E-Commerce mit Amazon - Marc Aufzug - E-Book

E-Commerce mit Amazon E-Book

Marc Aufzug

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Beschreibung

Amazon ist die bestimmende Instanz im E-Commerce und die Produktsuchmaschine Nummer eins. Hersteller, Marken und Seller sind deshalb gut beraten, sich optimal auf Amazon zu präsentieren. Indem Sie die Mechanismen der Plattform verstehen und Einflussfaktoren kompetent steuern, sichern Sie sich die Aufmerksamkeit Ihrer Kunden, relevante Umsätze und den langfristigen Erfolg Ihres Amazon-Business. Dieses Praxisbuch behandelt alle wesentlichen Themen rund um die E-Commerce-Plattform Amazon. Mit ihrer Agentur factor-a – part of DEPT sind Marc Aufzug und Dominik Bors Vorreiter auf dem Gebiet der operativen und strategischen Beratung im Amazon-Umfeld. Auf Basis ihrer Erfahrung erläutern sie praxisnah die folgenden Aspekte: Die Rolle von Amazon Wie sich der Onlineriese entwickelt, was Sie und Ihr Unternehmen bei der Zusammenarbeit erwartet . Vendor Central vs. Seller Central Welche Vor-und Nachteile bieten die Modelle? Welches passt zu Ihrem Unternehmen? Wie sieht ein Hybridmodell aus? Einstieg in den E-Commerce mit Amazon Vertragsverhandlungen, Einrichten des Verkäuferkontos, Produkte listen, Logistikoptionen auswählen u.v.m. Amazon-SEO: Amazon als Suchmaschine Überblick über die Funktionsweise des Suchalgorithmus und entscheidende Faktoren für Top-Platzierungen in den Suchergebnissen. Content-Optimierung Optimal aufbereitete Listings steigern Sichtbarkeit und Umsatz – inklusive Keyword-Recherche, Content-Relevanz-Analyse und A+ Content. Effizientes Marketing mit Sponsored Ads und der Demand Side Platform Konkrete Anleitungen und Handlungsempfehlungen für den strategischen und umfassenden Amazon-Advertising-Einsatz. Account Handling über Vendor Central Hier steuern Sie sämtliche Prozesse: von der Bestellabwicklung über Zahlungen und Rechnungen bis hin zur Katalogpflege. Perfekte Reportings und Datenanalysen Die wichtigsten Kennzahlen für die Zusammenarbeit mit Amazon und wie Sie entscheidende Einflussfaktoren steuern. Wertvolle Insights für Vendoren und Seller Was für Vendoren gilt, ist in vielen Punkten auch für Seller wichtig – ob Content-Optimierung, Amazon Advertising oder eine reibungslose Logistik.

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E-Commerce mit Amazon

Das Praxisbuch für Markenhersteller, Vendoren und Seller

Marc Aufzug, Dominik Bors

Marc Aufzug, Dominik Bors

Lektorat: Ariane Hesse

Redaktionelle Mitarbeit: Liv Odenthal

Copy-Editing: Sibylle Feldmann, www.richtiger-text.de

Satz: III-satz, www.drei-satz.de

Herstellung: Stefanie Weidner

Umschlaggestaltung: Michael Oréal, www.oreal.de, unter Verwendung eines Fotos von © iStock by Getty Images, BirdImages

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

Print

978-3-96009-067-0

PDF

978-3-96010-330-1

ePub

978-3-96010-331-8

mobi

978-3-96010-332-5

1. Auflage 2019

Copyright © 2019 dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17

69123 Heidelberg

Dieses Buch erscheint in Kooperation mit O’Reilly Media, Inc. unter dem Imprint »O’REILLY«. O’REILLY ist ein Markenzeichen und eine eingetragene Marke von O’Reilly Media, Inc. und wird mit Einwilligung des Eigentümers verwendet.

Hinweis:

Dieses Buch wurde auf PEFC-zertifiziertem Papier aus nachhaltiger Waldwirtschaft gedruckt. Der Umwelt zuliebe verzichten wir zusätzlich auf die Einschweißfolie.

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Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

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Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

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Inhalt

Vorwort

1Der E-Commerce und die Rolle von Amazon

Die E-Commerce-Landschaft – ein aktueller Überblick

Amazon: der Gigant im deutschen E-Commerce

Strategische Ausrichtung und Funktionsweise von Amazon

Warum man eine Amazon-Strategie braucht

2Vendor vs. Seller – Welches Modell passt für wen?

Amazons Kooperationsformen

Seller Central: Amazon als Marktplatz

Vendor Central: Amazon als Händler

Stärken und Schwächen der Modelle im Vergleich

Hybridmodelle – zwischen Vendor und Seller Central

Seller Central inklusive Fulfillment by Amazon (FBA)

Sonderfall für Markenhersteller: der Manufacturer-Account

3Einstieg in den E-Commerce mit Amazon

Einstieg als Vendor

Initiale Vertragsverhandlungen

Einrichtung des Vendor-Central-Accounts

Erstellung des eigenen Produktkatalogs

Einstieg als Seller

Produktauswahl

Kontoeinrichtung

Angebote erstellen und neue Produkte listen

Logistikoptionen

Exkurs: Das Broker-Modell

4Amazon als Produktsuchmaschine

Die Onlineproduktsuche beginnt auf Amazon

Amazons Suchalgorithmus

Relevanzfaktoren

Performancefaktoren

Maßnahmen zur Verbesserung des organischen Rankings

5Produktdaten und Content

Aufbau und Inhalt der Produktdetailseite

Content-Relevanz-Analyse

Keyword-Recherche

Initiales Brainstorming

Major und Longtail Keywords

Ein produktspezifisches Keyword-Set erstellen

Exkurs: Sponsored Ads und Content-Optimierung

Erstellung des optimalen Contents

Amazons Anforderungen an Produktdetailseiten

Produktdatenfelder optimal nutzen

Produktbilder

Varianten

A+ Content

Fazit und Ausblick

6Sponsored Ads

Relevanz und Chancen von Sponsored Ads

Die drei Anzeigentypen: SB, SP und PDA

Aufbau und Funktionsweise der Sponsored Ads

Sponsored Brands

Sponsored Products

Product Display Ads

Strategischer Einsatz von Sponsored-Ads-Kampagnen

Kampagnenstrategien: ein Überblick

Strategische Ermittlung und Auswahl von Keywords

Mitbewerberanalyse als Vorbereitung für offensive Kampagnen

Taktische Umsetzung der Kampagnenstrategien

Kampagnen erstellen und strukturieren

Recherche, Definition und Optimierung von Keywords

Kniffe für das Produkt-Targeting

Aussteuerung und Anpassung der CPC-Gebote

Kontinuierliche Analyse und Optimierung

Zukünftige Entwicklung der Sponsored Ads

Amazon Stores

Aufbau eines Amazon Stores

Kniffe für den Einsatz von Amazon Stores

7Amazon Demand Side Platform (DSP)

Media- und Display-Marketing für Fortgeschrittene

Funktionsweise und Aufbau der DSP

Werbemittel der DSP

Standard Display Ads

Dynamic eCommerce Ads (DEAs)

Video Ads

Setup und Steuerungsmöglichkeiten

Targeting-Optionen

Auslieferung der Werbemittel steuern

Strategische Einsatzmöglichkeiten der DSP

DSP plus Sponsored Ads: Kunden über den gesamten Sales Funnel erreichen

Weitere Kampagnenstrategien

DSP-Kampagnen bewerten und optimieren

Analyse des Kampagnenerfolgs

Best-Practice-Tipps für die Optimierung

Case Study Wacom: ein Praxisbeispiel für den DSP-Einsatz

Fazit

8Preisbasierte Kampagnen

Angebotstypen

Blitzangebote (Lightning Deals)

Sonderangebote (Best Deals)

Preisnachlässe (Price Discounts)

Coupons

Einsatzmöglichkeiten von Rabattaktionen

Kombinierter Einsatz mit Amazon Advertising

9Vendor-Account-Handling

Funktionsbereiche von Vendor Central

Bestellungen

Artikel

Zahlungen

Werbung und Marketing

Einstellungen

Fälle eröffnen

Datenanalyse mit Amazon Retail Analytics (ARA)

ARA Basic und ARA Premium

Grundlegende Auswahlmöglichkeiten

Übersicht über zentrale ARA-Berichte

Erstellung ganzheitlicher Reportings

Full Management zentraler Einflussfaktoren

Rezensionsmanagement

Profitabilität

Verfügbarkeit

Buybox

ASIN-Duplikate

Organische Sichtbarkeit

Marketingaktivitäten der Wettbewerber

Wechselwirkungen relevanter Einflussfaktoren

Softwarelösungen

Sellics

Amalyze

Kenshoo

factor-a suite

Internationalisierung

Index

Vorwort

In der Anfangsphase von factor-a wurden wir oft gefragt, ob wir über unsere Beratung hinaus auch Lektüre zum Thema Amazon empfehlen können. Zwar konnten wir hier auf unsere kostenlosen Whitepaper zu Amazon-Strategien und Amazon Advertising verweisen, aber für einen ganzheitlichen Überblick hatten wir auch keine Lösung. Das Thema war einfach zu neu, und es gab noch kein überzeugendes Standardwerk in Sachen Amazon. Mit dieser Erkenntnis reifte bei Dominik Bors und mir der Gedanke, ein eigenes Buch zu schreiben. Wie so oft dauern die Dinge länger, als man denkt – und so vergingen vom ersten Kontakt zu unserer Lektorin bei O’Reilly bis zur Veröffentlichung ganze zwei Jahre (unglaublich!). Nun aber haben wir es geschafft und sind sehr stolz darauf, mit diesem Buch die Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Amazon legen zu können. Viel Spaß beim Lesen und vor allem viel Erfolg bei der Umsetzung!

Amazon – die Umsatzmaschine

Amazon ist in aller Munde. Mittlerweile gibt es kaum mehr jemanden, der keinen Amazon-Account besitzt, nicht Amazon Prime nutzt, auf Amazon nach den passenden Produkten sucht, während der Cyber Monday Week oder dem Prime Day auf Schnäppchenjagd geht, Prime Video schaut, seine Daten in AWS speichert oder eine Alexa im Wohnzimmer stehen hat.

