Durch Pfützen flitzen, bis sie spritzen - Uticha Marmon - E-Book

Durch Pfützen flitzen, bis sie spritzen E-Book

Uticha Marmon

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Beschreibung

Von drei Autorinnen im Wechsel erzählt: Diese Sommerferien-Geschichte ist mit allen Wassern gewaschen!

Die Sommerferien sind da! Die letzten vor dem Wechsel an die weiterführende Schule.
Die gehörlose Lulu möchte endlich wegfahren, statt immer nur im Familien-Kiosk am See zu arbeiten. Pablo würde lieber bei seinen Fischen bleiben, als die Ferien bei seiner Mutter und deren blöden Stiefsohn zu verbringen. Und Torben versucht seiner Mutter als weltbester Hundesitter zu beweisen, dass er die 5. Klasse nicht „freiwillig“ wiederholen muss, weil er nicht ehrgeizig genug ist – womit er als Bonus bestimmt auch Lulu schwer beeindrucken kann. Aber als Torbens Mutter eine Seniorenresidenz am See bauen lässt und dort auch noch eine geheimnisvolle neue Alge auftaucht, die das Schwimmen unmöglich macht, droht der ganze Sommer ins Wasser zu fallen! Das können die drei nicht zulassen: Ein Plan muss her, um den Badesee und den Kiosk zu retten – und zwar schnell!

Ein lustiges Kinderbuch ab 10 Jahren, das ganz nebenbei Mut für den Schulwechsel macht und Inklusion fördert – das perfekte Geschenk zum Schulanfang!

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Das Buch

Die Sommerferien sind da! Die letzten vor dem Wechsel an die weiterführende Schule. Die gerhörlose Lulu möchte endlich wegfahren, statt immer nur im Familien-Kiosk zu arbeiten. Pablo würde lieber bei seinen Fischen bleiben, als seine Mutter und deren blöden Stiefsohn zu besuchen. Und Torben versucht, Lulu als toller Haustiersitter zu beeindrucken. Aber als Torbens Mutter eine Seniorenresidenz am See bauen lässt und dort auch noch eine geheimnisvolle Alge auftaucht, die das Schwimmen unmöglich macht, droht der ganze Sommer ins Wasser zu fallen!

Sechs Wochen, drei Kinder – eine Sommergeschichte, die sich gewaschen hat!

Der Verlag

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Viel Spaß beim Lesen!

AUF DEN HUND GEKOMMEN

Die Haustür fällt ins Schloss. Dann klackert es im Flur und über den Wohnzimmerboden bis in die offene Küche: peng-peng-peng, wie Schüsse. Jemand, der überraschenderweise schon vor achtzehn Uhr von der Arbeit gekommen ist und zehn Zentimeter hohe Designerschuhe trägt. Mama.

Das Klackern hört auf. Mama ist vor dem Küchentisch stehen geblieben und hat das darauf liegende Jahreszeugnis entdeckt. Es raschelt: Sie hat es aufgehoben und guckt wahrscheinlich in diesem Moment auf die Noten. Torben, der sich im Hängesessel um die eigene Achse dreht und sich Mühe gibt, möglichst tiefenentspannt zu wirken, zählt die Sekunden nach dem Rascheln. Eins, zwei, drei … Die Noten sind leider etwas höher. Vier, fünf, sechs …

»Torben! Das geht so nicht! Torben? Toooor-ben!!«

Whoaa. Ist ja gut. Der Hängesessel stoppt. Torben kneift sich auf beiden Seiten kräftig in die Wangen, bevor er aufsteht und lässig hinüberschlurft. Wenn man sich in die Wangen kneift, werden sie ein bisschen rot. Rote Wangen sehen gesund aus. Nach draußen spielen, Fußball, Park und all diesen Dingen mit frischer Luft. Alle Mütter mögen Kinder mit roten Wagen. Außerdem macht es das Gesicht locker. So fällt das entschuldigende Lächeln gleich viel leichter.

