Earth - Rebellenzeit - Hansjörg Thurn - E-Book

Earth - Rebellenzeit E-Book

Hansjörg Thurn

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Beschreibung

Der dramatische Kampf um die Zukunft der Menschheit ist noch nicht entschieden! Das fulminante Finale der fesselnden Near-Future-Reihe! Die Welt litt wie selten zuvor. Sie hatte vieles überstanden, war in Jahrmillionen mit vielem fertig geworden. Doch jetzt stand sie vor der Prüfung. Die Evolution hatte eine Spezies hervorgebracht, die so vermessen war, eine Maschine zu bauen, die die Steuerung des gesamten Planeten übernehmen sollte. In diesem dritten Band ist der dramatische Kampf um die Zukunft der Menschheit voll entbrannt – doch die Frage, ob die Zukunft verhindert werden kann, bevor sie beginnt, ist noch immer ungeklärt...

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Inhalt

Cover & Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Epilog

Die Personen

Prolog

Wollt ihr kämpfen?

Ja.

Habt ihr Hoffnung?

Nein.

Kapitel 2

Lilian hatte sich selbst verloren – irgendwo zwischen ihren tausendfachen Selbstpräsentationen in den sozialen Netzwerken. So richtig bewusst war ihr das erst im letzten halben Jahr geworden, in den wenigen Monaten, seitdem sie volljährig war. Ihren achtzehnten Geburtstag feierte sie mit einigen hundert Followern, die sie auf den diversen Plattformen hatte und von denen sie nicht einmal die Namen kannte. Für eine Party mit wirklichen Freunden war in ihrem Leben kein Platz. Als ihre Eltern mit Nachdruck versuchten, zumindest ein kleines nachmittägliches Zusammentreffen mit »family & friends«, wie sie es nannten, zu organisieren, brach Lilian darüber einen Streit vom Zaun und blieb so lange hysterisch, bis die Eltern ihr Unterfangen aufgaben. Sie wollte niemanden sehen an ihrem Geburtstag, und sie war sich sicher, dass sie an diesem Tag auch niemanden brauchte. Sie startete ihre Aktivitäten frühmorgens im Netz und loggte sich erst wieder aus, als die Nacht schon weit fortgeschritten war und ihre Augen vor Müdigkeit zufielen. Die Bilder, die sie von sich postete, waren fantastische Gemälde. Sie alle hatten immer das gleiche Motiv: Lilian. Sie verstand es, Bilder von sich zu machen, die so perfekt waren, dass sie sich darauf endlich als die Schönheit sehen konnte, die sie schon immer sein wollte. Ihre Follower auf den sogenannten Sozialen Plattformen waren größtenteils Mädchen, die meisten noch einige Jahre jünger als sie selbst. Sie alle eiferten dem gleichen Ideal nach: ihr Aussehen zu optimieren. Perfekter Körper, perfektes Make-up, perfektes Lächeln. Es war eine ganze Generation, die verstand, worauf es ankam im Leben, fand Lilian. Dass ihre Eltern sie gegen ihren Willen zu diversen Therapeuten brachten, um ihre mutmaßliche Essstörung zu heilen, schrieb Lilian dem Umstand zu, dass ihr Vater und ihre Mutter zu einer Altersschicht gehörten, die das Netz nicht mehr verstanden.

Lilian hatte in den letzten Monaten ihr Abitur hinter sich gebracht. Die schriftlichen Prüfungen waren ihr leichtgefallen, weil es für sie kein Problem war, in einem Raum voller Mitschüler das Wissen abzurufen, das sie sich mit ihrem Fleiß und ihrem Talent angeeignet hatte. Doch die mündliche Prüfung stellte sich für sie als Horrortrip dar. Dass sie allein vor ihren Lehrern stehen musste und nach etwas gefragt wurde, das in dieser Situation in ihrem Gehirn unauffindbar war, übertraf alles, was sie bisher in ihrem Leben an Stress kennengelernt hatte. So etwas wollte sie niemals wieder erleben müssen. Das hatte sie sich an diesem Tag geschworen. Am Abend brach sie dann in Tränen aus, weil ihr erstmals richtig klar geworden war, dass ihr nicht nur die Fähigkeit fehlte, selbstbewusst in einer Prüfung zu sprechen, sondern dass sie im Grunde genommen überhaupt keine Stimme hatte, um irgendetwas von Belang zu sagen – weder einem ihrer Lehrer noch überhaupt sonst jemandem. Lilian war ein kluges Mädchen, und sie wusste, dass jemand ohne eigene Stimme wohl kaum seinen Platz in dieser Welt finden würde. Sie weinte in dieser Nacht bis zur Erschöpfung. Als endlich der Morgen graute, spürte sie, dass der einzige Ort, an dem sie Trost und Beachtung finden konnte, das Netz war. Hier konnte sie schön, begehrenswert und vielfältig sein, hier war der Platz, den das Leben für sie vorgesehen hatte. Die Welt draußen war krank und wenig attraktiv. Die Menschen hatten ihre Welt selbst zugrunde gerichtet, das sagte sogar ihr Vater, obwohl er sonst immer darauf bestand, optimistisch zu bleiben.

