E-Bike 2020 - Martin Häußermann - E-Book

E-Bike 2020 E-Book

Martin Häußermann

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Beschreibung

Welches E-Bike passt zu mir? Ob als E-Mountainbike, Rennrad oder Lastenrad, ob im Sport oder als Beitrag zu Umweltschutz und Mobilitätswende: E-Bikes und Pedelecs spielen im Verkehr eine immer größere Rolle. Doch worin unterscheiden sich die Modelle und welches E-Bike ist für mich das richtige? Der Journalist Martin Häußermann, Mitbegründer des Fahrrad-Magazins Fahrstil, hat für Sie den unübersichtlichen Markt analysiert und beantwortet alle wichtigen Fragen zum E-Bike Kauf: • E-Bike-Kaufberatung und Typenkunde: Trekkingbike, Citybike, E-MTB, E-Rennrad, S-Pedelec und Spezialbikes wie Faltrad, Liegerad und Lastenrad • Akku-Kunde und Infos zum E-Bike-Motor (Mittelradmotor, Hinterradmotor und Nabenmotor für das Vorderrad) • Fahrradschloss, Packtasche und Fahrradhelm: Welche Ausrüstung brauche ich für mein E-Bike? • Das E-Bike im Alltag und auf Reisen: Tipps von Berufspendlern, Sportlern und E-Bike-Fans sowie Tourempfehlungen für Donauradweg, Enztalradweg oder in Kärnten • So entsteht ein Premium-Pedelec – Unternehmensreportage bei Riese & Müller Vom E-Bike Kauf zur ersten Radtour In verständlicher Sprache erläutert E-Bike-Spezialist Martin Häußermann alle technischen Fakten und informiert über die neuesten Entwicklungen bei E-Bike-Akku und Motor. Damit die Biker mit maximalem Spaß unterwegs sind, dürfen Tipps und Tricks zur Fahrsicherheit nicht fehlen. Abgerundet wird der Ratgeber mit Infos zu nützlichem Fahrradzubehör und zum Transport der E-Bikes. Danach heißt es: Rauf auf den Sattel und losfahren! Für die erste längere Radtour mit dem neuen E-Bike gibt es Tipps zum Bikepacking und Tourenvorschläge für Radurlaube. Damit enthält "E-Bike 2020. Modelle – Technik– Fahrspaß" alles Wichtige zum E-Bike in einem Bookazine – praxisbezogen und übersichtlich!

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MARTIN HÄUSSERMANN

EBike

MODELLE / TECHNIK / FAHRSPASS

EDITORIAL

LIEBE LESERIN,LIEBER LESER,

ein bisschen fühle ich mich als Pionier. Als das erste E-Bike in unserer Garage stand, das ist nun mehr als zehn Jahre her, wurde ich von Freunden, Bekannten, Sportkameraden und Nachbarn mit mitunter missbilligenden Blicken angeschaut. »Du bist doch noch nicht so alt, dass du schon einen Motor brauchst«, war noch eine der freundlicheren Bemerkungen. Solche Aussagen können nur Menschen von sich geben, die das, was sie kritisieren, nicht aus eigener Erfahrung kennen. Ihnen habe ich regelmäßig geantwortet: »Bevor ihr urteilt, solltet ihr es zumindest einmal selbst ausprobieren.« Getreu dem Motto: Versuch macht klug. Und siehe da: Die meisten Kritiker von einst sind heute selbst E-Biker. Viele meiner Nachbarn – zwei kommen auch in diesem Bookazine vor – lassen heute gern ihr Auto stehen und fahren mit dem Pedelec zur Arbeit.

Das tut meine Frau schon seit gut sieben Jahren. Sie ist Ärztin und fährt tagtäglich – bei Wind und Wetter – in ihre Praxis. So kommt sie frisch und wach zur Arbeit – und kann auf dem Heimweg zumindest ein bisschen Stress herausradeln. Mein jüngerer Sohn schwang sich schon mit 13 Jahren aus jugendlichem Forscherdrang auf ein Test-E-MTB und war bei gemeinsamen Ausflügen immer auf der Suche nach Steigungen, die er mit Karacho hinaufdonnerte. Die übrige Zeit blieb er begeisterter Biobiker. Heute ist er Führerscheinbesitzer – und nutzt dennoch meist (Papas) E-Bike, um zur Schule zu kommen. Der große Sohn schließlich liebt es, mit dem MTB durch den Matsch zu wühlen – mal mit Stromunterstützung, mal ohne. Wir haben alle auch noch rein muskelbetriebene Fahrräder und nutzen mal dieses, mal jenes – auch im Urlaub.

