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Logan Steel: charmant wie Mr Darcy, heiß wie Christian Grey
Als Logan Steel die Ländereien zu seinem gerade erworbenen englischen Anwesen begutachten will, macht er unerwartet Bekanntschaft mit Darcy Westbury - und ist augenblicklich dem heißen Prickeln zwischen ihnen erlegen. Auch Darcy kann sich dem Charme des Londoner Geschäftsmanns nicht entziehen. Doch was Darcy nicht weiß: Logan ist nicht irgendein attraktiver Fremder. Er ist ein britischer Earl mit einem Millionenvermögen, der es nicht nur auf ihren Familiensitz abgesehen hat, sondern auch alles zerstören könnte, was ihr wichtig ist ...
"Ich liebe Logan und Darcy! Louise Bay schreibt die besten britischen Liebesgeschichten!" AUDREY CARLAN, SPIEGEL-Bestseller-Autorin
Band 5 der sinnlich-heißen KINGS-OF-NEW-YORK-Reihe von USA-TODAY-Bestseller-Autorin Louise Bay
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Seitenzahl: 434
Veröffentlichungsjahr: 2019
Titel
Zu diesem Buch
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
Epilog
Dank
Die Autorin
Die Romane von Louise Bay bei LYX
Impressum
LOUISE BAY
Earl of London
Roman
Ins Deutsche übertragen von Anja Mehrmann
Logan Steele hat alles, was man sich mit Geld kaufen kann, doch erst als er das alte Familienanwesen und Elternhaus seiner Großmutter außerhalb von London zurückerwirbt, geht für ihn sein Lebenstraum in Erfüllung. Gleich bei seinem ersten Rundgang über seine Ländereien macht er Bekanntschaft mit seiner neuen Nachbarin Darcy Westbury – und ist augenblicklich dem heißen Prickeln zwischen ihnen erlegen. Auch Darcy kann sich dem Charme des britischen Geschäftsmanns nicht entziehen. Bis sie herausfindet, dass Logan nicht irgendein attraktiver Fremder auf Erholungsurlaub ist, sondern ein waschechter Earl mit einem Millionenvermögen, der alles zerstören könnte, was sie sich ihr Leben lang aufgebaut hat. Denn Logan hat große Pläne für die Gegend. Pläne, die Darcy mit allen Mitteln verhindern will. Sie schwört sich, ihr Anwesen und vor allem das Dorf und seine Einwohner zu schützen, und sagt Logan den Kampf an – doch sie hat nicht mit ihrem verräterischen Herz gerechnet, das Logan längst für sich gewonnen hat …
An einem Frühlingsmorgen hatte die englische Landschaft etwas Magisches an sich. Von den taubenetzten Spinnennetzen bis zu den ersten Sonnenstrahlen, die Schneeglöckchen und Krokusse aus ihren Verstecken lockten und sie wie rebellische Farbtupfer aussehen ließen, blühend allen Widrigkeiten des Winters zum Trotz. Für mich war es das Paradies.
Am Sonntagmorgen gehörte es zu meinen liebsten Beschäftigungen, über das Anwesen von Woolton zu reiten. Die Ländereien gehörten meiner Familie seit Generationen, und im Augenblick lag es in meiner Verantwortung, sie für die kommenden Generationen der Familie Westbury zu erhalten. Ich hatte fast mein ganzes Leben hier verbracht. Dieser Landsitz war die Konstante gewesen, als zuerst mein Vater und dann meine Mutter mich und meinen Bruder bei unseren Großeltern zurückließen. Woolton war ein Zuhause, ein sicherer, glücklicher Ort, an dem ich alles Schlechte dieser Welt vergessen konnte. Und ich tat mein Bestes, damit hier alles so blieb, wie es immer gewesen war. Ich wollte die Menschen würdigen, die dasselbe vor mir getan hatten, und es für die bewahren, die nach mir kommen würden.
Die Verantwortung war riesig. Nicht nur wegen kommender Generationen, sondern auch wegen der Existenzen, die bereits jetzt von dem Anwesen abhingen, vom Gärtner bis zu den Wildhütern, dem Stallpersonal und all den Menschen, die Woolton Hall, unseren Familiensitz, instand hielten. Ihre Angehörigen verließen sich darauf, dass ich ihnen weiterhin Arbeit verschaffte. Ich betrachtete dies als eine Ehre und gleichzeitig als meine Pflicht. Und an Tagen wie diesen war es zudem ein großes Vergnügen.
Als wir meine Lieblingsstelle erreichten, stieg ich von Bellas Rücken. Über Nacht hatte es geregnet, und obwohl es inzwischen aufgehört hatte, war der Rasen noch immer nass und rutschig. Eigentlich überprüfte ich zwar gerade die Grenzen des Anwesens und vergewisserte mich, dass alles in bester Ordnung war, aber im Grunde ging es mir vor allem um die Aussicht.
»Tja, Bella, ich muss mich hier an dir festhalten«, lächelte ich, ergriff die Zügel und führte das Pferd zum Aussichtspunkt. »Sieh dir das an! Ich glaube, man kann hundert Meilen weit sehen.« In der Ferne riss die Hügellandschaft der Chiltern Hills den Horizont auf, und Hecken, Bäume und Kirchturmspitzen unterteilten ein Flickwerk aus Feldern, als gäbe es weder Autos noch Menschen. Der Wind trug Vogelgezwitscher zu mir herüber, und ich schloss die Augen und atmete die kühle Morgenluft ein. Was für ein Glück, an einem Ort wie diesem zu leben!
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass sich zwischen den Bäumen etwas bewegte. War eins unserer Rehe oder ein Hirsch in den Wald gewechselt?
Angestrengt blinzelnd erkannte ich, dass es ein Mensch war. Ein Mann. Ein ziemlich großer Mann, der sich auf das Handy in seiner Hand zu konzentrieren schien, während er auf mich zukam. Ich beobachtete ihn, während Bella und ich weiter unbemerkt blieben. Ich kannte ihn nicht. Er war etwa Mitte dreißig und trug Jeans und Wanderschuhe. Mit einer Hand fuhr er sich durch das schokoladenbraune Haar, und sein kantiges Kinn wurde von der diesigen Morgensonne angestrahlt, als er den Blick vom Handy löste, um den Boden vor sich zu überprüfen. Vielleicht handelte es sich um einen Immobilienmakler oder Landvermesser. Er befand sich auf dem Grundstück von Badsley House, das seit kurzer Zeit zum Verkauf stand, weil Mrs Brookley gestorben war. Ich war hin- und hergerissen. Wollte ich lieber mit meinem Pferd allein bleiben und die Aussicht genießen, oder wollte ich in Erfahrung bringen, was dieser Mann an der Grenze unseres Familiensitzes zu suchen hatte? Und möglicherweise wollte ich auch überprüfen, ob er aus der Nähe genauso ansehnlich war, wie er aus der Ferne betrachtet wirkte. Mit gesenktem Kopf kam er auf Bella und mich zu, während der Morgennebel seine Füße einhüllte. Wie schade, dass ihm dieser wunderschöne Morgen und die fantastische Aussicht entgingen.
Beim Näherkommen zupfte er an seinem Kragen, und ein leicht gebräunter Hals mit einem deutlich sichtbaren Adamsapfel kam zum Vorschein. Zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine kleine Furche eingegraben, als hätte er auf dem Display etwas Verwirrendes entdeckt – oder als wollte er ein Rätsel lösen. Er kam nicht aus der Gegend, sonst hätte ich ihn wahrscheinlich gekannt und seinen Gesichtsausdruck besser einschätzen können, und aus irgendeinem Grund bedauerte ich, dass er mir fremd war.
Zu meiner Überraschung blickte mich der Mann, der jetzt nur noch wenige Meter von mir entfernt war, plötzlich aus blauen Augen an und erwischte mich dabei, dass ich ihn anstarrte. Normalerweise gehörte ich nicht zu der Sorte Frau, die Männer einfach unverwandt musterte. Ich wusste natürlich, dass Charakter über Optik ging und dass innere Werte eines Menschen wichtiger waren als äußere. Aber offensichtlich brachte mich das Äußere dieses Mannes dazu, ihn anzustarren. Und er hatte mich dabei ertappt. »Guten Morgen«, rief er und winkte.
