Duke of Manhattan - Louise Bay - E-Book

Duke of Manhattan E-Book

Louise Bay

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Beschreibung

Er ist der Duke of Manhattan - doch eine Frau zwingt ihn in die Knie

Ryder Westbury mag einer britischen Adelsfamilie entstammen, aber sein Königreich ist New York - zumindest noch. Denn wenn er nicht bald heiratet, wird er alles verlieren, was ihm wichtig ist: sein Erbe, seinen Titel und sein Unternehmen. Die Lösung seiner Probleme könnte Scarlett King sein. Die toughe Geschäftsfrau braucht dringend Geld, um ihre Firma zu retten. Und so macht Ryder ihr ein Angebot, das sie nicht ablehnen kann: Er unterstützt sie finanziell, im Gegenzug wird sie seine Frau. Doch die beiden haben nicht mit der heißen Leidenschaft gerechnet, die zwischen ihnen hochkocht - und aus ihrem Geschäftsdeal schon bald viel mehr macht als geplant ...

"Eine großartige heiße Liebesgeschichte, die einem rote Wangen und Lachtränen beschert!" Katy Evans, NEW-YORK-TIMES-Bestseller-Autorin

Band 3 der KINGS-OF-NEW-YORK-Reihe von USA-TODAY-Bestseller-Autorin Louise Bay




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Seitenzahl: 411

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Inhalt

InhaltTitelZu diesem Buch1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. Kapitel24. Kapitel25. Kapitel26. Kapitel27. Kapitel28. Kapitel29. Kapitel30. Kapitel31. KapitelEpilogDankDie Autorin Die Romane von Louise Bay bei LYXImpressum

LOUISE BAY

Duke of Manhattan

Roman

Ins Deutsche übertragen von Anja Mehrmann

Zu diesem Buch

Ryder Westbury mag einer britischen Adelsfamilie entstammen, aber sein Königreich ist New York. Auch wenn er schon lange in den USA lebt, kann er seine royalen Verpflichtungen nicht einfach abschütteln, wird er doch beim Tod seines Großvaters den Titel des Duke of Fairfax erben. Aber die Sache hat einen Haken: Ist er zu diesem Zeitpunkt nicht verheiratet, verliert er nicht nur sein Erbe, sondern auch das, was ihm am Wichtigsten ist: die Westbury Group, sein Unternehmen, das er ganz allein zum Erfolg geführt hat. Die Lösung all seiner Probleme könnte Scarlett King sein, die er in einer New Yorker Bar kennenlernt. Sie sollte nur ein One-Night-Stand sein, um ihn von seinen Sorgen abzulenken. Doch nach einer heißen Nacht entpuppt sie sich als seine Rettung, und Ryder macht ihr ein Angebot, das sie nicht ablehnen kann: Er hilft ihr dabei, ihren kleinen Betrieb für Luxusparfüms vor dem finanziellen Ruin zu retten, dafür wird sie seine Frau. Nach einigem Zögern stimmt Scarlett zu, und die beiden reisen nach England, um Ryders Familie von ihrem Glück zu überzeugen und auf dem Anwesen der Westburys zu heiraten. Doch was als reiner Geschäftsdeal zwischen Ryder und Scarlett beginnt, wird schnell zu heißer Leidenschaft und tiefen Gefühlen. Und schon bald wissen beide nicht mehr, ob das zwischen ihnen noch ein Spiel ist – oder doch viel mehr …

1. KAPITEL

RYDER

Alles war besser in einem Privatflugzeug. Allerdings waren Privatflüge nichts, womit sich der britische Adel abgab. Meine Familie betrachtete so etwas als unseriös – sie würden es neureich nennen. Es war weder das erste noch das letzte Mal, dass meine Familie und ich unterschiedlicher Meinung waren – mir gefiel nämlich alles an diesem Erlebnis. Die Art, wie sich der Ledersitz an meinen Hintern schmiegte. Die Tatsache, dass die Röcke der Flugbegleiterinnen besonders kurz, ihre Beine aber sehr lang aussahen. Sogar der Service hatte etwas von einem Flirt an sich.

Die blonde Schönheit, die für diesen Flug eingeteilt war, beugte sich tief über mich, um mir ein Glas Wasser einzugießen und mir einen Blick in ihren Ausschnitt zu gewähren.

Ich wusste ihr Entgegenkommen zu schätzen.

Wenn ich unter besseren Umständen nach London zurückgekehrt wäre, hätte ich möglicherweise überprüft, ob ihr Blick fürs Detail sich auch auf das Schlafzimmer erstreckte. Ich liebte es, in einem gekonnten Blowjob zu schwelgen, und ich hatte das Gefühl, dass Melanie ihn mit Vergnügen so lange ausdehnen würde, wie ich es wollte.

Aber auch ein Griff in den Nacken dieser schönen Frau, während sie das Gesicht in meinem Schoß vergrub, würde meinen Tag nicht besser machen.

Ich warf einen Blick auf die Uhr.

»Noch dreißig Minuten bis zur Landung, Sir«, ließ Melanie mich wissen. Schade, dass ich darauf verzichtet hatte. Normalerweise ließ ich mir kein Vergnügen entgehen, aber irgendwie hatte ich den Kopf nicht frei. »Darf ich Ihnen noch etwas bringen?«

»Nein, danke. Ich rufe noch schnell jemanden an.« Ich musste meiner Schwester sagen, dass ich in etwa einer Stunde ankommen würde.

Ich löste die Finger von dem weichen, cremefarbenen Leder der Sitzlehne. Vor mittlerweile sechs Stunden hatte ich erfahren, dass mein Großvater gestürzt war. London fehlte mir nur selten, aber bei Gelegenheiten wie dieser wünschte ich mir immer, New York wäre nur eine Dreiviertelstunde mit dem Auto von meiner Familie entfernt.

Immer wieder musste ich mir sagen, dass ich nichts für meinen Großvater tun konnte, egal, ob ich mich an seinem Bett befand oder hier oben in der Luft.

»Seid ihr schon gelandet?«, fragte Darcy, als sie meinen Anruf entgegennahm.

»In einer halben Stunde.«

»Dann bist du also in ungefähr einer Stunde hier. Schick mir gleich nach der Landung eine Nachricht, ich hole dich ab.«

»Warum? Gibt es etwas, das ich noch nicht weiß?« Hatte sich Großvaters Zustand verschlechtert, seit ich das letzte Mal mit ihr gesprochen hatte?

»Nein. Aber dieses Krankenhaus ist schwer zu finden.« Meine Schwester klang müde, als wäre sie die ganze Nacht wach gewesen. Wenn ich erst mal bei ihr war, würde ich ihr einen Teil der Last abnehmen können.

»Ist er bei Bewusstsein?«, fragte ich, denn ich bezweifelte, dass sie mir die ganze Geschichte erzählt hatte.

»Ja. Er sagt, er habe sich nie besser gefühlt, aber natürlich ist es schlimm, wenn man sich mit zweiundachtzig die Hüfte bricht.« Ihre Stimme klang angespannt. Sie riss sich zusammen. Wollte sich nichts anmerken lassen.