Nun ist nicht jede Familie so fahrradverrückt wie meine, und manche kämpfen – wir übrigens auch – mit Platzproblemen. Dann wird, und das ist oft so, das bisherige gegen ein E-Bike getauscht. Dass bei der Suche jemand nicht fündig wird, ist eigentlich fast nicht möglich. Denn die Fahrradindustrie hat wirklich jeden Fahrradtypus elektrifiziert. Vom einfachen Cityrad über das Mountainbike bis hin zum mächtigen Lastenrad – alles ist mit Motor zu haben. Lesen sie dazu auch das Kapitel »Typenkunde«.

Und lassen Sie sich bitte nicht einreden, E-Bikes seien nur für ältere, unsportliche Leute adäquat. Das ist, mit Verlaub gesagt, Quatsch. Ganz im Gegenteil: E-Bikes bringen Menschen wieder dazu, sich zu bewegen, die bisher Hemmungen hatten oder Bedenken, unterwegs ans Ende der Kräfte zu gelangen. Auf der anderen Seite gibt es heute sogar – sehr sportliche – Rennserien, die mit E-Bikes gefahren werden. Das E-Bike gibt dem Fahrradfahren neue Perspektiven. Es dient als Reichweitenverlängerer oder als Leistungsausgleich innerhalb von Radgruppen. Auch darüber lesen Sie in diesem Bookazine.

Ich hoffe sehr, ich kann meine Begeisterung fürs E-Bike zumindest teilweise auf Sie übertragen. Und wenn Sie dieses nur aus Vernunftgründen kaufen, auch gut. Aber lassen Sie es dann nicht in der Garage stehen, fahren Sie damit! Zum Schluss noch eine persönliche Bitte: Setzen Sie immer einen Helm beim Biken auf. Entgegen der Aussage unseres Verkehrsministers Andreas Scheuer sehen moderne Helme keineswegs sch... aus, sicher ist aber: Helme können Leben retten.

Herzliche Grüße und allezeit gute Fahrt,

Ihr

INHALT

KAPITEL 1

FASZINATION PEDELEC

Die E-Ideenschmiede

Zu Besuch bei Riese & Müller

E bleibt spannend

Das E-Bike rollt weiter auf der Erfolgsspur

KAPITEL 2

TEST & TECHNIK

Typenkunde

Das Trekkingbike

Das Crossover-Bike

Das Stadtrad

Das E-MTB

Das E-Rennrad

Das E-Lastenrad

Das E-Faltrad

Das E-Liegerad/Trike

Das Designbike

Das S-Pedelec

Die wichtigsten Motoren

Was uns antreibt

Mittelmotoren

Hinterradmotor ohne Getriebe

Nabenmotor fürs Hinterrad

Kleine Akku-Kunde

Strom aus der Tube

5 Tipps zum Umgang mit E-Bike-Akkus

Bikefitting

Bitte nehmen Sie Platz – Ein Hausbesuch bei Velotraum

Kaufberatung

Eine Überlegung wert – Die wichtigsten Fragen vorweg

KAPITEL 3

ALLTAG

Best Practice

Die Auto-Alternative

Der Verkehrsminister

Winfried Hermann

Der Arzt

Dr. Nikolaus Frischmuth

Der Rechtsanwalt

Steffen Ihrig

Die Fußball-Senioren

FC Gerlingen

Die Marketing-Managerin

Simone Richter

Der Olympiasieger

Markus Wasmeier

Do it yourself

Der Bike-Heimwerker

Langzeit-Erfahrung

Der 11.000-Kilometer-Test des Velotraum-Chefs

Navigation

Schlaue Pfadfinder

Transport

Das E-Bike als Ladegut

Nützliches Zubehör

Kleine Helferlein

Helme, Rucksäcke, Packtaschen, Beleuchtung, Bekleidung etc.