Ehe ich mich entscheiden konnte, ob ich zu verlegen war, um den Gruß des Fremden zu erwidern, beanspruchte Bella meine ganze Aufmerksamkeit, denn sie zerrte wiehernd an den Zügeln. Als ich meinerseits am Leder zog, um ihr zu signalisieren, dass alles in Ordnung war, warf sie abrupt den Kopf hoch und befreite sich aus meinem Griff. Mist. Ich wollte ihr folgen, rutschte auf dem schlüpfrigen Gras aber aus und fiel mitten in eine schlammige Pfütze.
»Bella!« Ich lag der Länge nach auf dem Boden, und als ich aufblickte, sah ich, dass der Mann der Stute folgte. Zu meiner Überraschung bekam er sie bald am Zügel zu fassen, und ich beobachtete erleichtert, wie er sie zu mir zurückführte. Normalerweise gehorchte Bella keinem Fremden, aber vermutlich hatte sie Mitleid mit mir.
Ich rappelte mich auf und blickte an mir herunter: Meine Kleidung war mit Schlamm bedeckt; kaltes, schmutziges Wasser lief mir über Gesicht und Hals – so viel zu meinem perfekten Morgen.
Ich nahm die Zügel, die er mir reichte, und fuhr mir im Versuch, das Beste aus der Situation zu machen, mit der Hand übers Gesicht.
»Vielen Dank«, sagte ich verlegen. Dass dieser attraktive Mann mich dabei ertappt hatte, wie ich ihn anstarrte, war mir peinlich genug, und die Tatsache, dass ich nun aussah wie einem Zombie-Film entsprungen, machte die Sache keineswegs besser.
»Gern geschehen«, sagte er. »Ein herrlicher Tag heute. Kommen Sie hier aus der Gegend?«, fragte er.
Ich konzentrierte mich auf Bella und antwortete dem Fremden, ohne ihn anzusehen, denn ich wusste nicht, ob ich den Blick je wieder würde abwenden können. Wusste er nicht, dass wir uns auf dem Grund und Boden von Woolton Hall befanden? »Ja, aber Sie nicht, nehme ich an?«, fragte ich in der Hoffnung, dass er meine Neugier befriedigen würde.
Als er schwieg, drehte ich mich um und sah, dass er mich anstarrte, als wäre ich ein Tier in einem Zoo. »Sie sind ja voller Schlamm«, sagte er und fing an zu lachen.
Großartig. Der erste attraktive Mann, der mir in diesem Jahr über den Weg lief, und ich diente nur seiner Belustigung. Typisch, so lief das bei mir immer. Und deshalb war ich auch Single. Ich bin kein glamouröses Mädchen, das Männer attraktiv fanden. Dazu hielt ich mich zu gern im Freien auf und fühlte mich auch zwischen Schlamm und Schmutz zu wohl.
»Tut mir leid. Können wir noch mal von vorn anfangen? Ich heiße Logan Steele«, sagte er und reichte mir die Hand.
Ich hob die Hände, um ihm zu zeigen, dass er mir garantiert nicht die Hand geben wollte, und ich würde mich bestimmt nicht noch lächerlicher machen, indem ich ihn mit Schlamm beschmierte.
»Ich wollte Ihnen nur einen guten Morgen wünschen. Mich erkundigen, was Sie auf meinem Land machen und so.«
»Ihr Land?« Die Lichtung vor dem Wäldchen um Badsley House herum gehörte definitiv nicht ihm. Ich blinzelte und ignorierte das schmutzige Rinnsal, das mir immer noch übers Gesicht lief. »Sie wissen sicher, dass dieses Land zu Woolton gehört. Die Grenze verläuft da vorn.« Ich zeigte auf den kleinen Pfosten, der das Ende unseres Landsitzes markierte.
»Da drüben?« Logan zeigte in Richtung Woolton.
Jahrelang hatte ich keine Notiz von der Grenze zwischen Badsley und Woolton genommen. Das Wäldchen und der Bach, an dem mein Bruder und ich als Kinder gespielt hatten, lagen nämlich direkt am Rand des Grundstücks von Badsley House. Sie bildeten eine natürliche Grenze, aber wenn man es genau nahm, gehörten die drei oder vier Meter auf dieser Seite der Bäume bereits zu Badsley. Ich zuckte zusammen, und auf einmal verstand ich, was er gesagt hatte. »Sie haben das Anwesen gekauft? Ich dachte, es stünde erst seit gestern zum Verkauf?« Dieser große, attraktive Mann würde in unser Dorf ziehen? Na super. Da würde ich ja einen großartigen ersten Eindruck hinterlassen. Erst war ich in den Matsch gefallen, und jetzt hatte ich auch noch unbefugt sein Grundstück betreten.
»Na ja, ich glaube, es wurde nie offiziell zum Verkauf angeboten. Ich habe die Papiere gestern Nachmittag unterzeichnet.«
»Oh«, sagte ich. Es freute mich, dass Badsley nicht allzu lange leer gestanden hatte, aber dass es bereits verkauft war, schockierte mich doch ein wenig. Und dann noch an jemanden wie diesen Mann vor mir, der aussah, als würde eher ein Penthouse in London als ein ländlicher Herrensitz zu ihm passen. »Und, sind Sie schon eingezogen?«
Er schüttelte den Kopf und lächelte mich an, während ich meine Taschen nach einem Taschentuch durchsuchte, um mir den Schmutz aus den Augen zu reiben.
»Nein, noch nicht. Vor drei Tagen habe ich nicht einmal gewusst, dass das Anwesen zum Verkauf steht.« Er reichte mir seinen Schal. »Nehmen Sie das hier, wenn Sie ihr Gesicht abwischen wollen.«
Ich lächelte, schüttelte aber den Kopf. »Nein, vielen Dank, ich möchte das gute Stück nicht ruinieren.« Der Schal sah teuer aus. »Ich werde einfach …«, setzte ich an, zog aber bereits den Ärmel meiner Reitjacke über die Hand und wischte mir damit über die Augen. Konnte man sich noch lächerlicher machen als ich in dieser Situation?
»Sie haben sich also sehr schnell für das Anwesen entschieden?«, fragte ich. »Haben Sie schon lange in dieser Gegend gesucht?«
»Ja, irgendwie schon.« Er schob die Hände in die Taschen und legte den Kopf schief. »Sie haben gesagt, Sie kommen aus der Gegend … Reiten Sie öfter hier?«, fragte er.
»Oh, tut mir leid, ich wollte nicht unbefugt Ihr Land betreten. Der vorherige Besitzer hatte nichts dagegen, dass ich –«
»Ist schon in Ordnung«, sagte er. »Die Aussicht hier ist grandios.« Er blickte hinüber zu den Chiltern Hills.
Er hatte die Umgebung also doch wahrgenommen.
»Ja, das ist sie wirklich. Und der Bach dort drüben …«, ich zeigte auf die Stelle in der Nähe der Bäume, an der mein Bruder und ich früher so gern gespielt hatten, »das ist mein absoluter Lieblingsplatz.«
»Es ist wunderschön dort. Gibt es noch andere Stellen, die ich mir unbedingt ansehen muss?«
»Na ja, hier ist es überall schön. Sie werden die Gegend erforschen müssen und dann selbst entscheiden, wo es Ihnen am besten gefällt«, sagte ich und versuchte nach wie vor, die Tatsache zu ignorieren, dass ich voller Schlamm war. »Hier ist es so friedlich. Perfekt, um abzuschalten und alles hinter sich zu lassen. Aber vielleicht bevorzugen Sie ja … etwas anderes.« So, wie der Typ aussah, verbrachte er ziemlich viel Zeit im Fitnessstudio.
»Nun, wenn ich Ihnen das nächste Mal über den Weg laufe, erschrecke ich Ihr Pferd vielleicht nicht, und Sie landen nicht im Matsch.« Zum ersten Mal seit dem Sturz war ich dankbar für meinen schlammfarbenen Tarnanstrich. Hoffentlich verbarg er, dass ich bei der Vorstellung, ihn wiederzusehen, rot geworden war. Ich hatte mich immer beschwert, dass es nicht genug Singlemänner in der Gegend gab, und jetzt schien mir Badsley House jemanden in unmittelbarer Nachbarschaft zu bescheren.