»Er wird wieder gesund werden.« Diesmal noch. »Hast du die Ergebnisse der Computertomographie schon bekommen?«

»Nein«, sagte sie und seufzte. »Weißt du, sie haben mehrere Stunden gebraucht, um ihn davon zu überzeugen, dass er sich durchleuchten lassen sollte.« Ohne es zu wollen, verzog ich die Lippen zu einem Lächeln. Darcy würde die Belustigung in meiner Stimme hören und wütend auf mich sein, weil ich zu ihm hielt. Großvater war ein unbeugsamer Charakter, und es war fast unmöglich, ihn zu etwas zu überreden, das er nicht wollte. Und wenn ihm umgekehrt jemand erzählte, er könne etwas nicht tun, fand er immer Mittel und Wege, es sehr wohl in die Tat umzusetzen. In dieser Hinsicht waren wir einander ziemlich ähnlich. Als ich noch ein kleiner Junge war, war er mein Held. Und ein besserer Elternteil für Darcy und mich als unsere eigenen nichtsnutzigen Eltern. Unser Vater hatte sich mit einer Kellnerin abgesetzt. Damals war ich so jung gewesen, dass ich mich kaum an ihn erinnerte, und unsere Mutter hatte sich davon nie erholt und den größten Teil ihrer Zeit auf der Suche nach Erleuchtung an verschiedenen Orten in Asien verbracht. Unser Großvater war der Mensch, der uns beruhigte, wenn wir aufgebracht waren, der zu unseren Theateraufführungen in die Schule kam – und den wir noch immer um Rat fragten.

»Er hasst es, wenn so viel Aufhebens um ihn gemacht wird«, sagte ich.

»Ich weiß, aber nach dem Schlaganfall können wir kein Risiko mehr eingehen.«

Großvaters Schlaganfall zwei Jahre zuvor war für uns alle ein Schock gewesen. Zum Glück war er ein Kämpfer und hatte sich Sprache und Bewegungsvermögen weitestgehend zurückerobert. Aber seine linke Körperhälfte war gebrechlich und schwach geblieben, sodass er anfällig für Stürze war. »Ich weiß. Trotzdem, er wird wieder gesund.« Ich ließ meine Stimme so energisch wie möglich klingen. Wenn sein Sturz allerdings eine Hirnblutung nach sich gezogen hatte … Ich atmete tief durch und versuchte, meinen schneller werdenden Puls zu beruhigen.

»Victoria hat angerufen«, sagte Darcy mit gepresster Stimme.

Ich biss die Zähne zusammen und schwieg, denn ich fand es unerträglich, etwas über die egoistische Frau meines Cousins zu hören.

»Wahrscheinlich wollte sie wissen, ob sie schon mal anfangen können, das Geld zu zählen«, fügte Darcy hinzu.

Erneut atmete ich tief durch. Ich musste mich zusammenreißen, denn sonst würde sich auch meine Schwester aufregen.

Der Titel meines Großvaters ging auf den nächsten verheirateten männlichen Erben über. Da ich der Älteste war, hätte ich dieser Erbe sein sollen. Aber ich hatte mich nie mit einer einzigen Frau begnügt, und deshalb würden mein Cousin Frederick und seine Frau Victoria der nächste Duke und die nächste Duchess of Fairfax sein.

Nicht, dass ich das Geld gebraucht hätte. Ich hatte selbst bereits mehr verdient, als Großvaters gesamtes Vermögen wert war, und aus dem Titel machte ich mir absolut nichts. Der Duke of Fairfax hatte ich nie sein wollen. Ehrlich gesagt verstand ich auch nicht, warum meine Schwester allein aufgrund der Tatsache, dass sie eine Frau war, nicht die Nächste in der Erbfolge sein konnte. Darcy sollte den Titel bekommen, das Geld und den Grundbesitz – und all das Kopfzerbrechen, das damit einherging.

Frederick und ich hatten uns nie nahegestanden, obwohl ich mehr von ihm mitbekommen hatte, als mir lieb war, weil er Woolton, das Anwesen der Familie, erben würde und ein Enkel meines Großvaters war. Schon als Kind war er kleinlich und eifersüchtig gewesen, und daran hatte sich nie etwas geändert. Er schien mich um alles zu beneiden, was ich hatte – Spielzeug, Freunde und später Frauen. Obwohl meine Schwester und ich bei meinem Großvater wohnten, weil unsere Eltern uns nicht wollten, hasste Frederick es, dass wir auf Woolton lebten und er nicht. Bei jeder Gelegenheit kritisierte er, wie Darcy mit dem Vermögen umging. Und ständig gab er irgendwelche Kommentare dazu ab, dass ich nach Amerika abgehauen sei. Kränkungen, mit denen ich klargekommen wäre. Doch als ich ihn anrief, um ihn über den Schlaganfall unseres Großvaters zu informieren, fragte er nicht, in welchem Krankenhaus er lag oder wie die Prognose aussah, sondern sagte stattdessen nur, er würde mich zurückrufen, sobald er mit seinem Anwalt gesprochen habe.

Seitdem gab es für uns kein Zurück mehr.

»Okay, dann sag Victoria, sie soll in Zukunft mit mir reden. Ich habe kein Problem damit, ihr zu sagen, dass sie sich verpissen soll.« Tatsächlich war es so, dass Victoria das ganze Geld gehören würde, sobald mein Großvater starb. Und obwohl mir weniger an unserer Familiengeschichte lag als Darcy, fand auch ich das nicht fair.

»Wir müssen reden, wenn du hier bist. Ausführlich.«

Ich wusste, was mich erwartete. Wir würden darüber diskutieren, dass alles anders laufen würde, wenn ich heiratete. »Natürlich.«

»Über Aurora, meine ich.«

Darcy hatte mehrfach angedeutet, dass unsere Freundin aus Kindertagen gern bereit wäre, meine Frau zu werden. Diesmal klang meine Schwester ziemlich entschlossen. Und ich würde klarstellen müssen, dass Aurora nicht die Frau war, die ich heiraten wollte. »Wenn ich schon mal in London bin, werde ich auch mit den Anwälten über die Sache sprechen.« Ich hoffte immer noch, auf legale Weise verhindern zu können, dass Frederick sämtliche Besitztümer erbte.

Für einige Sekunden herrschte Schweigen. »Du kennst meine Meinung dazu«, meinte sie schließlich.

»Ich will mich nicht um Großvaters Vermögen streiten«, antwortete ich. Darcy hasste die Vorstellung, dass es zu einem Kampf um Großvaters Eigentum kommen würde, weil das für sie offenbar den Wert unserer Liebe zu ihm schmälerte. Da ich aber wusste, wie sehr er sich meine Schwester als Erbin wünschte, wusste ich auch, dass er sich über eine entsprechende Lösung freuen würde. »Und was wäre die Alternative?«

»Ich wünschte wirklich, du würdest ein Arrangement mit Aurora in Betracht ziehen – ihr liegt viel an unserer Familie, und sie wäre eine hervorragende Ehefrau für dich.«

»Ich will nicht heiraten.« Und ganz sicher niemanden, der mich nur wegen des Titels wollte, den ich erben würde. Und die Alternative – dass sie einen richtigen Ehemann wollte – gefiel mir noch weniger. Aurora und ich kannten uns von Kindesbeinen an und hatten ein wenig füreinander geschwärmt, aber im Grunde war ich inzwischen ein Fremder für sie. Sie wusste nicht, wie ich als Erwachsener war.

»Ich bin mir sicher, dass die meisten Männer so empfinden. Und es ist ja nicht so, dass ihr … du weißt schon … wie Mann und Frau leben müsstet.«

»Darum geht es doch gar nicht, Darce.« Aurora zu vögeln wäre das kleinste Problem gewesen. Sie war immer schon attraktiv gewesen. Ich hätte längst mit ihr geschlafen, wenn ich nicht geglaubt hätte, dass sie der Sache zu viel Bedeutung beimessen würde. Aber ich kannte mich selbst gut genug, um zu wissen, dass ich niemals nur einer einzigen Frau treu sein könnte. Es gab einfach zu viele schöne Mädchen auf dieser Welt. Und ich bevorzugte solche, die ich nicht kannte. Mit ihnen war es unkomplizierter.

