E-Book 116-120 - Günter Dönges - E-Book

E-Book 116-120 E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! E-Book 1: Eine Dame tut das nicht E-Book 2: Mylady keilt nach hinten aus E-Book 3: Der Falke E-Book 4: Poker mit Pistolen E-Book 5: Zarter Speck in scharfer Falle

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Inhalt

Eine Dame tut das nicht

Mylady keilt nach hinten aus

Der Falke

Poker mit Pistolen

Zarter Speck in scharfer Falle

Butler Parker – Box 23 –

E-Book 116-120

Günter Dönges

Eine Dame tut das nicht

Roman von Dönges, Günter

Agatha Simpson glaubte sich seit geraumer Zeit verfolgt. Erstaunlicherweise fühlte sich die Dame aber nicht belästigt, sondern hatte das sichere Gefühl, um ihrer selbst willen beobachtet zu werden.

Sie war sechzig, ein wenig füllig und hätte als Walküre auf einer Bühne ausgezeichnet gewirkt.

Die passionierte Detektivin trug ein teures Chanel-Kostüm, das leider recht faltenreich und zerbeult aussah. Sie konnte sich solche Nachlässigkeiten leisten, denn sie war reich und legte auf Äußeres keinen Wert. In ihrer Hand hielt sie einen mit Perlen bestickten Pompadour. Er erinnerte an einen Mini-Seesack und barg wichtige Kleinigkeiten, derer sich Lady Simpson bei Bedarf gern bediente.

Der Verfolger mochte ihr Alter haben. Er wirkte straff und trug einen Stadtmantel. Sein gebräuntes Gesicht deutete darauf hin, daß er ein Leben in freier Natur bevorzugte. Die Haarfarbe unter dem Bowler war nicht auszumachen.

Es war Mylady schon seit langem nicht mehr passiert, auf solche Art beschattet zu werden.

Agatha Simpson fühlte sich animiert und geschmeichelt. Als sie an einem Spiegel vorüberkam, konnte sie dem Verlangen nicht widerstehen, sich zu betrachten. Doch sie fand sich wirklich nicht sehr ansehnlich. Die Eitelkeit stieg in ihr hoch, und sie ärgerte sich, dieses alte und unmögliche Kostüm für ihren kleinen Stadtbummel gewählt zu haben. Agathas Kleiderschränke waren schließlich wohl gefüllt, und sie nahm sich vor, in Zukunft etwas mehr auf ihr Aussehen zu achten.

Mylady rückte sich den Hut zurecht, der verzweifelte Ähnlichkeit mit einem Blumentopf besaß. Spontan nahm sie sich vor, umgehend einen neuen Hut zu kaufen. Sie befand sich immerhin in einem der besten Warenhäuser Londons und brauchte nur zu wählen. Sie hatte sich bereits jetzt schon für ein Modell entschieden, das von einer weitläufigen Verwandten getragen wurde, nämlich der Queen. Was sich für die Königin schickte, war gerade recht für sie!

Der Gentleman mußte mitbekommen haben, daß sein Interesse bemerkt worden war.

Er griff nach seinem Bowler, grüßte zurückhaltend und schritt dann weiter. Ja, dieser Mann besaß wirklich Lebensart und war nicht aufdringlich oder vulgär zu nennen. Lady Agatha errötete sanft wie eine Primanerin und war so frei, andeutungsweise den Gruß zu erwidern.

Sie hatte nicht die geringste Ahnung, daß sie damit ungewollt ihrem Mörder freie Bahn einräumte. Der Gentleman wartete nur auf eine günstige Gelegenheit, um Lady Agatha Simpson ins Jenseits zu befördern, diskret und ohne jedes Aufsehen. Ein Warenhaus dieser Art war wie geschaffen dazu.

*

Im Gegensatz zu Agatha Simpson wußte der Mörder nicht, daß auch er beobachtet und verfolgt wurde.

Der Mann war ahnungslos.

Er hatte sich ausschließlich auf sein Opfer konzentriert, das ihm von seinen Auftraggebern genau beschrieben worden war. Er hatte das Foto immer wieder genau betrachtet und sich alle Details eingeprägt. Das Bild war ihm zugespielt worden und eine Verwechslung ausgeschlossen. Diese große und stattliche Frau dort in der Hutabteilung war zehntausend Pfund wert! Dieser Betrag war bereits überwiesen worden und lag auf dem Konto einer Schweizer Bank.

Der seriös aussehende Gentleman war Berufskiller, der sein Inkognito bisher geschickt gewahrt hatte. Zu erreichen war er nur über eine Deckadresse in Kanada. Er besaß dort ein kleines Apartment in einem riesigen Wohnsilo, wo die Anonymität eine Selbstverständlichkeit war. Diese Wohnung suchte er so gut wie nie auf, doch er hatte sich eine Möglichkeit verschafft, die dort eintreffenden Anfragen abzurufen. Er war ohnehin nur telefonisch zu erreichen.

Der Berufsmörder hieß Norman Lower, benutzte aber ganz nach Fall und Laune Fremdnamen. Er arbeitete geschickt und präzis. Für gutes Geld lieferte er erstklassige Arbeit. Spuren hatte er bisher noch nie hinterlassen. Er erledigte seine Opfer keineswegs auf die herkömmliche Art und Weise. Schußwaffen schätzte er überhaupt nicht. Norman Lower arbeitete raffinierter. Seine Opfer starben jeweils eines natürlichen Todes.

Genau diese Methode war es, die diesen Mann kennzeichneten. Er sicherte damit nicht nur seine Kunden ab, sondern vermied es auch, daß die Polizei sich einschaltete. Er plante seine Morde mit Verzögerung. Erst viele Stunden nach einem Kontakt mit den jeweiligen Opfern kam es zu den normal erklärbaren Sterbefällen. Norman Lower besaß chemische Präparate, die ihm in jedem Fall einen zeitlichen Vorsprung von vielen Stunden garantierten.

Er amüsierte sich im Moment über die schrullige Alte, wie er sein Opfer insgeheim nannte. Sie schien so etwas wie einen Nachholbedarf zu haben und war nur zu gern und schnell auf seinen gekonnten Flirt eingegangen. Norman Lower hatte seine Maske nicht umsonst so geschickt gewählt. Ein Gentleman mit möglichem militärischen Hintergrund mußte für eine Dame ihres Schlages ansprechend sein.

Er hatte sich mit seinem Opfer genau auseinandergesetzt und es seit einigen Tagen bis ins Detail genau studiert. Ihm war inzwischen bekannt, daß sie eine Art Amateurdetektivin war. In dieser Marotte wurde sie unterstützt von einem Butler, der Josuah Parker hieß, und dann noch von einer Art Gesellschafterin namens Kathy Porter.

Es konnte sich natürlich nur um Laien handeln, doch er nahm sie keineswegs auf die leichte Schulter. Nach seinen jüngsten Informationen befanden sich die beiden Personen zur Zeit aber nicht in Agatha Simpsons Nähe. Sie hatten die resolute Dame nur vor dem Warenhaus abgesetzt und waren in einem schrecklich altertümlichen Wagen weitergefahren. Nein, diese schrullige Alte dort in der Hutabteilung gehörte ihm ganz allein! Es war nur noch eine Frage von vielleicht dreißig Minuten, bis er sie nach seiner altbewährten Methode »impfen« konnte. Diese zehntausend Pfund waren ihm sicher, wenngleich sie schon überwiesen waren. Norman Lower hatte saubere Geschäftsprinzipien. Bisher war es ihm noch nie passiert, daß er im voraus kassiertes Geld wieder rücküberweisen mußte.

Er pirschte sich noch näher an die seiner Meinung nach schrullige Alte heran, die gerade einen neuen, unmöglichen Hut probierte. Er lächelte in sich hinein. Die Käuferin beschäftigte sich da mit Dingen, die sie nicht mehr brauchen würde. Ihr Tod war bereits vorprogrammiert.

*

Kathy Porter war zwar zusammen mit Butler Parker weitergefahren, doch es hatte sich nur um ein taktisches Manöver gehandelt. Nach einer kleinen Schleife um den Geschäftsblock war sie ausgestiegen, nachdem sie ihr Aussehen noch im Wagen verändert hatte.

Kathy Porter, Lady Agathas Gesellschafterin, glich jetzt einer etwas streng aussehenden Sekretärin, trug eine große Brille und einen leichten, nicht gerade modisch aussehenden Hänger. Sie hatte Lady Agatha schnell aufgespürt und ließ sie nicht aus den Augen. Sie und auch Butler Parker kannten ihr exzentrisches Wesen nur zu gut. Ihr Temperament entzündete sich leicht an Kleinigkeiten. In solchen Fällen neigte Lady Simpson dazu, nachdrücklich zu reagieren. Sie war eine Frau, die sich nichts gefallen ließ.

Das war aber nicht der einzige Grund, um Agatha Simpson vorsichtig zu beschatten. Auf verschlungenen und geheimen Umwegen war Josuah Parker zu Ohren gekommen, daß gewisse Kreise etwas gegen die ältere Dame im Schild führten. Lady Agatha hatte sich unbeliebt gemacht. Vor einigen Wochen war es ihr praktisch im Alleingang gelungen, den »Import« von gut und gern drei Zentnern Marihuana auffliegen zu lassen. Es war reiner Zufall gewesen, doch das ließen die Rauschgifthändler bestimmt nicht gelten. Sie waren um ein kleines Vermögen gebracht worden und würden sich dafür bestimmt rächen.

Kathy Porter wandelte also nicht von ungefähr auf den Spuren der unternehmungslustigen Detektivin. Ihre Tarnung galt vor allen Dingen Lady Agatha. Sie durfte einfach nicht wissen, daß man sich um sie sorgte. Sie hätte sich solch eine Absicherung energisch verbeten.