»Schon gut. Wenigstens haben Sie sie wieder eingefangen.« Normalerweise wurde ich wütend, wenn sich jemand meinen Pferden gegenüber so gedankenlos verhielt, aber einen Neuankömmling konnte ich deswegen wohl kaum tadeln. »Reiten Sie? Oder … Ihre Frau?«
Er lachte leise. »Nein, ich hab’s nie gelernt. Und verheiratet bin ich auch nicht.«
»Oh«, sagte ich. »Das ist aber schade.« Jetzt hörte ich mich an, als wünschte ich, er wäre verheiratet, was definitiv nicht der Fall war. »Dass Sie nicht reiten, meine ich. Es bietet eine großartige Gelegenheit, die Landschaft zu erkunden.«
»Sieht ganz so aus. Vielleicht lerne ich es ja irgendwann.« Seine Augen funkelten, und ich konnte nicht erkennen, ob er sich über mich lustig machte oder ob er einfach nur charmant war.
»Also, ich muss dann mal wieder los«, sagte ich. Mir war unbehaglich zumute, und ich fühlte mich leicht überfordert. Normalerweise traf nichts davon auf mich zu. Aber in meinem jetzigen Zustand brauchte ich eine heiße Dusche und keine Unterhaltung mit einem ausgesprochen gut aussehenden Mann.
»Ich habe Ihren Namen nicht verstanden«, sagte er.
Ich hätte mich lieber davongestohlen, ohne mich vorzustellen. Auf diese Weise würde er mich nicht erkennen, wenn ich ihm das nächste Mal gegenüberstand – ohne Schlammkruste. Dann hätten wir von vorn anfangen können. »Darcy«, murmelte ich.
»Schön, Sie kennenzulernen, Darcy. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.«
»Woolton ist ein kleines Dorf. Ich bin mir sicher, dass wir uns wieder über den Weg laufen, und dann bin ich hoffentlich ein bisschen sauberer.«
Er lächelte, und seine Augen funkelten erneut auf diese seltsame Art. »Was ist schon ein bisschen Matsch unter Freunden?«
Da ich nicht wusste, was ich sagen sollte, blickte ich in Richtung Woolton Hall und sagte nur: »Ja, war nett, Sie kennenzulernen.«
»Hoffentlich bis bald«, antwortete er.
Ich drehte mich um und ging fort. Ich versuchte, mich nicht auf seine Behauptung zu fixieren, dass er mich bald wiederzusehen hoffte. Er war nämlich einfach nur höflich. Ein freundlicher Nachbar.
Ich spähte über die Schulter und sah, dass er immer noch auf demselben Fleck stand und beobachtete, wie ich Bella am Zügel nach Woolton zurückführte. Mist, ich hätte meine Zauberjeans anziehen sollen, die dafür sorgte, dass mein Hintern nur halb so groß aussah. Ich hätte auch nicht in den Matsch fallen oder unbefugt sein Land betreten sollen. Aber trotz allem fand ich ihn ein kleines bisschen charmant. Und mehr als nur ziemlich gut aussehend. Solche Männer liefen mir nur selten über den Weg. Ich hätte mir unangenehmere Nachbarn vorstellen können.
Vielleicht sollte ich meinen Anwalt anrufen. Um zu sehen, ob ich den angeblichen Journalisten, der diesen verletzenden Artikel über mich in der London Times geschrieben hatte, verklagen kann. Keine Ahnung, warum ich die Zeitung nicht im Büro gelassen oder durch den Reißwolf geschickt hatte. Stattdessen quälte ich mich selbst, indem ich den Artikel immer wieder las. Dieser Schreiberling kannte mich überhaupt nicht. Er beschuldigte mich, Geld zu machen, indem ich das Leben und das Lebenswerk unschuldiger Menschen zerstörte.
Das war Unsinn. Ich habe niemals gelogen oder betrogen. Auf mein Wort war immer Verlass. Eine ehrliche Haut, das war ich.
»Was ist, meine Schöne, was dauert so lange?«, rief ich der Frau zu, die ich ein paar Tage zuvor bei einer Verhandlung kennengelernt hatte. Sie würde mir gleich einen blasen und mich auf diese Art davon abhalten, ständig über Journalisten nachzudenken, die meinen Ruf schädigten.
Normalerweise prallte Kritik an mir ab, und ich machte mir weiter keine Gedanken darüber. Es gab immer eine Menge Leute, die einen niedermachen wollten, wenn man ganz oben angekommen war, aber dieser Artikel ging mir nicht mehr aus dem Kopf.
Es war, als hätte dieser Typ einen anderen beschrieben. Meinen Vater. Nicht mich. Das Einzige, was meine Wut und Frustration dämpfen konnte, war eine starke, selbstbewusste und clevere Frau, die mich geschäftlich beinahe ausgetrickst hätte, jetzt aber auf die Knie ging und meinen Schwanz in den Mund nahm.
Als ich noch jünger war, hatte ich ziemlich viele Models und Schauspielerinnen gehabt, aber die übten auf mich nicht denselben Reiz aus wie eine erfolgreiche Frau, die im Sitzungssaal gern dominierte, im Schlafzimmer aber um einen Orgasmus bettelte.
Ich kippte den Rest Whiskey herunter, mit dem sie mich alleingelassen hatte, bevor sie verschwand, streifte mein Jackett ab und lümmelte mich auf die Couch. Die Fensterwand gegenüber dem Sofa war schwarz, nur gesprenkelt von den Lichtern der immer noch geschäftigen Straßen Londons. Über dem Bild der Stadt tauchte geisterhaft mein Spiegelbild auf, was bedeutete, dass ich aus zwei Blickwinkeln würde betrachten können, wie ihr Kopf zwischen meinen Beinen auf- und abfuhr.
Schön.
»Ich habe mich kurz frischgemacht«, sagte sie, als sie wieder ins Wohnzimmer kam. Sie trug nur einen schwarzen Spitzen-BH und ein Höschen. Und dazu Fünfzehn-Zentimeter-Stilettos.
Sehr schön.
Diese Frau war absolut mein Typ. Groß. Cool. Gebildet. Ein durchtrainierter Körper mit straffen Muskeln, goldbrauner Haut und kleinen, festen Brüsten.
»Ich könnte auch eine kleine Erfrischung gebrauchen«, sagte ich. »Komm her.«
Sie legte ihre Handflächen auf meine Schenkel, beugte sich vor und ging zwischen meinen Beinen auf die Knie. Ich legte den Kopf in den Nacken, bereit, alle Journalistenarschlöcher dieser Welt zu vergessen und zu genießen, was jetzt kommen würde. Sie konnte mich ein bisschen aufwärmen, indem sie mir einen blies, aber ehe die Sache außer Kontrolle geriet, würde ich aufstehen und es ihr richtig besorgen, bis sie keinen Laut mehr hervorbrachte. Es gab nichts Besseres, als eine Hedgefonds-Managerin, die Hunderte von Millionen verwaltete und es gewohnt war, Männer in ihre Schranken zu weisen, so weit zu bringen, dass ich mit ihr machen konnte, was ich wollte.
Mein Schwanz drückte gegen den Stoff meiner Hose, als sie mit den Fingernägeln darüberfuhr. Ein bisschen scharfmachen war okay, aber wenn sie meinen Schwanz nicht innerhalb der nächsten zwei Minuten in den Mund nahm, würde ich sie später dafür bezahlen lassen. Und als könnte sie Gedanken lesen, öffnete sie meinen Reißverschluss und umfasste meinen Schaft. Sie würde beide Hände brauchen.
Ich stöhnte, als sie zudrückte, und bereitete mich innerlich schon auf das Gefühl ihrer Zunge auf meinem Schwanz vor, als das vertraute Klingeln meines Handys in der Jackentasche erklang. Mist.
»Sag, dass du nicht drangehst«, sagte sie, die Lippen auf meiner Schwanzspitze.
In den meisten Situationen dieser Art hätte ich den Anruf ignoriert. Ich hätte ihn weggedrückt und mich wieder auf das konzentriert, was mit meinem Schwanz passierte, aber wegen des Artikels war ich ziemlich gereizt.