»Wir reden hier ja nicht über den Rest deines Lebens.« Ich wollte meiner Schwester wirklich helfen, und dazu musste ich ihr klarmachen, dass ich durchaus in der Lage war, ein Anwesen für sie zu kaufen, das Woolton Hall sehr ähnlich war. Ich wusste, dass es nicht genau dasselbe sein würde, dass ihre emotionale Verbundenheit geringer wäre als mit Woolton, aber dennoch würde sich ihr Leben nicht maßgeblich verändern. Die Sache war nur, dass sie mit diesem Anwesen praktisch verheiratet war – seit unserer Kindheit bedeutete es ihr alles. Als Darcy nach der Uni verkündete, sie wolle in Vollzeit auf Woolton arbeiten, drängte ich sie, lieber ihren eigenen Weg zu finden. Aber für sie kam nichts anderes infrage. Sie liebte diesen Ort.

»Ich habe darüber nachgedacht. Lange.« Über dieses Thema sprachen wir seit Jahren – Großvaters Schlaganfall hatte die Dinge lediglich eskalieren lassen. »Du weißt, dass Aurora nicht die richtige Frau für mich ist.«

»Sie ist so gut wie jede andere auch. Und sie würde dich dein eigenes Ding machen lassen.«

Ich gehörte nicht zu der Sorte Mann, die fremdgeht. Eine Ehe war etwas Verbindliches, ein Treueversprechen, und meine Versprechen brach ich nicht. Darum versprach ich nie etwas, was ich nicht halten konnte – auf keinen Fall würde ich so werden wie meine Eltern. Ich wollte auf mein Leben zurückblicken und stolz auf den Mann sein können, den mein Großvater großgezogen hatte. Die Opfer, die er für uns gebracht hatte, sollten nicht umsonst gewesen sein.

»Lass uns weiterreden, wenn du hier bist. Ob es uns gefällt oder nicht, Großvater ist zweiundachtzig. Allmählich wird die Zeit zum Nachdenken knapp. Du musst handeln, denn bald ist es zu spät.«

Sie glaubte, mich überzeugen zu können. Doch sosehr ich es hasste, meine Schwester zu enttäuschen – ich würde Aurora nicht heiraten.

Sex war mein Lieblingssport; seit langer Zeit schon war ich darin ein Profi. Und ich würde das Spielfeld nicht vor dem Schlusspfiff verlassen. Ich war entschlossen, das Spiel so lange dauern zu lassen, wie Blut durch meine Adern floss. Und außerdem – hätte ich mich etwa den Frauen von Manhattan vorenthalten sollen?

Als ich die Tür zum Zimmer meines Großvaters öffnete, musste ich ein Schaudern unterdrücken. Diesen ganz besonderen Geruch, den es nur in Krankenhäusern gibt, fand ich schrecklich. Ich wusste nicht, ob sie alle dieselben Reinigungsprodukte verwendeten oder ob es Krankheit und Tod waren, die ihren eigenen Geruch mit sich brachten.

»Was zum Teufel willst du denn hier?«, schnauzte Großvater mich vom Bett aus an, als ich das Zimmer betrat.

Ich lachte in mich hinein. »Na, das ist aber keine nette Begrüßung. Ich hoffe, zu den Schwestern bist du ein bisschen charmanter.« Ich zwinkerte einem Mädchen Anfang zwanzig zu, das gerade seine Blutdruckwerte überprüfte.

»Sie machen hier ein fürchterliches Gewese um mich, Ryder. In den zweiundachtzig Jahren meines Lebens bin ich schon oft hingefallen. Ich weiß nicht, warum sich alle benehmen, als läge ich auf dem Sterbebett.«

Ich schüttelte den Kopf. »Du hast dir die Hüfte gebrochen, Großvater. Glaubst du wirklich, dass uns das egal ist?«

»Es ist von einer Operation die Rede«, hörte ich Darcys Stimme hinter mir.

Ich fuhr herum. »Eine Operation? Warum das denn?«

Meine Schwester wirkte blass, als ich sie umarmte.

»Die Hüfte. Sie sagen, das Gelenk muss teilweise ersetzt werden«, murmelte sie an meinem Hemd.

Ich drückte sie kurz, dann ließ ich sie los. »Er wird sicher wieder gesund. Ich rede mal mit den Ärzten.«

»Habe ich schon. Sie sagen, nach einem solchen Sturz muss fast immer operiert werden.«

»Ach, jetzt hört schon auf!«, rief Großvater vom Bett aus.

Ich lachte. Wenn reine Willenskraft einen Menschen am Leben erhalten könnte, dann würde er garantiert ewig leben.

»Du siehst gut aus«, sagte ich und klopfte ihm auf die Schulter.

Er schüttelte meine Hand ab. »Wie gehen die Geschäfte?«, fragte er, wie immer bereit, Anteil an mir und meinem Leben in New York zu nehmen. Die Verwaltung des Familienbesitzes einschließlich Woolton Hall, des großen, prächtigen Herrenhauses vor den Toren von London, samt der umliegenden verpachteten Ländereien und des nahe gelegenen Dorfs – das war sein ganzes Leben gewesen, und dazu besaß er noch ein Stadthaus in London. Ich habe ihn nie gefragt, ob ihn die Verantwortung störte, die mit dem Titel einherging, oder ob er gern etwas anderes getan hätte, wenn er selbst über seine Zukunft hätte entscheiden können. Aber er war ein Mann der Pflicht und der Ehre, ein Mann zum Bewundern. Genau der Mensch, der ich werden wollte.

»Gut«, antwortete ich. »Ich versuche gerade, ein kleines Unternehmen für Luxusparfüms zu kaufen.«

»Parfüm? Das passt gar nicht zu dir.«

»Zu mir passt alles, was Geld bringt.« Ich hatte ein gutes Auge für expandierende Unternehmen und kaufte sie auf, kurz bevor ihnen die Darlehen gekündigt oder sie durch einen Mangel an Cashflow handlungsunfähig wurden. »Es ist ein solides Unternehmen, das Investitionen benötigt, um den nächsten Schritt zu tun.«

»Ach. Und du gibst ihnen, was sie brauchen?«, fragte er und zeigte auf mich.

Ich zuckte mit den Schultern. »Ich bin eben großzügig. Weißt du doch.«

Darcy verdrehte die Augen. »Du profitierst zweifellos stärker davon als das Unternehmen selbst.«

Ich nickte. »Aber trotzdem haben sie auch etwas davon. Und darum geht es. Ich ziehe die Leute nicht über den Tisch. Ich bin nur clever.« Ich war sehr aufgeregt wegen der Firma, die ich derzeit im Visier hatte. Der Laden war vor nicht allzu langer Zeit gegründet worden, hatte sich aber unglaublich gut entwickelt. Einzelhandel war zwar nicht gerade mein Lieblingsthema, aber dieses Unternehmen war die Mühe wert.

»In welchem Zustand befindet sich denn das Haus?«, fragte ich und zog einen Stuhl an Großvaters Bett.

»Die Ställe brauchen ein neues Dach«, antwortete Darcy. »Und der größte Teil des Westflügels auch, ehrlich gesagt.«

»Ach, sie weiß ja gar nicht, wovon sie da redet«, sagte Großvater unwirsch.

In den letzten Jahren war meine Schwester diejenige gewesen, die sich hauptsächlich um das Vermögen gekümmert hatte. Seit dem Examen arbeitete sie Seite an Seite mit meinem Großvater, und er hatte sorgfältig darauf geachtet, all sein Wissen an sie weiterzugeben.

»Großvater, Darcy weiß immer genau, wovon sie redet.«

Er knurrte nur und blickte durch das große Fenster hinaus auf die Themse. Dass er auf einen Streit verzichtete, war das Äußerste an Entgegenkommen, das von ihm zu erwarten war.