Die streng aussehende Sekretärin war auf den seriösen Herrn aufmerksam geworden, der inzwischen sogar mit dem Gegenstand ihrer Sorge ins Gespräch gekommen war. Der Mann gab sich sehr höflich, zeigte erstklassige Manieren und ging zusammen mit Lady Simpson hinüber zum Lift.

Damit war Kathy Porter nun gar nicht einverstanden. In solch einem Lift konnte viel passieren, zumal dann, wenn keine anderen Mitfahrer vorhanden waren.

Schien Agatha Simpson das zu ahnen?

Sie hatte auf jeden Fall etwas in einer Vitrine entdeckt und blieb stehen. Sie ließ sich von der Verkäuferin Modeschmuck zeigen, um dann unvermittelt den Lift anzusteuern, vor dem sich inzwischen einige Kunden eingestellt hatten.

Zufall oder Absicht?

Kathy Porter wußte es nicht mit letzter Sicherheit zu ergründen. Sie beeilte sich, schloß auf und schlüpfte mit den übrigen Kunden in den Lift. Sie sorgte dafür, daß sie nicht in Lady Simpsons Blickfeld geriet.

Ihre Chefin unterhielt sich gerade nicht besonders leise mit ihrem Verehrer. Lady Simpson verfügte immerhin über einen energisch klingenden Baß, der nicht zu überhören war. Sie hatte sich zu einem Kaffee einladen lassen, und auch zu einem Kognak, wie sie deutlich hinzufügte.

Von der Seite aus studierte Kathy Porter das Gesicht des seriös aussehenden Mannes. Sie gewann sofort den Eindruck, es mit einer glatten Maske zu tun zu haben. Der Mann spielte mit Sicherheit seine Rolle. Aus Zufall hatte er sich bestimmt nicht an Lady Agatha herangemacht. Kathy Porters Mißtrauen wuchs.

Das oberste Stockwerk war erreicht.

Von hier aus führte eine breite Treppe zum Dachgarten, wo sich auch die Cafeteria befand. Der Seriöse geleitete Agatha Simpson, die einen recht aufgekratzten Eindruck machte, hinüber an einen Tisch, der in einer Art Nische stand. Höflich rückte er ihr den Stuhl zurecht und winkte dann der Bedienung.

Kathy Porter befand sich in Alarmstimmung.

Die Nische war nicht gut einzusehen. Falls der Mann etwas plante, hätte er sich keinen besseren Platz aussuchen können. Kathy Porter hielt Ausschau nach einem passenden Tisch, konnte aber leider nichts finden. Also blieb sie stehen und besichtigte die reichhaltig bestückte Kuchentheke.

Die Serviererin erschien mit dem Kaffee und einem gut gefüllten Kognakschwenker. Mylady hatte sich einen doppelten Kreislaufbeschleuniger bestellt, wie Kathy Porter automatisch feststellte.

Kathy löste sich von der Kuchentheke. Ihre Sorge wuchs. Die junge Dame wollte unbedingt einen Blick in die Nische werfen. Lady Simpson hatte sich auf ein Abenteuer eingelassen, das unter Umständen dramatisch werden konnte.

Leider wurde Kathy Porter genau in diesem Moment vom Geschäftsführer der Cafeteria angesprochen. Der Mann hatte ihre Unschlüssigkeit beobachtet und wollte Kathy unbedingt einen freien Tisch in Fensternähe besorgen. So bugsierte er sie sehr höflich, allerdings auch sehr nachdrücklich von der Nische weg. Um nicht aufzufallen, mußte Kathy notgedrungen der Aufforderung Folge leisten.

Sie passierte den Tisch hinter dem Paravant, der die Nische bildete. Kathy Porter sah gerade noch, wie Agatha Simpson sehr gekonnt den Kreislaufbeschleuniger hinunterkippte.

*

Norman Lower war sich seines Opfers sicher.

Die Alte war ihm auf den Leim gegangen, dachte er, und saß jetzt mit ihm an einem Tisch. Sie trank ihren Kognak und bemerkte überhaupt nicht, daß er blitzschnell ihren Kaffee präparierte. In diesen Dingen besaß der Berufskiller viel Erfahrung. Das war schließlich seine Methode, nach der er zu arbeiten pflegte.

Trank sein Opfer jetzt den Kaffee, so passierte zuerst mal gar nichts. Die ersten Anzeichen würden sich nach etwa dreißig Minuten einstellen, doch dann wollte er sich längst von seiner Bekanntschaft verabschiedet haben.

Nach weiteren dreißig Minuten hatte dann die schrullige Alte mit Herzkrämpfen zu rechnen. Wahrscheinlich würde sie Gleichgewichtsstörungen haben, vielleicht auch ohnmächtig werden. Mit Sicherheit landete sie aber in einem Krankenhaus. Und dort wurde dann der Schlußpunkt unter diesen Auftrag gesetzt. Man würde dieser Frau Anregungsmittel für das stolpernde Herz spritzen und sie damit töten! Genau diese Mittel verbanden sich mit seinem Gift zu der wirklich tödlichen Dosis ...

Norman Lower dachte an die zehntausend Pfund und an die Dummheit seiner bisherigen Opfer.

Lady Agatha hatte ihr Glas abgesetzt und griff wunschgemäß nach der Kaffeetasse. Der Mörder ließ sich nichts anmerken, lächelte höflich-neutral und bat um die Erlaubnis, sich eine Zigarette anzünden zu dürfen.

»Was für eine Frage«, dröhnte Lady Simpsons Baß ihm entgegen. »Ich werde mir gleich eine Zigarre zu Gemüt führen. Tun Sie sich nur keinen Zwang an!«

Der Berufskiller bedankte sich durch eine leichte Verbeugung und beobachtete, wie die ältere Dame die Tasse hochführte und ... jetzt wieder absetzte!

»Hoffentlich haben Sie nichts gegen Frauen, die rauchen?« erkundigte sich Agatha Simpson neckisch.

»Auf keinen Fall, Madam«, sagte der Mörder, der seine Enttäuschung geschickt verbarg. Warum, so fragte er sich, warum trank die Alte nicht endlich? Sie sollte es gefälligst hinter sich bringen. Er wolle noch den Zug erreichen, den er für den frühen Nachmittag gewählt hatte. Der Mörder lebte auf dem Land, fernab vom Leben und Treiben der Metropole London.

Endlich, sagte sich der Mörder, als Lady Simpson erneut die Tasse zum Mund führte. Er hatte sich inzwischen die Zigarette angezündet und nickte ihr neutral zu.

Ja, jetzt war es endlich soweit! Der Tassenrand hatte bereits die sich öffnenden Lippen erreicht...

»Normalerweise lasse ich mich nicht ansprechen«, stellte Agatha Simpson in diesem Augenblick fest und ließ die Tasse wieder sinken.

»Selbstverständlich nicht, Madam.« Der Mörder lächelte und griff nun seinerseits nach der Tasse. Durch sein Beispiel wollte er die Schrullige animieren. Warum trank sie denn nicht? Mußte sie unbedingt solch einen verdammten Unsinn reden ...?

Sein Beispiel steckte an.

Sie hob erneut die Tasse und führte sie zum Mund. Der Mörder trank ein wenig und musterte seine Tischpartnerin dabei über den Tassenrand. In der nächsten Sekunde war es soweit. Gleich mußte auch die Detektivin den ersten tödlichen Schluck zu sich nehmen. Um sie in Stimmung zu halten, trank der Mörder weiter und setzte dann die leere Tasse ab. Wohlig lehnte er sich zurück.

»Ausgezeichneter Kaffee«, meinte er. Sein Ton war immer noch höflich und verbindlich, obwohl er nun doch leicht gereizt war. Die verrückte Alte hatte immer noch nicht getrunken. Ja, sie setzte die Tasse sogar wieder ab und lächelte zurück ...

Doch es war nicht dieses Lächeln, das er eben erst noch in ihren Augen gesehen hatte. Es war ein anderes Lächeln, kalt und auch ein wenig boshaft.

»Ausgezeichneter Kaffee«, stellte Agatha Simpson dann ebenfalls fest. Sie sprach mit einer seltsamen Betonung.

Der Mörder stutzte und verlor teilweise die Selbstbeherrschung. Eine schreckliche Ahnung dämmerte in ihm. Er hüstelte und sah Lady Simpson verdutzt an.

»Ein wunderbarer Kaffee«, sagte die ältere Dame jetzt deutlich boshaft. »Möge er Ihnen bekommen!«

Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen.

Norman Lower hatte begriffen. Er wußte zwar genau, daß sie unmöglich Zeit und Gelegenheit gehabt hatte, die beiden Tassen zu vertauschen. Es war einfach ausgeschlossen, daß er den vergifteten Kaffee gerade getrunken hatte. Und dennoch mußte sie es geschafft haben! Nackte Angst würgte den Berufsmörder. Er schnappte nach Luft, beugte sich vor, sah wieder die Boshaftigkeit in ihren Augen und wollte aufspringen. Er mußte so schnell wie möglich zu einem Arzt. Wenn er sich beeilte, wenn man ihm den Magen auspumpte, dann war ihm vielleicht noch zu helfen ...

»Sie dummer Lümmel!« Lady Agathas Stimme klang wie eine tiefe Orgel. »Lassen Sie sich Ihr Lehrgeld zurückzahlen.«

Der Berufskiller drückte sich hoch... setzte sich dann wieder. Er tat es nicht freiwillig, sondern nahm Platz, weil ihn Myladys Pompadour an der linken Schläfe getroffen hatte. Da sich in diesem Handbeutel ein echtes Hufeisen befand, das nur andeutungsweise mit Schaumgummi umgeben war, fiel die Berührung sehr nachdrücklich aus. Der Mann hatte das deutliche Gefühl, von einem auskeilenden Pferd getroffen worden zu sein.

Agatha Simpson sah grimmig auf den ohnmächtigen Mann, der weich und schlaff in seinem Sessel hing. Sie hatte sich also keineswegs getäuscht. Dieser Flegel war auf ihren Bluff hereingefallen und mußte ihr aus irgendwelchen Gründen etwas in den Kaffee gegeben haben. Sie fand das empörend.

