zu sehen, dass deine Mutter darin so aufgeht.«

»Na ja …«, fing ich an, aber da knirschten plötzlich die Sohlen der verkleideten Lady über den Kiesweg. Ihre Limousine wartete immer noch vor der Villa.

Hanne nickte in ihre Richtung. »Guck mal, sie würdigt uns keines Blickes. Aber das tun die nie. Alle, die Willem besuchen kommen, sind schrecklich eingebildet.«

Ich hob meine Augenbrauen. »Bekommt Willem denn oft Besuch von solchen Leuten?«

»Nein, das nicht. Aber alle von denen tragen ihre Nasenspitze viel zu hoch in der Luft!« Hanne legte die Heckenschere in ihren Korb, während die Limousine davonfuhr.

Einen Moment lang schaute sie an der Villa Evie hinauf, als wäre ihr plötzlich wieder etwas eingefallen. Aber dann griff Hanne sich schon ihren Korb und nickte mir zum Abschied zu. »Also dann, es war nett, mit dir zu plaudern, Lizzie.«

»Luzie«, murmelte ich und sah ihr nach, bis sie hinter ihrer eigenen Wohnungstür seitlich im Haus verschwand – während in meinem Kopf nur noch die Worte »Gruselvilla« und »Geheimnisse« umherschwirrten.

 

3. Kapitel

Am nächsten Tag machten wir uns daran, die Berge von Umzugskisten auszuräumen und die Villa Evie in etwas zu verwandeln, was grob an unser Zuhause erinnerte. Aber jedes Mal wenn ich endlich eine Kiste ausgeräumt und für all die Dinge darin einen neuen Platz in den Schränken und Regalen gefunden hatte, stand nur die nächste Kiste vor mir und alles fing wieder von vorn an.

Ding-Di-Dong!

Oh Mann. Schon seit Stunden schrillte die Türklingel und irgendein neuer Nachbar stand vor unserer Haustür. Wer war es wohl diesmal? Ich öffnete die Tür und schaute in das Gesicht einer Frau, die freudestrahlend einen Gugelhupf vor sich hielt. »Ja bitte?«

»Einen schönen guten Tag«, trällerte sie. Hinter mir kam Ma an die Tür. Zum Glück.

»Ich wollte Ihnen ganz herzlich zum Einzug gratulieren!« Die fremde Frau drückte Ma den Kuchen in die Hand und reckte ihren Kopf in unseren Flur hinein. Offensichtlich versuchte sie, mit einem Blick so viel wie möglich von der Villa Evie in sich hineinzusaugen.

»Ich bin Silvia Norman von schräg gegenüber, das gelbe Haus.« Sie zeigte hinter sich auf irgendeins der Häuser, aber jetzt, da Ma da war, nutzte ich die Chance, mich schnell wieder zurück zu den Kisten zu schleichen. Benno war nämlich gerade damit beschäftigt, zwischen den Kartons herumzutoben, und schaffte es, unser Durcheinander in ein noch größeres Chaos zu verwandeln.

Plötzlich kam mir eine Idee.

»Wollen wir Entdecker spielen?«, schlug ich Benno vor, um ihn davon abzuhalten, alles noch kurz und klein zu treten. Und weil ich so vielleicht endlich herausfinden konnte, woher diese seltsamen Düfte kamen, die sich über jeden Zentimeter des Hauses gelegt hatten. Ob sie irgendetwas mit den Geheimnissen zu tun hatten? Mir ging einfach nicht aus dem Kopf, wie Hanne darüber gesprochen hatte. Sie hatte ihre Stimme gedämpft, wie jemand, der einem etwas Verbotenes erzählt.

»Hausentdecker?«

»Au ja!« Benno war sofort Feuer und Flamme.

»Dann los!« Ich verstellte meine Stimme, damit sie tief und schaurig klang. »Heute suchen und entdecken wir den geheimen Schatz der Villa Evie!«

»Jaaa!« Benno hüpfte vor lauter Aufregung über ein neues Spiel hoch und runter.

»Also gut.« Ich winkte ihn vom Flur durch die Küche. »Unsere Hausentdeckertour startet im Erdgeschoss!«

Hinter der Küche lag das frühere Esszimmer. In Zukunft würde hier aber kein Esszimmer mehr sein, sondern Mas Arbeitszimmer. An den Wänden stapelten sich schon die endlosen Bücher und Aktenordner zum Thema Epochen, historische Stilelemente und anderem alten Dekokram.

Ma freute sich riesig auf ihr erstes eigenes Büro und begrub den Esstisch unter ihren Pinseln, Schabern und Lappen. Ein ganzes Esszimmer brauchten wir eh nicht und wir vier an einem so langen Tisch beim Abendessen? Das konnte ich mir sowieso nicht vorstellen. Wir aßen zwar immer gemeinsam, darauf bestand besonders Pa, aber es war jedes Mal laut und wuselig und das ging am besten an unserem kleinen, runden Tisch. Pa hatte ihn in der Küche aufgebaut und genau da gehörte er auch hin. Manche Dinge durften sich einfach nicht verändern, weil sie einem dieses besondere Zuhausegefühl gaben.