»Hi, Mum. Schicke Schuhe«, gratuliert er ihr und stoppt mit seinen Badelatschenfüßen direkt neben ihren spitzen Lackpumps. »Also, ich würde mich ja niemals in so was reinquetschen. Ich verbringe die nächsten sechs Wochen komplett in Badelatschen. Und wenn wir schon beim Thema sind: Meine alten sind mir zu klein. Guck mal, vorne hängen schon die Zehen raus!«

Er wackelt demonstrativ mit den überstehenden Zehen, aber seine Mutter schaut gar nicht hin.

»Wenn du in diesen Sommerferien eins garantiert nicht tun wirst, dann ist das sinnloses Herumlungern am Baggersee«, macht sie seinen Ferien-Träumen einen Strich durch die Rechnung. Anklagend deutet sie auf das Zeugnis. »Oder willst du behaupten, dass das nicht besser gegangen wäre?«

Torben schüttelt stumm den Kopf. Sicher wäre das besser gegangen, möchte er sich verteidigen. Aber du warst ja nie für mich da, wenn ich Fragen hatte. Für mich war es schließlich das erste Jahr auf dem Gymnasium. Leider hattest du trotzdem nie Zeit, um mir nach der Schule einen Kakao zu machen oder mir bei den Hausaufgaben zu helfen.

Aber er verkneift sich diese Sätze, so wie er sie sich schon das ganze letzte Jahr verkniffen hat, weil Mamas Arbeit vorgeht und sie sonst noch mehr gestresst wäre als sowieso schon.

Stattdessen sagt er: »Jetzt sind doch erst mal Ferien, Mama, chill mal. Ich weiß ja, dass du dir wieder nicht freinehmen kannst, um mit mir zu lernen. Ist schon okay. Aber versprochen: Ich werde am See ein paar Mathe-Übungsblätter machen.«

Agnes Schmidtke greift sich an die Stirn. Wenn das Schauspielerinnen im Film machen, erzählen sie was von Migräne. Nicht so Torbens Mama.

»Ich glaube, du hast mich immer noch nicht ganz verstanden, mein Sohn. Wenn man etwas macht, dann macht man es richtig. Deshalb wirst du die fünfte Klasse freiwillig wiederholen«, sagt sie kühl. »Ich habe das mit deiner Direktorin schon alles geregelt, und sie ist ganz meiner Meinung. Du bist weit unter deinen Möglichkeiten geblieben, Torben.«

Die folgende Erklärung hört Torben nur noch mit halbem Ohr. Altes Klassenzimmer, vertraute Schulmaterialien, aber andere Lehrkräfte, andere Mitschüler, Chance, Neustart. Es rauscht so durch.

Torben streift die Badelatschen ab und schleicht zurück in seinen Hängesessel, doch Mama lässt ihre Peng-Peng-Pumps an. Während sie von Verantwortung für den eigenen Lebensweg und Sich-selbst-am-Kragen-packen redet, donnert sie sich weiter auf. Parfüm, Haarspray, Lidschatten und so. Torben findet nicht, dass ihr die knallrote Jacke mit den spitzen Schultern steht. Auch nicht die dicke Perlenkette oder die dreieckigen Glitzer-Ohrringe. Das alles gehört doch eher zu einer bösen Hexe in einem Disney-Film und nicht zu einer Mama, die beim Spiegeleierbraten gerne Rocksongs vor sich hin singt und den ganzen Sonntag im Flausch-Anzug mit ihm auf dem Sofa sitzt und zockt. Seiner Mama. Auf die ist er schon stolz, auch wenn er ihr das niemals, garantiert nicht sagen würde. Sie selbst ist nämlich schon ganz allein äußerst stolz auf sich, mehr als genug.

»Dies ist eine erfolgreiche Kleinfamilie mit einer finanziell unabhängigen Alleinverdienerin«, sagt sie gern. »Statistisch betrachtet gibt es uns gar nicht. Witzig, oder? Das ist Mathematik, mein Sohn!«

Mathematik, alles klar. Für sie vielleicht!

Ausgerechnet wegen Mathematik darf er die Klasse wiederholen. Zusammen mit all diesen … diesen Babys, die gerade frisch aus der Grundschule kommen.

Agnes Schmidtke guckt auf die Uhr.