»Ich muss noch jemanden anrufen«, sagte Darcy. »Brauchst du irgendetwas, solange ich weg bin?«

Ich drückte ihr die Hand. Ich wusste, dass die Vermögensverwaltung ihr viel abverlangte, vor allem, seit sie erfahren hatte, dass sie letztlich ihr ganzes Werk würde zurücklassen müssen. Ich hatte nie verstanden, warum sie nicht fortging und sich etwas Eigenes suchte, in das sie ihre Energie hineinstecken konnte.

Darcy entwand sich meinem Griff und lächelte müde.

»Wir müssen reden«, sagte mein Großvater, sobald sie aus dem Zimmer war. Diesen Satz hatte ich noch nie gemocht. Er kündigte immer schlechte Nachrichten an.

Ich lehnte mich auf dem Stuhl zurück, bereit für alles, was er mir zu sagen hatte.

»Ich werde allmählich alt, Ryder.«

Himmel, hatte Darcy ihm etwa eingeredet, ich müsse Aurora heiraten? Wir hatten vereinbart, Großvater aus der Sache herauszuhalten. Ich wollte nicht, dass er sich Sorgen machte, weil er glaubte, meiner Schwester und mir nach seinem Tod ein riesiges Chaos zu hinterlassen.

In meinem Magen rumorte es, und ich beugte mich vor. »Wenn du dir wegen der Hüftoperation Sorgen machst – das ist nicht nötig. Du hast Darcy gehört. Nach einem Bruch ist das völlig normal. Du wirst ganz sicher wieder gesund.«

»Bevor ich mich der Operation unterziehe, muss ich dir etwas sagen.« Er blickte mir in die Augen, so wie damals, wenn ich als Kind in Schwierigkeiten steckte. Ich hasste es, ihn zu enttäuschen. Was war passiert? »Es geht um meine Investition in die Westbury Group.«

»Deine Investition?« Mein Großvater hatte mir mehrere Tausend Pfund gegeben, als ich mein Unternehmen gründete, und als Gegenleistung hatte ich ihn zum stillen Teilhaber gemacht. Allerdings hatte er sich immer geweigert, Dividenden aus der Firma zu kassieren, und am Tagesgeschäft hatte er nie Interesse gezeigt. Im Grunde war die ganze Sache schon fast vergessen.

»Wir hätten das längst regeln sollen. Ich glaube, mir gefiel einfach die Vorstellung, in deinen Erfolg zu investieren.«

»Wovon sprichst du?« Großvater klang niedergeschlagen, und das war nicht der Mann, den ich kannte und liebte. »Brauchst du Geld für die Reparaturen, die Darcy erwähnt hat?«

Er lachte leise und tätschelte meine Hand, die auf dem Bettrand ruhte. Nie hätte ich die Liebe meines Großvaters infrage gestellt, auch wenn er sie uns nicht durch Umarmungen und warme Worte zeigte. Wir wussten einfach, dass er uns liebte, weil er immer für uns da war und dafür sorgte, dass wir alles hatten, was wir brauchten, dass wir nicht in Schwierigkeiten gerieten, uns einsam oder übergangen fühlten. Er war unser Anker.

»Nein, ich will kein Geld von dir.« Er blickte auf unsere vereinten Hände, dann nickte er. »Ich befürchte aber, dass dein Cousin das anders sehen wird, wenn er Zugriff auf meinen Anteil erhält.«

Ich blinzelte, denn die morgendlichen Sonnenstrahlen, die zum Fenster hereinschienen, blendeten mich. »Ich kann nicht ganz folgen. Was hat mein Geschäft mit Frederick zu tun?«

Großvater atmete tief ein und fing an zu husten. Himmel, es war schrecklich, ihn so gebrechlich zu sehen! Ich goss ihm etwas Wasser aus der Plastikkanne auf dem Beistelltisch ein, aber er winkte ab. »Geht schon wieder«, keuchte er und atmete pfeifend.

»Lass dir Zeit.«

»Ich sagte, es geht schon.« Erneut holte er Luft, und sein Atem beruhigte sich. Ich setzte mich wieder und versuchte, entspannter zu wirken, als ich tatsächlich war. »Erinnerst du dich noch, wie ich in die Westbury Group investiert habe? Ich habe diese stille Teilhabe übernommen, damit du dich nicht mit einem Darlehen belasten musstest.«

»Ja, natürlich erinnere ich mich noch.« Ich sah ihm forschend ins Gesicht, um herauszufinden, worauf er hinauswollte.

»Na ja, das Geld stammte aus der Erbmasse, und darum läuft der Anteil auch unter diesem Namen.«

»Ja, ich weiß«, bestätigte ich.

»Also, ungefähr vor einem Jahr war ich bei Giles, um zu klären, wie wir diese verdammte Sache mit der Nachfolge geregelt kriegen. Es ist einfach nicht richtig, dass du heiraten musst, um erben zu können. Das Vermögen, Woolton, den Titel. All das gehört rechtmäßig dir.«

Ich hatte zwar dem Anwalt unserer Familie und dem Nachlassverwalter einen Besuch abgestattet, um über die Zukunft zu sprechen, aber mit meinem Großvater hatte ich noch nie darüber geredet. Ich wollte nicht daran erinnert werden, dass er eines Tages nicht mehr da sein würde, um mich auf Kurs zu halten.

»Du weißt, dass mir das nichts bedeutet. Ich habe mein eigenes Geld und kann auch Darcy sehr gut versorgen.« Ich hasste es, über das zu reden, was danach passieren würde. Eine Welt, zu der mein Großvater nicht mehr gehörte, wollte ich mir nicht einmal vorstellen.

»Tja, genau das ist der Punkt. Ich weiß nicht, ob es auch dein Geld bleiben wird.«

Hatte ich mich verhört? »Wie meinst du das?«

»Die Bestimmungen des Fonds besagen, dass ich nach meinem achtzigsten Geburtstag keine Anteile mehr verändern oder verkaufen kann.« Mein Großvater war zwar der Duke of Fairfax und Erbe der Ländereien um Woolton, aber all das wurde von einem Fonds verwaltet, der genau festlegte, was zulässig war und was nicht, um das Vermögen für die nachfolgenden Generationen zu erhalten.

»Okay. Jetzt kann ich dir wirklich nicht mehr folgen.« Ich blickte zur Tür hinüber und rechnete damit, dass Darcy jeden Augenblick hereinkommen würde. Vielleicht würde sie verstehen, was Großvater mir zu sagen versuchte.

»Aus diesem Grund kann ich den Anteil nicht wieder auf dich übertragen. Du kannst mich nicht auszahlen«, sagte er.

Ich zuckte mit den Schultern. »Na und? Deine Investition hat die Art, wie ich meine Geschäfte führe, überhaupt nicht beeinflusst. Behalte den Anteil doch einfach.«

»Aber er gehört nicht mir. Er gehört dem Fonds. Und das bedeutet, dass die stille Teilhabe nach meinem Tod …« Bei diesen Worten zuckte ich zusammen. »… auf Frederick übergeht.«

Ich verstand immer noch nicht. Forschend blickte ich Großvater ins Gesicht und versuchte herauszufinden, was er mir eigentlich sagen wollte. »Okay, dann bekommt er eben einen kleinen Anteil. Na und?«

»Hast du dir die Unterlagen von damals mal genauer angesehen?«, fragte er und verlagerte im Bett sein Gewicht.