Ich zog Benno weiter in die Diele, die uns an der Treppe vorbei in den Salon führte. Der Raum war so groß wie drei normale Wohnzimmer zusammen. Unsere kleine Couch mit den zwei Sesseln wirkte hier drin wie eine Puppenhauseinrichtung.

Eine Schiebetür aus buntem Glas führte in die Bibliothek. Alles in diesem Raum war aus Holz. Die Wände, die geschnitzten Bücherregale und das Parket. Selbst die Decke war mit quadratischen Holzplatten verkleidet. Bücher über Bücher reihten sich hier aneinander. Die Bibliothek hatten meine Eltern, genau wie ein paar andere Räume, mitsamt der ganzen Einrichtung gekauft. Ich strich mit den Fingern über ein paar der ledernen Buchrücken. Die meisten Titel waren aus goldenen Buchstaben gedruckt worden und auf fast allen stand etwas, das mit Pflanzenkunde, Aromen oder Düften im Allgemeinen zu tun hatte. Ich wischte mir den Staub von den Händen. Die Villa Evie war echt eine Reise in die Vergangenheit.

Zwischen zwei Lesesesseln stand ein alter Globus und mittig im Raum führte eine gusseiserne Wendeltreppe ins zweite Stockwerk. Benno interessierte sich nur für die Weltkugel, die fast so hoch war wie er selbst.

»Guck mal, Luzie!«, rief er. »Eine Riesenkugel mit Beinen.«

Ich lachte und ging zu Benno hinüber. »Das ist ein Globus und er steckt in einem Ständer.«

»Was ist ein Glubos?«

»Globus nennt man das Ding und es zeigt unseren Planeten in miniklein.«

»Aber die Kugel ist nicht mini, sondern fast so groß wie ich!«, protestierte Benno.

»Stimmt! Aber wenn unsere Weltkugel so groß wäre wie du, dann könnten wir auf der Erde keine Häuser bauen. Und darauf herumlaufen könnten wir auch nicht.«

Benno drehte ratlos am Globus und ich versuchte, ihm zu zeigen, wo wir uns darauf befanden. Nur leider war das unmöglich. Der Globus war nämlich gar keine Miniaturweltkugel, sondern etwas völlig anderes. Es waren überhaupt keine Kontinente darauf eingezeichnet, sondern etwas, das aussah wie ein Grundriss aus Pflanzenbeeten.

Was war das denn? So etwas hatte ich ja noch nie gesehen! Einige Pflanzen waren als Symbole auf der Kugel hervorgehoben. Ich versuchte, die Zeichnungen zu verstehen, aber Benno fand die komische Kugel dann doch langweilig und sprang die Stufen der Wendeltreppe hinauf.

»Komm!«, rief er, also folgte ich ihm. Gemeinsam klirrten wir beim Besteigen der metallenen Treppenstufen um die Wette.

Im ersten Stockwerk hatten wir doppelt so viel Platz. Hanne bewohnte ja nur das halbe Erdgeschoss, der erste Stock gehörte komplett zu unserem Teil der Wohnung.

Ich hatte keinen richtigen Überblick über die vielen verwinkelten Zimmer. Bei der Hausbesichtigung hatte Hanne uns hauptsächlich die »hübschen Details« der Villa gezeigt, wie sie es nannte: einen Speiseaufzug, verschnörkelte Türklinken, geschnitzte Blumen und Blüten auf allem, was aus Holz bestand, eine runde Badewanne, die auf vier silbernen Löwenfüßen stand, und so weiter und so fort.

Ich überlegte, wo der Speiseaufzug noch mal gewesen war, vielleicht passten Benno und ich ja hinein und konnten dann damit aus Spaß ein bisschen Fahrstuhl fahren?

Wieder schrillte die Türglocke.

»Das ist das Erste, was hier repariert werden muss!«, meckerte Pa durch den Flur. »Davon kriegt man ja einen Hörsturz.«

Benno lugte durch das Treppengeländer nach unten. »Wer ist daaaa?«

»Ein Junge von nebenan. Er sagt, er heißt Mats!«, rief Pa zurück.

Ich stockte. Wieso war der denn hier? Hatte Leon wirklich recht gehabt und Mats wollte jetzt von mir durch die Villa Evie geführt werden?

»Komm doch rein!«, trällerte Pa im nächsten Moment. »Luzie freut sich bestimmt, wenn sie hier so schnell Anschluss findet. Sie tut sich ja immer etwas schwer damit. Sie ist nämlich etwas schüch…«

»Hör auf!«, rief ich, so laut ich konnte, und beeilte mich, nach unten zu kommen, damit Pa mich nicht noch mehr blamierte. Das war nämlich neben der Musik sein zweites Spezialgebiet. Darin war er sogar einsame Spitzenklasse.

Unten hielt Mats uns zwar einen Basketball entgegen, sah mich gleichzeitig aber mit todernster Miene an. Was sollte das denn jetzt? Nach zusammen Spaßhaben sah das ja nicht gerade aus.

»Können wir rausgehen?«, fragte er.

»Klasse Idee!« Pa lehnte am Türrahmen, klatschte in die Hände und versuchte, trotz seiner ausgebeulten Cordhose und dem Vollbart so lässig auszusehen, als wäre er nur ein kleines bisschen älter als wir. »Unsere fleißigen Stubenhocker brauchen dringend mal ein bisschen frische Luft!«, lachte er.