»Ich habe gleich noch einen Termin. Spatenstich bei meinem neuen Großprojekt. Da wäre es ganz hilfreich, wenn ich einen wohlerzogenen Sohn mit gekämmten Haaren und gebügeltem Hemd dabeihätte. Ein bisschen Familienkompetenz zeigen, das gefällt den wichtigen Herrschaften. Außerdem gibt es lecker Häppchen mit der Bürgermeisterin. Los jetzt!«

Torben trödelt. Er hat keine Lust auf Häppchen mit der Bürgermeisterin. Er hat keine Lust, sich wie ein Dressurhündchen vorführen zu lassen. Ein weiteres gelungenes Projekt seiner Super-Karrieremutter, die alles gleichzeitig und natürlich am besten kann – ein Eins-a-Sohn mit Sternchen.

***

Doch als sie wenig später mit quietschenden Reifen an der Baustelle halten, ist alles ganz anders als gedacht. Viel besser! Und das liegt nicht nur daran, dass die Bürgermeisterin sich verspätet hat und deshalb die Häppchen noch vollständig vorhanden sind. Es liegt vor allem daran, dass der Spatenstich am Grünen Fleck stattfindet. Mamas neues Riesenprojekt, das neue Luxus-Seniorenwohnheim, liegt direkt neben Torbens Lieblings-Baggersee!

Das Wetter ist großartig, deshalb herrscht dort Hochbetrieb. Von der extra aufgebauten Tribüne neben der Bald-Baustelle hat man einen Superblick auf den Milchpilz, einen Kiosk in Form eines riesigen Fliegenpilzes.

Während Mama spricht, setzt Torben sein Pokerface auf. In Wirklichkeit starrt er aber an ihr vorbei auf das Geschehen rund um den Milchpilz.

Jetzt ist Mamas Chef dran. Er hat einen komplizierten Nachnamen, irgendwas mit W, Witterscheidt oder Wietschoreck oder so. Er erzählt etwas von der Ruhe, die man sich im Alter ehrlich verdient hat und besonders gern genießt. Sein Stellvertreter, der Herr Neubart heißt und auch so aussieht, nickt mit glasigem Blick.

Am Ufer des Sees hat eine Gruppe Kinder wirklich viel Spaß. Ein abgenudelter Beachvolleyball fliegt durch die goldene Abendsonne.

Kurz bevor genau dieser Beachvolleyball allerdings volle Sahne gegen den Kopf vom Chef knallen kann, springt Torben hoch, reißt die Arme in die Luft und schmettert den Ball eins a zurück zu den Kindern. Puh. Das hätte bestimmt Ärger gegeben.

Trotzdem schaut Mama ihn jetzt strafend an. Der Witterscheidt oder Wietschoreck hat das mit dem Ball vor lauter Konzentration auf seine Unterlagen gar nicht gemerkt, er kneift nur die Augen zusammen und räuspert sich. Herr Neubart und die Bürgermeisterin haben ihr gespieltes Grinsen nur für einen Moment unterbrochen.

Immerhin johlen die Kinder im Strandbad anerkennend, ein Junge winkt ihm.

Torben setzt sich auf seine Hände und krallt die Fingerspitzen ganz fest in das Holz der Tribüne, um nur ja kein bisschen zu zucken oder zu zappeln.

Dann ist die Bürgermeisterin mit ihrer Rede an der Reihe. Wie ein Wasserfall quasselt sie von bisher ungenutzten Möglichkeiten städtischer Gestaltung, der Einbindung der Bürger und sozialer Verantwortung gegenüber allen Generationen … blablabla. Unfreiwillig wandert Torbens Blick immer wieder hinüber zum Milchpilz, er kann quasi gar nichts dagegen tun. Vorne ist ordentlich was los, eine Riesenschlange windet sich durch die halbe Liegewiese. Er riecht den Pommesduft bis hierher. Mmm!