An die Einzelheiten unserer Vereinbarung konnte ich mich nicht mehr erinnern. Ich war so aufgeregt gewesen, endlich mein eigenes Unternehmen an den Start zu bringen, dass ich darauf überhaupt nicht geachtet hatte. Ich hatte eine kleine Biotech-Firma in Cambridge gefunden, in die ich investieren wollte, eine günstige Gelegenheit, bei der ich schnell zugreifen musste. Und es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens gewesen. Dadurch hatte ich ein Vermögen verdient, und das hatte mir die Tür zu weiteren Geschäften geöffnet. Diese Investition war die Grundlage meines gesamten Erfolgs. Endlich hatte ich das Gefühl, meinen Platz auf der Welt verdient zu haben. Sosehr ich meinen Großvater als Kind auch geliebt hatte, lebte ich dennoch mit der Gewissheit, für meine Eltern nicht gut genug zu sein. Die Westbury Group gab mir das Gefühl, Boden unter den Füßen zu haben. Dieses Unternehmen gehörte mir. Und ich würde es niemals hergeben. »An die Details erinnere ich mich nicht mehr, und es ist doch alles gut gelaufen. Also, wo ist das Problem?«

»Die Teilhabe musste mit gewissen Befugnissen einhergehen, damit ich dir das Geld aus dem Fonds geben konnte. Wenn mir also deine Art, die Geschäfte zu führen, nicht gefallen hätte, wäre ich jederzeit in der Lage gewesen, die Führung der Firma zu übernehmen.«

»Aber das war doch nie ein Problem.« In geschäftlichen Fragen vertraute ich niemandem auf dieser Welt so sehr wie meinem Großvater.

»Aber wenn der Anteil auf Frederick übergeht …«

Das kratzende Geräusch des Stuhls hallte durch das Zimmer, als ich abrupt aufstand. Ich schob die Hände in die Taschen und versuchte ruhig zu bleiben. »Willst du mir damit sagen, dass Frederick befugt sein wird, die Kontrolle über meine Firma zu übernehmen?« Mein Großvater war der Mensch, dem ich am meisten vertrauen konnte. Frederick war der, dem ich am wenigsten vertraute. »Dass er mir alles wegnehmen kann, wofür ich jahrelang gearbeitet habe?«

»Es tut mir leid, mein Junge. Das habe ich nie gewollt.«

Ich lief neben dem Krankenbett auf und ab. »Dann ändern wir einfach die Formalitäten, oder? Können wir nicht einen Beschluss fassen, der die Rechte des Anteilseigners ändert?« Ich verstummte und hielt die cremefarben lackierte Metallstange am Fußende des Bettes umklammert, während ich auf die Antwort meines Großvaters wartete. Das war doch die Lösung, nicht wahr? »Mir gehört immer noch der größte Anteil.«

Er schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, es wäre so einfach. Aber seit meinem achtzigsten Geburtstag kann ich an den Finanzen des Fonds nichts mehr ändern. Es tut mir schrecklich leid, ich hatte keine Ahnung, dass meine Investition in deine Firma, in deine Zukunft, solch umfangreiche Konsequenzen für dich haben würde.«

Meine Fingerknöchel wurden weiß, weil ich den Griff um die Stange verstärkte. »Es ist nicht deine Schuld.«

»Ich hätte Giles viel früher veranlassen sollen, unsere Vermögenswerte gründlich zu überprüfen, aber …« Aber dann war der Schlaganfall dazwischengekommen, und alles, woran wir denken konnten, war Großvaters Gesundheit.

»Mach dir keine Gedanken.« Ich wollte nicht, dass er sich um mein Erbe sorgte. Diese Aufgabe konnte ich selbst übernehmen. Mein ganzes Leben lang hatte ich gearbeitet, um eine Firma wie die Westbury Group auf die Beine zu stellen. Dieses Unternehmen bedeutete, dass ich mich nie wieder auf jemanden würde verlassen müssen – es war meine Unabhängigkeit. Die Westbury Group sorgte dafür, dass ich auf niemanden mehr angewiesen war.

»Ich würde ja gern glauben, dass Frederick sich anständig verhalten wird, aber …«

Ich seufzte. Wir wussten beide, dass er das nicht tun würde. Wenn Frederick eine Gelegenheit sah, mich zu ruinieren, würde er sie mit beiden Händen ergreifen. Sein Leben lang hatte er auf eine Chance gewartet, mir zu beweisen, dass er der Bessere von uns beiden war. Darauf würde er auf keinen Fall verzichten.

Ich musste die Sache regeln.

»Wir finden eine Lösung. Ich rede mit Giles.«

Ich würde zwar nicht der nächste Duke of Fairfax sein, aber ich würde alles in meiner Macht Stehende tun, damit Frederick nicht zerstören konnte, wofür ich mein Leben lang gearbeitet hatte.

2. KAPITEL

SCARLETT

Dating in New York City war das Schlimmste überhaupt.

Ich befolgte alle Ratschläge, die das Internet bereithielt – nicht immer verfügbar und nicht zu früh zum Sex bereit sein, nicht alles auf eine Karte setzen. Dennoch schlitterte ich von einer Enttäuschung in die nächste. Den Typen vom Donnerstag zuvor fand ich supersüß, weil er mir Komplimente zu meinen Schuhen machte. Bis er mir gestand, dass er am Wochenende am liebsten Frauenkleider trug und gerne ausprobieren würde, ob ihm meine pinkfarbenen Wildlederschuhe mit den Zwölf-Zentimeter-Absätzen passten. Vielleicht war ich ja zu wählerisch, aber ich hatte definitiv keine Lust, mich mit meinem Freund darüber zu streiten, wer was tragen sollte, wenn wir zum Dinner ausgingen.

Und dann war da noch der Typ, der aussah, als hätte er sich noch nie die Haare schneiden lassen. Er hat mir während des ganzen Dates kein einziges Mal in die Augen gesehen. Und wie könnte ich den schwitzenden Mittvierziger vergessen, der die Kellnerin zu ihren Titten beglückwünschte?

Ich wischte über das Display meines Handys, um eine Textnachricht von Andrew zu lesen – mit ihm hatte es bislang keine Katastrophen gegeben. Wir waren erst einmal miteinander ausgegangen, und abgesehen davon, dass er einen Sauberkeitsfimmel zu haben schien, wirkte er recht normal. Ich fand ihn nicht besonders attraktiv. Und er brachte mich auch nicht zum Lachen. Aber immerhin verspürte ich nach zwanzig Minuten mit ihm nicht den Wunsch, ihm mit einer Gabel die Augen auszustechen, also hatte ich mich zu einem zweiten Date bereiterklärt.

Freue mich, dich heute Abend zu sehen.

Ich holte meinen Kalender heraus und fand den Eintrag: »Dinner mit Peter«. Erneut blickte ich auf mein Handy. Hatte ich meine Kontakte verwechselt? Peter war doch der mit dem karierten Hemd und der Katze. Ich hatte einem dritten Date mit Abendessen zugestimmt, weil er der Kellnerin bei unserem zweiten Treffen ein üppiges Trinkgeld gegeben hatte, obwohl klar war, dass er nicht besonders gut verdiente. Auch Peter fand ich nicht besonders attraktiv.

Ich scrollte durch meine älteren Textnachrichten. Nein, die Nachricht kam eindeutig von Andrew.

Mist.

Ich war mit zwei Männern gleichzeitig verabredet.

Die Tür zu meinem Büro öffnete sich, und Cecily, meine Geschäftspartnerin, steckte ihren Kopf voller Korkenzieherlocken zur Tür herein. »Hast du Zeit?«, fragte sie.

»Klar, wenn du mir hilfst, das Dilemma mit meinen Dates zu lösen.« Cecily und ich hatten schon auf dem College unsere Datingprobleme miteinander besprochen. Im zweiten Studienjahr waren wir Zimmergenossinnen geworden und fühlten uns einander verbunden, seitdem jede ihre eigene DVD von Wie ein einziger Tag ausgepackt hatte und wir für ein paar Stunden mit Ryan Gosling einen ganzen Arbeitstag hatten sausen lassen. Mein Hauptfach war Finanzwesen, ihr Lieblingsthema hieß Marketing. Beides zusammen ergab eine perfekte Geschäftspartnerschaft.