Während Benno schon jubelte, lächelte ich verkniffen und wünschte Pa zusammen mit seinen Sprüchen an den Nordpol.

»Eigentlich waren wir gerade dabei, das Haus zu erkunden«, rechtfertigte ich mich.

Als Pa aus dem Zimmer ging, verdunkelte sich Mats’ Miene noch mehr. »Es ist aber wichtig!«

»Meinetwegen«, seufzte ich und folgte ihm.

Draußen lehnte ich mich misstrauisch gegen die Hauswand und schaute Mats und Benno zu, wie sie ihre erste Runde dribbelten. Benno himmelte Mats an, wie es nur kleine Jungs taten, wenn sich ein größerer für sie interessierte. Alles, was Mats sagte oder tat, war für Benno sofort Gesetz.

»Und?«, fragte ich schließlich, als Mats den Ball unter dem Korb auf und ab hüpfen ließ. »Was war jetzt so wichtig?«

»Ich will dich warnen«, sagte er knapp und da war er wieder: dieser ernste Blick.

Ich runzelte die Stirn. »Warnen … wovor?«

»Das Haus, in das ihr gezogen seid, ist …« Mats stockte kurz. »Hast du denn noch gar nichts bemerkt? Es gibt haufenweise Gerüchte über die Villa Evie – und ich glaube, ihr solltet davon wissen.«

Ich verschränkte meine Arme und sah ihn an. »Und was für Gerüchte genau, bitte?« Langsam glaubte ich Leon. Mats machte wirklich den Eindruck, als ob er von einer »Gruselvilla« besessen war.

Seine dunklen Augen fixierten mich, bevor er die Stimme dämpfte. »In der Schule haben sie mal erzählt, dass die Villa früher das Versteck eines Geheimbundes war. Irgendein Alchemisten-Orden, der sich heimlich versammelt hat, um giftige Pflanzentränke zu brauen. Andere meinen, dass ein Hexenmeister gefährliche Zaubertränke von hier in alle Welt verschickt hat und deshalb ein Fluch auf der Villa liegt. Manche glauben sogar an Geister, die im Haus herumspuken, und so Zeug. Die ganze Stadt … alle hier kennen unheimliche Geschichten über die Villa Evie. Außer euch wär niemand freiwillig da eingezogen. Nicht mal wenn Frau van Velden das Haus verschenkt hätte.«

Mir fiel die Kinnlade runter. Das also hatte Mats’ Bruder mit »Gruselvilla« gemeint? Hier sollte es ernsthaft spuken? Das war doch völliger Schwachsinn!

Neben mir fing Benno langsam an zu quengeln, weil er weiterspielen wollte, aber ich ignorierte ihn.

»Deshalb bekommen wir so oft Besuch? Alle wollen gucken, ob sie einen Geist finden?« Ich konnte nicht anders und prustete los.

Mats nickte, lachte aber nicht mit. »Ganz genau. Ich meine … klar, die Leute hier sind alle bloß neugierig, aber …« Er nahm einen tiefen Atemzug. »Die alte Hanne hat früher nie jemanden einfach mal so ins Haus gelassen. Nie! Ihr seid die Ersten. Das sollte euch doch zu denken geben.«

»Na ja, wir sind ja auch die neuen Hausbesitzer.« Ich schmunzelte, verkniff mir aber einen Kommentar dazu, dass Mats selbst ein gutes Beispiel für die neugierigen Leute hier war. »Also für mich klingt das nach abergläubischem Quatsch oder einfach nur nach schwer gelangweilten Nachbarn.«

Was in dieser winzigen Stadt auch kein Wunder war, fügte ich in Gedanken hinzu.

Hinter mir quietschte etwas und ich drehte mich um. Am Gartenzaun bremste der Postbote mit seinem Fahrrad und winkte uns zu.

»Post für die Villa Evie!«

Ich ging zu ihm rüber und nahm eine Postkarte und einen Umschlag mit ausländischen Briefmarken und Stempeln entgegen. Ich überflog den Namen, der fein säuberlich in schwungvollen Buchstaben auf den Brief geschrieben worden war. »Hier wohnt aber kein Daan de Bruijn.«

»Aber die Adresse stimmt«, erwiderte der Postbote.»Gebt Willem den Brief. Wie immer. Der nimmt alles für diesen Herrn de Bruijn entgegen. Der meint, er kennt den.«

»Willem, der Gärtner?«, fragte ich sicherheitshalber.

Der Postbote trat wieder in die Pedalen. »Genau, Willem Boer! Gebt ihm einfach den Brief.«

Ich sah dem Postfahrrad hinterher und drehte erst mal die Karte um. Vorne war ein Foto von einem menschenleeren weißen Strand und einem türkisblauen Meer drauf. Sofort bekam ich gute Laune und las.