Doch was er von seinem Sitzplatz aus am besten sehen kann, ist die Rückseite des Kiosks. Kästen voller Glasflaschen stapeln sich um eine Tür, die auf einmal aufspringt. Ein Mädchen schießt heraus wie eine Kanonenkugel. Ihr Gesicht ist ganz rot und sie wedelt sich erst mal Luft zu. Das ist Lulu. Die kennt er noch von der Grundschule. Sie kann nichts hören und redet mit den Händen. Echt nicht einfach, wenn sie im Milchpilz aushilft! Er versucht dann immer, besonders deutlich zu sprechen und mit Gesten zu unterstreichen, was er meint.

Sie trägt einen hellen Rock mit schwarzen Tupfen und ein grünes T-Shirt mit einem großen, regenbogenfarbenen Hund aus Glitzerpailletten darauf. Außerdem Badelatschen, wie Torben wehmütig feststellt. Ihre ganzen Klamotten passen überhaupt nicht zusammen, und trotzdem wirkt Lulu so komplett, wie er sich selbst gerne fühlen würde. Ihre offenen Haare scheinen in alle Richtungen gleichzeitig zu hüpfen, wenn sie tanzt. Und sie tanzt, so scheint es zumindest für Torben, die ganze Zeit. Sogar jetzt! Sie schlüpft aus den Badelatschen und steigt in die Kühlwanne zu den Getränkekästen. Einfach so. Mit geschlossenen Augen lehnt sie an der Wand und tanzt im Sitzen.

Während Torben ihr dabei zuguckt, vergisst er alles andere um sich herum. Die harte Holztribüne, die ernsten Mienen, das langweilige Gerede – alles egal. Als Lulu nach ein paar Minuten von ihrem Papa wieder in den Milchpilz geholt wird, ist irgendwie die Hälfte der Farben aus der Welt verschwunden. Im selben Moment zieht auch noch eine Wolke vor die Sonne. Passt ja prima, denkt Torben.

Trotzdem grinst er die ganze Zeit bis zum Ende der Spatenstich-Veranstaltung selig vor sich hin. Das fällt sogar Mama auf. Auf der Heimfahrt lobt sie ihn dafür. »Sollen wir zur Belohnung noch Burger holen?«

»Nein danke, ich habe keinen Hunger«, sagt Torben.

Daraufhin nimmt Mama ihre rechte Hand vom Lenkrad und legt sie ihm auf die Stirn. »Du wirst doch nicht ausgerechnet jetzt krank werden? Das wäre wirklich ungünstig. Die nächsten Wochen werde ich nämlich jeden Tag bei der Baustelle sein und nach dem Rechten sehen müssen. Was mache ich denn da mit dir, wenn du krank bist? Willst du die ganze Zeit mit einer Tasse Tee und einer Decke mit im Info-Pavillon sitzen? Du würdest dich ja schrecklich langweilen!«

Torben hält die Luft an. Wenn Mama ihm gerade erklärt hätte, dass sie den Balkon vor seinem Kinderzimmer demnächst in einen Helikopterlandeplatz mit goldenem Whirlpool und allen Konsolen der Welt umbauen würde – er hätte nicht aufgeregter sein können.

Lulu sehen! Jeden Tag! Stundenlang!

»Kann ich auch mitkommen, wenn ich nicht krank bin?«, fragt er und versucht, seine Frage möglichst beiläufig klingen zu lassen.

»Na ja«, sagt Mama. Sie hält an einer roten Ampel und wendet sich ihm zu. »Da kannst du dich doch nicht konzentrieren. Mir ist es lieber, du sitzt zu Hause am Schreibtisch und wiederholst am Vormittag deinen Schulstoff. Ich werde dir jeden Tag ein paar Übungen herauslegen.«

»Und am Nachmittag?«

»Wenn du mit den Aufgaben fertig bist, kannst du an den See. Ich bin doch kein Unmensch. Ich will ja nur, dass du später mal einen anständigen Job hast«, lächelt Mama versöhnlich.