Fahrtechnik

Mit Sicherheit viel Fahrspaß

Bremsen, Sicher ums Eck, Vorrauschauendes Fahren etc.

KAPITEL 4

REISE

Donauradweg

Donau so blau

Kärnten

Drau dich doch

Enztalradweg

Die Heimat genießen

Seidenstraße, Teil 2

Traumreise mit Hindernissen

Mongolei

Die große Reise von Tanja & Denis Katzer

Bikepacking-Barcamp

Lithium und Lagerfeuer mit Gunnar Fehlau

Trail-Rules

Kleiner Biker-Knigge von Stefan Schlie & Markus Greber

Autor und Dank

FASZINATION PEDELEC

DIE E-IDEENSCHMIEDE – ZU BESUCH BEI RIESE & MÜLLER

E BLEIBT SPANNEND – DAS E-BIKE ROLLT WEITER AUF DER ERFOLGSSPUR

DIEE-IDEENSCHMIEDE

MIT TATENDRANG UND INNOVATIONSFÄHIGKEIT HABEN MARKUS RIESE UND HEIKO MÜLLER AUS EINER GARAGENFIRMA EIN VERITABLES MITTELSTÄNDISCHES UNTERNEHMEN MIT 450 MITARBEITERN GEFORMT. 2009 STIEG RIESE & MÜLLER IN DIE ELEKTRIFIZIERUNG VON FAHRRÄDERN EIN. SEIT 2012 BAUEN DIE HESSEN NUR NOCH E-BIKES – UND DAS BIRDY.

TEXT: MARTIN HÄUSSERMANFOTOS: PHILIPP HYMPENDAHL, MARTIN HÄUSSERMANN, RIESE & MÜLLER

Deutschland ist Ingenieurland. Da wundert es schon ein wenig, dass man bei der Elektromobilität so hinterherhinkt. Stopp. Das stimmt natürlich nicht so ganz. Denn bei der Elektromo- bilität auf zwei Rädern ist Deutschland ganz vorn dabei. 980.000 E-Bikes wurden laut Statistik im Jahr 2018 hierzulande verkauft – während in der gleichen Zeit nicht einmal 70.000 Elektroautos und Plug-in-Hybride neu zugelassen wurden. Zu dieser Erfolgsgeschichte des E-Bikes haben auch zwei höchst kreative deutsche Ingenieure maßgeblich beigetragen: Markus Riese und Heiko Müller, die vor gut einem Vierteljahrhundert ein Unternehmen gründeten, das heute jährlich rund 60.000 Premium-E-Bikes baut und in die halbe Welt verkauft.

Daran haben die beiden vermutlich nicht einmal ansatzweise gedacht, als sie 1992 in der elterlichen Garage an einem höchst innovativen Zweirad tüftelten. Kein E-Bike, das war damals kein Thema. Die beiden Maschinenbauer, die sich in den 80er-Jahren an der TU Darmstadt kennenlernten, waren beide auch aktive Radfahrer – Heiko eher der Racer, während Markus das Mountainbike bevorzugte. Und irgendwie waren sie auf der Suche nach einem Fahrrad, das sich einerseits so klein machen konnte, dass es problemlos in der Bahn oder im Auto mitgenommen werden konnte. Andererseits wünschten sich die ambitionierten Biker auch sehr gute Fahreigenschaften. Die damals erhältlichen Klappräder mit einem Faltgelenk im Rahmen erschienen den beiden buchstäblich zu klapprig und deutlich zu instabil. Bis Markus die Idee kam, man könnte doch beide Räder federnd lagern und die Drehgelenke der Federungen gleichzeitig auch zur Faltung nutzen: Das Birdy war geboren.

Die Premiumbikes von Riese & Müller entstehen in einer hochmodernen Fertigungsstätte im hessischen Mühltal.