»Das klingt nach Spaß. Verheiratet zu sein ist manchmal verdammt langweilig.« Sie setzte sich auf den Stuhl gegenüber dem Schreibtisch.

Ich hatte meine Ehe nie langweilig gefunden. Im Gegenteil, ich hatte meinen Mann geliebt und mich darauf gefreut, abends nach Hause zu kommen und mit ihm zusammen zu sein. Mehr als zwei Jahre nach der Scheidung vermisste ich ihn immer noch. Ich vermisste es, einen Komplizen zu haben. Einen besten Freund. Ich zwang mich zu lächeln. »Genau das hat Marcus auch gesagt.« Mit mir in Connecticut zu leben hatte meinem Ex-Mann offensichtlich nicht genügt. Das war der Grund, warum ich hier saß, auf den Hudson hinausblickte, in Downtown Manhattan in einer Zweizimmerwohnung lebte und neunzig Prozent meiner Möbel eingelagert hatte. Als verheiratete Frau hatte ich in einer schönen Fünfzimmerwohnung gewohnt, in einem Schindelhaus in Connecticut mit unglaublichem Blick übers Wasser und viertelstündiger Fahrt ins Büro und wieder zurück. Die Veränderung fühlte sich manchmal immer noch wie ein Messer in den Eingeweiden an. Da ich noch nicht mal dreißig war, sollte ich eigentlich begeistert sein, dass ich in der Stadt lebte, die niemals schläft.

Vielleicht war ich ja langweilig.

Als Marcus mich verließ, sagte er, er fände die Vorstellung schrecklich, sein Leben lang festgelegt zu sein. Und ich? Ich war glücklich. Zufrieden. Mit Marcus an meiner Seite war mein Leben so gewesen, wie ich es mir schon als kleines Mädchen vorgestellt hatte. Mehr hätte ich mir nicht wünschen können.

»Es tut mir leid. Ich wollte nicht unsensibel sein.«

Ich lächelte. »Macht nichts. Ist schon lange her.« Allerdings fühlte es sich an Tagen wie diesem nicht so an. Ich wollte keine Dates. Ich wäre viel lieber nach Hause gegangen und hätte mich mit einem Buch ins Bett gekuschelt, anstatt in ein angesagtes Restaurant zu gehen und mich bezaubernd und lustig zu geben.

Dating war anstrengend.

»Also, worin besteht dein Dilemma? Ich zeig dir meins, wenn du mir deins zeigst«, sagte sie augenzwinkernd und nahm auf dem Stuhl direkt vor meinem Schreibtisch Platz.

»Ach, hast du auch ein Problem mit deinem Date? Weiß dein Mann davon?«, fragte ich grinsend.

»Nein, ich bin absolut verschwiegen.« Sie zwinkerte mir zu. »Komm schon, spuck’s aus.«

»Ich bin mit zwei Männern gleichzeitig verabredet, das ist alles. Für heute Abend ist Dinner mit Andrew und mit Peter geplant.«

»Schon wieder?« Sie legte den Kopf schief. »Ist das nicht schon die zweite Doppelverabredung in den letzten Wochen?«

Ja. Und wieso passierte mir das eigentlich noch mal?

»Tja, das bedeutet vermutlich, dass du sie gern sehen möchtest.«

Tatsächlich war das Gegenteil der Fall. Andrew und Peter waren beide nett, aber eine Zukunft konnte ich mir weder mit dem einen noch mit dem anderen vorstellen. Keiner der beiden war mein Seelenverwandter.

»Ist keine große Sache. Ich sage einfach einem von ihnen ab.« Oder beiden, dann könnte ich meinen E-Reader daten. »Ich schätze, dein Dilemma hat nichts mit einem Date zu tun.«

Cecilys Locken wippten, als sie lachte. »Nein, leider nicht. Außerdem betrifft dieses Problem auch dich.« Ihre Augen weiteten sich. »Westbury ist wieder an uns herangetreten.«

Westbury war die Investmentfirma, die bei Weitem die größte Begeisterung an den Tag gelegt hatte, als wir mit ihnen über die Tilgung unserer Darlehen gesprochen hatten, die bald fällig werden würden. Aber gleichzeitig war es die Firma mit den am wenigsten flexiblen Bedingungen.

»Tut mir echt leid, dass wir in diese Lage geraten sind«, sagte Cecily.

»Du musst dich nicht entschuldigen. Wir brauchten das Geld unbedingt, und es war das einzig akzeptable Angebot.« Cecily Fragrance war fast zu schnell sehr erfolgreich geworden, und ein Jahr zuvor hatten wir kurzfristig eine Menge Geld gebraucht, um die Bestellungen zu liefern, die wir angenommen hatten. Cecily hatte zwar die Darlehensverträge unterzeichnet, weil ich nicht in der Stadt gewesen war, aber es war ebenso meine Entscheidung wie ihre. »War doch klar, dass es nur vorübergehend sein sollte. Woher hätten wir wissen sollen, dass wir so erfolgreich sein würden?« Die Darlehen mussten bald zurückgezahlt werden, aber wir wollten so viel Geld wie möglich behalten, um weiterhin in unsere Warenbestände investieren zu können. Wir brauchten einen Ersatz für die Kreditzahlungen. Nächsten Monat. Wenn wir sie nicht bekamen, würde unser Geldstrom versiegen. »Und Westbury hat sein Angebot nicht angepasst?«

»Nein, immer noch alles oder nichts. Sie übernehmen das ganze Geschäft, stellen uns ein, und wir verlieren unsere Anteile.«

Die Westbury Group stand in dem Ruf, clever und erfolgreich zu sein. »Dafür bekommen wir mehr Geld«, sagte sie und klang jetzt etwas positiver.

Die meisten Investoren hätten sich mit einer Minderheitsbeteiligung an der Firma begnügt, aber die Westbury Group wollte alles. Cecily und ich hatten dieses Unternehmen auf die Beine gestellt. Jeden einzelnen Angestellten hatten wir mit äußerster Sorgfalt ausgewählt. Verdammt, sogar die Kaffeemaschine hatte ich selbst ausgesucht. Wir wollten nicht einfach aufgeben. Aber warum zögerte Cecily? Hatte die Sache einen Haken?

»Wie meinst du das: mehr Geld ?«

Sie ließ den Blick über meine Schreibtischplatte schweifen. »Genug, um allen Gesellschaftern einen Betrag zu zahlen, den wir uns erst zum Ende des dritten Jahres erhofft hatten.«

Mir klappte die Kinnlade herunter. Das war eine Menge Geld.

Cecily und ich konnten also tatsächlich neu anfangen. Und ich liebte Cecily Fragrance. Nie hätte ich geglaubt, dass ein Job so etwas sein könnte – eine Leidenschaft.

Die Arbeit hatte mich abgelenkt, als ich um meine gescheiterte Ehe trauerte. Ich hatte nie verstanden, warum manche Freundinnen über ihren Job wie über ein Hobby sprachen, bis Cecily und ich unser Unternehmen aufbauten. Für mich fühlte es sich nicht wie Arbeit an. Ich liebte es. Und seit der Scheidung war Cecily Fragrance das einzig Gute in meinem Leben. Ich hatte eine Veränderung gebraucht, um nicht immer und überall nur das schwarze Loch zu sehen, das mein Mann mit seinem Weggang hinterlassen hatte. Indem er mich verließ, stellte Marcus meine Welt auf den Kopf, aber der Drang, ihm zu beweisen, dass er die falsche Entscheidung getroffen hatte, entfachte ein Feuer in mir. Ich würde meinem Ehemann beweisen, dass ich nicht so berechenbar, langweilig und zuverlässig war, wie er glaubte. Zweifellos hatte er erwartet, dass ich weiterhin als Angestellte einer Investmentbank arbeiten würde, mit festem monatlichem Gehalt und für den Rest meines Arbeitslebens. Aber dass ich eine eigene Firma gründen würde, deren Struktur und Abläufe ich selbst erschaffen musste, dass ich die Chance nutzen würde, jeden Monat Kasse zu machen – das hätte er mir niemals zugetraut. Nicht mal ich selbst hätte mir das zugetraut. Doch wenn die eigene Welt in Trümmern liegt, ist man manchmal eben zu allem bereit. Meine Ehe hatte ich nicht retten können, aber Cecily Fragrance würde ich nicht aufgeben.