Die Detektivin wuchtete sich hoch und kümmerte sich um den seriös aussehenden Mann. Bevor der Geschäftsführer herbeieilen konnte, hatte sie bereits blitzschnell die Taschen durchsucht. Es gab ihr zu denken, daß dieser Mann nichts, aber auch gar nichts mit sich führte. Sämtliche Taschen waren sorgfältig leergeräumt worden.

»Wo bleiben Sie denn, Kindchen?« grollte sie, als die streng aussehende Sekretärin vor der Nische erschien und den Geschäftsführer nachdrücklich zur Seite drängte.

»Sie... Sie haben mich erkannt, Mylady?« fragte Kathy Porter verdutzt.

»Natürlich, Kindchen«, gab Agatha Simpson zurück. »Was machen wir jetzt mit diesem Subjekt? Ich bin fest davon überzeugt, daß er mich umbringen wollte.«

*

»Wenn man Sie mal braucht, sind Sie natürlich nicht da, Mr. Parker«, grollte Lady Simpson und ließ sich auf dem Rücksitz des seltsamen Wagens nieder.

»Wie Mylady meinen«, gab Josuah Parker höflich und gemessen zurück, ohne sich aus seiner sprichwörtlichen Ruhe und Gelassenheit bringen zu lassen. Er startete den Wagen und besorgte das mit der Kühnheit eines Rallyefahrers. Mit Vollgas und einem gekonnten Slalom fädelte er sich in den herrschenden Verkehr ein. Das wütende oder auch entsetzte Hupen einiger Verkehrsteilnehmer überhörte er ebenso diskret wie das schrille Quietschen von Bremsen. Stocksteif, als habe er einen Ladestock verschluckt, saß er am Steuer.

Schon rein äußerlich glich er einem Butler, wie er eigentlich nur noch in einschlägigen Filmen oder Fernsehserien zu finden ist. Er trug einen schwarzen Zweireiher, schwarze Hosen, ein Hemd mit einem Eckkragen und einen schwarzen Binder. Auf seinem Kopf thronte eine schwarze Melone.

»Man wollte mich umbringen«, beschwerte sich Agatha Simpson.

»Sie sehen mich überrascht, Mylady«, erwiderte Josuah Parker, ohne jedoch Bestürzung zu zeigen. Er nahm noch nicht mal andeutungsweise den Kopf herum.

»Man wollte mich vergiften«, steigerte die Detektivin anklagend.

»Das zeugt nicht von Lebensart, Mylady, wenn ich mir diese Bemerkung gestatten darf.«

»Mehr haben Sie dazu wohl nicht zu sagen?« Wie Donnergrollen klang die Stimme der älteren Dame.

»Ich bedauere ungemein, daß Mylady mir meine Entrüstung nicht ansehen kann«, antwortete der Butler. »Gilt die befohlene Fahrt zum Hospital möglicherweise dem erwähnten Attentäter?«

»Beeilen Sie sich gefälligst«, reagierte Lady Agatha barsch. »Sie kriechen ja wieder mal wie eine Schnecke, Mr. Parker. Dieser Lümmel darf uns nicht entwischen.«

Lady Simpson untertrieb in gewohnter Manier. Parker fuhr wirklich nicht wie eine Schnecke. Genau das Gegenteil war der Fall. Er steuerte sein hochbeiniges Monstrum in fast schon halsbrecherischem Tempo durch den Verkehr. Der Butler beschämte mehr als zwei Dutzend Londoner Taxifahrer, was schon einiges heißen wollte. Er schlug sie nach Längen und ließ ihnen überhaupt keine Chance.

Parker kam allerdings zustatten, daß sein privater Wagen tatsächlich einem normalen Taxi aufs Haar glich. Es handelte sich bei diesem hochbeinigen Monstrum um ein ausgedientes Modell, das nach seinen privaten Vorstellungen und Wünschen umgestaltet worden war. Dieses Taxi war zu einem Rennwagen und gleichzeitig zu einer Trickkiste auf Rädern geworden.

Noch vor dem Einsteigen hatte die ältere Dame das Ziel genannt. Parker war also bekannt, welches Hospital er anzusteuern hatte. .Der Weg bis dorthin war recht kompliziert, da die City durchquert werden mußte. Doch Parker meisterte auch diese Aufgabe. Auf der Strecke blieben allerdings einige Fahrer zurück, die am Straßenrand hielten und entgeistert schluchzten. Sie waren Parkers Fahrstil nicht gewachsen.

»Wann haben Sie eigentlich gemerkt, Mylady, daß dieser seriöse Herr gefährlich ist?« schaltete Kathy Porter sich in die Unterhaltung ein. Sie wollte sich ablenken und nicht weiter auf den Verkehr achten, der angesichts von Parkers Tempo deutlich zu ruhen schien.

»Das ist schnell erklärt, Kindchen«, erwiderte Lady Simpson. »Als dieses Subjekt mit mir flirtete, wurde ich vorsichtig.«

»Aber wieso denn, Mylady?«

»Ich bin schließlich kein taufrisches Mädchen mehr«, sagte die ältere Dame grimmig. »Von Ihnen, Mr. Parker, möchte ich dazu keinen Kommentar hören.«

»Wie Mylady wünschen«, ließ der Butler sich vernehmen. Er bluffte gerade einen Möbeltransporter, dessen Fahrer sich die Vorfahrt erzwingen wollte. Der Mann am Steuer dieses großen Wagens war ein gewiefter Stadtfahrer, den so leicht nichts aus der Fassung brachte. Er hielt auf Parkers Monstrum zu und rechnete fest mit einer Vollbremsung.

Parker dachte nicht im Traum daran, sich diesem Manöver anzupassen. Er wich keinen Zentimeter von seiner Bahn ab und schien das Fahrerhaus des Transporters anzuvisieren.

Um das Maß aber vollzumachen, wandte der Butler sich in diesen äußerst kritischen Sekunden sogar noch bewußt zu Lady Simpson um und lüftete dazu seine schwarze Melone.

Das alles bekam der Möbeltransportfahrer genau mit. Panik schoß in ihm hoch. Er trat voll aufs Bremspedal und steckte auf. Er riß das Steuer herum und ließ das hochbeinige Monstrum an sich vorbeipreschen. Dann beugte er sich über das Lenkrad und schluchzte trocken auf. So etwas war ihm in seiner ganzen Fahrpraxis noch nicht passiert. Er hörte nicht auf die stockenden, aber immerhin tröstenden Worte seines Beifahrers, und überhörte das wütende Hupen jener Autos hinter ihm, deren Weiterfahrt er blockierte. Er wußte nur, daß er den Beruf wechseln würde.

Agatha Simpson bemerkte, was sich gerade zugetragen hatte. Im Gegensatz zu Kathy Porter, die leichte Nervosität zeigte, war sie in etwa mit ihrem Butler zufrieden.

»Schon besser«, sagte sie und nickte grimmig. »Sie sind immerhin eine etwas schnelle Schnecke geworden, Mr. Parker. Sie sehen, man muß sich nur etwas Mühe geben.«

»Wie Mylady wünschen«, antwortete Josuah Parker gemessen. »Falls es gewünscht wird, läßt sich das Tempo noch ein wenig steigern.«

»Wir wollen ja nicht gleich übertreiben«, erwiderte Agatha Simpson hastig. Mit einiger Verspätung war ihr bewußt geworden, auf welchen Bluff Butler Parker sich da eingelassen hatte. Sie wollte ihr Schicksal nicht unnötig herausfordern.

Parker war jedoch in Schwung gekommen.

Er drückte noch ein wenig mehr auf das Tempo und erreichte das Hospital in wahrer Rekordzeit. Als er ausstieg und die hintere Wagentür für Lady Simpson öffnete, sah sie ihn voller Überraschung an und zeigte eine Leidensmiene.

»Warum wählen Sie nicht Gift oder irgendeine Schußwaffe, wenn Sie mich schon umbringen wollen?« fragte sie dann mit leiser Stimme.

»Mylady fühlen sich unwohl?« Parker wunderte sich diskret.

»Das war schon keine Autofahrt mehr, sondern ein Tiefflug«, beschwerte sich die ältere Dame.

»Mylady schmeicheln meiner bescheidenen Wenigkeit.«

»Ich brauche einen Kreislauf...«

» .. .beschleunigen Mylady?« erkundigte sich Parker, sie unterbrechend.

»Ich brauche einen Kreislaufdämpfer«, korrigierte die Detektivin ihn. Sie gestattete ihrem Butler, ihr aus dem Wagen zu helfen. Sie stand ein wenig unsicher auf den Beinen und hakte sich dann bei ihrer Gesellschafterin ein.

»Für die Rückfahrt werde ich das Steuer übernehmen«, erklärte sie dann nachdrücklich. »Ich werde Ihnen zeigen, wie diszipliniert man fahren kann.«

Daraufhin stieg eine leichte Röte des Schreckens in Parkers Gesicht. Auch Kathy Porter knickte ein wenig in den Knien ein. Sie wie auch Parker wußten aus Erfahrung nur zu genau, was da auf sie zukam. Lady Simpson war nämlich, um es höflich und sehr vorsichtig auszudrücken, eine mehr als beherzte Fahrerin, die souverän die gültigen Verkehrsregeln mißachtete, falls sie sich an sie überhaupt noch erinnerte.

*

Norman Lower war schon während der Fahrt zum Hospital wieder zu sich gekommen, hatte aber nichts unternommen.

Der Berufskiller wußte nur zu genau, daß er im Moment nichts unternehmen konnte. Er wunderte sich, daß er in einem Krankenwagen lag, angeschnallt auf einer Trage. Und er wunderte sich, wie er in diesen Wagen gekommen war. Was war nur passiert?«

Natürlich erinnerte er sich an sein Opfer, an diese schrullige Alte. Sie hatte ihn hereingelegt und ihm ihren Pompadour gegen die Schläfe geknallt. Danach war es aus mit ihm gewesen ...