 

An diesem Morgen ging sie durch den Park und hielt wie immer den Kopf gesenkt. Sie wollte nicht, dass irgendwer sie von ihrem Profil auf Instagram, Snapchat oder Twitter wiedererkannte und feststellte, wie wenig attraktiv sie in Wirklichkeit war, verglichen mit den Bildern, die sie im Netz von sich postete.

»Hey, Bitch.« Als sie ihn hörte, war er bereits wenige Schritte hinter ihr. Zusammen mit zwei anderen Jungs, die sofort loslachten und nach einer peinlichen Konfrontation gierten.

»Kannst du nicht mehr hochgucken, Bitch?«, sagte Jan Hellmann und kam noch näher an sie heran, sodass sie seinen Atem in ihrem Nacken spürte. Lilian überlegte kurz, ob sie flüchten sollte, aber sie verwarf den Gedanken wieder. Sie hatte in den letzten Tagen kaum etwas gegessen, um ihre Figur für eine neue Instagram-Story zu optimieren, und einem Wettlauf mit den drei Typen würde sie kaum standhalten.

»Was gibt’s, Arschloch?«, sagte sie stattdessen, und wieder lachten die beiden Freunde von Jan Hellmann in der Hoffnung auf einen baldigen Showdown.

»Wann machen wir weiter?«, bohrte Jan Hellmann nach, »ich meine, wann machen wir da weiter, wo du aufgehört hast?«

Wieder ein Lachen von den beiden hirnlosen Idioten an Jan Hellmanns Seite. Offenbar waren sie eingeweiht und wussten Bescheid. Die Frage spielte an auf die Nacht vor drei Tagen, als Lilian in Jan Hellmanns Bett gelegen hatte. Sie war geflüchtet, bevor es ernst geworden war, und darauf spielte Jan Hellmann jetzt an. Was jedoch der wahre Grund dafür war, dass Lilian sich überhaupt auf einen Primaten wie ihn eingelassen hatte, davon hatte er keine Ahnung.

Im Grunde genommen wäre Lilian niemals freiwillig mit einem Jungen ins Bett gegangen. Sie fand, dass ihre Brüste zu klein und zu asymmetrisch waren, und ihre Taille hatte noch immer zu viel Fett, obwohl die Rippenbögen bereits unschön hervorstanden. Diesen Anblick wollte sie nie und nimmer einem Jungen zumuten. Doch dann erfuhr sie diese Sache von Jan Hellmann, die sie nicht mehr losließ. Genau genommen, ging es gar nicht um ihn, sondern um seine Eltern, aber um an weitere Informationen zu kommen, führte der Weg zwangsläufig über diesen 19-jährigen Idioten, dessen Vorderzähne sich erfolgreich gegen den Einsatz von Zahnspangen gewehrt hatten. Lilian hörte zum ersten Mal davon, als Hellmann lautstark vor seinen Freunden damit prahlte, dass seine Eltern in ein geheimes Betatester-Programm von Tantalos aufgenommen wurden, mit dem man etwas über seine eigene Zukunft erfahren konnte. Von da an ließ dieser Gedanke Lilian nicht mehr los. Sie hielt sich für ein Mädchen, das keine Zukunft hatte, und wenn es eine Möglichkeit gab, um sich darüber Gewissheit zu verschaffen, dann musste sie das wissen. Aber um ernsthaft etwas von einem Jungen erfahren zu können, musste man mit ihm ins Bett. Das wusste so ziemlich jedes Mädchen in ihrem Alter.