Wenn 90% der Onlineshopper in Deutschland auf Amazon einkaufen und die Mehrheit aller Produktrecherchen dort beginnt, scheint diese Plattform etwas zu liefern, das man sonst in dieser Kombination nirgendwo anders bekommt. Auswahl, Verfügbarkeit, Schnelligkeit und Zuverlässigkeit sind nirgendwo besser. Marken, die auf Amazon nicht vertreten sind, finden für die Zielgruppe häufig gar nicht mehr statt. Für Hersteller stellt sich also die Frage, ob sie diese Entwicklung mitgehen oder sich davon fernhalten. Ein Dilemma: Die Strategie, sich fernzuhalten, geht nur auf, wenn alle Marken einer Kategorie es genauso handhaben. In der Realität und aufgrund des Seller/Vendor-Modells wird dies nicht eintreten. Ich stelle mich als Hersteller also schlechter, wenn ich einer der wenigen bin, die nicht auf Amazon vertreten sind, und besser, wenn ich mitspiele. Wir als factor-a stellen uns dieser Realität und helfen unseren Kunden, Amazon besser zu verstehen, die Stärken von Amazon für die eigene Marke zu nutzen und letzten Endes die zentralen Kennzahlen wie Umsatz, Marktanteil und Sichtbarkeit auf Amazon zu optimieren und zu maximieren. Wir sehen es jeden Tag – wenn man es richtig macht, ist Amazon eine wahre Umsatzmaschine!

Amazon – der Platzhirsch im E-Commerce-Marketing

Amazon sitzt auf einem riesigen Datenschatz: Niemand sonst – weder Google noch Facebook – weiß so genau Bescheid über die Kaufinteressen und das Kaufverhalten vom größten Teil der Konsumenten in der westlichen Welt. Für Werbetreibende eröffnen sich damit nie da gewesene Targeting-Möglichkeiten. Über das Search Advertising auf Amazon und das Programmatic Advertising auf und vor allem außerhalb von Amazon steht Onlinemarketern und Media-Verantwortlichen ein breites Feld neuer Werbemöglichkeiten zur Verfügung – mit einem präzisen Targeting und entsprechend geringerem Streuverlust sowie einem höheren ROI. Amazon konnte innerhalb kurzer Zeit auf Platz drei der größten Advertiser vorstoßen und weist beeindruckende Wachstumszahlen vor. Mussten wir vor zwei Jahren noch erklären, dass es Amazon Advertising überhaupt gibt und dass dies Werbetreibenden herausragende Chancen bietet, so ist das Thema mittlerweile auf oberster Ebene bei Herstellern und Marken angekommen. In jeder Marketingstrategie eines Herstellers, in globalen Media-Plänen und bei der Verteilung von Marketing- und Media-Budgets spielt Amazon nun eine Rolle. Und diese Bedeutung wächst rasant. Das Retail- oder E-Commerce-Advertising fängt gerade erst an – Begrifflichkeiten und KPIs werden definiert, Daten aus unterschiedlichen Kanälen integriert, Tools und Kampagnenstrategien optimiert – und wir von factor-a sind stolz darauf, dieses Gebiet von Anfang an mitzugestalten.

Feedback und Fragen – die Autoren kontaktieren

Natürlich freuen wir uns sehr über Fragen und Feedback jeglicher Art. Was können wir an diesem Buch besser machen? Was hat Ihnen besonders gut gefallen? Wo haben Sie eine völlig andere Meinung? Wie konnte Ihnen dieses Buch helfen, erfolgreicher auf und in der Zusammenarbeit mit Amazon zu sein?

Schreiben Sie uns gerne an: [email protected].

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Danksagung

Ich möchte mich bei allen bedanken, die an der Entstehung dieses Buchs mitgewirkt haben – allen voran Liv Odenthal, die mit Professionalität, Durchhaltevermögen und großem Einsatz dieses Projekt durch alle Höhen und Tiefen vorangetrieben hat. Ohne Liv würde es dieses Buch nicht geben.

Dazu gilt ein großer Dank dem gesamten factor-a-Team (www.factor-a.de). Was wir in den vergangenen drei Jahren gemeinsam aufgebaut haben, ist außergewöhnlich – und sich neben diesem rasanten Wachstum auch noch die Zeit zu nehmen, fachlichen Input zu jedem der folgenden Kapitel zu geben, verdient großen Respekt. Besonders hervorzuheben und stellvertretend für deren jeweiligen Fachbereich sind an dieser Stelle Nils Zündorf (Paid Advertising), Michael Hajut (Account Management), Alexander Ortner (Business Development), Lara Müller (Content und Redaktion), Roberto Russo (Produktmanagement), Amir Samari (Operatives Consulting) und Sara Goebels (Marketing). Weiterhin möchten wir uns bei Kira Schims, Katharina Lurz, Sebastian Brückner, Timo Kosak, Dennis Kreutzer und Kimberly Maggard für ihre tatkräftige Unterstützung bedanken.

Wir sind sehr dankbar, mit euch und den mittlerweile über 120 weiteren Kollegen von factor-a zusammenarbeiten zu dürfen und jeden Tag gemeinsam mit euch einen großen Impact auf die Leistung und den Erfolg von fast 200 Herstellern und Marken auf Amazon in 10 Ländern realisieren zu können! Auch unserer neuen Heimat Dept und den 1.000 neuen Familienmitgliedern möchten wir für ein wunderbares erstes Jahr und das große Vertrauen danken.

Darüber hinaus gilt unser Dank auch all denjenigen, die uns außerhalb von factor-a unterstützt und an uns geglaubt haben. Unseren Kunden, unseren Ansprechpartnern bei Amazon, unseren Gesellschaftern und allen voran unseren Familien und Ehefrauen – Gabi Aufzug und Claudia Bors –, ohne deren Support die Erfolgsgeschichte von factor-a unmöglich gewesen wäre.

– Marc Aufzug

KAPITEL 1

Der E-Commerce und die Rolle von Amazon

In diesem Kapitel:

Die E-Commerce-Landschaft – ein aktueller ÜberblickAmazon: der Gigant im deutschen E-CommerceWarum man eine Amazon-Strategie braucht

Vom kleinen Onlineshop für Bücher hat sich Amazon schon lange zum Giganten im Bereich Onlineshopping erhoben. Mehr als jede zweite Bestellung im deutschen E-Commerce wird über Amazon getätigt. Mittlerweile ist Amazon jedoch weit mehr als ein bloßer Onlinehändler, es ist für zahlreiche Innovationen im E-Commerce verantwortlich. Den Begriff »Kundenfreundlichkeit« hat das Unternehmen neu definiert. Als Produktsuchmaschine Nummer eins hat Amazon einen nicht zu unterschätzenden Einfluss darauf, wie Verbraucher heutzutage Marken entdecken und Produkte kennenlernen. Es ist die treibende Kraft, wenn es um Brand-Discovery geht. Wer sich hier nicht rechtzeitig positioniert, wird auf lange Sicht von der Bildfläche verschwinden – oder taucht gar nicht erst im Bewusstsein seiner potenziellen Kunden auf.

Händler und Hersteller sollten sich jedoch nicht blind und planlos in den Amazon-Großstadtdschungel begeben, denn er ist ein hartes Pflaster. Dieses Buch begleitet den Leser von den ersten Erkundungstouren durch das unbekannte Terrain bis hin zur Entwicklung von ausgefeilten Strategien. Das Ziel? Aus Amazon so viel wie möglich für das eigene Unternehmen herauszuholen.

Um erfolgreich mit Amazon zu arbeiten, müssen viele verschiedene Faktoren beachtet werden. Grundlegende Voraussetzung ist, den Onlineriesen und seine Funktionsweise zu verstehen sowie seine Rolle im E-Commerce einschätzen zu können.

Die E-Commerce-Landschaft – ein aktueller Überblick

Es ist kein Geheimnis, dass immer größere Marktanteile vom stationären Handel in den Onlinehandel hinüberwandern. Dies bekommen Händler und Hersteller weltweit zu spüren. Noch vor gar nicht allzu langer Zeit verzeichneten Fachgeschäfte, Einkaufszentren und Markenstores mit Abstand den meisten Umsatz. Dieser Anteil wird laufend schmaler. Im Gegenzug wächst der Gesamtumsatz im E-Commerce immer stärker und schneller.

Hinweis

Folgende Zahlen belegen die wachsende Bedeutung des Onlinehandels: In Deutschland liegt der Gesamtumsatz des Einzelhandels 2018 bei 525,0 Milliarden Euro. Der Anteil des B2C-E-Commerce beläuft sich dabei mit 53,4 Milliarden Euro auf über ein Zehntel des Gesamtumsatzes.1

Hersteller und Händler sollten daher nicht den Fehler begehen und diese Entwicklung als einen vorübergehenden Trend abstempeln. Nicht wieder aufzuholende Umsatzeinbußen können die Folge sein. Viele Akteure haben das verstanden und nutzen die Chancen, die der E-Commerce ihnen bietet.

Onlinedistributionskanäle für Hersteller und Händler

Vor den Zeiten des elektronischen Handels waren vor allem Hersteller auf Händler angewiesen, um ihre Kunden überhaupt erreichen zu können. Diese Abhängigkeit brachte oft geringe Margen und Kontrollverluste mit sich. Führten Händler beispielsweise Rabattaktionen durch oder verfolgten eine stark kundenfreundliche Preispolitik, musste der Hersteller das mittragen. Wollte er diesem Druck nicht nachgeben, drohte ihm die Auslistung. Das heißt, der Händler nahm seine Artikel aus dem Sortiment. Doch die Machtverhältnisse haben sich inzwischen verschoben.

Das Internet eröffnet für Hersteller ganz neue Vertriebsmöglichkeiten. Sie können ohne allzu hohen Arbeits- und Kostenaufwand einen Kundenstamm aufbauen und pflegen. In vielen Bereichen ist der Direktvertrieb zum Regelfall geworden. Dies gilt auch für zahlreiche große Markenhersteller, die zuvor ausschließlich an Händler und nicht an Endkunden verkauft haben.

Suchen Verbraucher heute Produkte einer bestimmten Brand, gehen sie den direkten Weg über das Internet und die Website des Herstellers. Der stationäre Handel und auch Onlinehändler dienen Markenherstellern zum Teil nur noch als Zuarbeiter. Viele Verbraucher schauen sich Produkte im Ladengeschäft an, nur um sie anschließend online zu erwerben. Oder sie bestellen das erste Paket bei einem Onlinehändler und werden durch Flyer und Gutscheincodes zum Onlineshop des Herstellers geführt. Dieser sitzt in vielen Fällen nun am längeren Hebel.

Doch ganz ohne Zwischenhändler kommen selbst die großen Player nicht aus. Gerade wenn es um Umsatzsteigerung und Neukundengewinn geht, sind die Möglichkeiten eines eigenen Onlineshops beschränkt. Darüber hinaus ist ein eigener Webshop nicht für jedes Geschäftsmodell der effizienteste Vertriebsweg.

Für Unternehmen aller Segmente und Größenordnungen findet sich in der breit gefächerten E-Commerce-Landschaft ein Platz – sei es in Form eines eigenen Onlineshops, über Onlinehändler oder auf digitalen Marktplätzen:

Eigener Onlineshop

Für Hersteller ist der eigene Onlineshop das digitale Aushängeschild ihrer Marke und ein wichtiges Branding-Werkzeug. Er dient im E-Commerce analog zum stationären Handel als Flagship-Store. Der Vorteil bei diesem Distributionskanal liegt in der vollen Kontrolle über die eigenen Produkte und ihren Vertrieb. Hersteller können selbst entscheiden, wie sie ihre Artikel präsentieren und zu welchen Konditionen sie sie verkaufen.