»Wie meinst du das? Willst du etwa aufhören? Alles opfern, wofür wir so hart gearbeitet haben, damit jemand anders den Erfolg und den Lohn dafür kassiert?« Sag nein. Bitte, sag nein.

Cecily zuckte zusammen. »Nein, natürlich nicht. Aber ich weiß nicht, ob wir überhaupt eine Wahl haben. Keins der anderen Angebote kann unsere Darlehen vollständig tilgen.«

Hatte sie so schnell aufgegeben?

Ich jedenfalls nicht. Mein Bruder war ein reicher Mann und würde uns unter die Arme greifen, wenn ich ihm die Lage erklärte. Aber ich wusste, dass seine Firma erst kürzlich ein Konkurrenzunternehmen übernommen hatte und darum im Augenblick über wenig Geldmittel verfügte. Außerdem wollte ich es allein schaffen. Mein Bruder sollte mich nicht retten müssen.

»Ich verstehe ja, dass es dir lieber ist, wenn Cecily Fragrance ohne dich weiterbesteht, als mit dir zu scheitern.« Aber ich glaubte nicht, dass es dazu kommen müsste. Ich wusste, wir konnten es schaffen. Schließlich waren wir schon sehr weit gekommen.

Als Gesicht des Unternehmens übernahm Cecily alle großen Geschäftstreffen, während ich mich darum kümmerte, dass im Tagesgeschäft alles glattlief. Ich hatte viele Horrorgeschichten über Manager gehört, die sich durch neue Investitionen von ihren Aufgaben ablenken ließen, und ich war fest entschlossen, diese Falle zu meiden. Ich hatte nicht mit den Investoren verhandelt, aber wenn Cecily heruntergehandelt wurde, war es an der Zeit, dass ich selbst in den Ring stieg. »Vielleicht bekommen wir noch andere Angebote. Wir könnten Westbury auch benutzen, um einige der anderen Angebote hochzuhandeln, die uns schon vorliegen.«

Sie zupfte sich einen Fussel vom Rock. »Kann schon sein. Aber ich will ja nur vermeiden, dass wir unter den Hammer kommen. Und unsere Jobs hätten wir immer noch.«

»Wie wär’s, wenn ich mich mit allen Bietern treffe und mit ihnen verhandle?«, schlug ich vor. »Ich habe bei einer Investmentbank gearbeitet, dabei habe ich das eine oder andere gelernt.« Bestimmt gab es einen Weg, wie Cecily und ich diese Firma am Laufen halten konnten, wenn die Darlehen übernommen wurden.

»Du meinst, du kannst sie umstimmen?«, fragte sie.

Ich zuckte mit den Schultern. »Wer weiß? Einen Versuch wäre es wert, oder? Wir haben doch Kampfgeist, Cecily, schon vergessen?« Ich wollte hören, dass sie ihren nicht verloren hatte.

»Die nächste Darlehensrate ist in einem Monat fällig. Viel Zeit bleibt uns nicht mehr.«

Ich nickte und versuchte das Zucken unter meinem Auge zu ignorieren, das mir sagte, dass diese Aufgabe fast unlösbar war. »Wir können nicht einfach aufgeben, Cecily. Das hier ist unser Baby.«

Sie lächelte halbherzig. »Es hat so viel Energie gekostet, bis hierher zu kommen. Ich weiß nicht, ob mir noch genug bleibt, um das Ziel zu erreichen.«

»Aber dafür hast du doch mich. Ich werde dafür sorgen, dass wir beide ins Ziel kommen. Koste es, was es wolle.«

Ich würde Cecily Fragrance retten.

Und ich würde Andrew und Peter absagen und stattdessen meine Schwester Violet auf ein paar Drinks einladen. Ich wollte den Abend so verbringen, wie ich ihn verbringen wollte, anstatt etwas nur deshalb zu tun, weil ich glaubte, dass es sich für eine Mittzwanzigerin in Manhattan so gehörte.

»Ich hoffe sehr, dass du sie beide vögelst. Und zwar jeden Dienstag um dieselbe Zeit«, meinte Violet, als ich ihr von meinem doppelten Date erzählte. Meine Schwester sagte mir immer die Wahrheit, und ich kannte niemanden, der so sehr an mich glaubte wie sie. Wenn ich gegen die Westbury Group kämpfen und meine Anteile behalten wollte, dann war Violet der beste Cheerleader vor dem Kampf.

»Psst!«, sagte ich und sah mich um, ob jemand sie gehört hatte.

In der Bar, einem meiner Lieblingslokale, herrschte durch die schummrige Beleuchtung, die Chesterfield-Sofas und die amerikanische Unterhaltungsmusik von einem Flügel, der in einer Ecke stand, eine Atmosphäre wie in einem Privatklub aus den Fünfzigern. Die Bar sah so aus, wie ich mir Manhattan vorgestellt hatte – anders als die Realität, die aus Dating, Überstunden und Verkehr bestand und viel weniger glamourös war.

»Meine Güte, warum schleppst du mich in so einen Laden?«, fragte Violet.

Und sie hatte recht. In diese Bar gingen Harper und ich oft mit unserer besten Freundin Grace. Violet und ich hingegen entschieden uns letztlich meistens für Burger in Midtown. »Mir gefällt’s hier.«

»Also«, nahm meine Schwester den Gesprächsfaden wieder auf. »Vögelst du nun mit beiden oder nicht? Dass du’s mit beiden gleichzeitig machst, wage ich ja nicht mal zu hoffen.« Aus schmalen Augen beobachtete sie eine Gruppe von Anzugträgern auf der anderen Seite der Bar. Ich hatte gesehen, wie sie Violet gemustert hatten, als sie ins Lokal geschwebt war. »Ich glaube, ich würde gerne einen flotten Dreier ausprobieren, bevor ich alt werde. Aber mit zwei Männern«, stellte sie klar. »Die Variante mit zwei Mädels und einem Kerl hatte ich auf dem College, das war nichts für mich.«

Ich prustete in mein Glas und erstickte fast. »Violet. Bitte. Erspar mir den Tod durch Peinlichkeit. Wenigstens heute Abend.«

»Okay, wenn du mir meine Frage beantwortest, höre ich auf, zu viel Persönliches zu erzählen.«

»Nein, ich vögele nicht mit ihnen – und schon gar nicht mit beiden gleichzeitig.«

»Autsch«, sagte Violet. »Ich hätte es wissen müssen. Sag, dass du seit der Scheidung wenigstens mit irgendjemand im Bett warst. Bitte. Sag, dass dein Vibrator in den letzten zwei Jahren nicht der Einzige war, der dir einen Orgasmus verschafft hat.«

Violet neckte mich zwar nur, aber die Art, wie sie es tat, führte dazu, dass ich mich ein bisschen schämte, weil ich es immer noch nicht fertiggebracht hatte, nach der Scheidung wieder Sex zu haben. Meine Schwester war so … tolerant in ihren Beziehungen zu Männern; ich wusste, dass sie nicht verstehen würde, warum ich mit keinem der Kerle geschlafen hatte, mit denen ich ausgegangen war. Ich verstand es ja selbst nicht. Aber irgendwie schien keiner von ihnen das zu sein, wonach ich suchte. Sie waren nicht besonders. Nach Marcus hatte ich mit zahlreichen Männern Dates gehabt, hatte mich wieder in die freie Wildbahn gewagt. Nur diesen letzten Schritt hatte ich immer ausgelassen.