»Anständige Jobs sind ja wohl Ansichtssache«, sagt Torben, verschränkt die Arme und guckt aus dem Fenster. An der Fußgängerampel draußen kämpft ein älterer Herr mit einem Gehstock und einem jungen Hund. Der Herr will über die Straße, schimpft und zerrt. Der Hund will lieber an der Ampel schnüffeln. Das könnte ich besser, denkt Torben. Im Zweifelsfall würde ich den Kleinen einfach über die Straße tragen. Der Hund sieht eigentlich ganz niedlich aus. Wie der Hund auf Lulus T-Shirt. Nur nicht so bunt.

Und da macht es in Torbens Kopf plötzlich Klick.

Oh ja, er wird Lulu immerhin jeden Nachmittag sehen.

UND er wird Mama gleichzeitig beweisen, dass er auch mit seinen schlechten Noten Verantwortung übernehmen und es zu etwas bringen kann. Dann hätte sie bestimmt ein megaschlechtes Gewissen, weil sie ihn aus der Klasse und seinem Freundeskreis herausgerissen und zu einer Horde kleiner Zwergblödmänner gesteckt hätte. Aber Hallo, er wird sein eigenes Business managen! Und er weiß auch schon, welches.

Der Schlüssel zum Glück heißt Hund. Viele Leute haben Hunde, aber keine Zeit. Er selbst hat keinen Hund, aber dafür Zeit. Und die wird er sich teuer bezahlen lassen!

Er wird nämlich Hundesitter! Dabei kann er Geld scheffeln – und sich Lulu auch ohne Worte als taffer Tierfreund präsentieren. Denn wer einen Regenbogen-Köter aus Glitzerpailletten auf dem T-Shirt hat, mag ja wohl Hunde!

Torben rechnet genüsslich vor sich hin. Vor ihm liegen ganze sechs Wochen Ferien mit insgesamt sieben Wochenenden. Am ersten Wochenende wird er seine Marketing-Strategie planen, einen Kundenstamm aufbauen, seine Betriebsmittel checken. Er weiß zwar nicht ganz genau, was das alles bedeutet, aber er hat es schon oft bei Mamas Telefonaten mitgehört. Und wie sagt sie immer? »Lernen durch Machen«. Also sechs Wochen mal sieben Tage, ergibt 42 Tage »Machen«.

Das Gute ist: Hunde kacken immer. Die müssen auch am Sonntag oder bei Regenwetter raus. Wenn er für eine Stunde Gassi gehen fünf Euro verlangt und das nur vier Stunden am Tag macht – dann hat er am Ende der Ferien 840 Euro. Mit etwas Glück kann er manche Aufträge auch zusammenlegen! Wenn er beispielsweise mit vier Hunden gleichzeitig unterwegs wäre, für nur drei Stunden – dann wären das schon sechzig Euro. Oh ja. Erst die blöden Übungen machen, dann eine richtig schöne, lange Mittagspause am Baggersee – herumfläzen, Pommes essen, Spaß haben – und nachmittags Gassi gehen. Selbst wenn er am Milchpilz ganze zehn Euro auf den Kopf hauen würde, könnte er jeden Tag fünfzig Euro einstreichen. Fünfzig Euro mal vierzig Tage, ganz vorsichtig gerechnet: zweitausend Euro!! Waaahnsinn! Das würde locker für … Moment, für zweihundert Mal Pizza Meeresfrüchte reichen. Wobei er Pizza Meeresfrüchte gar nicht so mag. Vielleicht lieber für vierhundert Eisbecher. Oder für achthundert Portionen Pommes. Woohooow. Er könnte damit alle Schüler seiner ganzen Schule zu Pommes einladen und hätte immer noch ’ne Menge Kohle übrig!

Einen besseren Beweis für die Eignung zu anständigen Jobs kann es ja gar nicht geben.

Zu Hause öffnet Torben topmotiviert ein Textdokument am Computer und entwirft ein Plakat:

FERIEN-TIERSITTER

Ich kümmere mich gern um Ihren Liebling.Täglich von 12 – 20 Uhr, 5 Euro pro Stunde.

Name und Telefonnummer ergänzt, und zack, zwanzig von den Dingern ausgedruckt, Klebefilm und Reißzwecken von Mamas Schreibtisch gemopst und an die Laternenmasten, Bretterwände und Bushaltestellen der Umgebung gepappt.