Plötzlich wollte der Berufskiller sich senkrecht aufsetzen.

Der Kaffee!

Jetzt war er wieder voll da. Diese Lady Simpson hatte es irgendwie geschafft, den vergifteten Kaffee zu vertauschen. Das Gift mit dem zeitlichen Verzögerungseffekt befand sich in seinem Körper! Für ihn bestand akute Lebensgefahr!

Der Berufskiller, von zwei breiten Ledergurten gehalten, fiel wieder auf die Trage zurück und zwang sich zur Ruhe. Jetzt nur ja keine Panik! Er mußte genau überlegen, wie er sich verhalten sollte.

Hatte sie die beiden Kaffeetassen wirklich vertauschen können? Hatte diese Schrullige nur geblufft? Brauchte er sich gar keine Sorgen zu machen?

Norman Lower horchte in sich hinein und prüfte seinen Herzschlag. Machte das Gift sich bereits bemerkbar? Er spürte, daß sein Puls schneller schlug. War das gerade nicht ein erster Herzstich gewesen? Ging sein Atem nicht zu schnell und flach?

Der kalte Schweiß brach ihm aus und verklebte seine Stirn. Der Berufskiller fühlte sich elend und hinfällig. Die schrullige Alte mußte es doch irgendwie geschafft haben. Sie hatte ihm den vergifteten Kaffee zugespielt, sie mußte es getan haben! Doch warum hatte sie ihn dann noch zusätzlich niedergeschlagen? Warum hatte sie ihm gezeigt, daß sie seinen Mordanschlag durchschaut hatte?

Norman Lower war nicht mehr in der Lage, klar und logisch zu denken. Die Angst breitete sich in Wellen in ihm aus. Immer wieder horchte er auf sein Herz. Der Eindruck verstärkte sich, daß es jetzt bereits sehr schnell schlug und zwischendurch sogar stolperte. Die beiden Ledergurte, die ihn auf der Trage festhielten, kamen ihm wie Eisenklammern vor, die seine Brust eindrückten. Er glaubte ersticken zu müssen.

Dann war das Hospital erreicht.

Der Wagen hielt vor der Notaufnahme, die beiden Fahrer trugen den Mann im Eiltempo durch eine sich automatisch öffnende Tür und stellten ihn in einem kahlen Vorraum ab. Sie lösten die beiden Ledergurte und verschwanden.

Norman Lower fühlte sich schwach und hilflos. Er hätte aufstehen und weglaufen können, doch den Mut dazu brächte er einfach nicht auf. Er wartete voller Ungeduld auf den Rettungsarzt, er wollte ärztlich untersucht und behandelt werden. Er mußte diesem Arzt zu verstehen geben, daß er ein böses Herzmittel zu sich genommen hatte. Mochte der Arzt dann denken, was immer er wollte. Hauptsache, er setzte die rettende Spritze.

Rettende Spritze?

Norman Lower blieb für eine Sekunde starr liegen. Er hatte begriffen und vermochte sich vor Angst nicht zu rühren. Diese angeblich rettende Spritze bedeutete doch gerade den Tod! Das war doch die verblüffende Methode, nach der er bisher immer so erfolgreich gearbeitet hatte. Auf keinen Fall durfte man ihm eine Spritze geben. Der Arzt würde mit tödlicher Sicherheit das Falsche tun müssen ...

Der Berufskiller zwang sich hoch, blieb schwankend stehen und lehnte sich erschöpft gegen die Wand. Er bemühte sich darüber zur Tür und öffnete sie spaltbreit. Er schaute in einen langen, düsteren Gang und glaubte weit hinten einen weißen Kittel zu erkennen.

Das war das Signal für seine Flucht.

Der Berufskiller wankte aus dem Zimmer und ging zurück zur Eingangstür der Notaufnahme. Erstaunlicherweise fühlte er sich von Schritt zu Schritt immer wohler. Da waren nur die Schmerzen an der Schläfe, doch die störten ihn nicht weiter. Hauptsache, sein Herz machte mit.

Norman Lower hatte endlich die Tür erreicht, die sich nach dem Passieren der Lichtschranke wieder automatisch öffnete. Er hörte plötzlich Rufe hinter sich, achtete aber nicht darauf. Er fühlte sich inzwischen schon wesentlich besser und sah den Krankenwagen, dessen Fahrertür geöffnet war.

Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er am Steuer saß. Der Zündschlüssel steckte, und der Motor war sofort da. Norman Lower jagte in schneller Fahrt über die Rampe hinunter zur Zufahrtstraße.

Um ein Haar wäre es dabei zu einem Unfall gekommen. Lower nahm die Kurve zu scharf, schleuderte aus dem Kurs und touchierte einen Pfeiler. Er hörte das häßliche Schrammen von mißhandeltem Blech, gab Vollgas und preschte weiter. Er wußte nicht, warum er das alles tat, er handelte instinktiv wie ein waidwundes Tier, das sich vor seinen Verfolgern irgendwo verstecken will.

Zwanzig Minuten später war aus dem Mann so etwas wie ein neuer Mensch geworden.

Er hatte den Hospitalwagen längst verlassen und ging zu Fuß durch eine belebte Straße in der City. Er wußte inzwischen, daß er leben würde. Seine Panik hatte sich gelegt. Ihm war klar, daß diese Lady Simpson ihn nur geblufft hatte. Sein Herz war vollkommen in Ordnung. Doch er war nicht mehr der kühle und beherrschte Lower wie zuvor, der seine Taten sachlich und unbeteiligt ausführte. Haß steckte in diesem Mann, der zum ersten Mal in seinem Leben genarrt worden war. Dieser Haß auf die schrullige Alte füllte sein ganzes Denken aus. An dieser Frau wollte er sich furchtbar rächen!

*

»Mylady wären mit Sicherheit an diesem Kaffee verschieden«, meldete Parker, nachdem er den Telefonhörer aufgelegt hatte. »Es handelt sich um ein Gift, dessen chemische Formel...«

»Ersparen Sie mir Einzelheiten, Mr. Parker«, unterbrach ihn Agatha Simpson. Sie befand sich im großen Salon ihres Stadthauses in Shepherd’s Market, einem sehr ehrwürdigen und alten Fachwerkhaus in der Nähe von Hyde Park Corner.

Die Detektivin ärgerte sich, daß sie den Mörder verfehlt hatte. Kurz vor ihrer Ankunft hatte dieser so seriös aussehende Mann flüchten können.

»Mylady befinden sich in akuter Gefahr«, redete der Butler würdevoll weiter. »Vielleicht sollten Mylady in den kommenden Tagen ein wenig vorsichtig sein.«

»Papperlapapp«, gab sie grimmig zur Antwort. »Ich werde mich nicht verkriechen.«

»Gewiß nicht, Mylady«, erwiderte Parker geduldig wie immer.

»Welche Subjekte wollen mich umbringen lassen?« Sie stand auf und marschierte vor dem großen Kamin auf und ab. »Ich weiß, Mr. Parker, daß Sie einen ganz bestimmten Verdacht haben.«

»Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit überrascht.«

»Warum hätten Sie sonst Miß Porter auf mich angesetzt?«

»Eine grundsätzliche Vorsichtsmaßnahme, wenn ich es so umschreiben darf.«

»Darauf werde ich noch zurückkommen«, versprach Agatha Simpson ihm barsch. »Warum hat dieser Mörder mich nicht einfach niedergeschossen? Warum hat er es nicht mit einem Messer versucht? Warum Gift, Mr. Parker? Ich verlange eine plausible Erklärung.«

»Nun, Mylady, man dürfte es in diesem Fall mit einem Spezialisten zu tun haben, wenn ich es so ausdrücken darf.«

»Mit einem Berufskiller, nicht wahr? «

»In der Tat, Mylady. Hier hat man es mit einem Mörder zu tun, der keine Spuren hinterlassen möchte.«

»Dieser Lümmel kann sich auf was gefaßt machen«, meinte Agatha Simpson gereizt. »Diesem Flegel werde ich noch die Flötentöne beibringen! Übrigens könnte das stimmen, was Sie da gerade gesagt haben. Der Mann hatte ja bekanntlich völlig ausgeräumte Taschen.«

»Um im Falle des Falles sein Inkognito wahren zu können, Mylady.«

»Spüren Sie mir diesen Widerling auf, Mr. Parker!«

»Mylady dürfen versichert sein, daß ich mich bemühen werde.«

»Wenn er ein Berufsmörder ist, arbeitet er also für einen Auftraggeber. Wer könnte das sein?«

»Mylady können sich an die besagten drei Zentner Marihuana erinnern?«

»Natürlich! Daß ich nicht selbst darauf gekommen bin!« Mylady schlug sich sehr ungeniert mit der flachen Hand gegen die Stirn und korrigierte sich sofort. »So etwas hatte ich mir ja gleich gedacht.«

»Natürlich, Mylady.« Parker dachte nicht im Traum daran, seiner Herrin zu widersprechen.

»Sie kennen die Hintermänner dieses Rauschgiftsyndikats, Mr. Parker?«

»Ich muß außerordentlich bedauern, Mylady«, schwindelte Parker schnell. Ihm schwante, daß die ältere Dame einen Rachefeldzug plante. Lady Agatha Simpson konnte sehr nachtragend sein.

»Zieren Sie sich gefälligst nicht wie eine Jungfrau«, raunzte Agatha Simpson prompt. »Natürlich kennen Sie die Hintermänner! Mir machen Sie nichts vor! Wir fahren in zehn Minuten, Ich werde mich nur noch umziehen.«

»Darf ich mich erkühnen, Mylady darauf aufmerksam zu machen, daß diese sogenannten Hintermänner außerordentlich scharf bewacht werden? Hinzu kommt noch die Tatsache, daß den Männern bisher nichts nachzuweisen war.«

»Das wird sich gründlich ändern«, versprach Lady Agatha und blitzte ihren Butler unternehmungslustig an. Ihre Wangen hatten sich rosig eingefärbt. Die Detektivin machte einen sehr animierten und dynamischen Eindruck.