Mit manchen Typen war es sogar exklusiv geworden. Okay, mit einem. Ungefähr eine Woche lang, bis mir klar wurde, dass kein Weg darum herumführen würde, mit ihm zu schlafen. Daraufhin hatte ich die Sache sofort beendet.

Violet griff nach meiner Hand. »Ich weiß, ich habe es dir schon oft gesagt, aber was du brauchst, ist ein One-Night-Stand. Du misst der Sache zu viel Bedeutung bei. Es ist nur Sex. Ungefähr so wie Zähneputzen oder Fitnesstraining. Es gehört einfach zum Leben dazu.«

»Aber es ist schwierig.« Ich verstand Violet und war im Grunde ihrer Meinung – Sex war keine große Sache. Aber Sex nach der Ehe war Furcht einflößend. Vielleicht, weil ich damit endlich akzeptieren würde, dass meine Ehe vorbei war und auch, weil Sex der Wegbereiter für eine Beziehung war – eine Schwelle, die ich erst einmal überschreiten musste. Solange ich es nicht tat, war ich in Sicherheit. Und wenn es zu Ende ging, konnte niemand behaupten, die Beziehung sei gescheitert, denn es hatte überhaupt keine gegeben. Ich wollte nicht durchs Leben gehen und eine Spur von Enttäuschungen und kaputten Beziehungen hinterlassen.

»Das ist es nicht. Und ehrlich gesagt, wenn du wirklich nervös bist, kannst du immer noch einfach daliegen und ihn die ganze Arbeit machen lassen. Es wird dann nicht besonders gut, aber wenn du mit deinem schönen Gesicht und dem fantastischen Körper zu mehr nicht in der Lage bist, reicht das immer noch, um einen Kerl kommen zu lassen.«

»Führen wir dieses Gespräch gerade wirklich?« Ich war nicht nervös. Sex fehlte mir. Ich wollte nur keine Beziehung, die von vornherein zum Scheitern verurteilt war.

Violet tätschelte mir die Hand. »Wir werden dieses Gespräch so oft führen, bis du dein Problem mit dem ersten Mal gelöst hast. Dein Leben ist keine Coke-Reklame. Und Marcus ist weg und kommt auch nicht wieder. Außerdem weißt du genau, dass er jetzt mit Cindy Cremantes vögelt.«

Dieses spezielle Gerücht hatte ich zuletzt gehört, als ich bei meinem Bruder in Connecticut gewesen war. Cindy arbeitete immer noch in der Apotheke in Westchester, in der sie nach der Schule angefangen hatte. Ich wusste nicht, warum sie so viel aufregender sein sollte als ich.

»Ich halte mein Leben nicht für eine Coke-Reklame.«

»Da bin ich anderer Ansicht. Ich verstehe ja, dass Marcus der Einzige ist, mit dem du je geschlafen hast, aber trotz der Deko hier leben wir nicht mehr in den Fünfzigern.« Sie beschrieb mit dem Zeigefinger Kreise in der Luft. »Du bist keine Hausfrau. Du musst nicht so tun, als könntest du Sex nicht leiden. So ist das Leben in der modernen Welt nicht.«

»Ich mag Sex sehr. Ich bin nicht frigide.«

Violet seufzte. »Marcus hat dich nicht verlassen, weil du langweilig im Bett bist, keine Sorge.«

»Ja, ich weiß.« Auch Marcus war im Schlafzimmer nicht langweilig, und ich hatte den Sex mit ihm genossen. Aber ich wäre offen gewesen für … etwas Neues, für mehr. Ich wollte unsere Autoschlüssel beim nächsten Dinner im Country Club nicht in eine Schüssel werfen oder so was, aber er hätte mich durchaus hin und wieder auf dem Küchenfußboden vögeln oder versautes Zeug reden können. Einmal, wir waren frisch verheiratet, stellte ich die Dusche ab, als er darunter stand, und ging auf die Knie, bereit für einen Blowjob, doch er sagte nur verlegen, er habe keine Zeit, weil er sonst zu spät zur Arbeit käme. »Ich bin zu einer Beziehung einfach noch nicht bereit.«

»Sex ist keine Beziehung. Versuchst du etwa schon vor dem Vögeln herauszufinden, ob der Typ, mit dem du ausgehst, Mr Right ist?«, fragte sie und zog die Augenbrauen zusammen, als habe sie etwas so Lächerliches noch nie gehört.

Ich zuckte mit den Schultern. »Nein. Eher vermeide ich eine Beziehung, indem ich gar keinen Sex habe.«

Sie nickte. »Okay, hab’s kapiert. Aber du kommst zu kurz – mit jemandem zu schlafen bedeutet nicht, in einer Beziehung mit ihm zu sein. Nicht immer. Was du brauchst, ist Sex mit einem Fremden.«

Ich hatte noch nie einen Kerl aufgerissen – hatte noch nicht mal richtig mit einem geflirtet, der nicht mein Mann war. Marcus und ich waren seit der Highschool miteinander ausgegangen. »Und wie soll so ein One-Night-Stand funktionieren? Rein theoretisch, meine ich, wenn ich vorhätte, so etwas zu machen.«

Violet trank ihren Wodka, dann breitete sich ein Grinsen in ihrem Gesicht aus. »Na los, reiß einen auf.« Mit dem Kopf deutete sie auf einen Mann, der an der Bar saß, seinen Drink im Glas wirbeln ließ und auf den Boden des Glases blickte, als ginge ihm eine Menge durch den Kopf. »Der da ist heiß. Kein Ehering. Na komm, bring’s hinter dich.«

Bring’s hinter dich? Es ging hier doch nicht um Strähnchen im Haar oder einen Lauf durch den Park!

»Sei nicht albern. Wie soll ich denn einfach so einen Typen aufreißen?« Soweit ich erkennen konnte, war der Mann an der Bar tatsächlich attraktiv – ein kräftiges Kinn, ein gut sitzender Anzug, dem man ansah, dass er maßgeschneidert war. Aber trotzdem lebte er vielleicht noch bei seiner Mom, oder er stand darauf, Frauen anzupinkeln … oder Männer. Ich war zwar bereit, meinen Horizont zu erweitern, aber es gab nun mal für alles Grenzen.

»Du sagst immer, du möchtest gern abenteuerlustiger sein. Aber ich glaube, das musst du gar nicht – du hast dir nur von diesem Vollidioten Marcus einreden lassen, dass du langweilig bist. Und wenn du – rein theoretisch natürlich – einen One-Night-Stand haben wolltest, wäre der da perfekt.« Sie deutete mit dem Kinn auf den Typen an der Bar.

»Such dir einfach einen zum Vögeln. Einen, den du nie wiedersehen wirst, und wenn du dann jemanden findest, den du wirklich magst, kannst du eine Beziehung und Sex haben.«

»Ich mochte Andrew. Und Peter auch, wo wir schon mal dabei sind.«

»Kann ja sein. Aber nicht genug. Vielleicht liegt es an dem Druck. Mit einem Fremden gibt es keine Erwartungen – abgesehen davon, dass ihr euch gegenseitig flachlegen wollt.«

Vielleicht hatte sie recht. Vielleicht sollte ich einfach aufhören, so viel nachzudenken – egal, worüber.

»Jetzt machst du das schon wieder«, sagte Violet und musterte mich mit gerunzelter Stirn.

»Was mache ich?«

»Du tippst dauernd mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte. Das nervt.«

»Nein, du nervst.«