Dies bedeutet im Umkehrschluss auch, dass beim Direktverkauf an den Endkunden sämtliche Arbeitsschritte in der Verantwortung des Herstellers liegen. Hat er zuvor noch nie unmittelbar an Endkunden verkauft, muss er entsprechende Vertriebs- und Logistikstrukturen aufbauen sowie Personal rekrutieren, das den Onlineshop betreibt und pflegt. Auch das Outsourcing dieser Aufgabenbereiche ist möglich. So oder so bedeutet ein eigener Webshop im Vergleich zu den anderen Optionen einen höheren Ressourceneinsatz. Bevor Umsätze erzielt werden, muss der Hersteller oder Händler Geld und Zeit in den Aufbau des Shops investieren. In der Regel fallen dafür die Margen je Produkt auf lange Sicht höher aus.

Verfolgt ein Unternehmen Umsatz- und Wachstumsziele mit seiner E-Commerce-Strategie, stößt es mit dem eigenen Onlineshop jedoch schnell an seine Grenzen. Oft lassen sich nicht genug Traffic und Reichweite generieren, um die Zielvorgaben zu erreichen. Selbst für Markenhersteller mit starker Brand wird es mit steigendem Wettbewerb zunehmend schwerer, sich ausschließlich mit dem eigenen Webshop sichtbar im Internet zu platzieren und die Aufmerksamkeit von potenziellen Kunden zu erlangen.

Onlinehändler

Onlinehändler kaufen Waren von Herstellern oder anderen Händlern und verkaufen sie anschließend an den Endkunden. Dies geschieht über den Onlineshop des Händlers und/oder auf Onlinemarktplätzen.

Die Zusammenarbeit mit Onlinehändlern entspricht der gewohnten Vorgehensweise von großen Markenherstellern. Sie gehen in der Regel den Weg über Handelspartner und verkaufen ihre Produkte nicht direkt an Endkunden. Onlinehändler bieten für sie folglich den Vorteil, dass sie keine neuen Vertriebsstrukturen aufbauen müssen, sondern nach gewohntem Muster vorgehen können.

Als Eigentümer der Waren ist der Onlinehändler für alle Arbeitsschritte verantwortlich, die nach der Produktlieferung an sein Lager erfolgen. Dazu gehören neben Logistik, Bestellabwicklung und Versand auch das Marketing und die Betreuung der Kunden.

Entscheidet man sich für den Verkauf an Onlinehändler, gibt man einen Großteil des Arbeitsaufwands, aber auch ein nicht unerhebliches Maß an Kontrolle ab. Schließlich haben Sie nur noch bedingt Einfluss auf den Verkaufspreis sowie die Präsentation der Produkte. Darüber hinaus fällt die Marge bei diesem E-Commerce-Modell im Schnitt am niedrigsten aus, da auch der Händler am Weiterverkauf der Ware verdienen will.

Onlinemarktplätze

Hierbei handelt es sich um virtuelle Marktplätze, auf denen Hersteller und Händler ihre Produkte anbieten können. Die Plattformen verfügen meist über eine große Produktvielfalt. Sie zeichnen sich daher oft durch eine vergleichsweise hohe Reichweite aus. Sie geben Ihnen die Möglichkeit, Ihre Waren auch ohne eigenen Onlineshop zu vertreiben. Anders als bei der Zusammenarbeit mit einem Onlinehändler erfolgt der Verkauf bei diesem Modell direkt an die Endkunden.

Es gibt sowohl Onlinemarktplätze, die auf bestimmte Produktkategorien und -nischen spezialisiert sind, als auch Handelsplätze für Produkte aus vielen unterschiedlichen Segmenten. Die größten Onlinemarktplätze in Deutschland sind mit Abstand Amazon und eBay.

Je nach Marktplatzmodell wird von den Verkäufern ein hohes Maß an Eigeninitiative gefordert. So liegt es beispielsweise in ihren Händen, die Artikel einzustellen, ihre Preise zu definieren und sie zu versenden. Dies bedeutet zwar einen höheren Arbeitsaufwand als bei der Zusammenarbeit mit einem Onlinehändler, doch dafür hat der Verkäufer auch mehr Kontrolle. Die Bestellabwicklung übernimmt in der Regel der jeweilige Marktplatzbetreiber. Darüber hinaus bieten viele Onlinemarktplätze weitere Serviceleistungen an, vom Retourenmanagement bis hin zur Übernahme der Kundenbetreuung.

Da Verkäufer die bereits vorhandene Infrastruktur der Plattform nutzen, muss weder Zeit noch Geld für deren Aufbau eingeplant werden. Sie können Produkte sofort listen und ihren Kunden anbieten. Dafür erheben die Marktplatzbetreiber Gebühren für die Nutzung der Handelsplattform. Kosten, aber auch Margen, fallen folglich meist geringer aus als bei einem eigenen Onlineshop.

Hinweis

Händler und Hersteller müssen den Richtlinien des jeweiligen Marktplatzes gerecht werden. Die Betreiber stellen teilweise recht hohe Ansprüche an die Nutzer. Davon sind insbesondere die Themen Kundenservice, Verpackung und Versand betroffen. Oft sind Sie beispielsweise dazu verpflichtet, Kundenanfragen innerhalb eines bestimmten Zeitfensters zu bearbeiten und sich bei Retouren kulant zu zeigen.

Onlinedistributionskanäle strategisch auswählen

Welche Variante man wählt, ist ein komplexer Entscheidungsprozess und hängt von zahlreichen Faktoren ab. Dazu gehören zum Beispiel die Produktkategorie, das zur Verfügung stehende Budget und die Unternehmensstrategie. Hersteller müssen sich fragen, welche Ziele sie über den Onlinehandel erreichen wollen und mit welchen Mitteln sich diese erreichen lassen.

Wenn Sie eine E-Commerce-Strategie entwickeln, sollten Sie sich bewusst sein, dass bei der Kooperation mit Onlinehändlern und -marktplätzen immer ein Abhängigkeitsverhältnis entsteht. Dieses ist je nach Modell unterschiedlich stark ausgeprägt. Je größer die Marktmacht eines Shopbetreibers ist, umso mehr Druck kann er auf seine Handelspartner ausüben – etwa indem er immer höhere Verkaufsgebühren verlangt und damit droht, Produkten ihre Sichtbarkeit auf der Website zu entziehen. Oft wird daher eine Kombination aus verschiedenen Onlinedistributionskanälen gewählt. Eine breitere Aufstellung verhindert, dass man in eine zu hohe Abhängigkeit von einem einzigen Distributionskanal gerät.

Für welchen Onlinevertriebsmix man sich auch entscheidet: An Amazon kommt heute niemand mehr vorbei. Der Handelsriese ist gleichzeitig Händler, Marktplatzbetreiber und sogar Hersteller. Im E-Commerce nimmt Amazon mit seiner laufend wachsenden Marktmacht eine Sonderstellung ein. Wer mit dem Onlinehandel Umsatz- oder Markenziele verfolgt, muss sich diese zunutze machen.

Amazon: der Gigant im deutschen E-Commerce

Im europäischen und globalen E-Commerce spielt Amazon eine immer entscheidendere Rolle. In Deutschland wächst Amazon sogar exponentiell zum gesamten Onlinehandel. So kann der Konzern seit 2009 Wachstumsraten von durchschnittlich 38,3% vorweisen. 2017 betrug Amazons Eigenumsatz bereits über 15 Milliarden Euro: knapp ein Drittel des Gesamtumsatzes, den der deutsche Onlinehandel in diesem Jahr erzielte. Mittlerweile belegt Amazon unangefochten Platz eins der führenden Onlinehändler.

Und Amazon erwirtschaftet nicht nur eigene Umsätze. Andere Verkäufer können die Handelsplattform gegen Gebühren nutzen. Auch in diesem E-Commerce-Bereich nimmt der Onlineriese eine führende Rolle ein: Amazon Marketplace ist der größte Onlinemarktplatz Deutschlands. Mit über 15 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2018 macht er einen weiteren signifikanten E-Commerce-Anteil aus, der auf das Konto von Amazon geht. Der Gesamtanteil von Amazon beläuft sich demnach jetzt schon auf ca. 68%.2

In den USA betrug Amazons Anteil am E-Commerce im Jahr 2017 ca. 43%. Ein Jahr später wuchs er an auf 49%, wobei die Anzahl der Sales insgesamt um 29% gestiegen ist.3 Experten gehen davon aus, dass sich Amazon in Zukunft weitere Marktanteile im Onlinehandel sichern und diese Vormachtstellung ausbauen wird.

Die beträchtlichen Umsatzanteile spiegeln sich in der Wahrnehmung der Verbraucher wider. Für einen Großteil ist Amazon der Onlineshop Nummer eins. Während man mit der Suche nach Informationen auf Google startet oder Kontakte auf Facebook pflegt, beginnt die Produktsuche wie selbstverständlich auf Amazon – selbst wenn der Konsument vorhat, das Produkt woanders zu erwerben. Dank der attraktiven Verkaufspreise und der extrem hohen Kundenfreundlichkeit bestellen die Verbraucher jedoch in der Regel direkt auf Amazon.

Abbildung 1-1: Amazon in Zahlen (Stand: Juli 2018)

Aufgrund des hohen Marktanteils kann kein Hersteller oder Händler auf die Plattform verzichten, wenn er seinen Umsatz signifikant steigern und seine Marke bekannt machen möchte. Je nach Produktkategorie ist die Marktdurchdringung unterschiedlich stark ausgeprägt. Besonders dominant ist Amazon beispielsweise im Bücherhandel, seinem dienstältesten Geschäftsbereich. Nur wer seinen neuen Roman auf der Plattform anbietet, hat die Chance, sich einen Platz auf den Bestsellerlisten zu sichern.

Die Entwicklung des Buchsegments demonstriert den großen Einfluss, den Amazon auf den Handel hat. Es ist für zahlreiche Innovationen in diesem Bereich verantwortlich und hat die Produktkategorie regelrecht revolutioniert. Die Plattform bot Kunden bereits kurz nach der Gründung eine große Auswahl an Titeln zu attraktiven Preisen sowie Rezensionen und Bewertungen. Das kundenfreundliche Konzept überzeugte. Nach einiger Zeit startete Amazon eine groß angelegte E-Book-Offensive, entwickelte einen eigenen E-Book-Reader mit Anbindung an seinen Shop und baute eine Onlineleihbücherei auf (siehe Abbildung 1-2). Während Verbraucher Bücher früher vorwiegend im stationären Einzelhandel kauften, ist Amazon nun bereits seit vielen Jahren die erste Anlaufstelle.