Hi, Landei!Wie wohnt es sich denn so im neuen Schloss? Benimmt sich der Butler und kocht die Köchin auch gut? Ich will alles wissen! Ich bin schließlich schon seit einer Woche hier und will endlich hören, wie es dir geht. Meld dich doch mal und schick mir ein paar Angeberfotos vom Schloss. Ich vermiss dich! Mona

Ich kicherte über Monas Art, mit der sie seit Wochen versuchte, mir den Umzug leichter zu machen. Natürlich wusste sie längst, dass die Villa mehr Bruchbude als alles andere war. Glücklich drehte ich ihre Karte in meiner Hand und lief um das Haus herum zum Gewächshaus. Wenn man Willem irgendwo traf, dann wahrscheinlich dort. Aber heute war er nirgends zu sehen und die Tür zum Gewächshaus war geschlossen. Ein knallgelbes Schild mit der Aufschrift Betreten verboten! hing sperrig darüber. Ich ging trotzdem darauf zu und griff nach der dunkel angelaufenen Messingklinke. Die Glasscheiben des Gewächshauses waren dampfig beschlagen, weshalb man nicht ins Innere sehen konnte. Hinter mir knirschten Schritte im Kies.

Dann hörte ich Mats’ Stimme: »Du solltest da echt nicht reingehen.«

Ich drehte mich um und funkelte ihn an. »Hat dir schon mal jemand erklärt, was das Wort aufdringlich genau bedeutet?«

Mats hob abwehrend die Hände. »Ich bin nur an meiner Umwelt interessiert.«

Ich verzog das Gesicht und drehte mich wieder dem Gewächshaus zu. Von mir aus sollte dieser Nervtyp eben zugucken, wie ich einen Brief ablieferte. Ich drückte auf die Türklinke und betrat das Glashaus. Feuchte Luft schlug mir entgegen. Puh, war es hier drin schwül! Zwischen unzähligen Pflanzenbeeten standen Kübel mit Bäumen und exotischen Gewächsen. Weiter weg reihten sich auf langen, hüfthohen Tischen grüne Pflänzchen. Für einen Moment war ich fast geblendet von den Tausenden Blüten um mich herum. Wie ein magischer Regenbogen breiteten sie sich unter dem Glasdach aus. Noch nie hatte ich so viele fremde Blumen und knorrige Gewächse auf einmal gesehen. Kurz fühlte ich mich wie in einem verzauberten Märchenwald.

»Hallo?«, rief ich durch die Pflanzen, die an manchen Stellen fast bis zu meinen Schultern wuchsen. »Willem Boer? Sind Sie da?«

Als ich die ersten Schritte in den Gang machte, fielen meine Augen auf ein paar Pflanzenbeete, in denen kleine violette Blumen wucherten, die flach über die Erde rankten.

Ich wollte mich ihnen gerade entgegenbücken, als mich plötzlich jemand lauthals anbrüllte: »Was zum Henker erlaubt ihr euch!«

Vom anderen Ende polterte der Gärtner in schweren Stiefeln auf mich zu. Über seiner Schulter trug er eine Harke. Die Art, wie er sie trug, erinnerte mich an einen Baseballspieler. Instinktiv wich ich ein paar Schritte zurück und stolperte geradewegs in Mats hinein, der auf einmal hinter mir stand.

»Verschwindet, ihr Lausebälger!«

Lausebälger? Echt jetzt? Wer redete denn bitte heute noch so?

»Sie … sie hat einen Brief«, kam Benno mir zu Hilfe. Mein kleiner Bruder war uns also auch hinterhergeschlichen.

Der Gärtner blieb breitbeinig vor mir stehen. »Einen Brief?«

Wir standen uns so nah gegenüber, dass ich die frische Erde, in der er wahrscheinlich gerade gegraben hatte, stark an ihm roch. Obwohl. Seltsam – als ich auf seine Hände schaute, waren sie blitzsauber.

Ich streckte ihm den Brief entgegen. »Das nächste Mal können Sie ihn sich selbst bei der Post abholen.« Okay, normalerweise war ich eher schüchtern, aber unfreundlich sein? Das konnte ich auch!

Als hätte er Angst, ich könnte ihn wieder einstecken, riss mir der Gärtner den Brief aus der Hand. »Der ist für mich!« Seine Worte knurrte er so undeutlich, dass ich mir nicht sicher war, ob er nicht etwas anderes gesagt hatte.

Er ließ den Brief in der Brusttasche seiner grünen Latzhose verschwinden, als hätte es ihn nie gegeben. »Wagt es ja niemals, einen meiner Briefe zu öffnen! Und nun empfehlt euch gefälligst! Na los, raus hier! Mein Gewächshaus ist kein passender Ort für unartige Blagen, wie ihr es seid!« Der Gärtner wedelte mit einer Hand Richtung Tür. Es war die gleiche Handbewegung, mit der man lästige Fliegen verscheuchte.

Ich drehte mich ohne ein weiteres Wort um und stapfte davon. Die Jungs folgten mir schweigend im Gänsemarsch.

Draußen warf ich Mats einen fragenden Blick zu, aber er kam mir zuvor: »Siehst du? Ich hatte dich ja gewarnt!« Mats wurmte es anscheinend immer noch, dass ich ihn vorhin aufdringlich genannt hatte.

»Pfff! Normalerweise bedanken sich Leute, wenn man ihnen ihren Kram hinterherschleppt«, beharrte ich, obwohl sich langsam, aber sicher Zweifel in meinem Kopf auftaten.