Sie gab sich erst gar keine Mühe, mit Jan Hellmann zu flirten. Sie hätte auch überhaupt nicht gewusst, wie sie das anstellen sollte. Stattdessen passte sie ihn ab, als er allein durch den Park streunte, stellte sich vor ihn hin und sagte, dass sie es mit ihm machen wollte. Erst bleckte Jan Hellmann seine schiefen Vorderzähne zu einem blöden Grinsen, dann fragte er, ob sie ihn verarschen wollte. Lilian blieb ernst und verneinte. Daraufhin verabredeten sie sich für einen Abend, an dem die Primaten-Eltern von Jan Hellmann zum Bowling gingen und er eine sturmfreie Bude hatte. Lilian schaute sich zuvor noch ein paar Pornos an, um nicht allzu viele Fehler zu machen, doch dann merkte sie, dass das größte Hindernis auf dem Weg zu Jan Hellmanns Penis dessen mangelnde Hygiene war. Sie tat jedenfalls ihr Bestes, als sie sich über ihn beugte und ihre Haare zur Seite strich, so wie sie es bei den Frauen in den Pornofilmen gesehen hatte, und musste unwillkürlich an den säuerlichen Geschmack von Erbrochenem denken, an den sie sich ja auch irgendwann gewöhnt hatte, seit sie ihre Mahlzeiten regelmäßig in die Kloschüssel zurückführte. Nach einigen Minuten hörte sie auf und machte mit der Hand weiter, um endlich die Fragen stellen zu können, derentwegen sie hier war. Sie erfuhr, dass Jan Hellmanns Eltern vor gut einem Monat einen Anruf bekommen hatten und gefragt worden waren, ob sie an einem Programm teilnehmen möchten, das ihnen errechnen könnte, wie sich ihr jeweiliges Handeln auf ihre eigene Zukunft im Jahre 2045 auswirken würde. Jan Hellmanns Vater glaubte zunächst an einen Telefonscherz und verlangte einen Beweis für die Seriosität des Angebots. Daraufhin wurde ihm freigestellt, die deutsche Filiale des Tantalos-Projekts anzurufen, um sich dessen zu vergewissern. Nach kurzem Überlegen machte er genau das und wurde über das Verfahren und dessen Zielsetzung aufgeklärt, und bereits am nächsten Tag gehörten Jan Hellmanns Eltern zu den weltweit eine Million Betatestern. Sie sollten für Tantalos herausfinden, ob Menschen ihr Sozialverhalten verbesserten, wenn sie wussten, welche Auswirkungen ihr Handeln auf die eigene Zukunft haben würde. Soweit plauderte Jan Hellmann freiwillig, während sich Lilian mit ihrer Hand abmühte. Dann schien ihm die Hand nicht mehr zu genügen. Er drehte Lilian um und begann, ihr die Hose herunterzuzerren. Das war der Moment, als sie die Flucht ergriff, obwohl sie gerne noch mehr erfahren hätte.

»Wie wär’s, wenn du’s mal mit uns dreien machst, Bitch?«, setzte Jan Hellmann nun im Park nach.

»Wie wär’s, wenn ihr’s euch gegenseitig macht?«, schoss Lilian zurück. »Ihr könnt auf eure Ärsche zwei Augen malen, dann merkt ihr den Unterschied zu euren hässlichen Fressen gar nicht.«

Im selben Moment explodierten ein paar tausend Sterne vor ihren Augen. Jan Hellmann hatte ihr ansatzlos mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Lilian wurde förmlich vom Boden gehoben und ins Gras geschleudert. Ihre Welt schwankte für einen Moment. Während sie sich hochrappelte und versuchte, ihr Gleichgewicht wiederzufinden, sah Lilian nur noch, wie Jan Hellmann und die beiden anderen lachend davonliefen. Dann sah sie das Blut, das ins Gras und auf ihr T-Shirt tropfte. Der Primat hatte anscheinend ihre Unterlippe ziemlich übel getroffen. Sie tat daraufhin das, was sie in den letzten achtzehn Jahren fast immer bei solchen Anlässen getan hatte. Sie ging zu ihrem Vater, um sich bei ihm Trost zu holen. Und um sich wieder zusammenflicken zu lassen.

Kurze Zeit später traf sie an der Uniklinik auf der Station ihres Vaters ein. Sie hatte ein Papiertaschentuch auf die angeschwollene Lippe gedrückt, um die Blutung zu stoppen. Eine Krankenschwester wollte sie abfangen und ihre Wunde versorgen, doch Lilian wehrte ab und sagte, dass sie zu ihrem Vater müsste. Sie fand ihn mit der Neuaufnahme einer Patientin beschäftigt, die soeben eingeliefert worden war. Professor Dr. Roermond, ihr Vater, erblickte Lilian, verzog nur gequält das Gesicht beim Anblick ihrer Lippe und wendete sich sofort wieder seiner Patientin zu. Eine weitere Krankenschwester wollte Lilian mit strengem Blick aufhalten, doch sie marschierte einfach durch bis zu ihrem Vater.