»Ich muss. Bleib, wo du bist – auf den Knien, es steht dir. Dauert nicht lange«, sagte ich und setzte mich aufrechter hin, als ich sah, dass es die Nummer meines Immobilienmaklers war. Warum zum Teufel rief er mich an?
»Du bist ein Arschloch«, sagte sie, ließ meine Erektion los und setzte sich auf die Fersen.
Grinsend nahm ich das Gespräch an. Tja, von Romantik war nie die Rede gewesen.
»Howard?«
»Können Sie sich erinnern, dass Sie mich bei unserer ersten Zusammenarbeit gebeten haben, dieses Haus in Woolton zu beobachten und Ihnen Bescheid zu sagen, falls es jemals zu verkaufen sein würde?«
Ich verlagerte das Gewicht und schloss den Reißverschluss meiner Hose. Howard hatte meine volle Aufmerksamkeit. »Ja, ich erinnere mich.« Wie könnte ich das vergessen? Dieses Anwesen war der wahre Grund für meinen Erfolg. Mein Ehrgeiz und Elan beruhten darauf, dass ich in meiner Karriere einen Punkt erreichen wollte, an dem ich es mir leisten konnte, dieses Haus zu kaufen. Genug Geld dafür hatte ich schon lange, aber die derzeitigen Besitzer hatten all die großzügigen Angebote abgelehnt, die ich ihnen im Lauf der Jahre gemacht hatte.
»Nun, ich habe gerade erfahren, dass es ab morgen früh zum Verkauf steht.«
»Badsley House?« Ich wollte sichergehen, dass wir auch wirklich über dasselbe Haus sprachen.
Mit angehaltenem Atem wartete ich auf seine Antwort.
»Ja, genau das. Soll ich herausfinden, was dafür verlangt wird?«
Meine Hand umklammerte das Handy noch fester. »Nein. Ich will, dass Sie es kaufen.« Ich hatte Grundstücke im Wert von Millionen ge- und wieder verkauft und mir ein milliardenschweres Imperium aufgebaut, aber solange ich Badsley nicht besaß, konnte ich mich nicht als erfolgreich betrachten.
»Gut. Okay. Gibt es eine preisliche Obergrenze?«, fragte Howard.
Es gab keinen Preis, den ich für dieses Anwesen nicht bezahlen würde. Es war die Gelegenheit, die Fehler der Vergangenheit in Ordnung zu bringen und den einzigen Menschen, der mir auf dieser Welt etwas bedeutete, glücklich zu machen. Zu beweisen, dass ich nicht wie mein Vater war. »Nein. Kaufen Sie es einfach. Ich gehe davon aus, dass ich morgen die Papiere unterschreibe.«
»Sie wollen kein Gutachten oder …?«
»Nein. Am Ende des morgigen Tages will ich dieses Haus besitzen.«
Howard hielt kurz inne, bevor er antwortete. »Ich sorge dafür.«
Ich legte auf und musste erst einmal verdauen, was gerade passiert war. Badsley House würde endlich mir gehören, und ich konnte nicht mehr aufhören zu grinsen.
Ich war kurz davor, mir einen Lebenstraum zu erfüllen.
Ich war kurz davor, das Elternhaus meiner Großmutter zurückzukaufen.
Da ich meinen Ausritt vorzeitig abgebrochen hatte, war es noch früh, als ich von den Ställen zurückkam. Hin und wieder blitzten die Randgebiete von Woolton zwischen wabernden Nebelschwaden auf. Dennoch wusste ich, was die Sonne enthüllen würde, sobald sie erst den Nebel verjagt hatte. Sorgfältig gemähte Rasenflächen. Bäume, die im Herbst perfekt gestutzt worden waren und jetzt vor Lebenskraft zu bersten schienen. Die Dächer der Stallungen waren ersetzt und die überflutete Auffahrt war repariert worden.
Ich mochte zwar von Schlamm bedeckt sein, dennoch hatte ich die Verhältnisse auf dem Anwesen unter Kontrolle. Und ich hatte am Morgen etwas Unerwartetes erlebt und konnte es kaum erwarten, Aurora davon zu erzählen, deren Auto in der Einfahrt stand.
»Hallo!«, rief ich, als ich die Eichentür der Stiefelkammer zuschlug und an der Ansammlung von Mänteln an der linken Wand vorbeiging. Angesichts der Tatsache, dass ich als Einzige ständig auf Woolton lebte, war ich mir ziemlich sicher, dass an dieser Wand eigentlich deutlich weniger als hundert Mäntel hängen sollten. Ich hatte ganz vergessen, dass an diesem Tag die Mitglieder des Frauenvereins hier waren und die Küche belegten. Ich glaube, sie hatten etwas von Marmelade und Einkochen gesagt.
Ich lächelte, als ich die aufgeregten Stimmen hinter der Tür hörte. Ich liebte den Lärm, wenn das Haus voll war. Seit mein Großvater gestorben war, kam es mir zehnmal so groß vor, und ich vermisste meinen Bruder noch mehr als zuvor, obwohl er so oft wie möglich aus den USA zu Besuch kam. Die Abwesenheit meiner Familie war mir schmerzlich bewusst, so, als hätte meine Mutter Ryder und mich erst wenige Tage zuvor und nicht schon vor einer halben Ewigkeit verlassen.
»Darcy!«, rief jemand.
»Komme gleich«, antwortete ich, während ich meine Reitstiefel auszuziehen versuchte. Ich hatte den einbeinigen Kampf gegen mein Schuhwerk beinahe gewonnen, da verlor ich die Balance, weil ich wegen eines donnernden Geräusches erschrak, prallte gegen die Wand voller Mäntel und landete schließlich auf dem Hintern. Wie war es möglich, dass ich an einem Tag zweimal hinfiel? Wenigstens war Logan Steele diesmal nicht da, um Zeuge meiner Ungeschicklichkeit zu werden.
Und was war das für ein Lärm gewesen, verdammt?
»Darcy?«
Ich hob den Kopf und erblickte Aurora, seit dem vierten Lebensjahr meine beste Freundin. Kopfschüttelnd, als würde ich absichtlich unter einem Berg aus Wolle und Tweed auf dem Boden herumkriechen, stand sie vor mir.
»Was machst du da?«
»Verstecken spielen. Hilfst du mir hoch?« Wenigstens war ich in dem ganzen Tohuwabohu meinen zweiten Stiefel losgeworden.
»Was ist denn das für ein Tumult?«, fragte Mrs Lonsdale. Die fünf Damen aus dem Dorf, die geschäftig in der Küche umherliefen, waren wie Familienmitglieder für mich. Sie hatten mich schon gekannt, als ich noch Windeln trug, und solange ich mich erinnern konnte, hatte ich sie zusammen backen, nähen und ihr Leben miteinander teilen sehen.
»Darcy ist hingefallen«, antwortete Aurora für mich. »Und sie ist voller Matsch.«
»Du musst vorsichtiger sein.« Mrs Lonsdale wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab, während sie mich kopfschüttelnd musterte.
»Es war nicht meine Schuld. Habt ihr den Lärm nicht gehört? Als ob ein Flugzeug in dreißig Meter Höhe über uns hinwegfliegt.«
»Wohl eher ein Hubschrauber«, sagte Aurora.
»Was auch immer, es war jedenfalls laut«, antwortete ich und wusch mir die Hände über der Spüle. Schmutziges Wasser lief in den Abfluss. Das meiste war zwar schon getrocknet, aber ich sah vermutlich immer noch schrecklich aus.
»Vielleicht ist es dein neuer Nachbar«, sagte Daphne, während sie den Rhabarber schnitt, den Glenis in der Spüle gewaschen und dann auf den Tisch gestellt hatte.
Sprachen sie von dem Mann, den ich gerade getroffen hatte? Es fiel mir schwer, das einzuschätzen, weil wir keine Nachbarn im üblichen Sinn hatten. Das gesamte Land, das man an einem klaren Tag mit bloßem Auge sehen konnte, gehörte zu Woolton Hall.
»Ja, in Badsley House«, verkündete Freida. »Es ist schon verkauft, wusstest du das nicht?«
Leicht selbstgefällig dachte ich, dass ich nicht nur von dem Verkauf wusste, sondern den neuen Besitzer sogar bereits kennengelernt hatte. Allerdings war ich überrascht, dass Freida Bescheid wusste, denn sie bekam den Dorfklatsch eigentlich immer als Letzte mit.