VOM FALTRAD- ZUM E-BIKE-SPEZIALISTEN

In zehn Tagen – und diversen Nachtschichten – entwickelten und schraubten die beiden Tüftler einen Prototyp zusammen, der nach einer Idee von Heiko beim »Hessischen Innovationspreis 1993« vorgestellt werden sollte – und dort prompt einen Sonderpreis gewann. Eigentlich hätte ja nicht nur die Konstruktion einen Preis verdient gehabt, sondern auch die Namensgebung: Birdy wurde das vollgefederte Faltrad genannt, weil es nach der Meinung seiner Erbauer einem Vögelchen gleich über den Asphalt schwebte. Die Kreativität bei Produkten und Namensgebung ist bis heute gleich geblieben: Ein sportliches E-Bike heißt heute Charger, ein motorisiertes Lastenrad Load. Nur beim Firmennamen blieben die beiden sachlich und setzten ihn aus ihren beiden Nachnamen zusammen. Gemeinsam mit der promovierten Kauffrau Sandra Wolf, Ehefrau von Heiko Müller, bilden die beiden Ingenieure aktuell die Geschäftsleitung von Riese & Müller. Dabei sind die Aufgabenfelder klar verteilt: Markus Riese zeichnet für die technische Entwicklung der Produkte verantwortlich, Heiko Müller steuert das operative Geschäft, und Sandra Wolf widmet sich der Strategie und der Markenbildung.

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IN MÜHLTAL TRIFFT FAHRRADBEGEISTERUNG AUF INGENIEUR- UND ORGANISATIONSKUNST.

«

RIESE & MÜLLER

Gründung: 1993 in Darmstadt

Mitarbeiter (2019): 450 (aus 40 Nationen)

Umsatz (GJ 18/19): 145 Millionen Euro (+ 38 % im Vergleich zum Vorjahr)

Geschäftsführung: Markus Riese, Heiko Müller, Dr. Sandra Wolf

Produktionsstätte: Seit 2019 in Mühltal bei Darmstadt

Grundstücksfläche: 40.000 Quadratmeter

Arbeits-, Produktions- und Lagerfläche: 22.000 Quadratmeter

Markus Riese (links), Heiko Müller (Mitte) und Dr. Sandra Wolf bilden das Führungstrio des E-Bike-Herstellers Riese & Müller.

Der Erfolg des Birdy motivierte die beiden Gründer, weitere vollgefederte Fahrräder zu entwickeln, 1997 die beiden Komfort-Cruiser Culture und Avenue, ein Jahr später kam das sportliche Delite hinzu. Fortan verkauften die Hessen ihre Bikes unter dem Firmenslogan »Gefedert radfahren«. Das Delite bildete auch die Basis für das erste Speed-Pedelec, das 2009 vorgestellt wurde. E-Bikes bekamen alle den Namenszusatz Hybrid. Die ersten Schritte in Richtung Elektrifizierung tat Riese & Müller mit Radnabenmotoren des kanadischen Herstellers BionX, die aber den hohen Qualitätsansprüchen der beiden Ingenieure nicht dauerhaft standhalten konnten. So war auch das BionX-getriebene Birdy nur kurzzeitig im Verkaufsprogramm.

Dennoch entschieden Markus Riese und Heiko Müller im Jahr 2012, sich künftig auf E-Bikes zu konzentrieren. Eine zukunftsweisende Entscheidung in einem Jahr, in dem gerade einmal 380.000 E-Bikes in Deutschland verkauft wurden. Nicht ganz zufällig fällt die Entscheidung mit Markteinführung der Antriebe Active Line (City- Antrieb) und Performance Line (Touren/Sport) des Herstellers Bosch zusammen, der 2009 in den E-Bike-Markt eingestiegen war. Seitdem setzt Riese & Müller zu 100 Prozent auf die Mittelmotoren von Bosch und ist seinerseits mit der bereits erwähnten Jahresproduktion von 60.000 E-Bikes ein wichtiger Abnehmer. »Wir sind vom Mittelmotor überzeugt und sind auch von der Qualität überzeugt, die Bosch liefert«, sagt Heiko Müller, und Markus Riese ergänzt: »Das sind technisch hervorragende Produkte, die im Übrigen auch bei unseren Kunden einen guten Ruf haben.«

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HEUTE SETZT RIESE & MÜLLER ZU 100 PROZENT AUF MITTELMOTOREN VON BOSCH.

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Das Faltrad Birdy – hier eines der ersten Generation – ist die Keimzelle des Fahrradherstellers (oben). Das Delite bildete die Basis des ersten S-Pedelecs.

Start ins E-Zeitalter mit dem Birdy der zweiten Generation (links), dem futuristischen Culture (Mitte) und dem Delite.