Vor einiger Zeit eröffnete Amazon in den USA seine ersten physischen Buchläden, die E-Commerce und stationären Handel auf bisher einzigartige Weise verbinden. So gibt es keine fixen Preise, denn diese richten sich nach dem dynamischen Preismodell auf der Website. Prime-Nutzer erhalten selbstverständlich Rabatte. Der Aufbau der Abteilungen orientiert sich an Kriterien, die Kunden beim Onlineshopping heranziehen, wie Sternebewertungen und Anzahl der Rezensionen. Mit seinen Amazon Bookstores dürfte sich der Druck auf den Buchhandel weiter verstärken.

Abbildung 1-2: Kindle Unlimited ist Amazons hauseigene Onlinebibliothek. (Quelle: amazon.de)

Was 1995 als kleiner Onlineshop für Bücher begann, hat sich zu einem wahren Imperium entwickelt. Amazon expandiert in jeden Geschäftsbereich, den man sich nur vorstellen kann. Einige E-Commerce-Segmente wie zum Beispiel Consumer Electronics wurden bereits erfolgreich erobert, auf anderen befindet sich Amazon auf dem Vormarsch. Selbst im B2B-Bereich mit seinen hoch spezialisierten Gütern und Produkten hat der Onlinekoloss bereits erfolgreich Fuß gefasst. Und wie man Amazon kennt, dürfte die Eroberung nicht lange dauern.

Gleichzeitig arbeitet Amazon mit Hochdruck daran, den Onlinehandel mit Produkten des täglichen Bedarfs und Lebensmitteln aufzurollen. Eigentlich handelt es sich hierbei um das klassische Kerngeschäft des stationären Einzelhandels. Bis jetzt macht es einen vergleichsweise geringen Anteil des E-Commerce aus. Doch die Wachstumsrate steigt immer schneller an. Schon bald wird der Knoten platzen und der Lebensmittelhandel eine grundlegende Umstrukturierung erfahren. Man darf davon ausgehen, dass Amazon wieder ganz vorne mit dabei sein wird. Es zählt zu seinen Stärken, schnell neue Wege auszuprobieren – und zur Not auch wieder einzustellen, denn Angst vor dem Scheitern ist kein Bestandteil der Amazon-DNA.

Abbildung 1-3: Amazon Fresh ist bereits in einigen deutschen Städten wie Hamburg und Berlin verfügbar. (Quelle: amazon.de)

Der Lebensmittellieferdienst des Handelsriesen heißt Amazon Fresh (siehe Abbildung 1-3) und ist bereits in einigen deutschen Städten verfügbar. Darüber hinaus können sich Prime-Kunden über Amazon Pantry vielfältige Drogerieartikel und ungekühlte Lebensmittel deutschlandweit liefern lassen. In den USA wurde zudem die Supermarktkette Whole Foods übernommen. Amazon zeigt damit deutlich, welches Einzelhandelssegment es als Nächstes erobern möchte.

Dabei ist Amazon weit mehr als Onlinehändler und Marktplatz. So agiert der E-Commerce-Riese in immer mehr Bereichen ebenfalls als Hersteller. Wie auch im stationären Einzelhandel gängige Praxis, bietet er seine eigenen Produkte als Alternative zu den Waren der Markenhersteller an. Vor allem wenn Amazon registriert, dass sich bestimmte Artikel gut verkaufen, lässt das Äquivalent der Eigenmarke meist nicht lange auf sich warten.

Amazon deckt erfolgreich die verschiedensten Segmente ab. Zu den bekanntesten Produkten dürften die hauseigenen Tablets und E-Book-Reader gehören. Die Eigenmarke Amazon Basics bietet unter anderem Elektronik- und Kamerazubehör, aber auch Haushaltswaren. In den USA gibt es zudem viele weitere Eigenmarken, bei denen jedoch nicht offensichtlich ist, dass sie Kinder des Onlineriesen sind. Von Bekleidung (Lark & Ro) über Babyzubehör (elements) bis hin zu Lebensmitteln (Happy Belly) finden Verbraucher so ziemlich alles, was ihr Herz begehrt, aus dem Hause Amazon. Für Hersteller wandelt sich Amazon folglich immer stärker vom Distributionskanal zum direkten Wettbewerber.

Es stellt sich heute nicht mehr die Frage, ob man mit Amazon zusammenarbeitet, sondern auf welche Art und Weise. Damit wirklich jedes Unternehmen seine Produkte auf der Plattform anbieten kann, stehen verschiedene Kooperationsmodelle für Hersteller und Händler zur Verfügung. Im zweiten Kapitel dieses Buchs stellen wir sie ausführlich vor.

Strategische Ausrichtung und Funktionsweise von Amazon

Für den Verkäufer an oder auf Amazon ist ein grundlegendes Verständnis des Unternehmens elementar. Wer Strategie und Vorgehensweise von Amazon versteht, kann seine eigene Position besser einordnen, zukünftige Entwicklung antizipieren und rechtzeitig darauf reagieren.

Der Kunde steht im Mittelpunkt

Die Geschichte des heutigen Onlinegiganten begann 1994 als kleiner Onlineshop. Gründer Jeff Bezos hatte bereits damals das Potenzial des E-Commerce erkannt und verfolgt bis heute hochgesteckte Ziele. Seine Vision ist es, Amazon zum kundenfreundlichsten Unternehmen der Welt zu machen. Nicht etwa, weil er ein Philanthrop ist, sondern weil zufriedene Kunden der Dreh- und Angelpunkt seines auf Wachstum fokussierten Geschäftsmodells sind. Dies veranschaulicht Abbildung 1-4, die aus der Feder von Jeff Bezos höchstpersönlich stammen soll.

Demnach funktioniert Amazons Strategie nach folgendem Prinzip: Den Kern des Geschäftsmodells bildet kontinuierliches Wachstum. Je größer das Unternehmen wird, desto mehr Skaleneffekte bieten sich. Diese nutzt Amazon, um sie als Vorteile an die Kunden weiterzugeben. So resultieren aus der zunehmenden Größe beispielsweise geringere Kosten für Logistik und Einkauf, die es ermöglichen, Kunden besonders attraktive Verkaufspreise anzubieten.

Abbildung 1-4: Skizze des Amazon-Geschäftsmodells von Jeff Bezos

Das gefällt den Konsumenten natürlich – und ebenso die Sicherheit und der Service, die Amazon bieten. Kunden vertrauen der Marke, kommen wieder, und ihre Anzahl steigt. Die steigende Reichweite lockt wiederum Hersteller und Händler an, die zur Vergrößerung der Produktauswahl beitragen. Als Folge entscheiden sich noch mehr Kunden für Amazon als Onlineshop ihrer Wahl. Amazon wächst, die Kosten und Preise können gesenkt werden, der Traffic steigt. Es entsteht eine auf Wachstum ausgerichtete Aufwärtsspirale.

Amazons Wachstum scheint unaufhaltsam, denn die Umsatzmaschine hat die Kunst perfektioniert, neue Kunden zu gewinnen und an sich zu binden. So war Amazon einer der ersten Versandhändler, die die kostenfreie Lieferung ab einem bestimmten Bestellwert einführten. Viele Wettbewerber nahmen an, dass dieses Konzept zum Scheitern verurteilt gewesen wäre, doch die Strategie ging auf. Und das mit großem Erfolg. Die attraktiven Konditionen zogen nicht nur jede Menge Kunden an, sondern vergrößerten gleichzeitig den durchschnittlichen Warenkorbwert.

Neue Standards in Sachen Kundenbindung hat Amazon ebenfalls mit der Einführung des Prime-Programms gesetzt. Teilnehmer zahlen jährlich einen fixen Betrag und erhalten im Gegenzug Vergünstigungen und ein umfassendes Serviceangebot. Dazu gehören die versandkostenfreie Lieferung aller Prime-fähigen Produkte und besonders schnelle Versandoptionen. Prime-Kunden haben darüber hinaus Zugang zu verschiedenen Medienangeboten, wie den Streaming-Diensten Prime Video und Prime Music sowie der Onlineleihbücherei Prime Reading. Diese können sie ohne zusätzliche Kosten nutzen. Auch bestimmte Programme wie Fresh und Pantry sind bisher ausschließlich Prime-Abonnenten vorbehalten. Regelmäßige Shopping-Aktionen wie Prime Day und Prime Deals bieten ihnen zudem exklusive Rabatte.

Abbildung 1-5: Amazon bindet mit seinem Prime-Programm ständig mehr Kunden an sich. (Quelle: amazon.de)

Prime-Nutzern werden laufend neue Vorteile eröffnet. Das Angebot soll so attraktiv sein, dass man es einfach nicht ausschlagen kann. Dies sorgt dafür, dass die Anzahl der Abonnenten kontinuierlich steigt und die meisten Kunden keine Augen mehr für andere Onlineshops haben. Die positive Kundenerfahrung stellt ein mächtiges Marketinginstrument dar. Es handelt sich jedoch nicht nur um eine äußerst effektive Kundenbindungsmaßnahme, auch die Umsätze, die durch die Flatrate-Gebühren erzielt werden, sollen beachtlich sein.

Wachstum statt Gewinnmaximierung

Um seinem Wachstumsanspruch gerecht zu werden, fährt Amazon eine langfristig angelegte Strategie, bei der Gewinnmaximierung keine Rolle spielt. Statt Renditen an seine Aktionäre auszuzahlen, investiert es einen Großteil seiner Umsätze kontinuierlich in das eigene Wachstum. Da dieses Wachstum nach Bezos‘ Geschäftsmodell aus der Kundenzufriedenheit resultiert, setzt Amazon den operativen Kapitalfluss ein, um das Einkaufserlebnis immer weiter zu optimieren. So wird die Aufwärtsspirale angetrieben.

Im Gegensatz zu vielen anderen börsennotierten Unternehmen ist es nicht das Ziel, kurzfristig Gewinn zu erwirtschaften. Dies führt schließlich nicht zur Verbesserung der Kundenerfahrung. Amazon verzeichnet daher regelmäßig Gewinneinbrüche, obwohl sich seine Einzelhandelsumsätze sprunghaft erhöhen. Das folgende Diagramm demonstriert, dass der Umsatz seit der Gründung konstant schneller steigt als der Gewinn. Die Schere klafft immer weiter auseinander.

Grund dafür ist Amazons Expansions- und Innovationsdrang. Ein immer höherer Anteil der Umsätze wird reinvestiert. Es ist nicht abzusehen, dass sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren verlangsamen wird – im Gegenteil. Mit rasanter Geschwindigkeit erschließt Amazon neue Märkte und vergönnt dem Handel dabei keine Atempausen.

Abbildung 1-6: Entwicklung der Sales und Gewinne von Amazon seit der Gründung (Quelle: FactSet)

Es sollte nicht der Trugschluss entstehen, Amazon könnte mit seinem Geschäftsmodell keine Rendite erzielen. Genau diese Annahme vertreten viele, die Amazons System nicht verstehen. Amazon ist mittlerweile so breit aufgestellt, dass Geschäftsbereiche bereits hohe Profite erzielen, während andere noch in der Inkubationsphase stecken. Als Ganzes betrachtet ist, der Handelsriese eine effiziente Umsatzmaschine, die seit Jahren ansehnliche Renditen an seine Investoren ausschütten könnte. Jeff Bezos müsste nur den Schalter umlegen. Es ist seine bewusste Entscheidung, den Gewinn zu minimieren und Investitionskosten zu erhöhen.