Warum war es überhaupt verboten, das Gewächshaus zu betreten? Was stellte sich der Alte so an?

»Kooomm!« Benno reichte es und er zog Mats am T-Shirt, damit er endlich mit ihm Basketball spielte. »Du hast es versprochen! Und Versprechen muss man halten.«

»Na gut, Kumpel!« Mats strubbelte Benno durch die Haare und winkte mich hinterher.

»Ich komm gleich nach«, versuchte ich, mich rauszureden, und verdrückte mich eilig, bevor einer der beiden protestieren konnte. Als die Jungs außer Sichtweite waren, huschte ich zurück zum Gewächshaus und überlegte, wie ich mich seitlich an den beschlagenen Scheiben entlangschleichen konnte. Vielleicht entdeckte ich ja etwas, das Willems komisches Verhalten erklärte.

Zwischen dem Gewächshaus und der Villa Evie lagen bestimmt fünfzig Meter, aber zum Glück wucherte der Garten wild vor sich hin. Hecken und Büsche schoben sich ineinander und taten ihren Teil, dass ich zwischen ihnen verschwand. Ich kniete mich in ein Versteck aus Ästen und Blättern und wartete. Mitten im wuchernden Unkraut hatte ich Zeit, an den Scheiben hinauf zur Dachspitze zu sehen. Die Sonne spiegelte sich im Glas und warf mit Lichtfunken um sich. Zugegeben, das alte verschnörkelte Glashaus war, trotz all des Rosts daran, wirklich schön.

Drinnen war es jetzt völlig still, also traute ich mich näher heran. Ich schlich an der Wand des Gewächshauses entlang zur Hinterseite. Leider wuchsen die Büsche dort viel zu dicht, sodass ich nicht nah genug herankam. Außerdem waren die Glasscheiben komplett beschlagen. Wie feucht musste die Luft dadrin wohl sein? Absolut nichts konnte ich von außen erkennen.

Aber eine Sache fiel mir auf, als ich mich noch näher an die Scheiben drückte. Es war ein Geruch, der mir bekannt vorkam und der aus den Ritzen kommen musste. Ein Duft, der kräftig nach Erde und noch irgendetwas anderem roch. Etwas Unnatürlichem. Jetzt fiel es mir wieder ein! Nicht nur Willem hatte danach gerochen, sondern auch die verkleidete Frau, die ihn besucht hatte …

 

4. Kapitel

Auch am nächsten Tag klingelte es wieder an unserer Tür. Aber noch bevor sich irgendjemand in meiner Familie über den schrillen Ton der Klingel beschweren konnte, rief Benno lauthals: »Für miiich!«, und riss fröhlich die Haustür auf.

Tja, und da war er wieder. Offensichtlich wollte Mats nun endlich unsere berüchtigte Villa von innen sehen und ließ sich zuallererst von einem stolzen Benno das Kinderzimmer vorführen.

Wieso war ihm das so wichtig? Konnten ihm die Gerüchte um unser Haus nicht völlig egal sein? Dass es hier nicht wirklich Geister oder Hexenmeister gab, musste ihm doch klar sein.

Vorsichtig lugte ich durch die offene Kinderzimmertür und beobachtete Benno dabei, wie er seine Dinosaurier- und Piratenbücher auf dem Boden ausbreitete. Wenigstens schien Mats meinen kleinen Bruder ehrlich zu mögen, trotzdem bemerkte ich genau, wie er in die anderen Räume schielte.

»Und?« Ich lehnte mich an den Türrahmen. »Bist du jetzt enttäuscht, dass die Villa Evie doch nur irgendeine alte Bruchbude ist?«

Mats sah auf. »Äh … nö. Und nur irgendeine alte Bruchbude ist sie ganz sicher nicht.«

»Nicht? Was denn dann? Wieso interessierst du dich so wahnsinnig für das Haus?«

Jetzt war Mats derjenige, der nicht wusste, was er sagen sollte. An seinem Gesichtsausdruck konnte ich sehen, wie er angestrengt nach einer Erklärung suchte. »Also … sooo wahnsinnig interessiere ich mich gar nicht. Nur so wie alle anderen in der Stadt auch.«

»Na ja, Leon interessiert sich eher mäßig für die Villa, oder?«

Benno ließ seine Dinobücher los und stand auf. »Ich hab eine gute Idee! Wir spielen noch mal Hausentdecker, ja?«

Mats sah erleichtert aus. Ob das daran lag, dass Benno meine Fragen bremste, oder daran, dass er jetzt endlich das gesamte Haus gezeigt bekam, konnte ich schwer sagen. Andererseits, wenn es ihm so wichtig war, die Villa zu sehen, warum eigentlich nicht? Konnte mir ja egal sein, welchen Quatsch er sich dabei zusammenspann.

Also nickte ich. »Na dann spielen wir Hausentdecker, bevor Mats noch vor Neugierde platzt.«

Natürlich haspelte Mats irgendwas davon, dass er nicht platzen würde und schon gar nicht vor Neugierde, aber Benno zog ihn längst am Arm hinter sich her und hörte nicht weiter zu.