Schulterzuckend goss ich mir ein Glas Orangensaft aus dem Kühlschrank ein. Ich würde nicht zugeben, dass ich Logan Steele kennengelernt hatte, denn dann würden sich die Vorzeichen ändern, und ich wäre diejenige, die ausgefragt wurde. Nein, ich wollte wissen, was die Leute bereits über meinen gut aussehenden Nachbarn in Erfahrung gebracht hatten. Hatte er eine Freundin? Hatte mich der Matsch geblendet, oder waren auch alle anderen der Meinung, dass er außerordentlich gut aussah? Und ich wollte wissen, wieso sie glaubten, dass er mit einem Helikopter über das Anwesen flog.
»Offensichtlich haben es Leute aus der Stadt gekauft.«
»Leute aus der Stadt, die aufs Land gezogen sind?«, fragte ich hoffnungsvoll. Ich ließ mich auf einen der freien Küchenstühle fallen und beobachtete die Damen vom Frauenverein Woolton und ihr behelfsmäßiges Fließband zur Herstellung von Erdbeer- und Rhabarbermarmelade.
Mrs Lonsdale schnaubte verächtlich. »Wenn du es als Umzug betrachten willst, dass sie die Wochenenden hier verbringen.«
Ich ließ die Schultern sinken, und die Aufregung, die ich auf dem Heimweg empfunden hatte, löste sich auf wie ein Schwarm Vögel, der von Hundegebell verjagt wird. Also zog Logan Steele überhaupt nicht hierher. Hatte ich’s mir doch gedacht, er sah einfach nicht aus wie jemand, der gern auf dem Land lebt. »Wochenendausflügler?« Das war genau die Sorte von Menschen, die ich nicht in Badsley House haben wollte, Leute mit mehr Geld als Verstand, die nicht am Dorfleben teilnahmen und sonntagabends wieder zurück in ihr Penthouse fuhren. Solche Menschen saugten einem Dorf das Leben aus. Badsley House brauchte jemanden, der Geld in den Geschäften ausgeben, zum Dorffest gehen und die örtlichen Traditionen pflegen würde. Wochenendbesucher regten sich über den Geruch von Kuhmist auf und glaubten, dass sie der Besitz einer Barbourjacke und eines Land Rovers zu Landbewohnern machte.
Tja, ich hatte es im Grunde geahnt, dieser Logan Steele war aber auch einfach zu schön, um wahr zu sein.
»Möglicherweise lässt er sich überzeugen, mehr als nur das Wochenende hier zu verbringen, wenn er einen Grund dafür hat. Ich habe gehört, er soll recht attraktiv sein«, sagte Freida.
Wer auch immer er war, jemand würde ihm sagen müssen, dass er nicht mit dem Hubschrauber über Woolton Hall hinwegfliegen durfte.
»Und Single«, ergänzte Freida und warf mir einen Blick zu.
»Und etwa Mitte dreißig«, fügte Aurora zwinkernd hinzu, während sie einen endlosen Zuckerstrom in einen der großen Töpfe rinnen ließ.
»Du hast es gewusst und mir nichts davon erzählt?«, fragte ich. Normalerweise erzählten Aurora und ich uns alles.
»Ich habe es gerade erst erfahren«, antwortete sie.
»Es heißt, dass sie Mr Fawsley weiterbeschäftigen, also werden sie hoffentlich die Gärten instand halten.« Freida klopfte mit ihrem Holzlöffel an den Topf.
Obwohl mich ärgerte, dass ich nicht diejenige gewesen war, die die Sensationsnachricht von dem Verkauf verbreitet hatte – noch dazu an einen Wochenendfahrer –, tröstete ich mich damit, dass Logan wenigstens den Gärtner nicht gefeuert hatte. Mr Fawsley hatte dem Anwesen sein Leben gewidmet. Seine Tochter hatte auf dem Gelände geheiratet.
»Es ist eine Schande, dass der Landsitz verkauft werden musste«, seufzte ich. Mrs Brookley war erst vor wenigen Monaten gestorben, und nun war ihre Familie wegen der Erbschaftssteuer gezwungen, das Anwesen zu verkaufen. Es war wunderschön. Natürlich war Badsley House kleiner als Woolton Hall, aber mit den dazugehörigen Wäldern, in denen ich so gern ritt, war es dennoch von durchaus beträchtlicher Größe.
»Aber ein neues Leben in einem Dorf kann eine gute Sache sein. Besonders für eine junge Familie«, erklärte Mrs Lonsdale.
»Dazu muss er erst mal eine Frau finden«, stellte Freida fest.
Also war er wenigstens Single, was aber nichts an der Tatsache änderte, dass er nicht permanent in dem Haus wohnen würde. Außerdem machte es ihm offenbar nichts aus, unser friedliches Leben mit seinem Hubschrauber zu stören.
»Okay, raus damit«, sagte Mrs Lonsdale, ehe ich es tun musste. »Wie kommt es, dass du die Quelle all dieser Informationen bist? Normalerweise muss ich dir alles erzählen.«
Freida zuckte mit den Achseln und blickte angestrengt auf das Schneidebrett, während sie vergeblich versuchte, ihre Mundwinkel am Zucken zu hindern. »Das Messer ist stumpf«, sagte sie.
»Freida.« Ich nahm ihr das Messer ab und ging damit zur Spüle, um es abzuwaschen. »Verrat uns deine Quelle.«
Sie seufzte entnervt und warf den Rhabarber auf das Schneidebrett. »Wenn ihr es unbedingt wissen wollt: Der neue Besitzer ist der Enkel der besten Freundin der Großmutter der besten Freundin meiner Tochter.«
Ich runzelte die Stirn und versuchte, der verworrenen Beschreibung zu folgen. »Wer?« formte ich lautlos mit den Lippen in Richtung Aurora, aber sie schüttelte den Kopf. Ich holte den Messerschleifer aus der zweiten Schublade von oben und machte mich an die Arbeit.
»Also, was wissen wir über ihn? Womit verdient er seinen Lebensunterhalt? Zweifelsohne ist er neureich«, hielt Mrs Lonsdale fest.
»Die Times hat diese Woche über ihn berichtet«, sagte Freida. »Möglicherweise habe ich noch ein Exemplar in meiner Tasche.« Möglicherweise war gut. Sie hatte nur auf den richtigen Moment gewartet.
»Er sieht ziemlich gut aus.« Freida holte die Zeitung heraus, reichte sie mir und musterte mich mit scharfem Blick. Es hatte auch Nachteile, dass ich diese Frauen von Kindesbeinen an kannte – sie glaubten allesamt, sie müssten an meinem Liebesleben Anteil nehmen. »Gut aussehend. Charmant. Und geschäftlich sehr erfolgreich.«
Ich hörte auf, das Messer zu schleifen, setzte mich hin und schlug die Zeitung auf.
»Seite achtzehn«, sagte Freida.
Ich blätterte vor und erblickte Logan Steeles kantiges Kinn und seine blitzenden Augen. Ehe ich zu lesen begann, warf ich einen Blick auf Freida. In dem Artikel wurde dargelegt, dass Logan Steele der erfolgreichste von mehreren Wirtschaftsmagnaten war, die, wie der Journalist zu berichten wusste, ihr Geld damit verdienten, dass sie Firmen zerschlugen. Der Artikel behauptete, Logans Geschäftsmodell vermeide Innovationen, es ginge ihm nur um Profit, und seine Methoden würden letztlich zu einer Schwächung der Wirtschaft führen, wenn andere seinem Beispiel folgten. »Hier heißt es, dass er die britische Industrie vernichtet, Firmen schließt und Menschen ihre Arbeit wegnimmt«, sagte ich. »Der Bericht stellt ihn als ziemlichen Schurken dar.«
»Mag sein, aber du weißt doch, wie diese Blätter sind. Du darfst nicht alles glauben, was du da liest«, sagte Freida. »Auf dem Bild sieht er sehr gut aus. Und in dem Artikel steht auch, wie reich er ist.«
Warum glaubte Freida, dass ich an einem Mann interessiert sein könnte, dessen einziges Geschäftsziel in Zerstörung bestand, auch wenn er reich und gut aussehend war? Die Werte eines Mannes waren mir wichtiger als ein schönes Gesicht.