»Hast du mal kurz Zeit?«, fragte sie, aber dann verstummte sie. Die Patientin, die bleich und schwach vor ihrem Vater im Bett lag, war Lilian als Bild im Netzwerk Rise schon tausendfach begegnet. Es war Brit, die legendäre Amazone der Rebellenbewegung Earth – die Frau, die Lilian mehr bewundert als alles andere.

 

»Was hat er gesagt?«, war das Erste, was Khaled wissen wollte, nachdem man ihn wieder zu Brit gelassen hatte.

»Mach dir nicht solche Sorgen«, antwortete sie und strich mit der Hand sanft über sein Gesicht. Er fasste ihre Hand und hielt sie fest.

»Was hat er gesagt?«

»Dass ich hier in einer der besten Kliniken Europas bin. Und dass sie für mich alles tun werden, was sie können.«

»Das ist keine Antwort! Was wird er tun, um dir zu helfen?«

»Soweit sind sie noch nicht. Ich bin doch gerade erst angekommen. Dr. Roermond will sich erst mit den bisherigen Untersuchungsergebnissen befassen und dann entscheiden, ob er hier auch noch ein MRT machen will.«

»Ich denke, er ist ein Spezialist für Herzen … Wieso kann er dann keine Einschätzung geben auf der Basis von all den Untersuchungen, die schon an dir gemacht wurden?«

»Khaled …«

Sie zog ihn zu sich, weil sie wusste, dass nur das ihn beruhigen konnte. Er atmete flach und schnell, und sein Körper bebte heftig.

»Sie müssen doch etwas tun können …«, weiter kam er nicht, denn dann fuhr sie sanft mit den Fingern über seinen Mund.

»Ein wirksames Medikament wird erst in drei Jahren erfunden werden«, sagte Brit sanft in einem Tonfall, als habe sie sich bereits mit dem Unabänderlichen abgefunden.

»Ich will nicht, dass du so redest, Brit, bitte.«

»Elias hat es mir gesagt.«

»Bitte, Brit!«

Khaled wollte es nicht hören, wenn Brit behauptete, dass sie wieder Kontakt zu Elias hatte.

»Was tun wir jetzt?«, fragte Khaled.

»Jetzt warten wir ab, was die Ärzte unserer Zeit an meinem Herzen reparieren können.«

»Du glaubst nicht daran. Das höre ich doch.«

»Unser Leben ist endlich, Khaled«, meinte sie und sah ihn dabei unbeirrt an. »Daran können du und ich nichts ändern. Aber ich glaube fest, dass ich noch etwas zu tun habe, bevor ich gehe.«

»Hat Elias dir das gesagt?«, fragte er mit bitterem Ton.

»Es gibt einen Mann, der sehr wichtig ist, um die Rebellen in der Zukunft zu unterstützen. Aber er hat seine Gedanken noch nicht dafür geformt. Er weiß noch nicht, was er tun muss.«

Jetzt machte sich Khaled erstmals aus ihrer Umarmung frei und sah sie wieder an. In seinem Blick lag wieder jener Ausdruck, der ihr sagte, dass er sie für übergeschnappt hielt.

»Von wem redest du?«

»Es ist ein Finanzier aus Paris. Er heißt Lasalle.«

»Lasalle? – Frederic Lasalle?«

Brit nickte. Und dann erzählte sie ihm von den Briefen, die sie in den letzten Monaten an Lasalle geschrieben hatte. Die ersten waren anonym. Später unterschrieb sie dann mit der Nummer eines Postfachs, das sie eigens dafür in einer kleinen Poststation im Nachbarstädtchen am Müggelsee angelegt hatte. Elias hatte ihr aufgetragen, Lasalle die Bedeutung des Widerstands zu erläutern, und Brit war seinem Wunsch nachgekommen. Vor drei Wochen hatte dann erstmals ein Antwortbrief in dem Postfach gelegen. Brit trug ihn seither bei sich wie eine Trophäe. Nun zog sie ihn zwischen ihren persönlichen Dingen hervor und präsentierte ihn Khaled. Die Antwort von Lasalle bestand aus zwei Zeilen, die Khaled augenblicklich Sorge bereiteten:

»Ich hege große Sympathie für das, was Sie mir schreiben. Grüßen Sie Ihren Mann. – F. L.«