Als Erstes führte mein Bruder den Speiseaufzug vor. Dort hatte er ein paar seiner Kuscheltiere hineingesetzt und ließ sie hoch- und runterfahren. Benno zeigte im Vorbeigehen, dass sich im Treppengeländer die geschnitzten Blumen drehen ließen, und präsentierte die alten Einbauschränke, die es in fast jedem Zimmer gab. Die Schränke waren für ihn ein Riesenspaß, sie versteckten sich nämlich in den Holzvertäfelungen. Man musste nur auf einen senkrechten schmalen Spalt im Holz achten. Dann wusste man, dass sich dahinter die Wand öffnen ließ und wie von Zauberhand einen Schrank, groß wie eine Abstellkammer, erscheinen ließ.

In den Dingern konnte man so gut Verstecken spielen, dass man kaum eine Chance hatte, sich gegenseitig zu finden. Benno und ich hatten es an unserem ersten Tag einmal versucht, aber schnell wieder aufgegeben. Es hatte Benno dann doch keinen Spaß gemacht, mich eine gefühlte Stunde lang zu suchen. Außerdem gruselte er sich selbst so sehr in den dunklen Schränken, dass er jedes Mal absichtlich in seinem Versteck kicherte, damit er da schnell wieder rauskonnte.

Mats sah sich alles ganz genau an. Fast ein bisschen zu genau. Es fehlte nur noch, dass er sich Notizen machte und jeden Raum fotografierte. Deshalb beendete Benno seine Hausführung auch erst, als wir auf der Aussichtsplattform ankamen. Es war ein runder Raum in einem verglasten Turm auf dem Hausdach. Von hier blickte man weit über die Dächer.

In der Wand entdeckte ich eine rostige Kurbel. Ich griff danach und drehte sie. Erst quietschte es entsetzlich, aber dann machte mein Herz einen Satz. Wahnsinn, das Türmchen fing an, sich langsam um sich selbst zu drehen! Der Boden unter uns ruckelte und die Landschaft zog in Zeitlupe an uns vorbei.

Ich schnappte nach Luft und Benno klatschte in die Hände. »Unsere Villa hat ein Drehzimmer!« Er quiekte vor Freude und auch ich musste lachen.

Mats dagegen hing ein paar Sekunden die Kinnlade runter, doch dann fasste er ebenfalls nach dem Griff, um mir zu helfen. Jetzt, da wir zusammen daran kurbelten, bewegte sich der Raum fast doppelt so schnell.

Mats’ Hand und meine berührten sich. Aber weil es ihm nichts auszumachen schien, drehte ich einfach mit ihm zusammen weiter. Wahrscheinlich bemerkte er es gar nicht.

Trotzdem ließ ich jetzt den Knauf los und lehnte mich gegen eins der Fenster. Abwechselnd beobachtete ich die drehende Landschaft um uns herum und dann wieder Mats, der vor sich hin staunte.

»Warum bist du eigentlich immer allein?« Die Frage rutschte mir einfach so raus.

Für einen Moment sah er richtig geschockt aus, aber dann machte er wieder dieses Gesicht, das absolut nichts über ihn verriet. »Äh … bin ich doch gar nicht.«

Mir fiel auf, wie gemein meine Frage laut ausgesprochen klang, dabei hatte ich das gar nicht gewollt.

»Du hast ja auch nicht gerade eine Horde gackernder Mädchen im Schlepptau«, fügte er hinzu.

»Na ja, ich bin immerhin die Neue hier«, sagte ich nur und biss mir im nächsten Moment auf die Zunge. Die Antwort ließ meine erste Frage ja noch fieser klingen!

»Hör auf, ihn zu ärgern!« Benno knuffte mich in die Seite. »Mats ist mein Freund und gar nicht allein.«

Erleichtert lächelte Mats Benno an. »Danke, Kumpel!«

Mir tat meine Frage jetzt leid, obwohl ich mich schon fragte, warum er andauernd zu uns kam.

»Wart ihr eigentlich mal auf dem Dachboden?«, wechselte Mats einfach das Thema und ich war ihm dankbar dafür.

Benno schüttelte den Kopf und machte sich gleich auf die Suche. Als Erster kletterte er die steilen Stufen wieder runter, die in unseren drehbaren Aussichtsturm geführt hatten. Zusammen stöberten wir durch das oberste Stockwerk, bis wir eine schmale Tür in einer der Ecken unseres verwinkelten Flurs fanden. Hinter der Tür führten Stufen nach oben.

Der Dachboden wirkte wie ein Blick in die Vergangenheit. Und das hieß einiges in der Villa Evie. Rechts und links erhellten zwei runde Fenster den Raum unter einem spitzen Dach. Sonnenstrahlen beleuchteten den flirrenden Staub, wie Scheinwerfer die Artisten im Zirkus erhellten. Überall reihten sich alte Seemannskisten, Schränke und Schachteln in allen möglichen Formen und Größen aneinander.

Mats sah sich hier oben noch interessierter um, als er es sonst schon tat. Vor einem der Fenster stand ein riesiger viereckiger Korb. Benno kletterte sofort hinein und verschwand bis zu den Schultern darin.

»Was ist das?«, fragte er und verhedderte sich dabei in ein paar Seilen und einem Stück Stoff.