»Und ich habe gehört, dass er ausgesprochen charmant sein soll.«
»So charmant auch wieder nicht, wenn er so niedrig fliegt, dass er beinahe den Rasen mähen kann«, antwortete ich, legte die Zeitung beiseite und begann erneut, das Messer zu schärfen.
»Man muss mit der Zeit gehen«, sagte Freida. »Heutzutage reisen die Reichen nun einmal so.«
Beim Klang von Stahl auf Stahl bekam ich eine Gänsehaut. »Mein Bruder ist auch reich, und obwohl es ihm manchmal an Charme fehlt, würde er es niemals wagen, mit einem Hubschrauber in Woolton aufzutauchen.«
Ich warf Aurora einen Blick zu, der ihr verdeutlichen sollte, dass ich den Topf mit Rhabarber und Zucker nach ihr werfen würde, falls sie erwähnen sollte, dass Ryder tatsächlich einmal in Erwägung gezogen hatte, mit einem Hubschrauber vom Flughafen nach Woolton zu fliegen. Glücklicherweise hatte unser Großvater ihm das verboten, und nach Großvaters Tod hatte Ryder nicht wieder davon angefangen. Ich betete meinen Bruder zwar an, und es gab nur wenig, womit er mich verärgern konnte, aber hier war für mich eine Grenze erreicht.
»Hoffentlich bleibt das mit dem Hubschrauber eine Ausnahme«, murrte Mrs Lonsdale. »Wenn er immer so reist, fände ich das sehr störend.«
»Ich hoffe, er ist anders als die letzten Leute, die sich ein Wochenendhaus in Woolton gekauft haben.« Ich verstummte, denn meine Worte wären in dem kollektiven Stöhnen untergegangen, das nun folgte. »Ja, genau«, sagte ich schließlich. »Der Umbau bei den Thompsons hat drei Jahre gedauert, mit Gerüsten, Bohren, Schuttcontainern und Bauarbeitern, die geflucht haben wie die Matrosen. Und wofür? Um sich nach getaner Arbeit zu verdrücken und das Anwesen mit Gewinn zu verkaufen.«
Anfangs hatte Alice Thompson uns alle um den Finger gewickelt. Sie war in den Frauenverein eingetreten und hatte uns erklärt, dass der Ausbau ihres neu erworbenen Landhauses notwendig war, um ihre wachsende Familie unterzubringen. Doch sobald ihr Bauvorhaben genehmigt worden war, ließ sie uns fallen wie eine heiße Kartoffel, kehrte in ihr Haus in London zurück und lieferte uns drei Jahre lang den Bauarbeiten, zahlreichen Behinderungen auf der High Street und Störungen in der Nachbarschaft aus. Für die Thompsons war das Anwesen in Woolton eine rein finanzielle Investition gewesen. Für mich hingegen war jede Investition in Woolton rein emotional.
»Nicht jeder ist wie die Thompsons«, sagte Mrs Lonsdale und brachte eine weitere große Pfanne hinüber zum Tisch.
»Was ist mit dem Pärchen, das das alte Pfarrhaus fürs Wochenende gekauft hat? Die Foleys?«, fragte ich. Sicherlich hatten die Ladys die Streifenwagen nicht vergessen, die mitten in der Nacht aufgetaucht waren, als Mr Foley verhaftet wurde, der im Vollrausch seine Frau krankenhausreif geschlagen hatte.
»Das ist doch schon Jahre her«, sagte Daphne. »Nicht jeder, der woanders als in Woolton aufgewachsen ist, ist ein schlechter Mensch, Darcy. Und wenn du weiter so an dem Messer herumschleifst, ist bald nichts mehr davon übrig.«
»Du hast ja recht, aber trotzdem sollten wir nicht jedem rückhaltlos vertrauen.« Für kurze Zeit hatte ich mich von dem neuen Besitzer faszinieren lassen. War auf sein attraktives Gesicht und das warme Lächeln hereingefallen. Und jetzt kam ich mir vor wie eine Idiotin.
»Glaubst du, dass der neue Besitzer uns weiterhin erlauben wird, den Garten zu besuchen?«, fragte Daphne. »Daran ließe sich gut absehen, wie anpassungsbereit unser gut aussehender Nachbar ist.« Mrs Brookley hatte allen Einwohnern Zutritt zu ihrem Garten gewährt. Tatsächlich war der Rosengarten hinter dem Krocketplatz auf Woolton Hall angelegt worden, nachdem meine Großmutter den Rosengarten von Badsley House gesehen hatte. Ich hoffte, dass er den Dorfbewohnern auch in Zukunft als Inspiration dienen würde.
»Frag ihn doch einfach, wenn du ihm einen Besuch abstattest, Darcy«, sagte Freida.
»Ich soll ihn besuchen?«, fragte ich verwundert, während ich das Messer unter heißem Wasser abspülte, ehe ich es abtrocknete und zurückgab.
»Aber ja, um ihn im Dorf willkommen zu heißen. Wenn du willst, kannst du ihm ja etwas von der Marmelade hier mitbringen«, sagte Mrs Lonsdale.
Nach dem Debakel und den Peinlichkeiten dieses Morgens vor Logan Steeles Türschwelle aufzukreuzen, war so ungefähr das Letzte, das ich wollte. Abgesehen davon könnte er glauben, ich wäre an ihm … interessiert. In romantischer Hinsicht. Vermutlich fraß ihm ohnehin jede Frau, der er begegnete, aus der Hand. Aber nicht ich. An diesem Morgen hatte ich mich von ihm einwickeln lassen, aber das hatte sich bereits erledigt. Dafür hatte der Artikel gesorgt. »Ich werde mich ihm auf keinen Fall auf diese Art aufdrängen. Und angesichts der Tatsache, dass er an das Leben in der Stadt gewöhnt ist, würde er das auch ziemlich merkwürdig finden.«
»Aber so haben es deine Großeltern bei Neuankömmlingen immer gemacht«, sagte Mrs Lonsdale.
Ich seufzte. Sie kannte meine schwachen Punkte. Ich liebte es, die Traditionen und die Geschichte des Dorfes aufrechtzuerhalten – damit es so besonders blieb, wie es immer gewesen war – und das Andenken meiner Großeltern zu ehren. Aber auf keinen Fall würde ich mit einem Glas Marmelade vor Logan Steeles Tür aufkreuzen.
»Weißt du, es würde einfach perfekt passen. Ein reicher, gut aussehender Earl und die Enkelin eines Dukes«, sagte Freida, die offensichtlich auf subtilere Hinweise verzichten wollte. »Dieses Haus braucht mehr Leben.«
»Ein Earl?«, fragte Mrs Lonsdale. »Davon steht nichts in dem Artikel.«
»Nein, aus irgendeinem Grund benutzt er den Titel nicht mehr. Aber wenn du mich fragst, sieht das nach Vorsehung aus, Darcy. Ein Earl zieht bei dir nebenan ein – das kann doch kein Zufall sein«, sagte Freida.
»Heutzutage bedeuten Titel überhaupt nichts«, sagte ich und ignorierte die sechs Augenpaare, die mich musterten. Ich stand auf und schob einen großen Topf auf Freidas Schneidebrett zu. Sie gab die Rhabarberstückchen hinein. »Der Mensch ist wichtig, nicht seine soziale Stellung.« Ich trug den Topf zur Spüle. »Ich finde, wir könnten zur Abwechslung mal über Auroras Liebesleben sprechen.« Auf Woolton schien jedes Treffen des Frauenvereins mit einer Diskussion über mein Liebesleben zu enden. Und jetzt, nachdem mein Bruder, der ewige Junggeselle, endlich geheiratet hatte, kam es mir vor, als tickte die Standuhr im Korridor täglich lauter: Sin-gle, Sin-gle, Sin-gle.
»Ich habe beschlossen, dass ich jemanden aus dem Ausland brauche. Einen Griechen vielleicht. Oder einen Amerikaner«, sagte Aurora und seufzte.
»Seit wann das denn?«, fragte ich.
Sie starrte wehmütig ins Leere wie eine Figur von Tennyson, und ich beschloss, nicht weiter in sie zu dringen.