Das Schlüsselwort heißt hier Langfristigkeit. Im Vergleich zu anderen Unternehmen plant Amazon sehr weit im Voraus. So sieht es für Beobachter, die vornehmlich Quartalszahlen im Blick haben, immer wieder so aus, als würden sich Investitionen nicht rentieren. Dabei kann es sich um Expansionspläne handeln, die erst in vielen Jahren ihre volle Wirkungskraft entfalten und Amazon die Dominanz auf einem neuen Geschäftsfeld sichern.

Doch was ist das Ziel? Für das Verständnis des Amazon-Ökosystems ist es wichtig, dass es anscheinend keinen klar definierten Sättigungspunkt gibt. Wachstum wird zum Selbstzweck. Diese Entwicklung wird so schnell nicht abflachen. Für Unternehmen bedeutet dies, dass ihr Geschäftsfeld das nächste sein könnte, das der Koloss vereinnahmt.

Amazon als treibende Innovationskraft im E-Commerce

Macht man sich klar, wie zukunftsorientiert Amazon denkt, scheint es nur logisch, dass ein signifikanter Anteil der Umsätze in Forschung und Entwicklung fließt. Amazon zeichnet sich durch einen geradezu unbändigen Innovationsdrang aus. Dieser wird von der Frage getrieben, wie man die Zufriedenheit und Bindung der Kunden noch weiter steigern sowie neue Marktsegmente effizient erschließen kann.

Ein Beispiel: 2015 kam Amazon Echo auf den Markt, ein sprachgesteuertes Audiogerät (siehe Abbildung 1-7). Es verfügt über Amazons Sprachassistentin Alexa, eine WLAN-Schnittstelle und Anbindung an die Amazon-Cloud. Das Smart-Device kann beispielsweise im Rahmen eines Smart-Home-Systems unterschiedliche Elektrogeräte steuern, Musikwünsche abspielen oder Informationen liefern. Alexa lernt laufend dazu und wird von Amazon mit neuen Fähigkeiten (sogenannten Skills) ausgestattet. Eine Funktion ist für den E-Commerce besonders wichtig und hebt ihn auf ein ganz neues Level: Alexa ist mit dem jeweiligen Amazon-Account verbunden und kann so Bestellungen im Amazon Store auslösen. Damit ersetzen die sprachgesteuerten Amazon Geräte die klassische Weboberfläche des Onlineshops.

Abbildung 1-7: Das Smart-Device Amazon Echo ist mit der Sprachassistentin Alexa ausgestattet. (Quelle: amazon.de)

Amazons digitale Assistentin ist bereits erfolgreich in zahlreiche Haushalte eingezogen und hat das Potenzial, sich tief in den Alltag der Verbraucher zu integrieren – gerade weil es sich in erster Linie nicht um ein Shopping-Device handelt. Während Alexa beim Putzen die Lieblingssongs abspielt, kann nebenbei ein neuer Badreiniger geordert werden.

Mit wachsendem Funktionsumfang wird Alexa eine immer bedeutendere Rolle im E-Commerce spielen und ihn wahrscheinlich nachhaltig verändern – nicht nur als Schnittstelle zum Onlinestore, sondern auch als effektives Marketinginstrument. So kann Amazon zum Beispiel Kunden beim Kauf beraten und aufgrund der persönlichen Shopping-Historie Produktempfehlungen geben.

Echo Look ist der Name des neuesten Smart-Device. In diesem Fall wurde Amazon Echo um eine Kamera erweitert. Alexa kann damit auch visuelle Informationen verarbeiten. Mit dem neuen Gerät nimmt Amazon zu Beginn vor allem die Modebranche noch stärker ins Visier. Es ist in der Lage, unterschiedliche Outfits zu vergleichen und zu bewerten, welches davon dem Träger oder der Trägerin am besten steht. Die Empfehlungen beruhen auf den Auswertungen von professionellen Stylisten und einem lernfähigen Algorithmus. Auch in diesem Fall kommt der E-Commerce- und Marketingaspekt natürlich nicht zu kurz, denn Alexa kann anhand der gesammelten Daten Kleidungsstücke vorschlagen, die dem Nutzer gefallen könnten. In Deutschland ist die Funktion derzeit noch nicht verfügbar.

Smart-Devices sind bei Weitem nicht das einzige Zukunftsfeld, mit dessen Erschließung Amazon sich momentan beschäftigt. Es wird zum Beispiel weiterhin an voll automatisierten Logistikzentren gearbeitet. Bereits jetzt bevölkern Amazons Lagerhallen etliche Roboter, Tendenz steigend. Ein weiteres Amazon-Kind in der Entwicklungsphase ist die Lieferung per Drohne. Ziel ist es, dass Kunden ihre Bestellung innerhalb von 30 Minuten in den Händen halten können. Einen Namen für den Service gibt es ebenfalls schon: Prime Air.

Breite Aufstellung entlang der gesamten Wertschöpfungskette

Die vorangegangenen Ausführungen machen bereits deutlich, dass Amazon schon lange nicht mehr als reiner Onlineshop betrachtet werden kann. Um seinen Kunden möglichst attraktive Preise und erstklassigen Service zu bieten, stellt es sich immer breiter auf. Jeder Prozess und jede Station der Wertschöpfungskette wird fortlaufend analysiert und optimiert.

Ganz nach dem Motto »Wenn etwas richtig gemacht werden soll, macht man es am besten selbst« nimmt Amazon Prozesse in die eigenen Hände. So arbeitet der Handelsriese gerade an dem Aufbau einer eigenen Schiffs- und Flugzeugflotte. In verschiedenen deutschen Städten errichtet er Paketzentren und Packstationen.

In den USA ermöglicht Amazon außerdem Kleinunternehmern, in den Logistikprozess einzusteigen. Unabhängige Lieferdienste erhalten im Rahmen der Initiative eine Starthilfe. Sie werden unter anderem mit Amazon-gebrandeten Lieferwagen und Uniformen ausgestattet sowie für die Unternehmensgründung geschult. Das Angebot könnte sich zu einer Art Uber für Pakete zu entwickeln. Es stellt sich sogar die Frage, ob Amazon damit bald Institutionen wie die Post ersetzen wird.

Auf diese Weise erlangt Amazon die Kontrolle über den gesamten Lieferprozess. Bestellungen können noch schneller und reibungsloser zugestellt werden.

Die aufgebauten Infrastrukturen stellt Amazon wiederum Dritten zur Verfügung. Händler, die ihre Produkte auf der Plattform verkaufen, können beispielsweise Lagerung und Versand der Waren gegen eine Gebühr von Amazon abwickeln lassen. Dank dieser Vorgehensweise generiert Amazon zusätzliche Umsätze und kann gleichzeitig die eigenen Kosten minimieren.

Hinweis

Amazon ist Plattform und wird Infrastruktur des Handels.

Ein gutes Beispiel für diese Vorgehensweise bilden ebenfalls die Amazon Web Services (AWS), zu denen Hosting und Datenspeicherung für Unternehmen gehören. Sie entstanden aus dem eigenen Bedarf an effizienten IT-Infrastrukturen und weltweit platzierten Rechenzentren. Mit den AWS ist Amazon so erfolgreich, dass es im Hinblick auf den Traffic der größte Cloud-Anbieter am Markt ist. Das Segment macht einen signifikanten Anteil des Amazon-Umsatzes aus.

Selbst Unternehmen, die sich nicht unmittelbar im E-Commerce bewegen, müssen folglich darauf vorbereitet sein, dass Amazon seine Hände als Nächstes nach ihrem Sektor ausstreckt. So produziert Amazon für seinen Streaming-Dienst sogar eigene Filme und Serien. Und das sehr erfolgreich: Regelmäßig erhalten diese Auszeichnungen in Form von renommierten Preisen der Filmbranche, darunter mehreren Oscars. Mit den attraktiven Inhalten bindet Amazon Prime-Kunden noch stärker an die Plattform.

Warum man eine Amazon-Strategie braucht

Eins zeigt sich nach diesem Kapitel ganz deutlich: Amazon hat sich zu einem pulsierenden Ökosystem entwickelt, das sich kontinuierlich weiter ausbreitet. Es umfasst mehrere Kreisläufe, die es punktuell miteinander verknüpft, um so das Gesamtwachstum zu fördern. Die schiere Größe Amazons birgt für Händler und Hersteller sowohl Potenziale als auch Risiken.

Sie haben Amazon als Unternehmen kennengelernt, das Skaleneffekte für sich zu nutzen weiß. Wenn Sie sich für eine Geschäftsbeziehung mit Amazon entscheiden, sollten Sie sich dessen stets bewusst sein. Insbesondere Hersteller, die ihre Produkte an Amazon verkaufen und im Amazon-Kosmos Vendoren genannt werden, bekommen die Verhandlungsmacht des Handelsriesen deutlich zu spüren.

Hinweis

Amazon nimmt innerhalb seines Ökosystems verschiedene Rollen ein. Dadurch sind die Geschäftsbeziehungen sehr dynamisch. Es tritt unter anderem gleichzeitig als Händler, Wettbewerber und Marketinganbieter auf. Die Spielregeln können sich daher schnell und ohne Vorwarnung verändern.

Das bedeutet jedoch nicht, dass man auf die Chancen verzichten sollte, die Amazon bietet. Im Gegenteil: Die Zahl der Hersteller und Händler, die sich dafür entscheiden, mit Amazon zu wachsen, statt gegen den unaufhaltsamen Handelsriesen anzukämpfen, wird immer größer. Entsprechend hoch ist der Wettbewerb auf der Plattform – und er verschärft sich zunehmend.

Der Schlüssel zum Amazon-Erfolg ist ein strategisches und planmäßiges Vorgehen. Dies erfordert spezifisches Know-how und Fähigkeiten im Umgang mit den zur Verfügung stehenden Werkzeugen. Kennzahlen müssen kontinuierlich analysiert und bewertet werden, die entsprechenden Stellschrauben müssen nachjustiert werden. Wer annimmt, er könnte »einfach mal machen««, merkt schnell, dass er zwischen seinen Wettbewerbern untergeht und/oder vollkommen abhängig von Amazon als Vertriebskanal wird. Positionieren Sie sich jedoch von Anfang an durchdacht und zielgerichtet, können Sie potenzielle Risiken auf ein Minimum reduzieren und Amazons Marktmacht für sich arbeiten lassen.

Was leistet dieses Buch, und für wen eignet es sich?