Pulverbeschichtete Aluminiumrahmen warten darauf, in den Montageprozess eingespeist zu werden.

DIE PRODUKTPALETTE UMFASST 21 MODELLE

Wir haben die beiden Gründer in ihrem neuen Domizil in Mühltal vor den Toren Darmstadts getroffen, gar nicht so weit entfernt von der Garage, in der alles begann. Rund 30 Millionen Euro hat das Unternehmen in den modernen Firmensitz investiert, der Anfang 2019 in Betrieb genommen wurde. Bis zu 700 Fahrräder kann Riese & Müller hier pro Tag bauen. Derzeit liegt man noch deutlich unter der Kapazitätsgrenze. Aber erstens wäre die mit der aktuellen Belegschaft von 450 Mitarbeitern gar nicht zu schaffen. Und zweitens war zum Zeitpunkt unseres Besuchs gerade Serienanlauf des 2020er-Modelljahres. Da werden Taktzeiten bewusst etwas verlängert, weil sich Abläufe erst einspielen müssen und die Qualität nicht leiden darf. Wobei: Als uns Pressesprecher Jörg Lange durch die Produktionshallen führt, gewinnen wir den Eindruck, dass hier eigentlich alles schon ganz gut flutscht. Aufgeregtheit oder gar Stress beobachten wir jedenfalls nicht, während wir durch die Halle gehen. Riese & Müller setzt auf eine stark arbeitsteilige Linienproduktion. Gerade wird eine Charge des Modells Supercharger für den englischen Markt gefertigt. Insgesamt 26 Stationen braucht es, bis aus dem nackten Rahmen ein fahrbereites E-Bike entstanden ist, das nach der Qualitätskontrolle am Ende der Produktionslinie gleich in den Versandkarton gehievt wird.

Derzeit werden in Mühltal 21 unterschiedliche Modelle gefertigt, die Teile dafür werden auf 5.500 Palettenplätzen gelagert, mit kurzen Wegen an die Produktionslinie. Die meisten Komponenten wie Rahmen, Federgabeln, Sättel und natürlich die Elektroantriebe werden komplett angeliefert. Laufräder hingegen werden in alter Tradition noch selbst gebaut. Das hat zum einen Qualitätsgründe, zum anderen erhöht es die Flexibilität der Produktion. Schließlich kommen von der klassischen Shimano-Kettenschaltung über die stufenlose Enviolo-Nabe bis hin zur elektronisch schaltbaren Rohloff-Speedhub die unterschiedlichsten Schaltungskonzepte zum Einsatz. Produktion und Materialwirtschaft sind naturgemäß eng vernetzt. »So können wir schnell und flexibel reagieren, wenn Bestellungen eingehen«, sagt Lange. Wenn es wirklich mal besonders eilig sein sollte, kann Riese & Müller innerhalb von zwei Tagen nach Bestelleingang das Rad an den Händler ausliefern. Tatsächlich ist hier jedes Fahrrad nach einem vorliegenden Auftrag gefertigt. »Eine Vorratsproduktion wäre angesichts der hohen Varianz an Modellen, Farben und Ausstattungen nicht sinnvoll«, sagt Heiko Müller.

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AN 26 MONTAGESTATIONEN WIRD AUS EINEM NACKTEN RAHMEN EIN FERTIGES E-BIKE.

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Die fertigen Laufräder begleiten das dazugehörige Rahmenset an die Produktionslinie.

Laufräder baut Riese & Müller im eigenen Haus, und zwar streng auftragsbezogen.