»Da fällt mir ein«, sagte ich, »wenn Ryder und Scarlett nächsten Monat mit ihren kleinen Räubern hier auftauchen, können wir anfangen, die Sommerparty im Garten zu planen. Also, falls jemand Ideen hat, nur raus damit.«
»Und du fährst diese Woche nach Badsley?«, fragte Freida.
Ich seufzte. »Nein, warum sollte ich?«
»Wir lassen dir ein Extraglas Marmelade hier«, sagte Mrs Lonsdale. »Das ist ein nettes Willkommensgeschenk. Und vielleicht nimmst du auch ein paar Rosen mit – sie sehen wunderbar aus, Darcy. Du kannst ihm ja erzählen, dass deine Großmutter sie nach dem Vorbild des Gartens von Badsley angepflanzt hat.«
Diese Frauen konnten einfach kein Nein akzeptieren.
Eher würde ich eine Mistgabel mitnehmen als einen Strauß von Großmutters Rosen. Dann könnte ich dem Kerl wenigstens drohen, ihn damit aufzuspießen, falls er noch einmal mit dem Hubschrauber über Woolton hinwegflog.
So sehr ich sein Äußeres an diesem Morgen auch bewundert hatte: Seine Moral und seine Haltung waren mir viel wichtiger. Ich hatte mein Leben Woolton Hall und den Traditionen unseres Dorfes gewidmet, und ich würde alles tun, um sicherzustellen, dass der neue Besitzer von Badsley House nichts davon gefährdete.
Endlich hatte ich es geschafft. Meine Großmutter war in das Haus zurückgekehrt, in dem sie aufgewachsen war. Das Haus, das sie für mich aufgegeben hatte. Endlich war ich in der Lage, sie wenigstens teilweise für ihr Opfer zu entschädigen.
Ein Teetablett in der Hand, öffnete ich mit dem Ellbogen die Schiebetür und trat auf die Terrasse hinaus. In den Tagen zuvor hatte ich von zu Hause aus gearbeitet, während wir uns an unser neues Haus gewöhnten. Das hieß, dass mittwochs jetzt Nachmittagstee für mich auf dem Plan stand, obwohl meine Nachmittage normalerweise aus einem Wirbel von Telefonkonferenzen, Meetings und Vorgesprächen bestanden.
»Da bist du ja. Ich dachte schon, du hättest dich verlaufen«, sagte meine Großmutter, als ich das Tablett vor ihr abstellte.
»Ich muss mich erst noch daran gewöhnen.« Meine Großmutter hatte schon als Kind an diesem Ort gelebt, aber für mich galt das nicht. Als ich aufwuchs, hatten wir beide in einem Reihenhaus mit zwei Schlafzimmern gewohnt. Eigentlich war ich ein Mitglied des britischen Adels, aber ich hatte schnell begriffen, dass der Titel mir nicht helfen würde, zu bekommen, was ich zum Aufwachsen brauchte. Und er war absolut keine Garantie für finanziellen Erfolg – dafür brauchte es harte Arbeit und Zielstrebigkeit.
Ich setzte mich und blickte auf die sorgfältig gepflegten Gärten. Das Grundstück, das das Haus unmittelbar umgab, war in verschiedene Bereiche aufgeteilt – ein eingezäunter Bereich voller Kräuter und Gemüse direkt vor der Küche, in Richtung Westen ein Garten, der nur aus Rosen bestand, und drei weitere Abschnitte, die sich laut Aussage des Gärtners in der Farbgebung unterschieden. Es war aber noch zu früh im Jahr, um das zu sehen. Von der Terrasse blickte man auf den Weg hinunter zum Teich und auf einige höher gelegene Blumenbeete. Ich verstand sehr gut, warum meine Großmutter diesen Ort immer geliebt hatte.
»Das Haus ist groß, ich hatte ganz vergessen, wie groß. Du hättest das wirklich nicht tun müssen«, sagte sie kopfschüttelnd. »Du weißt, dass ich in meinem Häuschen absolut zufrieden war.«
»Ich wollte es aber.« Im Grunde hatte ich es nicht nur gewollt, ich musste es einfach tun.
Meine Großmutter seufzte und tätschelte meine Hand. »Aber es war nicht dein Fehler, du musstest nichts in Ordnung bringen.«
»Dieses Haus gehörte dir, und es wurde dir weggenommen. Ich gebe es dir nur zurück – ich bringe etwas für dich in Ordnung, so wie du für mich alles in Ordnung gebracht hast.« Ich hielt das Teesieb über ihre Porzellantasse und goss ihr eine Tasse kräftigen Oolong ein. »Wie dem auch sei«, fuhr ich fort. »Du hast immer gesagt, die größte Stärke des Menschen ist seine Anpassungsfähigkeit. Und darum werden wir uns hier in kürzester Zeit wie zu Hause fühlen.« Ich gab noch einen Schuss Milch in ihre Tasse, mein Tee hingegen blieb schwarz.
»Ja, aber damit meinte ich die Anpassung an widrige Umstände«, erwiderte sie.
Meine Großmutter hatte diesen Ort für mich aufgegeben, ohne sich je darüber zu beschweren, sie hatte es nicht einmal erwähnt.
»Das funktioniert in beide Richtungen, Granny.« Ich hatte mir geschworen, ihr eines Tages die Gärten zurückzugeben, die sie mir als Kind immer in ihren Gutenachtgeschichten beschrieben hatte. Erst als ich größer geworden war und ein altes Album mit Familienfotos durchsah, wurde mir klar, wie sehr sie sie vermisste. Und jetzt hatte sich der Kreis geschlossen. Granny war wieder an dem Ort, den sie für so viele Jahre ihr Zuhause genannt hatte. Eigentlich hatte ich ein Gefühl von Triumph erwartet, aber es war eher die beruhigende Erkenntnis, dass jetzt alles war, wie es sein sollte.
Großmutter drückte mir die Hand. »Es ist immer noch ein wunderschönes Haus, und auch die Gärten sind nach all den Jahren genauso spektakulär wie früher.« Sie ließ mich los und griff nach ihrer Tasse Tee. »Wir haben Glück, dass Mr Fawsley geblieben ist.« Der Gärtner des vorherigen Eigentümers war sehr erfreut gewesen, als ich ihn gefragt hatte, ob er bleiben wollte. Offensichtlich liebte er seine Arbeit.
»Hast du schon irgendwelche Nachbarn kennengelernt?«, fragte ich und dachte an die schlammbedeckte junge Frau zurück, der ich am Sonntag begegnet war. Sie hatte behauptet, sie sei von hier.
»Nein, aber wir sind ja gerade erst angekommen, und wie du weißt, gehe ich nicht mehr so oft vor die Tür.«
»Am anderen Ende des Dorfes habe ich einen Hofladen gesehen. Wenn du willst, fahren wir im Lauf der Woche mal hin.«
»Das ist eine gute Idee, aber du kannst deine Zeit nicht nur mit mir verbringen. Ich will, dass du hier Freunde findest, hörst du?«
Ich lachte leise. »Ja, Granny. Tatsächlich habe ich eine Frau getroffen, als ich am Sonntag die Grundstücksgrenzen abgegangen bin.«
»War es eine Nachbarin?«
»Ich glaube schon. Sie schien sich in der Gegend auszukennen.«
»War sie freundlich?«
Sie war nicht unfreundlich gewesen, schien über meinen Anblick aber weniger erfreut, als ich es erwartet hätte. »Ich glaube, sie war ein bisschen verwirrt. Ihr Pferd wäre fast durchgegangen, als ich näher kam, und sie ist mit dem Gesicht voran in den Matsch gefallen.«
»Du meine Güte. Das Leben hier unterscheidet sich sehr von deinem Leben in London. Bist du sicher, dass du dazu bereit bist?«
Meine Großmutter hatte recht. Nie zuvor hatte ich mich mit jemandem unterhalten müssen, der voller Schlamm war, abgesehen von dem einen Mal damals in Vegas … Der Abend hatte im Chaos geendet, aber geredet wurde dabei nicht besonders viel. Darcy hatte durchaus die Figur zum Schlammcatchen, aber ich war mir nicht sicher, ob sie auch Spaß daran hätte. »Ich werde weiterhin den größten Teil der Woche in London sein. Ich denke, mit dem bisschen Schlamm am Wochenende werde ich schon klarkommen.«
»War sie hübsch?«
Ich zögerte. Ich erinnerte mich an ihr durchnässtes Haar, daran, dass sie sich das schlammige Wasser nicht mit meinem Schal aus dem Gesicht wischen wollte. »Ja, ich glaube schon.« Darcy war zweifellos hübsch – sie war sogar schön. Sie hatte glänzendes dunkelbraunes Haar und eine fantastische Figur, das hatte ich gesehen, ehe sie hinfiel. Aber sie war nicht mein Typ. Sie war viel kleiner als die Frauen, mit denen ich normalerweise schlief. Mit ihren leicht geröteten Wangen und der blassen Haut sah sie aus wie die typische englische Rose. Ihre Figur war zwar phänomenal, entsprach aber nicht dem üblichen, im Fitnessstudio gestählten Typ, den ich bevorzugte, wenn ich eine Frau für eine Nacht suchte. Sie wirkte etwas weicher, und ihr Hintern war ein bisschen größer. Außerdem schien sie weniger auf mich zu stehen, als ich es von Frauen gewohnt war.
Aber sie hatte etwas an sich, das mich anzog und den Wunsch in mir weckte, unser Gespräch fortzusetzen. Ich wusste nicht, ob es das Fremde, Unvertraute an ihr war oder etwas Tiefergehendes, das mich auf ein Wiedersehen und die Gelegenheit hoffen ließ, sie … Mir war nicht klar, was ich wollte. Sie berühren? Mehr mit ihr reden? Zusehen, wie sich ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete und alles in ihrer näheren Umgebung wärmte?
»Ich wette, du bist das Gesprächsthema des ganzen Dorfes. Reich, erfolgreich, gut aussehend und Junggeselle. In dieser Gegend gibt es bestimmt nur wenige Männer wie dich.«
»Ich glaube, da bist du ein bisschen voreingenommen, Granny. Und wie gesagt – um mein Liebesleben musst du dir keine Sorgen machen. Ich komme sehr gut zurecht.«
»Ich rede nicht von Sex«, sagte sie. »Ich wünsche mir, dass du jemanden findest, mit dem du dir ein Leben aufbauen kannst. Wenn ich mal nicht mehr bin –«
»Granny«, unterbrach ich sie. »Bitte, sag so etwas nicht. Du wirst ewig leben, das weißt du doch.«
»Das hoffe ich natürlich, aber ich würde gern sehen, wie du eine Familie gründest. Du wirst auch nicht jünger.«
»Na, jetzt mach aber mal einen Punkt. Ich bin fünfunddreißig.«
»Ganz genau. Du hast lange genug herumgespielt. Allmählich wird es Zeit für etwas Ernstes, mein Junge.«
»Keine Sorge, ich bin schon dabei, hier Wurzeln zu schlagen«, erklärte ich und deutete mit dem Kinn auf die Gärten. Ich verschwendete weder Zeit noch Energie damit, einfach herumzuspielen. Ich beschäftigte mich nie mit Dingen, von denen ich nicht wusste, ob sie funktionieren würden, aber wenn ich mich einmal entschlossen hatte, widmete ich meinem Vorhaben meine ganze Aufmerksamkeit. Diese Vorgehensweise hatte mir eine Menge Geld eingebracht, und genau das war mein Ziel gewesen. Gleichzeitig bedeutete es, dass alles Persönliche mich nur von der Hauptsache ablenkte. Für mich waren Frauen einfach ein Mittel, um Dampf abzulassen. Der Kauf dieses Hauses war die größte persönliche Verpflichtung, die ich je eingegangen war und jemals eingehen würde.
»Also gut, für heute soll es genug sein. Aber lass mich nicht zu lange auf Urenkel warten. Dieses Haus ist wirklich groß genug.«
Urenkel? Dass sie mehr oder weniger regelmäßig mit mir schimpfte, weil ich noch nicht verheiratet war, fand ich schlimm genug. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich mir nicht vorstellen kann, je Kinder zu haben.« Vaterschaft gehörte zu den Dingen, die ich unter allen Umständen vermeiden wollte. Dafür war ich einfach nicht gemacht. Die einzige Familie, die mir etwas bedeutete, die einzige, die ich je haben würde, saß direkt vor mir. »Ich bin mir sicher, dass du mit diesem Garten vollauf beschäftigt sein wirst.«
»Er ist tatsächlich wunderschön«, sagte sie. »Aber nicht schöner als eine Familie.«
Die Kindheit in meiner Familie war alles andere als schön gewesen. Sie war traurig, turbulent und chaotisch, und nichts davon wollte ich wiederholen. »Bist du wirklich damit einverstanden, dass ich auch das Land außer Sichtweite des Hauses nutze?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln. Jenseits der Gärten befanden sich acht Hektar Land, bestehend aus Wäldern und brachliegenden Äckern. Die Stallungen und ihre Umgebung standen schon lange leer und warteten nur darauf, dass ich ihnen frisches Leben einhauchte. Und genau das hatte ich vor.
»Du redest die ganze Zeit von dem Land – seit wann interessierst du dich für so etwas?«
»Ich bin an allem interessiert, das mir Geld einbringt, Granny. Das weißt du doch.«
»So warst du schon immer«, sagte sie. »Ich hoffe, du haderst nicht mehr mit dieser Zeitungsgeschichte.«
Ich stellte meine Tasse ab. »Ich bin niemand, der lange hadert«, antwortete ich. »Ich bin ein Macher.« Ich glaubte nicht an Zeichen aus dem Universum oder die Sternenkonstellationen, aber ich nutzte jeden Zufall, der sich mir bot. Der Artikel in der London Times, in dem ich beschuldigt wurde, jeden Unternehmergeist zu vernichten, indem ich die Zerstörung von Firmen neuen Ideen und Risiken vorzog, war an demselben Tag erschienen, an dem Badsley House zum Verkauf angeboten worden war. Und in mir keimte eine Idee, wie ich Badsley nutzen konnte, um zu beweisen, dass dieser Journalist sich irrte.
»Lass das nicht an dich heran. Es ist nur ein selbstgerechter Journalist, der neidisch ist, weil jemand mit einem ›nutzlosen Titel‹ ein Wirtschaftsimperium aufgebaut hat.
»Ein Imperium wohl kaum«, entgegnete ich.
»Was ist es denn sonst? Du bist fünfunddreißig, und obwohl du mit nichts angefangen hast, zählst du inzwischen zu den reichsten Männern Englands.«
»Aber wie dieser Journalist ganz richtig sagt, erschaffe ich nichts. Tatsächlich habe ich all mein Geld genau mit dem Gegenteil verdient – da haben sie durchaus recht.« Der Artikel war mir unter die Haut gegangen und beschäftigte mich noch immer. Ich konnte es einfach nicht abschütteln. Die Kritik erinnerte mich allzu sehr an das Vermächtnis, das mein Vater hinterlassen hatte – Zerstörung. Und ich hatte mein Leben damit verbracht, allen zu beweisen, dass ich mehr war als der Sohn meines Vaters.
Ich hatte geglaubt, Badsley zu kaufen würde die Leere in mir ausfüllen, die mich manchmal mitten in der Nacht überfiel. Und obwohl ich sehr zufrieden war, meine Großmutter in dieser Umgebung zu sehen, hatte ich nach wie vor den Eindruck, dass etwas fehlte.
»Du hast nichts getan, wofür du dich schämen müsstest. Du hast zahllose Arbeitsplätze gerettet, indem du dafür gesorgt hast, dass Firmen nicht Bankrott machen mussten.«
»Ich habe sie aufgelöst«, stellte ich richtig. »Aber du hast recht, keine der Firmen, die ich gekauft habe, hätte anderweitig überleben können.« Was ich tat, war wertvoll, da hatte meine Großmutter recht. Ich hatte Arbeitsplätze und Renten gerettet und vor allem viel Geld verdient, aber es ließ sich nicht leugnen, dass ich noch nie eine Firma aufgebaut hatte. Ich hatte nur fremde Unternehmen aufgelöst, und ich hoffte, dass sich das ändern würde.