Dieses Buch soll Sie dabei unterstützen, sich einen entscheidenden Vorteil auf Amazon zu verschaffen. Wir geben Ihnen einen ausführlichen Überblick über alle relevanten Bereiche. Dies umfasst konkrete Handlungsempfehlungen auf strategischer und operativer Ebene: beginnend mit den Vertragsverhandlungen über die Erstellung von optimierten Produktdetailseiten und effektiven Marketingkampagnen bis hin zu perfekten Kennzahlen-Reportings. Sie lernen, wie Sie sich auf Amazon in den Aufmerksamkeitsbereich Ihrer Kunden rücken und dabei typische Fallstricke umgehen.

In erster Linie richtet sich dieses Buch dabei an Vendoren, also Händler und Hersteller, die ihre Produkte an Amazon verkaufen und somit als Lieferanten auftreten. Denen gegenüber stehen die sogenannten Seller. Sie nutzen Amazon als Marktplatz und verkaufen direkt an den Endkunden. Auf die spezifischen Prozesse des Seller-Programms gehen wir nicht im Detail ein.

Das Buch eignet sich sowohl für Hersteller und Händler, die bereits als Vendor auf Amazon aktiv sind, als auch für angehende Vendoren. Es setzt bereits vor dem Verkaufsstart auf Amazon an und beleuchtet die zentralen Themen der Startphase. Im Verlauf des Buchs geben wir Ihnen taktische Kniffe an die Hand, mit denen sich strategische Zielvorgaben erfolgreich umsetzen lassen. Zahlreiche Beispiele machen die zum Teil recht komplexen Mechanismen und Prozesse besser verständlich.

Die vermittelten Inhalte stellen zudem eine erste Entscheidungshilfe für Hersteller dar, wenn es um die Frage geht, ob und wie man Amazon als Vertriebskanal nutzen möchte. Entscheidungsträger bekommen einen umfassenden Überblick darüber, welche Arbeitsschritte auf Vendoren zukommen und welche Möglichkeiten sich ihnen bieten. Chancen und Risiken für das eigene Geschäftsmodell lassen sich auf diese Weise besser einschätzen.

Die Prozesse des Vendor- und des Seller-Modells unterscheiden sich in einigen Aspekten, in anderen wiederum weisen sie starke Parallelen auf – vor allem weil Sellern immer mehr Funktionen zur Verfügung stehen, die bisher Vendoren vorbehalten waren. Was für den Vendor gilt, ist daher in vielen Punkten auch für Seller von Bedeutung. Insbesondere bei den operativen Themen gibt es eine große Schnittmenge. Seller nehmen bei der Lektüre daher ebenfalls wertvolle Praxistipps mit, die sie auf ihrem Weg zum Amazon-Erfolg unterstützen.

KAPITEL 2

Vendor vs. Seller – Welches Modell passt für wen?

In diesem Kapitel:

Amazons KooperationsformenHybridmodelle – zwischen Vendor und Seller Central

Amazon hat den Anspruch, das kundenfreundlichste Unternehmen der Welt zu sein. Dazu gehört, Kunden eine möglichst große Produktvielfalt zu bieten: Egal was Verbraucher suchen, auf Amazon sollen sie fündig werden. Damit das möglich ist, hat Amazon verschiedene Kooperationsformen für Händler und Hersteller im Programm. Die beiden Hauptsäulen sind das Vendor- und das Seller-Modell. Der grundlegende Unterschied zwischen ihnen besteht darin, dass Vendoren ihre Produkte an Amazon verkaufen, während Seller ihre Artikel selbst vertreiben und Amazon lediglich als Marktplatz oder Plattform nutzen. So soll es jedem Unternehmen ermöglicht werden, einen Platz im Amazon-Ökosystem zu finden – und vor allem, seine Waren dort anzubieten. Das Ziel von Amazon ist es, sein Wachstum auf diese Weise kontinuierlich voranzutreiben.

Amazons Kooperationsformen

Im letzten Kapitel haben wir bereits ausgeführt, dass es sich heute kein Hersteller mehr leisten kann, komplett auf die mächtige Handelsplattform zu verzichten. Entscheidet man sich dafür, seine Produkte auf oder an Amazon zu verkaufen, sollte zuvor eine Strategie für die Zusammenarbeit mit Amazon entwickelt werden. Um hier keine Fehler zu machen, gilt es, direkt zu Beginn eine grundlegende Weiche zu stellen.

Wie die jeweilige Strategie im Detail aussehen sollte, bestimmt die übergeordnete Handels-, Händler- und E-Commerce-Strategie. Im Zuge dessen muss sich der Hersteller fragen, ob er als Vendor oder Seller auftreten möchte. Um eine konkrete Entscheidungshilfe zu bieten, werden in diesem Kapitel beide Modelle vorgestellt und die wesentlichen Vor- und Nachteile erläutert.

Seller Central: Amazon als Marktplatz

Im Seller Central tritt Amazon als Marktplatz auf. Das heißt, die Händler oder Hersteller verkaufen ihre Produkte direkt an den Kunden. Sie versenden selbstständig ihre Waren an die Käufer, tragen ihre Produkte in den Amazon-Katalog ein und definieren die Verkaufspreise. Selbst wenn sich Händler für die Option Fulfillment by Amazon (FBA) entscheiden und den Versand Amazon überlassen, sind sie zu jedem Zeitpunkt Eigentümer der Waren.

Seller haben folglich ein hohes Maß an Kontrolle über ihre Produkte und ihren Warenbestand. Sie können selbst entscheiden, ob sie ihre Artikel nur über amazon.de verkaufen möchten oder auf Amazon-Marktplätzen in ganz Europa. Zudem erhalten Seller genaue Informationen darüber, welcher Shopper wann etwas bei ihnen bestellt hat. Sie stehen in direktem Kontakt zu ihren Kunden.

Folgende Verantwortungsbereiche liegen in der Hand eines Seller-Central-Teilnehmers:

Produkt-Listings erstellen

Waren an Kunden verschicken

Retouren abwickeln

Rechnungen ausstellen und Kunden betreuen

Marketingmaßnahmen durchführen

Viele Seller nehmen den Service Fulfillment by Amazon in Anspruch. In diesem Fall übernimmt Amazon die Distribution sowie weitere Aufgaben für den Händler. Hierauf wird im Laufe des Kapitels noch genauer eingegangen.

Auch bei der Gestaltung von Produktdetailseiten haben Seller zum Teil mehrere Möglichkeiten. Bislang konnten sie lediglich die herkömmliche Produktbeschreibung nutzen, seit kurzer Zeit steht Sellern mit eigener Marke jedoch ebenfalls Enhanced Brand Content (EBC) zur Verfügung, der ihnen größeren Gestaltungspielraum bietet. So gibt es unter anderem zusätzlichen Platz für Texte und Bilder sowie FAQs. Der Anwender hat die Wahl zwischen verschiedenen Layoutvorlagen.

Die Bewerbung ihrer Produkte auf Amazon realisieren Seller bisher über sogenannte Sponsored Products und Sponsored Brands (siehe Kapitel 6). Hierbei handelt es sich um Formen des Suchmaschinenmarketings. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ihnen in Zukunft weitere Marketingmaßnahmen wie Product Display Ads zugänglich gemacht werden.

Abbildung 2-1: Beispiel für einen Seller-Central-Account (Quelle: sellercentral.amazon.de)

Teilnahmebedingungen und Konditionen

Um an dem Programm teilzunehmen, registrieren Sie sich einfach über die Plattform. Es sind keine Verhandlungen mit Amazon notwendig. Für die Nutzung von Seller Central erhebt Amazon eine monatliche Grundgebühr in Höhe von 39 Euro (Stand: März 2019). Gegen weitere Gebühren können zusätzliche Serviceangebote genutzt werden, wie beispielsweise FBA.

Hinweis

Amazon erhebt beim Seller-Modell eine Provision für jedes verkaufte Produkt. Die Höhe variiert je nach Produktkategorie. Für Sport- und Freizeitartikel werden zurzeit beispielsweise 15% des Gesamtverkaufspreises fällig, bei Elektronikprodukten sind es 7%. Verkaufen Sie Medienprodukte wie DVDs oder Bücher, erhebt Amazon zusätzlich eine Abschlussgebühr in Höhe von 1,01 Euro (Bücher) bzw. 0,81 Euro (alle anderen Medienprodukte und Musik).

Es ist jedoch nicht damit getan, lediglich seine Produkte auf dem Marktplatz anzubieten. Amazon stellt verschiedene Anforderungen an seine Seller. Nur wer diese erfüllt, darf ihn langfristig in Anspruch nehmen. So muss der Versand schnell und ohne Probleme vonstattengehen. Auf Kundenanfragen muss zudem zeitnah reagiert werden. Ebenso wichtig und damit verbunden sind positive Verkäuferbewertungen durch Kunden.

Vendor Central: Amazon als Händler

Im Gegensatz zum Seller-Programm agiert Amazon im Vendor Central als Händler. Der Hersteller tritt als Lieferant auf, der Amazon seine Waren verkauft. Anschließend kümmert sich der Onlineriese um Logistik, Vertrieb und Versand. Da Amazon in diesem Fall der Eigentümer der Artikel ist, legt er ebenfalls die Verkaufspreise fest.

In der Verantwortung von Amazon liegen damit auch die Abwicklung von Retouren und die Betreuung der Kunden. Vendoren treten anders als Seller zu keinem Zeitpunkt in direkten Kontakt mit ihnen. Sie können nicht einsehen, welcher Kunde welchen Artikel kauft.

Vendor-Produkte werden dementsprechend mit dem Hinweis Verkauf und Versand durch Amazon versehen. Sie nehmen am Prime-Programm teil und sind für die Option Kostenlose Lieferung freigeschaltet.

Zu weiteren absatzfördernden Maßnahmen, die (bis jetzt) nur im Rahmen von Vendor Central zugänglich sind, gehören:

A+ Content

(siehe

Kapitel 5

)

voller Funktionsumfang der

Sponsored Ads

(siehe

Kapitel 6

)

Amazon Vine

(siehe

Kapitel 9

)

Marketingmaßnahmen des Amazon-Retail-Teams, wie beispielsweise Geschenkefinder, Kaufassistent und Kategorie-Sponsoring

Was sich genau hinter dem Amazon-Vokabular verbirgt und wie Sie die unterschiedlichen Optionen am besten für Ihre Zwecke einsetzen, erklären wir ausführlich in den entsprechenden Kapiteln dieses Buchs.

Abbildung 2-2: Beispiel für einen Vendor-Central-Account (Quelle: vendorcentral.amazon.de)

Attraktive Konditionen für große Markenhersteller

Anders als Seller müssen Vendoren in Verhandlung mit Amazon gehen, bevor sie an dem Programm teilnehmen können. Produktauswahl, Einkaufspreise und die Bedingungen der Zusammenarbeit werden von Fall zu Fall individuell verhandelt. Wer sich gut vorbereitet und eine solide Verhandlungsgrundlage schafft, kann bessere Konditionen erzielen als im Seller-Modell. Die Retourenpauschale ist oft relativ preiswert. Skonti und Boni bewegen sich in Dimensionen, die Hersteller von ihren Verhandlungen mit anderen (zum Beispiel stationären) Händlern kennen. Das gilt insbesondere für starke Marken, die Amazon unbedingt als direkte Zulieferer gewinnen möchte.