Mats ging einmal um den Korb herum. Er zeigte auf einen alten Kompass und ein Ledertäschchen, das an der Außenseite befestigt war. »Könnte ein alter Heißluftballon sein«, vermutete er.

Beeindruckt fuhr ich mit den Fingern über die geflochtenen Kanten und zog eine dunkle Spur. Ich wischte mir den Staub an meiner Jeans ab und stellte fest, dass die vielen Gerüche, die durch die Villa Evie waberten, auch hier zu riechen waren. Ich beugte mich in den Korb und entdeckte einen ausgelaufenen Parfümflakon. Er hatte einen mächtigen Fleck auf den Stoffbahnen des Heißluftballons hinterlassen.

Kurz wunderte ich mich und überlegte, ob ein einzelnes Parfümfläschchen die gesamte Villa mit ihrem Duft füllen konnte. Mit zusammengekniffenen Augenbrauen näherte ich mich mit der Nasenspitze dem Flakon. Aber der roch nach nichts mehr, genau wie der Fleck. Von hier kam es also nicht. Was ehrlich gesagt auch komisch gewesen wäre. Schließlich war es nicht nur ein einziger Geruch, der durch unsere Villa zog, sondern es waren mehrere gleichzeitig. Ein blumiges und herbes, süßes und bitteres Duftgemisch, für das mir absolut kein Name einfiel. Es erinnerte mich an nichts, was ich kannte. Vielleicht hatte ich deshalb das Gefühl, dass es nach einer Zeit roch, die längst vergangen war. Und die zog sich durch die Ritzen, saß in all dem alten Kram und verströmte ihren Duft noch stärker, sobald man eine der Gardinen bewegte oder sich auf eines der abgeschabten Samtpolster setzte.

Außerdem veränderte sich der Geruch, wenn man das Zimmer wechselte. Es roch in allen ähnlich, aber nie gleich. Je nach Zimmer stach einer der Düfte stärker heraus.

Ich legte den Flakon zurück und drehte mich weg, um mir den Rest anzusehen. Mein Blick blieb an einem der Schränke hängen, in dem ein paar Holzwürmer eine Party gefeiert hatten.

Die Schranktüren knarrten beim Öffnen. In der Innenseite hing ein ovaler Spiegel und ich schaute meinem mittelgroßen Ich mit den hellbraunen Haaren und den blaugrünen Augen entgegen.

Durchschnittlicher als ich ging echt nicht mehr. Nichts, absolut gar nichts Besonderes guckte mir aus dem Spiegel entgegen.

Schnell wendete ich mich den Kleidungsstücken zu, die im Schrank hingen. Ein barockes Ballkleid stach mir ins Auge, also zog ich es heraus. Ich hielt es mir hin und drehte mich damit. Wow, war das schön! Die Perlen auf dem bestickten Samtstoff schillerten, wenn man sie im Licht bewegte. Das Kleid sah aus wie aus einem Prinzessinnenfilm.

Selbst die Jungs bestaunten einen Moment lang die alten Klamotten. Sie fischten sogar aus ein paar Hutschachteln die passenden Zylinder, Hüte und Perücken und setzten sie sich nacheinander auf. Doch dann lehnte sich Mats an den Schrank und zog aus einer Hutschachtel einen von unzähligen leeren Parfümflakons. »Was ist das denn?« Er deutete auf die Fläschchen. Sie waren noch unbenutzt und sahen alle identisch aus.

Ich beugte mich ebenfalls darüber und zog einen vergilbten Zettel heraus, der dazwischenlag. Schnörkelige, kaum zu entziffernde Buchstaben in Tinte verrieten, dass hundert Flakons der Marke Priscilla an einen Herrn Daan de Bruijn geliefert wurden, nachdem die Flakons für vier Taler, dreizehn Groschen und acht Pfennig vorab bezahlt worden waren.

Ich stockte und hielt Mats den Zettel unter die Nase. »Guck mal. Ein Daan de Bruijn hat vor zwei Jahrhunderten leere Parfümflaschen bestellt. Meinst du, das ist derselbe wie in dem Brief, den der Postbote für Willem gestern vorbeigebracht hat?«

»Ach Quatsch. Das gibt’s doch nicht.« Mats nahm mir den Zettel aus der Hand und las ihn leise. »Du hast recht. Das ist echt ein Lieferschein aus dem Jahr 1869! Vielleicht war er einer der alten Besitzer?«

»Oder der Hexenmeister?«, fragte Benno dazwischen und kicherte.

Auch Mats musste grinsen. »Oder das.«

»Aber was hat dann Willem mit dem zu tun?«, überlegte ich laut vor mich hin. »Und warum kriegt der die Briefe? Müssten die nicht an Hanne gehen? Das Haus hat ja der Familie van Velden gehört, oder?«

Mats zuckte nur mit den Schultern, aber in seinen Augen sah ich genau, dass er auf diese Frage unbedingt eine Antwort haben wollte.

 

5. Kapitel

Am nächsten Morgen schlich ich mich noch einmal allein auf den Dachboden. Die Vorstellung, dass jemand einen Brief an jemand anderen schickte, der schon seit zwei Jahrhunderten tot sein musste, hatte mich die Nacht über kaum ein Auge zumachen lassen. Im Haus war es ruhig, nur Benno und Ma waren bereits aufgestanden und klapperten lachend unten in der Küche herum. So lautlos wie möglich öffnete ich die Tür zum Dachboden und stieg die Stufen hinauf.