Butler Parker wußte diese Zeichen sehr wohl zu deuten. Hatte Lady Simpson solch ein seelisches Stadium erst mal erreicht, dann war sie nicht mehr zu bremsen. Ein Panzerwagen war dann ein Kinderspielzeug gegen sie.

»Ich kann mich ärgern, daß ich dieses Subjekt nicht in der Cafeteria festgehalten habe«, redete Lady Simpson inzwischen weiter. »So etwas passiert mir nicht noch mal, Mr. Parker. Ich hätte diesen Flegel an Ort und Stelle fragen sollen.«

»Man hätte solch eine Handlungsweise möglicherweise mißgedeutet, Mylady«, erlaubte Parker sich zu sagen.

»Sie mit Ihrer Diskretion«, meinte die Sechzigjährige verächtlich und warf ihm einen grimmigen Blick zu. »Sie sehen doch, wohin das führt. Dieser Berufskiller ist erst mal verschwunden.«

»Und wird auf eine weitere und bessere Möglichkeit warten, Mylady, wenn ich diese Warnung aussprechen darf.«

»Könnte er nicht vielleicht schon das Haus belauern!« Kathy Porter hatte sich eingeschaltet.

»Das wäre ja wunderbar«, freute sich die ältere Dame. »Mr. Parker, untersuchen Sie das sofort! Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß wir gleich losfahren werden. Um was für Leute handelt es sich, die wir aufsuchen werden?«

»Falls meine Informationen richtig sind, Mylady, verbirgt das Syndikat sich hinter einer Kette von kleinen Imbißstuben, in denen Fish and Chips oder Tee verkauft werden. Diese kleinen Restaurants sind über die ganze Insel verstreut.«

»Und die Geschäftsleitung befindet sich hier in London?«

»In Soho, Mylady. Darf ich mir die Freiheit nehmen, doch mal darauf hinzuweisen, daß das keine endgültigen Tatsachen sind, sondern nur mehr oder weniger vage Vermutungen?«

»In einer Stunde werden wir es genau wissen«, gab Lady Simpson zurück und nickte nachdrücklich. »Diese Subjekte werden sich ihr ganzes Leben lang an mich erinnern!«

Parker zweifelte nicht eine Sekunde an dieser Prophezeiung.

*

Norman Lower hatte sein Aussehen verändert.

Seine Oberlippe war jetzt glatt und zeigte nicht die Spur jenes Schnauzbartes, die sie eben noch geziert hatte. Er hatte sich eine Brille aufgesetzt, deren Gläser aus Fensterglas bestanden. Auf seinem Kopf saß ein Pepitahut. Den Mantel hatte er einfach gewendet. Er war so zu einem völlig neuen Typ geworden. Selbst eine mißtrauische Lady Simpson hätte diesen neuen Menschen nicht mehr wiedererkannt.

In einem der vielen Pubs möbelte der Berufsmörder sein Innenleben mit einem doppelten Whisky auf. Mehr trank er aus Prinzip nicht. Er befand sich mehr denn je im Einsatz. Nach seiner Panne in der Cafeteria konnte er sich keine Extravaganzen leisten.

Ihm saß ein ganz bestimmter Anruf im Genick.

In spätestens zwei Stunden wollte er eine Telefonnummer in Antwerpen wählen und ein vereinbartes Stichwort durchgeben. Dieses Stichwort war für seine Auftraggeber gedacht und sollte die Ausführung seines Auftrages bestätigen. Zum ersten Mal während seiner bisherigen Laufbahn konnte er solch eine Vollzugsmeldung nicht absetzen. Norman Lower schämte sich fast.

Ganz beruhigt hatte er sich immer noch nicht. Er kam einfach nicht darüber hinweg, daß die schrullige Alte ihn außer Gefecht gesetzt hatte. Immer wieder sah er ihre listigen Augen vor sich. Hinzu kam noch der Schmerz an der Schläfe. Womit mochte sie ihn nur niedergeschlagen haben?

Zwei Stunden Zeit blieben ihm noch, diese Scharte wieder auszuwetzen. Würde diese Zeitspanne überhaupt ausreichen? Die Frau war natürlich gewarnt und würde sich zu schützen wissen. Hinzu kam, daß er keine Schußwaffe zur Verfügung hatte. Gewiß, er hätte sich leicht etwas Passendes besorgen können. In einer Riesenstadt wie London war so etwas kein Problem, wenn man die richtigen Stellen kannte, doch Lower hätte damit vielleicht eine Spur ausgelegt. So etwas widersprach seiner Methode.

Als er den Pub verließ und an einem gut besetzten Parkplatz vorüberkam, hatte er den rettenden Einfall. Eine bessere Waffe als ein Auto gab es gar nicht. Es kam nur darauf an, diese Lady Simpson auf die Straße zu locken. War das erst mal geschehen, war sein Problem gelöst.

Ein Wagen war schnell besorgt.

Norman Lower kannte sich in diesen Dingen sehr gut aus. Er entschied sich für einen robusten kleinen Lieferwagen, dessen Tür er in Sekundenschnelle geknackt hatte. Dabei fühlte er sich nicht sonderlich wohl in seiner Haut. Die Gefahr, überrascht zu werden, war sehr groß. Und immer wieder dachte er an etwaige Spuren, die er jetzt ungewollt auslegte. Sein bisheriges Inkognito geriet in Gefahr. Und darüber ärgerte er sich nicht nur, sondern sein Haß auf die schrullige Alte steigerte sich noch. Sie zwang ihn zu Dingen, die er im Grund seines Herzens verabscheute.

Erst als er mit dem kleinen Kastenlieferwagen durch eine Seitenstraße rollte, beruhigten sich seine Nerven wieder. Die Sache hatte geklappt. Nun mußte er hinüber zum Hyde Park nach Shepherd’s Market, wo sein Opfer wohnte.

Der Berufskiller hatte sagenhaftes Glück.

Als er den kleinen Platz erreichte, der von altehrwürdigen Fachwerkhäusern umsäumt wurde, startete gerade ein Taxi, in dem er Lady Simpson erkannte. Daß dieses Taxi ein Privatwagen war, wußte er längst. Nicht umsonst hatte der Berufskiller sich mit den Lebensgewohnheiten seines Opfers vertraut gemacht.

Am Steuer des hochbeinigen und altmodischen Wagens saß der Butler der schrulligen Alten. Neben ihr hatte die verdammt gut aussehende Sekretärin Platz genommen. Besser konnten die Dinge für ihn überhaupt nicht laufen. Er brauchte die Alte noch nicht mal auf die Straße zu locken. Sein Opfer kam ihm freiwillig entgegen.

Norman Lower geriet in eine Art Hochgefühl. Er würde es schaffen!

Noch konnte er seinen Auftrag erledigen und ein Image wahren. Nun brauchte er nur noch den richtigen Zeitpunkt abzuwarten.

Unauffällig folgte er dem hochbeinigen Wagen. Bei dem herrschenden Verkehr war das nicht besonders schwierig. Norman Lower hatte inzwischen seinen Plan abgerundet. Sobald Lady Simpson ausstieg, wollte er vorpreschen und sie mit dem Lieferwagen niederfahren. Das mußte blitzschnell geschehen. Seine anschließende Flucht war dann nur noch eine Sache geschickter Improvisation.

Den geforderten Anruf konnte er eigentlich bereits abhaken. Pünktlich würde er seinen Auftrag als erledigt melden können. Er hatte noch mal Glück gehabt, glaubte er...

*

Natürlich sagte Butler Parker kein Wort, doch war er mit dem Plan Agatha Simpson überhaupt nicht einverstanden. Sie spielte nicht nur mit dem Feuer, nein, sie spielte mit Nitroglyzerin. Die Herrschaften, denen ihr Besuch galt, gaben sich nur nach außen hin als normale Geschäftsleute. In Wirklichkeit handelte es sich um brutale Gangster, die keine Rücksicht kannten. Wer sich ihnen in den Weg stellte, spielte mit seinem Leben.

Während der Butler sein hochbeiniges Monstrum durch den Verkehr steuerte, befaßte er sich noch mal mit dem raffinierten Mordanschlag auf seine Herrin. Er sah die Dinge inzwischen ein wenig anders. Gewiß, man hatte es mit einem heimtückischen Berufsmörder zu tun, daran war nicht zu zweifeln. Dieser Mörder hatte mit einem raffinierten Herzgift arbeiten wollen, auch das stand inzwischen fest. Parker fragte sich aber nun, ob dieser Berufsmörder tatsächlich von den Männern des Syndikats engagiert worden war. Gangster dieser Art pfiffen im Grund auf verfeinerte Mordmethoden.

Zudem besaßen sie doch in ihren eigenen Reihen Killer, die nach ›normaler‹ Methode arbeiteten. Diese Killer verließen sich immer auf ihre Präzisionswaffen und arbeiteten schon gar nicht mit Gift.

Hatte es einen Sinn, die Adresse in Soho anzusteuern? Nur zu gern hätte der Butler diesen Höflichkeitsbesuch abgeblasen, doch er kannte schließlich Lady Simpson nur zu gut. Sie war jetzt nicht mehr zu bremsen. Die Sache mußte durchgestanden werden.

Parker dachte an die Informationen, die er auf Umwegen erhalten hatte. Diesen Tips zufolge sollte Agatha Simpson umgebracht werden. Die Nachricht war ihm zugespielt worden. Er nahm sich vor, den Informanten so bald wie möglich zu besuchen. Vielleicht ließ sich aus solch einem Gespräch etwas machen.

Soho war inzwischen erreicht.