Warnung

Neben weiteren Konditionen ist eine Werbekostenzuschussvereinbarung Bestandteil von Vendor-Verträgen. Gerade hier ist Handlungsgeschick und Vorsicht geboten, da die Werbekostenzuschüsse (WKZ) schnell in die Höhe steigen und sich negativ auf die Gesamtrechnung auswirken können.

Wer qualifiziert sich als Vendor?

Vendor Central ist vornehmlich für größere Markenhersteller geeignet. In das Programm kann man daher nur einsteigen, wenn man von Amazon dazu eingeladen wird. In manchen Fällen wird dieses Angebot auch Händlern unterbreitet. Diese müssen hierzu eine gewisse Größe aufweisen und eigene Produkte im Sortiment haben.

Wie findet und akquiriert Amazon nun Kandidaten für das Vendor-Central-Programm? Stellt Amazon fest, dass durch Seller verkaufte Produkte einer bestimmten Marke ein relevantes Volumen erreichen oder die Produktkategorie großes Potenzial bietet, tritt der Handelsriese direkt an die jeweilige Marke heran. Verkauft ein aufstrebender Markenhersteller seine Produkte bereits erfolgreich als Seller auf der Plattform, kann er ebenfalls auf dem Vendor-Radar auftauchen.

Um sich als Vendor zu qualifizieren, müssen Hersteller darüber hinaus den hohen logistischen Anforderungen gerecht werden, die Amazon an sie stellt. Im Hinblick auf Lieferung und Verpackung herrschen strenge AGB.

Amazon sichert sich eine hohe Marge, indem es Distributionsprozesse kontinuierlich optimiert. Bereits feine Störungen im Betriebsablauf, die zum Beispiel aufgrund von verspäteten Warenlieferungen durch Hersteller entstehen, haben für Amazon kostspielige Folgen. In der Regel sind daher Strafzahlungen ein nicht zu unterschätzender Bestandteil der Vendor-Verträge. Hält der Hersteller Vertriebsvereinbarung nicht ein, sind zum Teil verhältnismäßig hohe Sanktionen fällig – insbesondere wenn eine bestellte Lieferung ausbleibt.

Vor- und Nachteile von Vendor Central

Der Einsatz von Vendor Central bietet Vor-, aber auch Nachteile. Im Folgenden werden beide Seiten beleuchtet, und Sie erhalten einen Überblick über die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.

Hauptvorteile für Hersteller

Vendor Central bietet vor allem für große Markenhersteller Vorteile, die ihre Produkte bislang noch nicht unmittelbar an Kunden verkauft haben. Es entspricht ihrer gewohnten Vorgehensweise: dem Verkauf an Händler und nicht an Endkunden.

Dies spiegelt sich auch in der Kundenwahrnehmung des Labels Verkauf und Versand durch Amazon wider. Da Amazon-User diesem Siegel Vertrauen schenken und in der Vergangenheit positive Erfahrungen mit dem Service von Amazon gemacht haben, erhöht es die Kaufwahrscheinlichkeit erheblich. Kunden entscheiden sich in vielen Fällen für das Prime-Produkt, wenn vergleichbare Produkte verschiedene Versandoptionen aufweisen.

Vendoren haben seit einiger Zeit die Möglichkeit, kostenlos A+ Content zu nutzen. Dieser erlaubt ihnen, eine umfangreiche Produktdetailseite zu erstellen, die wesentlich mehr Platz für Inhalte bietet als ein Standard-Listing. Es können beispielsweise zusätzliche Texte, Fotos und sogar Videos einfügt und individuell editiert werden. Im Vergleich zum EBC für Seller mit eigener Marke ist der Gestaltungsspielraum bei A+ Content größer. Es gibt verschiedene Module mit unterschiedlichen Funktionen, die flexibel zusammengestellt werden können.

Der zusätzliche Content erlaubt Vendoren, ihren Kunden erklärungsbedürftige Produkte besser näherzubringen. Zudem können Markenhersteller im Rahmen der Möglichkeiten Emotionen sowie Markenwerte rüberbringen und so zur Stärkung ihrer Brand beitragen. Produktseiten mit erweitertem Content haben daher das Potenzial, die Wahrscheinlichkeit eines Verkaufs zu steigern. Welche Möglichkeiten es hier im Detail gibt und wie man A+ Content bestmöglich einsetzt, erläutern wie in Kapitel 5.

Amazon gewährt Vendoren darüber hinaus umfangreichen Zugang zu zahlreichen Marketingwerkzeugen. Seller können zum Beispiel nur einen Teil der Sponsored Ads nutzen, während Vendoren das gesamte Repertoire an Anzeigetypen offensteht. Hierbei handelt es sich um verschiedene Werbeformate, die vom jeweiligen Anwender gebucht und gesteuert werden. Richtig eingesetzt, tragen sie effizient zur Umsetzung von vielfältigen Unternehmenszielen bei, sei es eine Umsatzsteigerung oder die Stärkung der eigenen Brand. Auf diese Weise können sich Hersteller einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil sichern. Wie Sie die Sponsored Ads strategisch und taktisch einsetzen, entnehmen Sie Kapitel 6.

Wenn es beispielsweise um den Launch von neuen Produkten geht, können die Sponsored Ads ein leistungsstarkes Instrument sein – vor allem in Kombination mit den Optionen der Amazon Demand Side Platform (DSP). Im Großen und Ganzen haben Seller jedoch mehr Möglichkeiten, Promotion-Aktionen in die eigenen Hände zu nehmen, da sie beispielsweise Verkaufspreise selbstständig definieren können. Die Vermarktung von Vendor-Produkten übernimmt als Eigentümer zum Teil Amazon. Über den Vendor-Manager lassen sich zusätzliche Marketingmaßnahmen buchen.

Im Zusammenhang mit Produktneueinführungen dürfte auch Born to run in Zukunft eine interessante Maßnahme darstellen. Das Programm wurde vor einiger Zeit in den USA ausgerollt. Im Rahmen des Programms kauft Amazon bis zu einem Warenwert von 50.000 US-Dollar von Vendoren neu gelistete Artikel. Dies ist an die Bedingung geknüpft, dass Sponsored-Ads-Kampagnen mit einem Gesamtbudget in Höhe von 10% des Warenwerts für die jeweilige ASIN (Amazon Standard-Identifikationsnummer) geschaltet werden. Die Mindestlaufzeit der Marketingmaßnahmen beläuft sich dabei auf 90 Tage. Zudem muss der Vendor volles Retourenrecht gewähren, falls sich die abgenommenen Artikel nicht innerhalb von zehn Wochen vollständig verkaufen lassen. Auch in Deutschland ist das Programm seit Kurzem verfügbar.

Hinweis

ASIN steht für Amazon Standard-Identifikationsnummer. Diese besteht meist aus einer Zahlen-Buchstaben-Kombination (z.B. B01EZADFJ8). ASINs dienen dazu, Artikel auf der Plattform eindeutig zu identifizieren. In diesem Buch wird der Begriff ebenfalls synonym für Produkte bzw. Produkt-Listings verwendet.

Der Vorteil des Programms: Hersteller müssen nicht darauf warten, dass Amazon die erste Bestellung bei ihnen aufgibt, stattdessen liegt das Produkt direkt zum Launch auf Lager. Dadurch lässt sich vermeiden, dass die ASIN potenziellen Kunden als nicht verfügbar angezeigt wird. Hierbei handelt es sich um eine der großen Herausforderungen, mit der sich Hersteller bei der Zusammenarbeit mit dem Handelsriesen konfrontiert sehen. Die Verfügbarkeit spielt eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, möglichst schnell Reichweite und Sichtbarkeit für ein neues Produkt-Listing zu schaffen. Dadurch steigt in der Regel der Absatz, was sich wiederum auf das Bestellverhalten von Amazon auswirkt. Nur wenn Amazon registriert, dass Kunden sich für ein Produkt interessieren und es kaufen, werden weitere Bestellungen für die ASIN bei dem Hersteller ausgelöst.

Vendoren haben darüber hinaus Zugriff auf das Vine-Programm. In dessen Rahmen stellt Amazon ausgewählten Produkttestern Artikel kostenfrei zur Verfügung, damit sie sie rezensieren (siehe Abbildung 2-3). Hersteller können so neue Produkte effektiv pushen.

Abbildung 2-3: Vine-Kundenrezension einer Pfanne (Quelle: amazon.de)

Hinweis

Amazon Vine stellt für Vendoren einen entscheidenden Vorteil dar, denn vor einiger Zeit wurden sogenannte »anreizbasierte Rezensionen« von Amazon unterbunden. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten Seller externe Bewertungsservices in Anspruch nehmen, um Rezensionen auf der Plattform zu erhalten.

In den USA haben Händler dafür bereits die Möglichkeit, am Early Reviewer Program teilzunehmen. Es unterstützt sie dabei, erste Bewertungen für neu gelistete Artikel zu generieren. Im Gegensatz zum Vine-Programm muss der Kunde das Produkt bereits erworben haben. Amazon bittet ihn erst im Nachhinein um eine Bewertung. Es stellt folglich in erster Linie einen Bewertungsanreiz dar und keinen direkten Bestellanreiz. Auch in Deutschland dürfte der Service bald für Händler zugänglich sein.

Im Vergleich zu den anderen Kooperationsformen ist das Vendor-Dasein kostspieliger, doch dafür bietet es ein deutlich höheres Absatzpotenzial – vorausgesetzt, die angebotenen Instrumente werden effizient und effektiv eingesetzt. Das ist insbesondere im Hinblick auf die Aufwärtsspirale wichtig: Durch steigende Verkaufszahlen verbessert sich das organische Ranking. Die verbesserte Sichtbarkeit generiert wiederum mehr Verkäufe.

Allerdings bringt das Programm nicht nur Vorteile gegenüber Seller Central mit sich. Seine vermeintlichen Stärken sind ebenfalls seine Schwächen – je nachdem, wie die E-Commerce- und Amazon-Strategie des Herstellers aussieht.

Hauptnachteile für Hersteller

Der größte Unterschied zwischen den beiden Grundmodellen liegt vor allem in dem Grad der Abhängigkeit. Seller werden mit einem weit höheren Arbeitsaufwand konfrontiert, doch dafür haben sie erheblich mehr Kontrolle, wenn es um Distribution und Lagerbestand sowie die Definition der Verkaufspreise geht. Sie können entscheiden, auf welchen Marktplätzen, in welcher Menge und zu welchem Preis sie ihre Artikel anbieten.

So nimmt Amazon Vendoren zwar Arbeit ab, indem der Algorithmus automatisiert wettbewerbsfähige Verkaufspreise ermittelt – wobei zahlreiche Faktoren wie beispielsweise die Preisgestaltung der Wettbewerber eine Rolle spielen –, dieser Kontrollverlust kann sich aber auch zum Nachteil entwickeln. Amazon möchte seinen Kunden möglichst attraktive Preise anbieten. Verkaufen andere Händler einen Artikel günstiger, kann es daher vorkommen, dass Amazon sie ebenfalls nach unten anpasst. Da Seller, die Produkte des Herstellers auf Amazon anbieten, über den Preis konkurrieren, senken sie ihn unter Umständen ebenfalls.

Viele Hersteller befürchten, dass dadurch eine Abwärtsspirale entsteht, die zum Verfall der Marktpreise führt. Dabei sollte man jedoch bedenken, dass Amazons Interesse generell nicht in einem minimalen Verkaufspreis liegt. Schließlich verdient der Handelsriese an der Marge. Er wird die Preissenkungen folglich nicht immer mitgehen, sodass es in der Regel nicht zu Preiserosionen kommt. Eine konsequente Preispolitik vonseiten des Herstellers trägt ebenso dazu bei, sie zu verhindern.

Hinweis

Amazons dynamische Preisfindung führt in der Regel nicht zum Verfall der Marktpreise, da Amazons vorrangiges Interesse nicht in einem minimalen Verkaufspreis liegt. Dieser würde schließlich den Umsatz des Handelsriesen schmälern. Preisschwankungen können Sie darüber hinaus durch eine konsistente Preisstrategie vorbeugen.

Mit Vendor Central haben Sie keine Möglichkeit, Kunden direkt zu kontaktieren. Feedback zu ihren Produkten erhalten Hersteller jedoch über die Rezensionen und den Bereich Kundenfragen und -antworten (siehe Abbildung 2-4). Wenn Probleme mit einer Lieferung oder einem Artikel auftreten, hat der Vendor darauf jedoch keinen Einfluss. Sollte ein Kunde unzufrieden sein, fällt die negative Erfahrung eventuell auf die Marke zurück. Da die Kundendaten aber nur Amazon vorliegen, kann der Vendor sie außerdem nicht auswerten und analysieren. Dabei würden sie ihm wertvolle Informationen zum Kaufverhalten potenzieller Kunden liefern.

Abbildung 2-4: Der Bereich Kundenfragen und -antworten auf der Produktdetailseite eines Kochtopfs (Quelle: amazon.de)

Die stärkere Abhängigkeit der Vendoren von Amazon zeigt sich besonders in weiter fortgeschrittenen Phasen der Zusammenarbeit. Zunächst scheinen die Konditionen sehr attraktiv, der Hersteller steigert sein Wachstum in kurzer Zeit signifikant und ist regelrecht euphorisch. Wenn der durch Amazon generierte Umsatz eine gewisse Größe erreicht hat, werden die Verhandlungen jedoch oft härter. Gleichzeitig verzeichnen die Hersteller meistens eine sinkende Wachstumsrate. Um das zu verhindern, bietet Amazon den Herstellern Marketingmaßnahmen gegen immer höhere Werbekostenzuschüsse an. Allerdings sind diese bisher wenig transparent, und der Erfolg der Kampagnen ist oftmals nur schwer messbar.

Es sollte jedoch nicht der Trugschluss entstehen, Seller seien völlig unabhängig von der Plattform. Brechen die Umsätze weg, die durch Amazon erzielt werden, kann es für Unternehmen schnell kritisch werden. Durch entsprechende strategische Maßnahmen lässt sich die Abhängigkeit von Amazon so niedrig wie möglich halten.

Stärken und Schwächen der Modelle im Vergleich

Die folgende Tabelle stellt die oben beschriebenen Vor- und Nachteile sowie weitere Differenzierungsmerkmale der beiden Modelle direkt gegenüber, um eine bessere Vergleichbarkeit zu bieten.

Tabelle 2-1: Vergleichende Gegenüberstellung von Seller und Vendor Central

Vor- und Nachteile

Seller Central

Vendor Central

Teilnahme und Konditionen

• Jeder kann sich selbstständig registrieren.

• Keine Verhandlungen notwendig.

• Produkte können sofort gelistet werden und sind umgehend online.

• Nur über eine Einladung durch Amazon möglich.

• Auswahl der Produkte, Einkaufspreise und Konditionen werden individuell mit dem Hersteller verhandelt.

• Teilweise werden hohe Werbekostenzuschüsse erhoben.

Vergütung

Produkte werden nach ca. 14 Tagen vergütet.

Die Vergütung kann bis zu 90 Tage in Anspruch nehmen.

Verkaufspreis

• Volle Kontrolle durch den Händler.

• Um bei Produkten mit hohem Wettbewerb eine gute Sichtbarkeit zu erreichen, müssen Repricing-Tools eingesetzt werden.

• Da die Preishoheit beim Seller liegt, werden Preiserosionen verhindert.

• Wird von Amazon festgelegt.

• Automatisierte, dynamische Preisfindung durch Amazon, um die Preisführerschaft sicherzustellen.

• Es sind Preisschwankungen und -erosionen möglich.

Abwicklung von Logistik und Kundenbestellungen

• Der Seller muss die Produkte selbst lagern, verschicken und bei Bedarf Retouren bearbeiten, es sei denn, er nutzt FBA.

• Amazon übernimmt den Versand, die Lagerung und das Retourenmanagement.

• Qualifikation für Direktlieferung möglich, allerdings nicht für jeden Vendor.

• Retouren werden gegen einen geringen Pauschalrabatt abgewickelt.

Kundenbeziehung

• Der Customer-Support fällt in den Verantwortungsbereich des Sellers. Dies erfordert gegebenenfalls hohen personellen Aufwand.

• Seller haben direkten Kontakt zu ihren Kunden. Ihnen liegen folglich Kunden- und Kontaktdaten vor.

• Der Kaufvertrag wird zwischen Seller und Kunde geschlossen.

• Amazon wickelt den gesamten Customer-Support ab.

• Vendoren haben in der Regel keinen Kontakt zu den Kunden und dementsprechend keine Daten zu den Käufern.

• Der Kaufvertrag wird zwischen Vendor und Amazon geschlossen.

• Das Label Verkauf und Versand durch Amazon schafft Kundenvertrauen und erhöht die Kaufwahrscheinlichkeit.

Produkt-Listing

• Standard-Listing.

• Seller mit eigener Marke können Enhanced Brand Content nutzen.

• Mehr Kontrolle und Gestaltungsfreiheit.

• Möglichkeit, kostenlos A+ Content zu nutzen.

• Strengere Richtlinien in Bezug auf die Gestaltung der Listings. Der hochgeladene Content kann von Amazon überschrieben werden, ohne dass der Vendor informiert wird.

Marketing-initiativen

• Seller Central bietet verschiedene Möglichkeiten, um Produkte zu bewerben. Sie sind jedoch (bis jetzt) nicht so umfassend wie in Vendor Central.

• Zugang zu Sponsored Products und Sponsored Brands.

• Zugang zum Early Reviewer Program (bisher nur in den USA, Stand: März 2019).

• Vendoren steht eine Vielzahl an Marketingmöglichkeiten zur Verfügung.

• Zugang zum vollen Funktionsumfang der Sponsored Ads.

• Zugang zum Programm Amazon Vine.

Marge

In der Regel fällt die Marge höher aus als bei Vendoren.

Meist eine niedrigere Marge als beim Seller-Programm.

Absatzpotenzial

• Nur bei FBA: Artikel, die durch Amazon ausgeliefert werden, haben eine höhere Chance, die Buybox zu besetzen.

• Artikel von Vendoren nehmen am Prime-Programm teil, einem effektiven Absatztreiber.

• Artikel, die durch Amazon ausgeliefert werden, haben eine höhere Chance, die Buybox zu besetzen.

• Im Allgemeinen ist das Absatzpotenzial hier höher.

Hybridmodelle – zwischen Vendor und Seller Central

Es ist prinzipiell möglich, gleichzeitig einen Vendor- und einen Seller-Central-Account zu verwenden. Ist ein Hersteller bereits Vendor und möchte zusätzlich (oder stattdessen) einen Seller-Account nutzen, kann dies bei konträren Zielen jedoch zu Missfallen beim Vendor-Manager führen. Als Folge droht unter Umständen die Sperrung des Seller-Accounts.

Immer häufiger zeigt sich allerdings, dass eine hybride Struktur sogar empfehlenswert ist – insbesondere bei niedrigmargigen Produkten. Sie erfordert eine sorgfältige Vorbereitung. Es muss beispielsweise ein internes Team aufgebaut oder eine Agentur beauftragt werden, um den Seller-Account zu managen, da Seller Central bekanntermaßen einen höheren Arbeitsaufwand bedeutet.

Im Gegenzug bietet das kombinierte Vendor-Seller-Dasein ein hohes Maß an Flexibilität. So stehen beispielsweise mehr Optionen zur Verfügung, um neue Produkte auf Amazon zu launchen. Auf der anderen Seite lauern jedoch auch Fallstricke. Es kann zum Beispiel passieren, dass Amazon den Umzug von Produkten zur Seller-Central-Seite untersagt bzw. sie für das Vendor-Programm einfordert. Besonders wenn es sich um verkaufsstarke und hochmargige Artikel handelt, möchte Amazon diese natürlich lieber auf der Vendor-Seite sehen.

Warnung

Wenn Sie über zwei Accounts verfügen, sollten Sie im Blick behalten, ob sich Sponsored-Ads-Kampagnen gegeneinander hochbieten.

Das vielfältige Programmangebot von Amazon ermöglicht es zudem, sich zwischen den teilweise recht gegensätzlichen Polen zu positionieren. Dies können Sie beispielsweise über den Service Fulfillment by Amazon realisieren.

Seller Central inklusive Fulfillment by Amazon (FBA)

Seller haben mit dem Angebot Fulfillment by Amazon die Möglichkeit, den Versand von Amazon abwickeln zu lassen. In diesem Fall schicken Sie einen Teil Ihres Warenbestands an Amazon-Versandzentren. Gegen Versand- und Lagergebühren übernimmt Amazon die restliche Logistik. Auch das Management von Customer-Support und Retouren gehört zum Serviceumfang.

Da Amazon auf diese Weise die Verfügbarkeit der Waren gewährleisten kann, qualifizieren sich FBA-Artikel für das Prime-Programm und die versandkostenfreie Lieferung. Der Verkäufer profitiert folglich von dem absatzfördernden Label Versand durch Amazon sowie der logistischen Infrastruktur von Amazon, ohne dass er seinen Seller-Status aufgeben muss. Er behält die Kontrolle über seine Preise und hat weiterhin direkten Kontakt zu den Kunden.

Für Unternehmen, die ihre Produkte international verkaufen möchten, ist darüber hinaus das FBA-Programm Paneuropäischer Versand durch Amazon