Als er wieder nach Hause kommt, ist er geschafft und froh. Gut, dass er so früh angefangen hat. Vermutlich wird es sowieso eine ganze Weile dauern, bis er genügend Aufträge hat.

Gerade will er es sich auf dem Sofa gemütlich machen und eventuell vielleicht in näherer Zukunft ein wenig ins Mathebuch hineingucken, da klingelt sein Handy.

»Spreche ich mit dem Jungen, der sich um Haustiere kümmert? Ja? Super. Es tut mir leid, dass ich dich noch so spät anrufe, aber wir haben einen Betreuungs-Notfall. Normalerweise kümmert sich unsere Nachbarin um Dotty, aber die hat sich jetzt leider was gebrochen, und ich weiß gar nicht, wen wir da sonst fragen könnten. Schließlich muss jemand die ganzen Ferien über nach Dotty sehen«, entschuldigt sich der Mann am Telefon. Er klingt etwas gestresst, aber nett.

»Nur die Ruhe«, lächelt Torben in den Hörer. »Genau dafür bin ich ja da.«

»Dotty kommt aus Afrika und gehört zu den Synodonten«, erklärt der nette Mann.

Aha, denkt Torben. Ein Synodont. Er fragt lieber nicht nach, um so professionell wie möglich zu wirken.

»Ich kenne mich ja gar nicht so gut aus mit diesen Viechern. Mein Herr Sohn Pablo ist da der Experte, aber der ist gerade nicht da. Er kann dir sämtliche Unterarten und Spezialanforderungen an die Wasserhärte und so weiter im Schlaf aufzählen …«

Spezialanforderungen an die Wasserhärte? Torben sieht sich schon mit zwei Flaschen durch den Stadtwald joggen: eine selbst abgefüllte mit ganz normalem Leitungswasser für ihn und eine aus mundgeblasenem Kristallglas mit hochwertigem französischem Privatquellwasser für Dotty. Was es nicht alles für verwöhnte Köter gibt.

»Ich muss Sie echt warnen«, grätscht Torben dazwischen. »Wenn Ihr Dotty zum Beispiel beim Thema Gassigehen auch spezielle, sagen wir, Bedürfnisse hat, dann sollte ich das vielleicht besser rechtzeitig wissen.«

Der Mann am anderen Ende der Leitung gluckst. Wie ein krankes Eichhörnchen oder eine übervolle Blechgießkanne, die jemand gegen eine Tischkante haut. Ganz sympathische Lache für einen erwachsenen Mann, findet Torben.

»Gassigehen? Nee, nee, keine Sorge. Dotty geht nicht gern Gassi. Er will allerhöchstens mal ein bisschen anderes Futter. Aber das ist kein Problem: Im Regal obendrüber findest du seine Lieblings-Leckerlis. Bitte gib ihm von den Algentabletten nur höchstens zehn am Tag, sonst wird er fett.«

Algentabletten? Iiih. Mama mag das auch: Reis in Algen gewickelt. Das nennt man Sushi. Okay, und mittlerweile achten viele Menschen eben auch sehr genau auf die Ernährung ihrer Vierbeiner. Daran ist ja nichts verkehrt, denkt sich Torben.

Er einigt sich mit Herrn Carlos auf einen Lohn von sechs Euro pro Besuch bei Dotty und schreibt sich die Adresse auf. »Oh, oh, unser Zug geht in einer Viertelstunde«, hat es sein Auftraggeber plötzlich ganz eilig. »Der Schlüssel liegt im linken Blumenkasten neben dem Eingang, vielen Dank für deine Hilfe!«

»Gute Reise«, wünscht Torben noch, doch Carlos hat schon aufgelegt.

Mama kommt herein, im Pyjama. Sie gähnt und reibt sich mit einem Wattepad die Schminke vom Gesicht.

»Hast du telefoniert? Wer war denn das?«

»Ach, nur jemand, mit dem ich mich zum Joggen im Stadtwald verabredet habe«, grinst Torben.

»Prima! Mein Super-Sportler«, lobt Mama.