Parker fuhr langsam durch die engen und belebten Straßen und näherte sich unaufhaltsam der bewußten Büroadresse. Um noch zusätzlich etwas Zeit herauszuschinden, wählte er einen Umweg. Ihm graute einfach davor, Lady Simpson vor dem entsprechenden Haus abzusetzen.

»Wir werden, glaube ich, verfolgt«, meldete in diesem Moment Kathy Porter, die selbstverständlich mit von der Partie war. Sie hätte Lady Simpson niemals allein gelassen.

»Das hört sich aber sehr gut an, Kindchen«, freute sich die ältere Dame sichtlich. Sie war erfahren genug, sich nicht sofort umzuwenden und durch das Rückfenster auf die Straße zu schauen.

»Meinen Sie den kleinen Kastenlieferwagen?« erkundigte sich Josuah Parker.

»Genau den, Mr. Parker.«

»Ob dieser heimtückische Giftmörder am Steuer sitzt?« fragte die Detektivin grimmig.

»Das läßt sich leicht herausfinden, Mylady«, erwiderte Parker schnell.

»Zuerst diese Syndikatsflegel«, entschied Lady Simpson. »Falls sie den Lümmel auf mich angesetzt haben, wird er ja wohl dort erscheinen, finden Sie nicht auch?«

»Darf ich mit einem Gegenvorschlag aufwarten, Mylady?«

»Nicht jetzt«, entschied Agatha Simpson grollend. »Lenken Sie mich nicht ab, Mr. Parker!«

Der Butler hatte den kleinen Kastenwagen tatsächlich schon seit einiger Zeit beobachtet. Er war wie Kathy Porter davon überzeugt, daß sie beschattet wurden. Wer jedoch am Steuer saß, konnte er nur vermuten. Die Wahrscheinlichkeit, daß es sich um den Giftmörder handelte, war sehr groß. Parker hätte sich diesen Mann am liebsten zuerst vorgeknöpft. Er mußte einen Weg finden, Lady Simpsons Anordnung und seinen Wunsch unter einen Hut zu bringen.

Es galt, sehr vorsichtig zu sein. Nach dem mißglückten Mordversuch würde der Mann es nun wahrscheinlich mit einer Schußwaffe versuchen. Es galt also, Lady Simpson nachdrücklieh zu schützen. Sie mußte so schnell wie möglich in das Haus geschafft .werden, in dem sich die Büroräume des Syndikats befanden.

Parker steigerte das Tempo, kurvte um eine Ecke und erreichte den Eingang zum Bürohaus. Er fuhr auf den Gehweg und schob sein hochbeiniges Monstrum dicht an die Doppeltür heran. Gleichzeitig legte er einen der vielen Kipphebel auf dem reichhaltig ausgestatteten Armaturenbrett um.

Das Resultat war erstaunlich.

Der Motor produzierte einige Fehlzündungen, wie man annehmen mußte. In Wirklichkeit wurden sie gesondert erzeugt. Und gleichzeitig mit diesen angeblichen Fehlzündungen quollen stoßweise einige pechschwarze Rauchwolken aus dem Auspuff.

In wenigen Sekunden legte sich ein zäher und schwarzer Nebel auf die Windschutzscheibe des nachfolgenden Kastenlieferwagens. Dieser Effekt kam für den Fahrer derart überraschend, daß er das Steuer verriß und den Kühler seines Wagens gegen den Karren eines Obsthändlers setzte.

Parker hatte Lady Simpson bereits aus dem Wagen geleitet und führte sie schleunigst in die Empfangshalle des Bürohauses. Erst dann interessierte er sich für den Fahrer des kleinen Kastenlieferwagens. Leider war von ihm nicht mehr viel zu sehen.

Der Mann rannte mit der Schnelligkeit eines Weltrekordsprinters die Straße hinunter, verfolgt von den Flüchen des aufgebrachten Obsthändlers, der ihm überreife Tomaten nachwarf.

Josuah Parker, ansonsten ein ernster und gesammelter Mann, gestattete sich den Luxus eines andeutungsweisen Lächelns, als eine der überreifen Tomaten im Genick des Flüchtenden zerplatzte. Eine Sekunde später schlitterte der Mann auf einer angefaulten, ihm nachgeschickten Banane um die nächste Straßenecke und entschwand seinen Augen.

*

Sie waren groß und stämmig.

Die beiden Männer trugen einheitliche dunkle Hosen und graue Jacketts, auf deren linker Brustseite der Name der Restaurantkette aufgestickt war. Daß es sich um ausgesuchtes Personal handelte, erkannte der Butler auf den ersten Blick. Sie hatten sich von dem Spektakel draußen auf der Straße nicht von der Fahrstuhltür weglocken lassen. Sie machten allerdings einen sehr wachsamen und gespannten Eindruck, als Lady Simpson mit ihren stämmigen Beinen auf sie zumarschierte.

Die Detektivin befand sich in angeregter Stimmung. Sie schien die beiden Männer gar nicht wahrzunehmen und überhaupt nicht zu begreifen, daß sie es mit Leibwächtern zu tun hatte, die die Tür zum Lift zu bewachen hatten.

Der Butler beeilte sich, zu seiner Herrin aufzuschließen, doch er schaffte es nicht, zu schnell und stürmisch marschierte die ältere Dame voran und baute sich majestätisch vor den beiden Männern auf. Sie öffnete ihren Pompadour, wodurch Sie bereits das Mißtrauen der Leibwächter erregte.

»Sehen Sie sich das mal an«, verlangte sie dann mit energischer Baßstimme und holte einen ... Pfefferstreuer hervor.

Es handelte sich um einen völlig normal aussehenden Pfefferstreuer, und die beiden Leibwächter mußten das längst erkannt haben. Doch sie beugten sich vor und kamen überhaupt nicht auf die Idee, die resolute Dame könne sie hereinlegen.

»Wissen Sie, was das ist?« fragte Agatha Simpson.

»Klar«, sagte der erste Leibwächter.

»’n Pfefferstreuer«, fügte der zweite Leibwächter hinzu.

»Und wissen Sie auch, meine Herren, was solch ein Pfefferstreuer enthält?«

»Na, das ist vielleicht ’ne Frage«, wunderte sich der erste Leibwächter und grinste. Er war inzwischen zu dem Schluß gekommen, daß er es mit einer harmlosen Irren zu tun hatte.

»Pfeffer wird wahrscheinlich drin sein«, meinte der zweite Leibwächter gutmütig.

»Sie lassen eine gewisse Intelligenz erkennen«, stellte Agatha Simpson fest, hob den Pfefferstreuer ein wenig höher und ... puderte dann die Augen der beiden Männer ausgiebig und blitzschnell.

Damit hatten sie nun überhaupt nicht gerechnet. Sie wurden völlig überrascht. Instinktiv rissen sie die Hände hoch und rieben sich die brennenden und tränenden Augen. Dann allerdings besannen sie sich auf ihre Pflichten und wollten zur Tat schreiten, wenngleich sie kaum etwas sehen konnten.

Es blieb bei dem Vorsatz.

Agatha Simpson war wieder mal schneller. Der Pompadour in ihrer Hand erwies sich als eine ungemein wirkungsvolle Nahkampfwaffe. Und das mit Schaumgummi notdürftig umwickelte Hufeisen war vernichtend. Der Butler brauchte noch nicht mal andeutungsweise einzugreifen. Ja, er trat sogar noch sicherheitshalber einen Schritt zurück, um nicht auch noch erwischt zu werden.

Die Lady vollführte mit ihrem Handbeutel eine Art Rundschlag. Die beiden Leibwächter kamen überhaupt nicht mehr an ihre Schußwaffen heran, stöhnten auf, wurden knieweich und rutschten dann an der Holzvertäfelung hinunter zu Boden. Sie legten sich übereinander und nahmen am Geschehen nicht weiter teil.

»So macht man das, Mr. Parker«, sagte Agatha Simpson und wandte sich zu ihrem Butler um. »Muß man Ihnen denn immer alles vormachen? Entwickeln Sie in Zukunft etwas mehr Initiative.«

»Wie Mylady befehlen«, gab Parker zurück und drückte mit seinem schwarz behandschuhten Finger auf den Knopf, der die Tür zum Lift öffnete.

Lady Simpson rauschte wie eine Herzogin in den Lift und deutete dann auf die beiden Leibwächter, während sie mit der freien Hand Kathy Porter zu sich hereinwinkte.

»Schaffen Sie mir die Flegel aus den Augen?« ordnete sie an.

»Sollte man Mylady nicht besser nach oben begleiten?« fragte der Butler, der in leichte Panik geriet.

»Sie würden nur stören«, gab Agatha Simpson distanziert zurück. »Sorgen Sie gefälligst dafür, daß meine Unterredung nicht gestört wird!«

*

Der Lift hielt in der obersten Etage.

Lady Simpson stieg aus, gefolgt von ihrer Gesellschafterin Kathy Porter. Die beiden Frauen befanden sich in einem Vorraum, der gleichzeitig als Büro und Wartezimmer diente.

Zwei etwa dreißigjährige, gut aussehende Vorzimmerdamen saßen vor Schreibmaschinen und erledigten Korrespondenz. Sie blickten verdutzt, als die beiden Besucherinnen näher traten. So etwas war mit Sicherheit ungewöhnlich. Wahrscheinlich wurde Besuch immer erst telefonisch unten von der Halle aus angekündigt.

Fast schon elektrisiert wirkte ein junger Mann, der an einem kleinen Mahagonitisch neben einer dick wattierten Tür saß. Er war elegant gekleidet und sah nicht wie ein Gangster aus, wie er in Filmen gezeigt wird. Mit schnellen und geschmeidigen Schritten kam er um den Schreibtisch herum und blieb dann betroffen stehen.