Ich ging auf die Kisten und Seemannskoffer zu, die noch niemand von uns angerührt hatte. Mit hochgekrempelten Ärmeln machte ich mich an die Arbeit. Ich würde auch ohne, dass ich Willem danach fragen musste, herausfinden, wer dieser Daan de Bruijn war.

Mit spitzen Fingern öffnete ich eine Holztruhe. Spinnweben zogen sich dabei in die Länge. Ich spähte in die Truhe hinein und fluchte, weil ich keinen Lappen mitgebracht hatte.

Mehrere Kisten in Schuhkarton-Größe stapelten sich aufeinander. Sie waren mit bedruckten Banderolen verklebt. Hatte etwa noch niemand die Schachteln geöffnet, nachdem sie gekauft worden waren? Eine von ihnen nahm ich heraus und drehte sie vor mir herum. Auf die Banderole war ein schnörkeliges Firmenzeichen gedruckt: Bernard. Darunter stand Anno 1887 und eine französische Adresse. Vorsichtig streifte ich die Banderole vom Karton. Sie bestand aus hauchdünnem Papier und war bei jeder Bewegung kurz davor zu zerreißen.

Mein Herz klopfte, als ich endlich den Kartondeckel anhob. Eigentlich war es nur ein Dachboden, vollgestellt mit altem Krempel, aber trotzdem fühlte ich mich, als wäre ich etwas Großem auf der Spur. Vielleicht lag die Antwort auf alle Gerüchte um die Villa Evie genau hier versteckt? Mit Kiste Nummer eins ging ich zu dem runden Fenster, um mehr zu erkennen, doch es lagen nur Korken darin. Allerdings sehr kleine Korken, nicht solche, wie ich sie von den Weinflaschen im Keller kannte.

Etwas enttäuscht schloss ich den Karton und griff mir einen anderen aus der Truhe. Diesmal zog ich einen uralten Zerstäuber heraus. Ich erinnerte mich, dass Oma so einen immer auf ihre Parfümflaschen geschraubt hatte. Mit ausgestrecktem Arm hatte sie sich dann großzügig damit eingenebelt, bis ihre Wohnung wie eine Kaufhaus-Parfümerie stank.

Bevor ich die Truhe wieder schloss, legte ich alles zurück an seinen Platz. Offensichtlich hatte dieser Daan de Bruijn Parfüm geliebt. Auch in den anderen Truhen, die ich öffnete, fand ich entweder Fläschchen oder Verschlüsse.

Irgendetwas musste aber doch über den Mann selbst zu finden sein, wenn all sein Kram noch hier lagerte! Ratlos schloss ich hinter mir die Tür zum Dachboden und ging die Treppe runter Richtung Küche. Ich versuchte zu verstehen, was an dem Brief für diesen Daan de Bruijn nicht stimmte. Als ich schon fast am Ende der Treppe im Erdgeschoss angekommen war, setzte ich mich erst mal auf eine der Stufen und wischte mir die Spinnweben von der Jeans. Dabei stieß ich mit dem Ellenbogen an eine der geschnitzten Blüten am Geländer. Sie ließ sich wie fast alle von ihnen drehen.

Ich schüttelte nur den Kopf darüber. Wieso hatte sich bitte jemand die sinnlose Mühe gemacht, Holzblüten in eine Treppe zu schnitzen, die sich um sich selbst drehten?

Über mir quietschte plötzlich eine der Holzstufen. Dabei hatte ich sie nicht mal berührt! Ich zuckte zusammen, als sich mit einem Mal eine der Treppenstufen öffnete. Unglaublich! Das Holzbrett schob sich einfach von selbst auf! Lag das daran, dass ich die Holzblüte verdreht hatte?

Ich kniete mich vor die geöffnete Stufe und starrte in ein Fach – ein Geheimfach. Es sah aus wie alles, das lange nicht mehr benutzt worden war, nämlich dreckig. Mit der Hand tastete ich vorsichtig hinein. Und da. Meine Finger streiften etwas! Es fühlte sich kühl und hart an. Ich griff danach und hielt einen Schlüssel in der Hand, der an einer Kette baumelte. Er war verschnörkelt und dunkel angelaufen wie alles in der Villa Evie.

»Luuuzie, bist du oben?«, hörte ich Benno unten durch die Diele rufen. Bestimmt hatte er das Quietschen gehört. Jetzt kam er die Treppe hoch und strahlte mich an.

»Ich muss dir was zeigen!«, flüsterte ich und winkte ihn näher. »Ich hab was gefunden, was Geheimes!«

Benno gluckste vor Aufregung und kam näher.

Ich zeigte auf die geöffnete Treppenstufe und hielt ihm den Schlüssel vor die Nase. »Der lag dadrin versteckt!«

Benno starrte mich mit offenem Mund an. »Ich hol Mats! Der soll das auch sehen!« Noch bevor ich protestieren konnte, stürmte Benno schon aus der Haustür hinaus.

Oh Mann, wenn Mats davon erfuhr, würde der uns wahrscheinlich gar nicht mehr in Ruhe lassen.