MIT DEM RAD ZUR ARBEIT

Doch trotz der hohen Varianz haben die Hessen mit dem Delite Mountain gerade ein reinrassiges Sportgerät im Programm. »Tatsächlich konzentrieren wir uns in erster Linie auf die Alltagsmobilität. Wir wollen unseren Kunden Produkte anbieten, die eine ernst zu nehmende Alternative zum Auto sind«, sagt Heiko Müller. »Nachhaltigkeit ist für uns ein wichtiges Thema«, ergänzt Markus Riese. Dazu müsse man Produkte bauen, an denen die Kunden »sehr lange große Freude« haben. Und man muss sie natürlich auch selbst nutzen. Tatsächlich fahren beide, wie übrigens rund 60 Prozent der Belegschaft, fast täglich mit dem E-Bike zur Arbeit. Damit wollen sie nicht nur Vorbild sein, sie versichern beide glaubhaft, der Arbeitsweg mache auf dem Fahrradsattel einfach mehr Spaß als im Autositz. Außerdem dienen die Privatfahrten auch dazu, die eigenen Produkte ständig zu testen und zu verbessern, wie Markus Riese sagt: »Nur wenn wir selbst mit unseren Produkten zufrieden sind, können wir sie guten Gewissens verkaufen.« Auf die Frage, welches denn gerade ihr Lieblingsmodell aus der eigenen Produktion sei, sagen beide praktisch zeitgleich: »Das Load.« Das sei einfach »gnadenlos praktisch und vielseitig«. Um dies zu unterstreichen, erzählt Markus Riese – mit schelmischem Grinsen – noch eine Anekdote. Eine Nachbarin, alleinerziehende Mutter, habe ihm kürzlich gesagt, ihr Lasten-E- Bike sei, gleich nach der Waschmaschine, das wichtigste Gerät in ihrem Haushalt. Ein größeres Lob kann sich Markus Riese kaum vorstellen.

E BLEIBTSPANNEND

DAS E-BIKE ROLLT WEITER AUF DER ERFOLGSSPUR, VERKAUFS- UND NUTZERZAHLEN GEHEN JAHR FÜR JAHR NACH OBEN. NICHT OHNE GRUND. DER ELEKTROANTRIEB ERHÖHT DEN BEWEGUNGSRADIUS, SENKT DIE HEMMSCHWELLE, SICH AUFS FAHRRAD ZU SETZEN, UND GLEICHT LEISTUNGSUNTERSCHIEDE IN GRUPPEN AUS. VOM ENORMEN FAHRSPASS WOLLEN WIR HIER GAR NICHT REDEN – DEN SOLLTEN SIE SELBST ERFAHREN.

TEXT: MARTIN HÄUSSERMANNFOTOS: HÄUSSERMANN, HERSTELLER, PD-F

Wie sich die Zeiten ändern. Als der schwäbische Elektrotechniker und Tüftler Bernhard Sprenger 1983 ein altes Herrenfahrrad mit Komponenten aus dem Automobilbau zum ersten E-Bike umbaute, interessierte das die Geschäftsleitung seines Arbeitgebers Bosch nicht wirklich. Seine über das betriebliche Vorschlagswesen eingereichte Konstruktion eines E-Bikes wurde abgeschmettert. »Damals war man der Meinung, dass das Fahrrad ein Sportgerät sei und keinen Motor brauche«, erzählt der heute 78-jährige Ruheständler. Heute hat man es in dem weltweit tätigen Technologiekonzern begriffen, wie Claus Fleischer, Leiter von Bosch eBike-Systems, in einem handgeschriebenen Brief an Sprenger formulierte: »Ihre Erfindung war wohl ihrer Zeit weit voraus. Einer tollen Idee folgt ein langer Weg und daraus wird eine Erfolgsgeschichte.«

Inzwischen hat auch Claus Fleischer selbst erfahren, wie es ist, wenn man seiner Zeit voraus ist: »Als wir vor zehn Jahren angefangen haben, war es noch peinlich, als U50 auf einem Pedelec gesehen zu werden.« Als ambitionierter Mountainbiker erfuhr er selbst noch vor fünf Jahren, dass Sportler das E-Bike als einen »Verrat am Fahrrad« einstuften. Diese Ansicht hat sich offensichtlich stark geändert, wie die Abstimmung an den Ladenkassen der Fahrradhändler zeigt. Nach einer Statistik des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) wurden 2018 rund 980.000 elektrounterstützte Fahrräder verkauft (2017: 720.000). Und auch 2019 setzt das E-Bike seinen Wachstumskurs weiter fort. Der ZIV schätzt, dass im ersten Halbjahr 2019 bereits rund 920.000 E-Bikes über den Handel abgesetzt wurden. Für das Gesamtjahr rechnet die Industrie deshalb mit über 1,1 Millionen verkauften Fahrzeugen. Dann hätte die Branche wie in den Jahren zuvor wieder im zweistelligen Prozentbereich zugelegt. Inzwischen ist das E-Bike – so stellt nicht nur Claus Fleischer fest – in der Mitte der Gesellschaft angekommen: »Das Pedelec hat sich zum Lifestyle-Fahrzeug entwickelt, das einen Beitrag zum Umweltschutz und zur Gesundheit des Fahrers leistet.«