Agatha Simpson war ganz eindeutig von einem Unwohlsein erfaßt worden. Sie ächzte nachdrücklich, griff sich an die linke Seite ihres wogenden Busens und knickte in den Knien ein. Kathy Porter versuchte die walkürenhafte Lady zu halten, doch sie schien es nicht zu schaffen. Hilfesuchend sah sie den jungen Mann an, der darauf verzichtete das zu tun, was er gerade vorgehabt hatte, nämlich nach seiner Waffe zu greifen.

Agatha Simpson war beeindruckend.

Das Weiße in ihren weit geöffneten Augen war nur noch zu sehen. Dann schielte sie ein wenig, ächzte noch mal und fügte noch ein paar erstaunlich gut gelungene Gurgeltöne hinzu.

Das überzeugte den jungen Mann vollkommen.

»Warten Sie, ich werde helfen«, sagte er beflissen. Er hatte Lady Simpson erreicht, trat hinter sie und wollte unter ihre Arme greifen. In diesem Moment ließ Kathy Porter los und belastete den jungen Mann mit dem vollen Körpergewicht der Detektivin.

Der Mann kickste überrascht auf, schnappte nach Luft, schob sich noch näher an Lady Agatha heran und ... verdrehte dann die Augen. Sein Gesicht nahm eine käsige Farbe an. Er schien sich völlig übernommen zu haben. Die beiden jungen Damen vor ihren Schreibmaschinen mußten wenigstens diesen Eindruck gewinnen.

Der wirkliche Sachverhalt war natürlich ganz anders.

Als der junge Mann sich von hinten näher an Lady Simpson heranschob, kassierte er einen herben Stoß, den sie mit ihrem linken Ellbogen austeilte. Die Spitze dieses Ellbogens legte sich dem jungen Mann auf den Magen.

Bevor er Agatha Simpson loslassen konnte, griff Lady Simpson mit dem anderen Ellbogen an. Diesmal fiel der Rempler noch spitzer und kräftiger aus. Der Mann taumelte zurück und stolperte dabei über Kathy Porters I Bein, das die junge Dame aus Versehen nicht zurückgezogen hatte. Er verlor zwar das Gleichgewicht, zeigte aber gerade jetzt seine Klasse.

Obwohl schwer angeschlagen, wollte er seine Waffe ziehen. Kathy Porter war jedoch dagegen. Sie setzte ihre Handkante ein und streichelte damit die Halspartie ihres Gegners. Da Kathy Porter eine erstklassige Karatekämpferin war, hatte der Mann keine Chance. Er verlor augenblicklich das Bewußtsein und landete auf dem Teppich. Kathy Porter bückte sich blitzschnell und zupfte ihm die Waffe aus der Schulterhalfter.

»Bleiben Sie sitzen, dumme Gans«, herrschte Agatha Simpson eines der beiden Schreibmädchen an. »Erzürnen Sie mich nicht unnötig!«

Das wollten sie auf keinen Fall. Sie setzten sich beide wieder brav hin und starrten die resolute Dame an, die sich der wattierten Tür näherte. Lady Agatha drehte sich um.

»Haben Sie nichts zu tun?« fragte sie mit ihrer grollenden Stimme. Daraufhin begannen die beiden Damen wie Automaten zu arbeiten. Was sie allerdings schrieben, wollte Lady Simpson im Moment nicht wissen. Wahrscheinlich schrieben sie vor Angst völlig sinnlose Wörter.

»Sie bleiben hier, Kindchen!« Das war für Kathy Porter gedacht, die wie ein braves Schulmädchen nickte und vor dem kleinen Mahagonitisch Platz nahm. Agatha Simpson aber marschierte weiter zur Tür und ließ ihre energische Hand auf den Drehknauf fallen. Dann schmetterte sie die Tür weit auf und sah zu dem riesigen Tisch hinüber, hinter dem ein überraschend kleiner Mann von etwa fünfzig Jahren saß.

»Worauf warten Sie noch?« fuhr Lady Agatha den entgeisterten Mann an. »Sie haben es mit einer Dame zu tun! Also erheben Sie sich gefälligst, oder soll ich Ihnen Beine machen?«

*

Norman Lower zweifelte an der Gerechtigkeit dieser Welt. Dies war ein rabenschwarzer Tag in seinem bisher so erfolgreichen Leben. Nach der Panne in der Cafeteria und dann vor dem Bürohaus in Soho war er schließlich noch von einem aufgebrachten Obsthändler durch die Straßen gehetzt worden.

Norman Lower war deprimiert.

Nach seinem Ausrutscher auf der überreifen Banane hatte er sich noch erfolgreich absetzen können. Er befand sich zur Zeit im Waschraum eines chinesischen Lokals und beschäftigte sich mit den Überresten der angefaulten Tomate, die seinen Nacken getroffen hatte.

Sie roch ein wenig, was seinen Weltschmerz noch vertiefte. Immer wieder sah er in den Wandspiegel und prüfte sein Aussehen. Der Kragen seines Mantels war hin, sein Hemdkragen ebenfalls. Er hatte nur den einen Wunsch, so schnell wie möglich seine geheime Zuflucht auf dem Land aufzusuchen. Er war bereit, die Anzahlung seinem Auftraggeber zurückzuerstatten. Ja, der Berufskiller spielte sogar mit dem Gedanken, seinen Beruf aufzugeben.

Er hatte alles falsch gemacht.

Norman Lower warf sich vor, sich mit seinem Opfer nicht ausreichend vertraut gemacht zu haben. Auf der anderen Seite hatte ihm sein Auftraggeber allerdings auch nicht gesagt, daß er es mit fast schon bösartigen Profis zu tun haben würde. Im Grund war das Betrug. Sie hatten ihm diesen Mord als eine Kleinigkeit verkauft.

Der Berufskiller verließ betreten den Waschraum, setzte sich in eine Nische des chinesischen Restaurants und bestellte ein Kännchen Tee. Zucker und Milch brauchte er nicht. Er wollte den heißen, würzigen Tee so genießen, wie er serviert wurde. Er mußte sein seelisches Gleichgewicht wiederfinden.

Der Tee war ausgezeichnet und erfrischte ihn.

Norman Lower ließ sich Zigaretten bringen und überdachte seine Lage. In spätestens einer Stunde war der Anruf in Antwerpen fällig. Nein, schon in fünfundvierzig Minuten. Innerhalb dieser Zeitspanne hatte er keine Chance mehr, seinen Auftrag auszuführen. Er mußte ihn also zurückgeben, falls seine Auftraggeber ihn nicht verlängerten und ihm eine neue Frist einräumten. Daran führte kein Weg vorbei.

Wer mochten diese Auftraggeber in Wirklichkeit sein?

Natürlich hatten sie ihm gegenüber ihre Karten auf den Tisch legen müssen. Norman Lower hatte sich rückversichert, daß die Angaben, was Name und Adresse anbetraf, wirklich stimmten. Er hatte es mit einem Diamantenhändler zu tun, der seine Partnerin, eben diese Lady Simpson aus dem Weg räumen wollte.

Das Motiv war für Lower verständlich. Ähnliche Aufträge hatte er bereits in der Vergangenheit erledigt.. Agatha Simpson war nach Angaben seiner Auftraggeber so etwas wie eine stille Teilhaberin der Diamantenfirma. Seine Geldgeber waren zwei belgische Geschäftsleute, die sich Larpusse und Calverre nannten. Diese Firma existierte, das stand eindeutig fest. Durch spätere Anrufe hatte der Berufskiller sich vergewissert, daß Larpusse und Calverre tatsächlich diesen Mord bestellt haben. Einen Zweifel gab es nicht.

Der Berufskiller bezahlte seinen Tee, die Zigaretten und verließ das Restaurant. Von einem Postamt aus ließ er sich eine Verbindung mit Antwerpen herstellen. Er brauchte nicht lange zu warten, bis die Gegenseite sich meldete. Es war Larpusse.

»Hier spricht Ihr Londoner Partner«, meldete sich der Berufsmörder und zwang sich zur Ruhe. »Der Ausverkauf hat noch nicht stattgefunden. Die bewußten Steine befinden sich noch im Angebot. Soll ich weiter mitgehen oder auf die nächste Auktion warten?«

Auf der Gegenseite blieb es für einen Moment still. Larpusse brauchte wohl Zeit, um mit dieser Nachricht fertig zu werden.

»Wie konnte das passieren?« fragte dann die Stimme aus Antwerpen.

»Weil Sie mir nicht gesagt haben, wie gut und teuer die Ware ist«, antwortete Norman Lower.

»Steigern Sie weiter mit«, antwortete Larpusse, ohne auf Norman Lowers Hinweise einzugehen. »Wir müssen die Steine unbedingt haben. Wie beurteilen Sie jetzt die Chancen?«

»Ich werde noch ein paar Tage brauchen. Ich steige aber auch aus, wenn Sie es wünschen.«

»Das ist Ihr Geschäft, wir brauchen keine Zwischenhändler. Sie allein müssen das schaffen. Rufen Sie uns an, sobald Sie abgeschlossen haben. Ende!«

Norman Lower legte auf und ärgerte sich.

Solch eine kurz angebundene Art war er nicht gewohnt. Er nahm sich vor, früher oder später diesen Larpusse mal aufzusuchen und ihm deutlich zu machen, aus welchem Holz er, Norman Lower, geschnitzt war. Der Berufsmörder verließ die Sprechzelle, zahlte die Gebühr und machte sich auf den Weg nach Shepherd’s Market, wo sich das Haus Lady Simpsons befand.

Er wollte die Dinge jetzt auf eine einfache und brutale Art anpacken. Er hatte in der Hinsicht seine ganz bestimmten Vorstellungen.

*

»Sie sind Gary Edwards?«

Lady Simpsons Stimme kündigte ein Unwetter an. Die resolute Dame stand vor dem Schreibtisch und wartete darauf, daß der Chef des Syndikats sich erhob. Der kleine, drahtig wirkende Mann hatte sich von seiner Überraschung noch immer nicht erholt. Er begriff einfach nicht, wieso die seltsame Besucherin in sein Büro eindringen konnte. Gary Edwards wußte immerhin genau, daß er von ausgesuchten Leibwächtern abgeschirmt wurde.

»Ich habe Sie etwas gefragt!« Lady Simpson raunzte den verdatterten Mann ungnädig an. »Sind Sie nun Gary Edwards oder nicht?«

»Natürlich bin ich Edwards. Und wer sind Sie?«

»Agatha Simpson«, erwiderte die alte Dame süffisant. »Ich bin sicher, daß mein Name Ihnen nicht unbekannt ist.«

»Woher sollte ich ihn kennen?« Gary Edwards besann sich darauf, daß er schließlich der Eigentümer des Büros war. Er stand endlich auf und kam um den Schreibtisch herum. »Weshalb betreten Sie unangemeldet mein Büro?«

»Ich bin ärgerlich«, sagte die Detektivin. »Und Sie wissen, warum ich es bin.«

»Ich habe keine Ahnung.« Gary Edwards wußte tatsächlich von nichts. Selbst mit dem Namen Agatha Simpson konnte er nichts anfangen. Er fragte sich, ob er es mit einer Irren zu tun hatte.

»Sie kennen mich also nicht«, schickte Agatha Simpson voraus, »trotzdem setzen Sie Lümmel einen Berufsmörder auf mich an? Sie können es wohl nicht verwinden, daß Sie durch mich drei Zentner Marihuana verloren haben, wie?«

Gary Edwards ging schlagartig ein Licht auf. Natürlich, da war so eine verrückte Dame der Gesellschaft, die sich als Amateurdetektivin betätigte ...

»Ich sehe, daß Sie endlich geschaltet haben«, stellte Agatha Simpson zufrieden fest. »Besonders gewitzt scheinen Sie nicht zu sein, junger Mann. Wie kann ein Flegel wie Sie nur der Chef eines Rauschgiftrings sein! Ich muß mich doch sehr wundern!«

»Rauschgiftring?« Gary Edwards schnappte nach Luft. Solch eine Offenheit schätzte er überhaupt nicht. Er legte Wert darauf, stets und überall als der Chef einer Restaurantkette zu gelten. Schein und Sein waren für ihn mehr als zwei verschiedene Dinge. Die Tarnung seines Syndikats war oberstes Gebot.

»Ich werde Protest gegen Ihre Methoden einlegen«, sagte die Lady weiter und schmetterte ihm ihren Pompadour gegen die linke Hüfte. Gary Edwards wurde völlig überrascht. Er taumelte zurück, stöhnte und hielt sich die getroffene Seite. So war er noch nie in seinem Leben behandelt worden.

Doch es kam noch schlimmer. Lady Agatha geriet in Fahrt. Sie erinnerte sich an den geplanten Giftmord, holte mit ihrer rechten Hand aus und verabreichte dem Gangsterchef eine saftige Ohrfeige. Und da Lady Simpson von der Figur her so etwas wie eine Walküre war und man ihre Hände wirklich nicht als klein bezeichnen konnte, steckte in diesen Händen auch eine Menge Kraft.

Gary Edwards bekam sie deutlich zu spüren.

Die Ohrfeige trieb ihn gegen den Schreibtisch. Der Mann riß abwehrend beide Hände hoch und wollte sein Gesicht schützen. Dadurch aber entblößte er ungewollt seine Magenpartie. Nun, Lady Simpson konnte einfach nicht widerstehen. Sie stach mit ihrem leicht angewinkelten Zeigefinger in die Weste des Mannes, der nun völlig die Übersicht verlor und um Hilfe brüllte.

»Waschlappen«, stellte Lady Agatha grimmig fest. »Morde bestellen, das können Sie! Aber wenn es ein wenig herzhaft zugeht, verlieren Sie bereits die Nerven.«

»Ich – ich habe Ihre Ermordung nicht bestellt«, japste Gary Edwards entsetzt.

»Sie Flegel wollen auch noch eine wehrlose, ältere Dame belügen? Das ist doch der Gipfel der Unverschämtheit!«

Agatha Simpsons Busen wogte vor Empörung. Sie stellte ihren linken Schuhabsatz auf die Zehen des Syndikatchefs. Gary Edwards jaulte auf wie ein getretener Hund, tanzte auf einem Bein herum und sah die Lady entsetzt an.

»Sie wissen immer noch nicht, daß man mich mit Gift umbringen wollte?« donnerte die Sechzigjährige ihm entgegen.

»Nein, ich habe keine Ahnung!« Was übrigens stimmte. Gary Edwards hatte den Berufskiller keineswegs engagiert. Er hatte auch sonst keinen seiner Spezialisten auf die Lady angesetzt. Die drei Zentner Marihuana waren von ihm längst verschmerzt und abgebucht worden. Ihm ging es darum, jeden Skandal ihm Ansatz zu vermeiden.

»Sie erfrechen sich, eine Dame erneut anzulügen?« Nun wurde die ältere Dame ernstlich böse. Sie suchte auf dem Schreibtisch nach einem geeigneten Wurfgeschoß und entschied sich für ein noch halb gefülltes Whiskyglas.

Obwohl es ein wirklich guter, alter Whisky war, brannte er doch in Edwards Augen. Sekunden später wurde es Nacht um ihn. Lady Simpson hatte ihm den Papierkorb über den Kopf getrieben und klopfte ihn mit ihrem Pompadour fest.

Gary Edwards sackte in die Knie. Er hatte das Gefühl, von einem Dampfhammer in den Boden getrieben zu werden. Ein zweiter Schlag setzte ihn matt. Er rutschte aus und landete auf dem teuren Teppich.

»Ich – ich war es nicht«, wimmerte er dumpf aus seinem Zwangsversteck hervor. »Ich bin es wirklich nicht gewesen!«

Agatha Simpson kümmerte sich nicht weiter um diesen Schwächling. Sie stand bereits hinter dem Schreibtisch und sah sich die Papiere an. Sie benahm sich völlig ungeniert und schaute nur hin und wieder zu Gary Edwards hinüber, der versuchte, den hinderlichen Papierkorb loszuwerden.

Der Chef des Rauschgiftringes konnte bereits einen ersten Teilerfolg verbuchen.

Es war ihm gelungen, sein linkes Ohr unter dem Rand des Papierkorbes hervorzuzwingen. Das Schnaufen des nachhaltig beschäftigten Mannes war deutlich zu hören, Gary Edwards arbeitete verbissen und verzweifelt. Er konnte sich nämlich gut vorstellen, was sein charmanter Gast auf dem Schreibtisch fand.

Agatha Simpson wollte jedoch nicht gestört werden.

Um Edwards wieder zu beschäftigen, verließ sie den Schreibtisch, ging zu ihm hinüber und klopfte mit ihrem Pompadour nochmals auf den Boden des Papierabfallbehälters.

»Benehmen Sie sich gefälligst nicht so albern«, raunzte sie ihn dann an. »Sie werden ja nicht gleich umkommen. Stören Sie mich jetzt nicht länger, ich habe noch zu tun!«

*

Butler Parker stand wie auf glühenden Kohlen. Lady Simpson und Kathy Porter ließen sich seiner Meinung nach sehr viel Zeit. Ungeduldig wartete er auf die Rückkehr der beiden Damen. Er machte sich erhebliche Vorwürfe, sie nicht begleitet zu haben, selbst gegen den erklärten Widerstand der Lady Agatha. Parker konnte nur hoffen, daß die Dinge dort oben einen zumindest relativ günstigen Verlauf nahmen.

Er hatte Agatha Simpson gegenüber nicht übertrieben. Das Syndikat war eine straff geführte Organisation, die Sicherheitsmaßnahmen ausgezeichnet beherrschte. Gary Edwards war der Chef dieses Rauschgiftunternehmens, ein Mann, der in der Vergangenheit Härte und Tücke bewies. Er genoß das volle Vertrauen der Strohmänner, die sich im Hintergrund hielten und deren Namen nie genannt wurden. Wahrscheinlich wußte selbst ein Mann wie Gary Edwards nicht mal, für wen er diese Organisation leitete. Geldmänner dieser Art ließen sich nicht in ihre Karten schauen. Wahrscheinlich saßen sie auf einer der Westindischen Inseln und galten dort als internationale Finanziers, denen man Rauschgifthandel überhaupt nicht zutraute. Parker waren solche geschickten Verfolgungen bekannt. Gegen sie war bisher noch kein Kraut gewachsen.

Der Butler hatte die beiden jungen Männer weggeräumt, wie Lady Agatha es ihm bedeutet hatte. Sie lagen jetzt in einem engen Wandschrank am Ende der Halle und konnten nicht weiter stören. Um sie nachhaltig außer Gefecht zu setzen, hatte Josuah Parker sich bescheidener Mittel bedient. Für solche Zwecke pflegte er in seiner Dienstkleidung immer eine kleine Rolle Leukoplast oder auch Isolierband mitzuführen. In diesem Fall handelte es sich um Isolierband. Eine bessere und gründlichere Fesselmethode konnte der Butler sich gar nicht vorstellen.

Steif und gemessen, als sei er der Türhüter, stand er nun in der Nähe des Lifts und schaltete auf höchste Wachsamkeit um, als vor dem Eingang ein Bentley erschien.

Vorn aus dem Wagen stiegen zwei junge, drahtig aussehende Männer die teure Anzüge trugen. Sie bemühten sich um einen dritten Mann, der im Fond des Bentley saß. Sie prügelten sich fast um die Ehre, diesem Mann die Tür öffnen zu dürfen. Schließlich taten sie es gemeinsam und dienerten, als der Fahrgast ausstieg.

Die sicher hochgestellte Persönlichkeit trug einen dunklen Cityanzug und gab sich sehr seriös. Der Unbekannte ignorierte die Bemühungen seiner wesentlich jüngeren Begleiter und marschierte stolz zum Eingang.