Torben nickt. Oh ja. Er ist nicht nur ein Super-Sportler, sondern auch ein ziemlich krasser Geschäftsmann. Nach einer halben Stunde schon den ersten Kunden an Land gezogen, Respekt!

LIEBER KUHFLADEN ALS POMMES

Südtirol! Hohe Gipfel! Grüne Täler! Eine Almwiese voller Blumen und Kühe. Und Lulu mittendrin. Mit nackten Füßen streift sie durchs Gras, hüpft über vereinzelte Kuhfladen und lässt sich die Sonne auf den Kopf scheinen. Herrlich! So sollen die Sommerferien sein. Genau so und kein Fitzelchen anders. Lulu nimmt einen tiefen Zug von der würzigen Bergluft – die aber leider schwer nach Pommes riecht. Fett und warm zieht der Pommesgeruch ihr durch die Nasenlöcher. Weil die Fritteuse links von ihr steht. Seufzend öffnet Lulu die Augen und guckt Mama ins Gesicht. Die hat sich mit in die Hüften gestemmten Fäusten vor ihr aufgebaut und grinst.

»Na, hast du geträumt?«, fragt sie in Gebärdensprache. Lulu grinst auch. Dann wendet sie sich schnell der Fritteuse zu, die schon ziemlich aufdringlich blinkt. Pappa hat sie so umgebaut. Für den Fall, dass Lulu mal kurz alleine im Milchpilz ist und Pommes machen muss.

Sie nimmt den Frittierkorb aus dem heißen Öl. Die Pommes sind etwas dunkel, wer weiß, wie lange die Fritteuse sich schon meldet. Schnell kippt Lulu die Pommes in die Würzschüssel, schwenkt sie mit dem Paprika-Salz-Gemisch einmal durch und schüttet sie in die bereitstehenden Waffelschälchen. Endlich hat sie es geschafft, sich gegen Mama und Pappa durchzusetzen. Schluss mit beschichteter Pappe und all dem Müll. Im Milchpilz gibt es nur noch essbares Geschirr und Holzbesteck. Mama sieht Lulu noch immer an und schüttelt lachend den Kopf. Sie weiß genau, was gerade passiert ist; dass Lulu sich nämlich nur so schnell um die Pommes gekümmert hat, damit sie Mama nicht antworten muss. Volle Hände, keine Antwort. So einfach. Das ist ein Riesenvorteil in Lulus Alltag. Weil sie immer einen Grund findet, Mama und Pappa nicht antworten zu müssen. Auch in der Schule kann sie im Notfall behaupten, sie hätte die Lehrer nicht verstanden. Das ist tatsächlich manchmal der Fall, obwohl Lulu super Lippenlesen kann. Aber viele ihrer Lehrer nuscheln und wenn sie sich zur Tafel drehen, geht es gar nicht. Trotzdem kommt Lulu ganz gut zurecht, sie hat in der Schule ja auch meistens Micha, ihren Gebärdendolmetscher, dabei.

Letztens hätte sie es mit dem angeblichen Nichtverstehen aber trotzdem fast übertrieben, weswegen Mama und Pappa beim Elterngespräch echt Mühe hatten, Frau Probst zu erklären, dass Lulu durchaus auch in der fünften Klasse nicht in eine spezielle Schule gehen muss. Aber Pappa hat die Karte mit der Inklusion gezückt. Das bedeutet, dass kein Mensch ausgeschlossen werden darf, weil er zum Beispiel, wie Lulu, gehörlos ist. Das ist ein Menschenrecht. Und schon war die Sache geklärt. Denn Frau Probst wollte Lulu natürlich auf keinen Fall ausgrenzen. Und Pappa hat sich schlappgelacht, als er von dem Gespräch erzählt hat. Eigentlich finden Lulu und ihre Eltern ja, dass man einfach niemanden ausschließen darf – egal was er kann oder wie er aussieht. Und für Lulu war das sowieso nie ein Problem gewesen. Aber manchmal kriegt man die Leute mit der Inklusionskarte einfach schneller dazu, etwas zu tun. Und das Beste ist, dass Mama und Pappa sich sogar selbst mit dieser Karte schlagen lassen. So wie jetzt.