MIT MOTOR ÜBER DIE HEMMSCHWELLE

Da kann man kaum widersprechen. In vielen Städten herrscht dicke Luft, wortwörtlich und im übertragenen Sinn. Staus sind in deutschen Großstädten während des Berufsverkehrs zum Standard geworden. Das produziert Stress für jeden einzelnen Autofahrer und schlechte Luft für alle Menschen in der Stadt. Während Stadtplaner noch grübeln, wie das Problem zu lösen ist, hat bei vielen Betroffenen bereits ein Umdenken eingesetzt. Die Zahl der Berufstätigen, die vom Wohnort zur Arbeitsstätte mit dem Fahrrad pendeln, nimmt zu.

Durch den Stadtverkehr zur Arbeit – dafür eignet sich das E-Bike bestens.

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DAS PEDELEC HAT SICH LÄNGST ZUM LIFESTYLE-FAHRZEUG ENTWICKELT.

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Wir stellen in diesem Bookazine übrigens einige Menschen vor, die Arbeitswege zwischen fünf und 20 Kilometer mit dem Pedelec zurücklegen. Auf Kurzstrecken innerhalb der Stadt ist das Fahrrad ohnehin unschlagbar effektiv. Das E-Bike fährt im Stadtverkehr im Durchschnitt nicht langsamer als ein Pkw, außerdem muss man nicht Zeit für die Parkplatzsuche vergeuden. Beim Einkaufen lässt sich das Bike meist direkt vor der Ladentür parken. Und wenn größere Einkäufe anstehen oder der Nachwuchs in die Kita gebracht werden muss, lässt sich das mit einem Fahrradanhänger oder einem Lastenrad bewerkstelligen.

Natürlich kann man all dies mit einem Fahrrad ohne Motorunterstützung tun. Aber: Mit elektrischem Rückenwind besiegt man leichter den inneren Schweinehund. Die Motorunterstützung senkt schlicht die Hemmschwelle, das Fahrrad zu nutzen. Claus Fleischer weiß aus einer Studie, dass E-Biker im Vergleich zu den anderen Radfahrern ihr Bike zwei- bis dreimal öfter nutzen und dabei die doppelte bis dreifache Strecke zurücklegen.

Und wer mit Motorunterstützung durch die Stadt zum Geschäftstermin radelt, kommt nicht verschwitzt an. Gerade in Städten mit anspruchsvoller Topografie, wie beispielsweise Stuttgart, sind das wichtige Argumente für ein E-Bike.

LEISTUNGSUNTERSCHIEDE AUSGLEICHEN

Etwa die Hälfte aller E-Biker nutzen ihr Gefährt in der Freizeit und freuen sich darüber, beim Sonntagsausflug mal spontan links oder rechts von der geplanten Strecke abzubiegen. Dann werden sie nicht unterwegs mit hängender Zunge liegen bleiben. Der Motor wird notfalls zur Heimweghilfe. Auch älteren Menschen, oder solchen, die ein paar Kilos zu viel haben, nimmt der E-Antrieb die Scheu, sich mal wieder in den Sattel zu schwingen. Sie brauchen keine Angst zu haben, an der nächsten Steigung gleich absteigen zu müssen oder aus der Puste zu kommen. Auf dem E-Bike halten sie ihr Herz-Kreislauf-System im Rahmen ihrer körperlichen Möglichkeiten in Schwung. Wer sich dann im Laufe der Zeit durch regelmäßiges E-Biken Kondition antrainiert hat, stellt einfach die Unterstützungsstufe zurück – oder auch mal ganz ab.

Mit der »Critical Mass« – hier in Stuttgart – werben Radler bundesweit für eine bessere Fahrradinfrastruktur in deutschen Städten.

Ja, das geht: Ein ausgewachsenes E-Lastenrad schultert bei Bedarf auch eine Waschmaschine.

Galt das elektrounterstützte Fahrrad des Tüftlers Bernhard Sprenger 1983 noch als Exot, ist es inzwischen längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen.