Ein Buchclub zum Verlieben - Marte Cormann - E-Book
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Ein Buchclub zum Verlieben E-Book

Marte Cormann

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Beschreibung

Fünf Freundinnen, ein Traum, eine geniale Idee: Der heitere Sommerroman »Ein Buchclub zum Verlieben« von Marte Cormann jetzt als eBook bei dotbooks. Ein grundsolider, wenn auch dezent langweiliger Ehemann, ein gemeinsames Haus, ein mehr oder weniger wohlgeratener Sohn – alles schön und gut, aber war's das schon? Nein! Dorothe will sich endlich ihren Traum erfüllen und einen Krimi schreiben – doch wer wird das Opfer, wer soll der Mörder sein? Beim Sektfrühstück mit ihren Freundinnen kommt den fünf Frauen die beste Idee des Sommers: Jede der Freundinnen soll ein Kapitel beisteuern! Sie alle werden sich, Woche für Woche, ein neues Opfer aussuchen – natürlich jemand, den sie kennen. Ein Kapitel über den vorzeitigen Exitus des untreuen Gatten, ein weiteres über den fahnenflüchtigen Kindsvater, eines über die grausige Schwiegermutter … Und selbst, wenn daraus kein Bestseller werden sollte –dieser Plan wird das Leben der fünf Freundinnen auf ungeahnte Weise für immer verändern! Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die ebenso schwungvolle lebenskluge Komödie »Ein Buchclub zum Verlieben« von Marte Cormann. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 286

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Über dieses Buch:

Ein grundsolider, wenn auch dezent langweiliger Ehemann, ein gemeinsames Haus, ein mehr oder weniger wohlgeratener Sohn – alles schön und gut, aber war's das schon? Nein! Dorothe will sich endlich ihren Traum erfüllen und einen Krimi schreiben – doch wer wird das Opfer, wer soll der Mörder sein? Beim Sektfrühstück mit ihren Freundinnen kommt den fünf Frauen die beste Idee des Sommers: Jede der Freundinnen soll ein Kapitel beisteuern! Sie alle werden sich, Woche für Woche, ein neues Opfer aussuchen – natürlich jemand, den sie kennen. Ein Kapitel über den vorzeitigen Exitus des untreuen Gatten, ein weiteres über den fahnenflüchtigen Kindsvater, eines über die grausige Schwiegermutter … Und selbst, wenn daraus kein Bestseller werden sollte –dieser Plan wird das Leben der fünf Freundinnen auf ungeahnte Weise für immer verändern!

Über die Autorin:

Marte Cormann, geboren 1956 in Düsseldorf, begann neben ihrer Karriere als Verwaltungswirtin schon 1993 mit dem Schreiben von Romanen und Drehbüchern. Ihr erster Roman, »Ein Buchclub zum Verlieben«, wurde erfolgreich für das ZDF verfilmt.

Die Autorin im Internet: www.martecormann.de.

Marte Cormann veröffentlichte bei dotbooks bereits die folgenden Romane:»Cappuccinoküsse«»Glückswolkenträume«»Frühlingsblütenherzen«»Sommerglück und Liebeszauber«»Sommerregenzauber«»Liebeszauber à la Carte«

Daneben veröffentlichte sie einen Sammelband mit schwarzhumorigen Kurz-Krimis:»Bis der Tod euch scheidet«

Unter dem Pseudonym Liza Kent veröffentlichte sie auch den Roman »Die Liebe der Zeitenwanderin«.

***

Aktualisierte eBook-Neuausgabe Juni 2020

Dieses Buch erschien bereits 1996 unter dem Titel »Der Club der grünen Witwen« im Heyne Verlag, München

Copyright © der Originalausgabe 1996 Heyne Verlag, München

Copyright © der aktualisierten Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Olga_Ionina / VICUSCHKA / Floral Deco

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)

ISBN 978-3-96148-826-1

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

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***

Besuchen Sie uns im Internet:

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Marte Cormann

Ein Buchclub zum Verlieben

Roman

dotbooks.

Ich danke allen, und besonders meinem Mann Herbert, den dieses Buch viele Stunden kostbaren Schlafs gekostet hat. Und ich danke Petra Neumann, deren Faxgerät vierzehn Tage lang wirklich heißgelaufen ist.

Der vorliegende Roman ist frei erfunden. Ähnlichkeiten und Namen mit lebenden und verstorbenen Personen sind daher rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Kapitel 1

»Mit fünfundvierzig leg’ ich erst richtig los! Merk dir das!«

»Aber Celluliteschenkel und Tigerhöschen passen garantiert nicht zusammen. Und deine Idee mit dem Afrikanischen Tanz finde ich auch albern. Bietet die Volkshochschule denn keine vernünftigen Gymnastikkurse an?«

Die Stimmung im Hause Riemer an diesem Montagmorgen war einfach großartig: Mutter Riemer schäumte vor Wut, und Tochter Kerstin fühlte sich unverstanden. Mit anklagend ausgestrecktem Zeigefinger und angewidert nach unten verzogenen Mundwinkeln deutete Kerstin auf den Stein des Anstoßes, einen tigerfellgemusterten Sportanzug der Größe 42.

»Ich kann mir gut vorstellen, was die Leute reden, wenn sie dich mit diesem hochgezogenen Beinausschnitt sehen. Bei deinen Oberschenkeln!« Ihr herablassender Ton brannte wie Salz in Helgas angekratztem Selbstbewusstsein.

»Jetzt hör mir mal gut zu, du freche Göre: Heutzutage steht eine Frau mit fünfundvierzig auf dem Höhepunkt ihres Lebens! Und was ist schon dabei, wenn meine Oberschenkel nicht mehr ganz so straff sind wie vor zwanzig Jahren. Dafür habe ich jetzt eindeutig die größere Erfahrung!«

»Fragt sich bloß, worin«, entgegnete Kerstin schnippisch. Und weg war sie. Ab Richtung Köln, wo sie im zweiten Semester Jura studierte.

Kerstins plötzlicher Abgang ließ Helgas Wut wie ein in Zugluft geratenes Soufflé in sich zusammenfallen. Sie stürzte zum Fenster und riss es auf: »Ruf an, wenn du in Köln angekommen bist.«

Statt einer Antwort streckte Kerstin nur den Arm zum Fenster ihres roten Golfs heraus und winkte. Dann bog sie nach links in die Stormstraße ein und war den Blicken ihrer Mutter entschwunden. Seufzend schloss Helga das Fenster. Während sie die rosarote Übergardine sorgfältig drapierte, bemerkte sie eine Bewegung im gegenüberliegenden Garten.

Pohlmann, stellte Helga grimmig fest. Wer weiß, was er von der Riemerschen Familienszene alles mitbekommen hatte. Von allen Bewohnern der Schillerstraße musste ausgerechnet er direkt gegenüber wohnen! Sommer wie Winter, tagein, tagaus hockte er seit dem Tod seiner Frau dort drüben hinter dem Panoramafenster und starrte hinaus. Kein Türenschlagen, kein lautes Wort entging ihm. Das Leben seiner Nachbarn spielte sich unter seinen wachsamen Blicken ab. Dabei war er weder boshaft, noch klatschsüchtig. Er war schlichtweg neugierig. Aber das machte ihn nicht weniger lästig.

Achselzuckend wandte Helga sich ab. Wurde man im Alter so? War das der Platz, den die Gesellschaft, die eigene Familie einem am Ende zuwies? Wer weiß, wann sie selbst als Zuschauerin hinter einer Glasscheibe enden würde? Wenn es nach Kerstin ging, ließ dieser Augenblick nicht mehr allzu lange auf sich warten. Sie schämte sich ja jetzt bereits für ihre Mutter. Nur weil diese mit fünfundvierzig Jahren in einem getigerten Sporttrikot etwas für die Fitness tun wollte.

Und wenn schon. Helga jedenfalls gefiel das geschmähte »Tigerhöschen«. Sie hätte es im Übrigen nie übers Herz gebracht, diesen wundervollen Anzug aus garantiert atmungsaktivem Material im Geschäft zurückzulassen. Zumal er auf die Hälfte seines ursprünglichen Preises herabgesetzt war. Ein Frustkauf, zugegeben. Aber hübsch und sexy.

Ihr Frust an jenem Tag war wirklich grenzenlos gewesen. Wolfgang hatte ihren Hochzeitstag vergessen, den letzten Hochzeitstag vor der Silberhochzeit im nächsten Jahr! Immer hatte er nur seine Arbeit im Kopf. Für sie hatte er seit Jahren kaum mehr einen Blick übrig. Sie könnte nackt vor ihm herumspazieren, es würde ihm nicht auffallen. Nein, sie müsste sich schon ein Dollarzeichen auf die Stirn brennen lassen, um seine Aufmerksamkeit für einen kurzen Augenblick zu erhaschen.

Und wie hoffnungsvoll hatte ihre Ehe begonnen! Freudestrahlend hatte sie ihren Job als seine Sekretärin gegen die Rolle der »Nur-Hausfrau-und-Mutter« eingetauscht. Und wie wurde es ihr gelohnt? Der Geliebte mutierte immer mehr zum sprachlosen Ehemann, und das süße Töchterlein verwandelte sich mit den Jahren zum funkensprühenden Monster. Dennoch schaffte Helga es, Kerstins pubertären Ausfällen auch eine positive Seite abzugewinnen. Immerhin lenkten sie auf wunderbare Weise von ihrem tristen Ehealltag ab. Seitdem Kerstin ihr Studium in Köln aufgenommen hatte und dort auch wohnte, entspannte sich die Lage zwischen Mutter und Tochter zunehmend. Dank der räumlichen Trennung. Doch wehe, wenn Kerstin zum Wäschewechseln wieder einmal nach Hause kam. Dann flogen schnell die Fetzen. So wie heute.

War es ein Wunder, dass Helga sich nach Abwechslung und Streicheleinheiten sehnte? Die Werbungsbeilage im Stadtanzeiger war ihr ein echter Wink des Himmels gewesen. Entdecken Sie durch Afrikanischen Tanz Ihre Lebensfreude und Vitalität neu! Treten Sie durch den Tanz in Kontakt zu Ihrer eigenen Natürlichkeit! Erleben Sie ein ganz neues Körpergefühl! Nichts lieber als das. Denn wenn Helga etwas in ihrem Leben seit langem vermisste, dann waren das Lebensfreude und Vitalität. Das, was man Körpergefühl nannte, war ihr im letzten Jahrzehnt ihrer Ehe sowieso komplett abhanden gekommen. Und an ihre »eigene Natürlichkeit« konnte sie sich auch kaum noch erinnern.

Verflixt, schon 9.15 Uhr. Helga tauchte aus ihren Gedanken auf. Um zehn war sie mit ihren Freundinnen verabredet. Der einzige Lichtblick der Woche. Bis dahin musste sie sich herausgeputzt haben. Das war sie sich und den anderen schuldig. Zwei Stufen auf einmal nehmend, stürmte sie die Treppe hinauf in den ersten Stock. Total außer Atem blieb sie vor dem Spiegel im Schlafzimmer stehen. Ich muss vorsichtiger sein, schalt sie sich selbst. Sonst passiert wieder ein Unfall! Im letzten Jahr war sie bei einer ähnlichen Aktion die Kellertreppe heruntergestürzt und hatte dort unten schmerzgepeinigt auf Hilfe warten müssen. Wäre nicht zufällig ihre Freundin Lou vorbeigekommen und hätte sie gefunden – wer weiß, vielleicht läge sie heute noch dort. Wahrscheinlich hätte auch Wolfgang irgendwann einmal nach ihr gesucht. Spätestens, wenn das Brot zum Frühstück ausgegangen wäre. Oder ihm niemand zur gewohnten Stunde den Kaffee aufgebrüht hätte. Wolfgang konnte schlampiges Personal nicht leiden. Und viel mehr als eine billige Haushaltskraft sah er ja nicht in ihr. Ihr entfuhr ein Stoßseufzer, zum zweiten Mal an diesem Morgen.

Helga schlüpfte aus ihrem verwaschenen Trainingsanzug und ließ ihn achtlos auf dem Boden liegen. Sie betrachtete sich kritisch im Spiegel. Rubens hätte bestimmt seine helle Freude an ihr gehabt. Üppig quellendes Fleisch in wohlgerundeten Formen und eine Oberweite, die zum Verweilen einlud. Alles nicht mehr ganz so straff wie vor zwanzig Jahren, aber immerhin. Und dazu schwarze, kugelrunde Augen und dichtes, braunes Haar. Der kinnlange Haarschnitt ein wenig zu modisch und die Haut ein wenig zu gebräunt für Rubens. Der war ja mehr auf alabasterfarbene Unschuld abgefahren. Oder war es Lüsternheit? In ihrem Fall spielte das eigentlich keine Rolle, denn Wolfgang war nicht Rubens und sah sie auch schon lange nicht mehr an.

Celluliteschenkel? Helga konnte Kerstins Bemerkung nur als boshaft einstufen. Als ausgesprochen boshaft sogar. Ihre Beine waren von jeher Helgas ganzer Stolz gewesen. Und auch heute noch, mit fünfundvierzig stellten sie einen besonders attraktiven Teil ihres Körpers dar. Vielleicht waren die Oberschenkel eine Spur zu kräftig geraten, doch ihre wohlgeformten Waden mit den schlanken Fesseln machten dies bei weitem wieder wett. Immerhin war sie beim Abschlussball auf der Schule zur »Miss Strumpfhalter« gewählt worden. Eine Ehrung, die ihre Eltern im Übrigen nur halb so schmeichelhaft gefunden hatten wie Helga selbst.

Nein, von Cellulite keine Spur. Und das beanstandete Tigertrikot würde ihr phantastisch zur Figur stehen.

Laut summend stieg Helga unter die Dusche, um kurz darauf appetitlich nach Duschgel duftend den Badezimmerläufer vollzutropfen. Sie freute sich wirklich auf das Treffen mit Lou und den anderen.

Verflixt, schon zehn vor zehn. Sie musste sich beeilen. Rein in ein frisches Baumwollhöschen, den pastellgrünen Popelineoverall übergestreift, rein in die schwarzen Pumps mit den schwindelerregend hohen Absätzen. Creme ins Gesicht, Make-up drüber, das Ganze mit Puder überstäubt. Schwarzer Lidstrich, schwarze Wimperntusche, papayaroter Lippenstift. Nicht übel. Nun noch Gel in die feuchten Haare und flott durchgekämmt. Fertig. Denkste! BH vergessen. Unmöglich für eine Frau ihres Alters und ihrer Oberweite. Also Popelineoverall bis zur Taille wieder öffnen, herausschälen, Oberteil mit dem Ellenbogen auf Hüfthöhe festklemmen, irgendwie den BH festdröseln. Fertig. Jetzt aber wirklich.

Punkt zehn Uhr öffnete Helga Riemer die Haustür von Schillerstraße Nr. 10 und trat in ihren gepflegten Vorgarten hinaus.

»Guten Morgen, Helga! Schöner Tag heute!«

Liliane Junker aus Haus Nr.12 winkte fröhlich herüber.

»Wunderbar, genau das richtige Wetter, um endlich die Kirschen zu pflücken. Die Zweige biegen sich in diesem Jahr schon bis zum Boden. Sieh mal, heute ist sogar Elli pünktlich. Huhu, Elli. Ausgeschlafen?«

Elli Thomsen aus Nr. 8 nahm die Bemerkung nicht übel. Es war tatsächlich bereits vorgekommen, dass sie das montägliche Frühstückstreffen einfach verschlafen hatte. Als alleinlebende Witwe mit Kabelanschluss machte sie regelmäßig die Nacht zum Tage und war vor dem Mittag nur schwer wach zu bekommen.

Aber heute Morgen wirkte sie frisch und ausgeruht, als sie in ihren flachen Lederballerinas und dem für sie typischen zeltähnlichen Kaftan auf Helga und Liliane zugerollt kam. In allerbester Laune winkte sie zu Pohlmann hinüber, der vor Überraschung zurückzuckte und nur zögernd die Hand hob.

Elli hakte sich bei Helga und Liliane unter.

»Na, dann los. Auf zum Höhepunkt der Woche. Mal sehen, was die gute Dorothee uns heute wieder Nettes auftischt. Ich jedenfalls habe einen Riesenhunger!«

Liliane grinste anzüglich: »Wie sagt man so schön? Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Ihr beiden seid die besten Beispiele für diese Weisheit.«

»Besser auf Fett schwabbeln, als auf Rippen rappeln!« konterte Elli mit hämischem Blick auf Lilianes schmale Gestalt.

»Die Axt im Haus erspart die Nachbarinnen«, fiel Helga mit unbeweglicher Miene ein. Doch als sie in Ellis und Lilianes verblüffte Mienen sah, prustete sie los. Kichernd wie die Teenager erreichten sie das Haus von Gerhard und Dorothee Drees.

»Nur gut, dass wir zu dieser Tageszeit die Straße ganz für uns alleine haben. Da brauchen sich unsere Männer und Kinder wenigstens nicht für unser ungebührliches Betragen zu schämen«, bemerkte Liliane spitz, während sie auf den Klingelknopf drückte.

Elli und Helga zwinkerten sich zu. »Zu früh gefreut, meine Liebe. Pohlmann sieht und hört alles.« Rasch folgten sie Dorothee ins Haus.

Kapitel 2

»Oh, ist mir schlecht!« Wie ein Häufchen Elend lag Liliane in ihrem Liegestuhl, eine Hand auf den Bauch gepresst, die andere mit dem Handteller nach oben auf der Stirn. Pose einer großen Leidenden, die jeder Staatsschauspielerin zur Ehre gereicht hätte. Nur mit dem winzigen Schönheitsfehler, dass Liliane wirklich litt. Auch ihr Make-up konnte die geisterhafte Blässe nicht verbergen. Winzige Schweißtropfen perlten auf Stirn und Haaransatz.

Als besorgte Gastgeberin musste Dorothee sich eingestehen, dass sie Liliane noch nie so aufgelöst gesehen hatte. Ihre Freundin gehörte zu den Frauen, die sich auch in allergrößten Krisensituationen um Haltung bemühten. Jedenfalls der Form nach. Stets war sie elegant und modisch gekleidet. Noch nie hatte man sie mit einem schiefen Rocksaum angetroffen, geschweige denn mit einer Laufmasche in den Nylons. Ihr Hochzeitskleid, Größe 36, passte ihr noch wie am schönsten Tag ihres Lebens, und trotz ihrer siebenundvierzig Jahre war in ihren weißblonden Haaren kein einziges graues zu entdecken. Was allerdings für die Qualität ihres Friseurs sprach. Vielleicht hätte man Liliane sogar als Dame im altmodischen Sinne des Wortes bezeichnen können, wenn sie ihre Umwelt nicht gelegentlich durch ein eher ausgefallenes Mienenspiel verblüfft hätte. Ihr Gesicht schien ständig in Bewegung: Stirnrunzeln, hochgezogene Augenbrauen, hängende Mundwinkel, angewidert gekrauste Nase, und dann plötzlich ein strahlendes Lächeln, wie es jeder Zahnpastawerbung zur Ehre gereicht hätte. Kein Wunder, dass tiefe Mimikfalten sich in ihr Gesicht eingegraben hatten.

Doch jetzt und hier wirkte ihr Zustand einfach besorgniserregend.

Dorothee, daran gewöhnt, sich für alle Wechselfälle des Lebens verantwortlich zu fühlen, begann sofort nach dem Schuldigen zu suchen. »Hoffentlich war der Fisch nicht schlecht! Bei der Hitze kann man ja nie wissen.«

»Ach, du meine Güte, meinst du wirklich?« Lous Hand fuhr entsetzt an ihre Kehle, so als könnte sie den letzten Bissen noch daran hindern, hinab in den Magen zu wandern.

Doch augenblicklich beruhigte sie sich selbst. »Kann gar nicht sein«, behauptete sie im Brustton tiefster Überzeugung. »Verdorbener Fisch stinkt, doch ich habe nichts gerochen. Und außerdem müsste uns dann allen schlecht sein.«

Herzerweichendes Stöhnen, das der sonst so dickfelligen Elli kalte Gänseschauer über den Rücken trieb.

»Vielleicht hat sie sich ein Virus gefangen. Gestern Nachmittag beim Metzger erzählte die Bedienung, dass sie zwei Tage Durchfall gehabt hätte. Und oben wäre ihr auch alles herausgekommen.« Vor lauter Mitgefühl legte sich Ellis Gesicht jetzt noch in Falten.

»Iiih! Da hängen Dutzende Würste und Schweinskarbonaden am Haken und ihr unterhaltet euch über Durchfall und Erbrechen? Das ist ja ekelig. Ich hätte auf der Stelle den Laden verlassen.« Helga schüttelte sich und tastete unwillkürlich mit der Hand über ihre Oberlippe. »Morgen hab’ ich bestimmt wieder Herpes.«

Elli warf ihr einen erstaunten Blick zu. »Ich wusste gar nicht, dass du so empfindlich bist.«

»Empfindlich und empfindsam. Beide Eigenschaften machen mir mitunter schwer zu schaffen.« Bevor Helga das näher ausführen konnte, wälzte Liliane sich erneut herum.

Das war zuviel für Lou. »Ihr seid wirklich schöne Freundinnen. Liliane krümmt sich vor Schmerzen, und ihr beginnt zu philosophieren. Hat denn niemand Riechsalz dabei? Sie ist ja schon ganz grün im Gesicht.«

»Bitte die Tabletten aus meiner Handtasche. Die in dem Röhrchen!« flehte Liliane wie auf’s Stichwort.

Froh, endlich etwas tun zu können, sprangen alle wie auf Kommando auf. Und setzten sich wieder, als Dorothee energisch abwinkte. »Lasst gut sein, ich mach’ das schon.«

Dorothee fand Lilianes Handtasche aus feinstem Krokoimitat neben dem Schuhschränkchen in der Diele. Fassungslos starrte sie auf das Sammelsurium, das ihr entgegenkam. Haarbürste, zwei Lippenstifte, Fettstift, Portemonnaie, Wagenpapiere, Schlüsselbund, Tempos und so weiter. Nichts Ungewöhnliches, nur die Menge war erstaunlich. Und das Gewicht. Die Handtasche war tatsächlich schwerer, als man auf Anhieb vermuten konnte.

»Ich finde die Tabletten nicht!« rief sie in den Garten hinaus.

»Sieh mal in der Innentasche nach«, quälte Liliane sich ab.

Gehorsam zog Dorothee den Reißverschluss der Innentasche auf. Sie steckte ihre Hand hinein und zog hervor, was sie in die Finger bekam. Endlich, das Tablettenröhrchen. Doch was hatte die flache kleine Flasche, dreiviertel mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt, zu bedeuten? Schleppte Liliane etwa aus Angst vor dem Verdursten ihre Wasservorräte mit sich herum? Wie ein Kamel vor dem Wüstenritt? Nun ja, der Sommer war in diesem Jahr außergewöhnlich heiß und trocken. Aber anlässlich eines Besuchs bei der Nachbarin hielt Dorothee diese Vorsichtsmaßnahme für reichlich übertrieben. Neugierig schraubte sie den Verschluss ab und schnüffelte am Flaschenhals. Von wegen Wasser. Eindeutig Hochprozentiges. Vielleicht Korn, vielleicht Wodka. Dorothee kannte sich zu wenig aus, um es zweifelsfrei feststellen zu können. Vielleicht wäre ein Schluck Schnaps jetzt genau das Richtige für Liliane, überlegte sie, doch dann steckte sie die Flasche wieder zurück in ihr Versteck. Nachdenklich ging sie mit dem Röhrchen Tabletten in der Hand zurück in den Garten. Wahrscheinlich hatte der Flachmann in Lilianes Handtasche überhaupt nichts zu bedeuten. Sie hatte ihn wohl als Medizin für den Notfall bei sich, so wie andere nie ohne ein Fläschchen Japanöl oder eine Lage Milchpulver aus dem Haus gingen. Nur so konnte es sein. Dass Liliane ein Alkoholproblem hatte, war ja völlig unwahrscheinlich. Oder?

Nach zwei Tabletten, die sie mit einem Schluck Wasser hinunterspülte, fühlte Liliane sich wieder besser.

»Es tut mit leid, dass ich euch einen solchen Schrecken eingejagt habe«, entschuldigte sie sich matt. »Meistens gehen die Anfälle rascher vorbei.«

»Was für Anfälle? Hast du das denn öfter?« Elli stand die Neugier ins Gesicht geschrieben. Sie hatte ein Faible für spannende Geschichten, und bei dem ruhigen Dasein, das sie führte, stellten Erkrankungen aller Art willkommene Abwechslung dar. Jedenfalls, solange es sie nicht selbst betraf.

Liliane strich sich mit einer fahrigen Geste die Haare aus dem Gesicht.

»Alle vier bis acht Wochen, immer kurz vor meiner Periode. Mein Arzt sagt, das sind die Wechseljahre. Das sei ganz normal. Bei jeder Frau würden sie sich anders äußern. Bei mir leider als Bauchschmerzen. Mein Arzt sagt …«, Liliane stockte plötzlich. Es war nicht zu übersehen, dass sie fieberhaft überlegte, wie sie den angebrochenen Satz abschließen sollte.

Doch Elli fasste bereits wie ein guter Jagdhund nach.

»Was hat dein Arzt gesagt, Liliane? Spuck’s aus. Zwischen uns gibt es doch keine Geheimnisse.«

Liliane zog spöttisch die Augenbrauen nach oben. Dann strich sie sich mit der flachen Hand energisch über den engen Seidenrock.

»Nun, mein Arzt hat Psychologie studiert und glaubt daher genau zu wissen, wo die Ursachen für meine Schmerzen zu suchen sind. Seiner Meinung nach klammere ich mich an meine Jugend oder besser gesagt, an meine Fruchtbarkeit. So wie manche Mädchen im Teenageralter ähnliche Bauchschmerzen vor ihrer Periode bekommen. Nur dass sie sich gegen ihre Weiblichkeit wehren. Verrückt, nicht wahr?«

Ihr herausfordernder Blick traf Elli, die jedoch unbeeindruckt blieb.

»Wieso soll das verrückt sein? Ist doch klar, dass du ein Problem mit deinem Alter hast. So wie du auf jugendlich machst!« Und ohne auf Lilianes beleidigtes Gesicht zu achten, fuhr sie fort, »Aber bist du nicht viel zu jung, um in den Wechseljahren zu sein? Du bist doch erst siebenundvierzig!«

»Also manchmal hast du ein Gemüt wie ein Fleischerhund, Elli«, tadelte Helga sie aufgebracht. Dabei ärgerte sie sich weniger über Ellis taktlose Bemerkung als über Lilianes Jugendlichkeitswahn. Und Liliane war schließlich Frau genug, um sich selbst zu verteidigen. Aber musste denn wirklich ständig und überall das leidige Thema der Wechseljahre zur Sprache kommen? Nicht nur, dass Kerstin sie damit geradezu verfolgte und sie bereits wie eine Scheintote behandelte. Zu allem Überfluss vermieste es jetzt auch noch ihre gemütlichen Montagstreffen. Nun gut, wenn die anderen es so wollten. Dann würde auch sie Tácheles reden.

»Wieso eigentlich zu jung?« rief sie und die mitschwingende Gereiztheit war kaum zu überhören.

»Bei mir stehen auch schon alle Zeichen auf Sturm. Zum Glück nicht so extrem wie bei Liliane. Bei mir läuft alles gesitteter ab. Hin und wieder ein paar Hitzewellen und ein leichter Schwindel, und das wär’s dann auch.«

Plötzlich begann Helga zu kichern. »Wisst ihr, was ich mir gestern in der Apotheke gekauft habe?«

»Kondome!« platzte Elli prustend heraus.

Irritiert schüttelte Helga den Kopf. »Quatsch! Wofür sollte ich die denn brauchen? Ich habe etwas für meine Bildung getan und mir ein Buch über die Wechseljahre gekauft. Kerstin mit ihrem ständigen Gerede über mein ehrwürdiges Alter hat mich ganz verrückt gemacht. Und jetzt hört mir mal gut zu und haltet euch fest! Wenn man dem Buch glauben darf, dann beginnen die Wechseljahre ungefähr fünf Jahre vor der letzten Periode und dauern dann noch fünf bis zehn Jahre oder auch länger. Insgesamt sind wir also zehn bis zwanzig Jahre in den Wechseljahren. Was sagt ihr nun?«

»Und du bist sicher, dass du alles richtig verstanden hast?« fragte Elli nun doch etwas betreten.

»Lesen werd’ ich doch noch können!« fauchte Helga ungnädig.

Dorothee brach in schallendes Gelächter aus. »Ach Kinder, lasst euch doch nicht bange machen. Seht mich an. Ende des Jahres werde ich fünfzig. Und bei mir ist bereits alles vorbei. Seit acht Monaten keine Binden mehr. Herrlich, Kinder. Und das Allerbeste …«, verschwörerisch beugte sie sich den anderen entgegen, »Das Allerbeste ist der Sex. Oh, là là! Was glaubt ihr, was man in unserem Alter noch erleben kann. Ohne Verhütung kann die Liebe wohl grenzenlos sein!«

»Hey, das ist ja toll!« Elli schlug sich vor Begeisterung auf die strammen Schenkel. Von dieser Seite hatte sie Dorothee bislang noch nicht gekannt. Wer hätte gedacht, dass hinter der Fassade einer ehrbaren Hausfrau und Mutter ein wahrer Vulkan brodelte. Dorothee, die mit ihrem Doris-Day-Charme alle bezauberte. Selbst Frisur und Haarfarbe waren ihrem amerikanischen Vorbild nachempfunden. Nicht zu vergessen die adretten Kostüme in zarten Pastellfarben, unterlegt mit weißen Schleifenblusen. Elli als absolute Fachfrau fürs bundesdeutsche Fernsehprogramm konnte sich lebhaft vorstellen, wie Doris Day von Rock Hudson um das sittsam bedeckte Bett gehetzt wurde. Aber Dorothee von ihrem eigenen Ehemann Gerhard quer durchs Schlafzimmer? Ein Gedanke, an den Elli sich erst gewöhnen musste.

Helga hingegen beschäftigten ganz andere Gedanken.

»Du hast gut lachen. Zum Spaß am Sex, jedenfalls wie ich ihn mir vorstelle, gehören bekanntlich zwei. Und im Gegensatz zu deinem Gerhard ist Wolfgang kaum noch zu Hause. Habt ihr euch schon mal in Ruhe einen verschrumpelten Apfel betrachtet? In ein paar Jahren werde ich auch so aussehen, wenn kein Wunder geschieht. Und dann schlägt diese Hexe zu.«

»Welche Hexe?« fragte Liliane mit überrascht aufgerissenen Augen.

Finster starrte Helga auf den Grund ihres leeren Champagnerglases.

»Na, seine Sekretärin, dieses braunäugige Reh. Die wartet doch schon längst auf ihre Chance.«

»Warst du nicht auch einmal die Sekretärin deines Mannes?« kicherte Dorothee boshaft.

Helga funkelte sie böse an. »Allerdings. Deshalb bin ich ja so in Sorge.«

»Meine Güte, Kinder, bleibt ruhig.« Elli sprang von ihrem Stuhl auf und breitete theatralisch die Arme aus. Kokett drehte sie sich im Kreis. Was ihr bei ihrer majestätischen Fülle das Aussehen eines russischen Tanzbären verlieh. »Seht mich an. Ich bin eine einzige Verschwendung, Ironie der Natur. Ein prachtvolles Weib, noch im vollen Saft, soweit erkennbar noch keine Anzeichen von Wechseljahren, obwohl ich auch schon Mitte Vierzig bin. Aber habe ich einen Mann, der mich jede Nacht vögelt bis die Engel singen? Platzt mein Haus vor lauter Kindern aus allen Nähten? Denkste. Nichts von alledem. Mit achtzehn Jahren geheiratet, mit zweiundzwanzig Witwe geworden. Seitdem ist mir kein einziger Mann mehr zu nahegetreten. Sehr zu meinem Kummer. Bis auf einen Winzer beim Kegelausflug vor elf Jahren. Doch eigentlich zählt der nicht. Denn bevor es ernst werden konnte, ist der Gute volltrunken in meinem Bett eingeschlafen. Und ich lag mit sehnsüchtigen Lenden heulend neben ihm. Mein Fluch möge ihn ewig verfolgen.«

Kichernd ließ sie sich zurück auf ihren Gartenstuhl plumpsen. Besorgt registrierte Dorothee das Ächzen des Holzgestänges.

Und noch etwas registrierte Dorothee besorgt. Unter Ellis hellblauen Augen zeichneten sich dunkle Schatten ab. Dorothee war zu lange Mutter und eine zu gute Beobachterin, um nicht zu erkennen, dass die dunklen Ringe nicht vom mangelnden Schlaf herrührten. Ellis Schatten waren Kummerschatten. Irgendetwas bedrückte die Freundin, darüber konnte auch ihre aufgesetzte Fröhlichkeit nicht hinwegtäuschen. Vielleicht half ein wenig Ablenkung.

»Kinder, lasst uns noch ein Gläschen trinken. Champagner hilft über die schwärzesten Stunden im Leben hinweg.« Sie schenkte der Reihe nach die Gläser voll. Doch als sie vor Lou stand, hielt sie plötzlich erstaunt inne. »Nanu, Lou. Von dir haben wir ja bislang kaum etwas gehört. Wie steht es denn mit dir? Bist du auch schon in den Wechseljahren?«

Eine reichlich gemeine Frage, die einer Doris Day und erst recht einer Dorothee Drees ganz und gar unwürdig war. Marie-Louise Oster, genannt Lou, war das unbestrittene Küken in ihrer Frauengemeinschaft. Gerade erst fünfunddreißig und alleinerziehende Mutter eines siebzehnjährigen Sohnes. Seit etwa zehn Jahren lebte sie zurückgezogen mit ihrem Sohn in einem Häuschen in der Schillerstraße, das eine entfernte Verwandte ihr vererbt hatte. Dank ausreichender Mengen ebenfalls ererbten Geldes konnte sie es sich leisten, ihr Leben ausschließlich der Betreuung ihres Sohnes Mike zu widmen.

Es gab einige Dinge, um die die Frauen in der Nachbarschaft sie glühend beneideten. Zum Beispiel ihr Aussehen. Lou verkörperte den Typ des irischen Landfräuleins nahezu in Vollendung, auch wenn sie noch nie in ihrem Leben in Irland gewesen war. Kupferfarbenes Haar, das mit der Sonne um die Wette leuchten konnte. In weichen Locken rieselte es ihr weit hinab über die Schultern. Meistens trug sie es wie ein junges Mädchen auf dem Oberkopf nach hinten gebunden. Und auch ihr zarter, heller Teint passte eher zu einem jungen Mädchen, als zu einer reifen Frau. Nur der Blick in ihre grün-braun gesprenkelten Augen verriet ihr tatsächliches Alter, was einen faszinierenden Kontrast zu ihrem Äußeren bildete.

Lou wurde selbstverständlich auch um ihre relative Jugend beneidet. Zehn Jahre Altersunterschied bedeuteten für die anderen um zehn Jahre ältere Haut, um zehn Jahre schlaffere Oberschenkel – und nicht zuletzt über zehn Jahre angefutterte Fresspfunde. Wenn frau nicht ins andere Extrem verfiel und wie Liliane zum Typ Bohnenstange zählte.

Von den Frauen aus der Schillerstraße hatte Lou sich die tatkräftige, attraktive Helga zur Freundin gewählt, die auch einmal von sich aus auf sie zukam, wenn diese sich tagelang nicht bei ihr blicken ließ. Mit ihr konnte sie beinahe über alles reden. Beinahe. Heikle Themen wurden grundsätzlich nie angeschnitten. Und Lou allein wusste, was für sie ein heikles Thema war.

Diesmal also waren es die Wechseljahre. Grund genug für Lou, um bei Dorothees Frage bis hinauf zum Haaransatz zu erröten. Und anstatt mit einem klaren und eindeutigen Nein zu antworten, murmelte sie verlegen: »Ich möchte darüber eigentlich nicht sprechen. Vielleicht können wir das Thema wechseln. Wohin fahrt ihr in diesem Jahr in Urlaub, Dorothee?«

Entgeistert starrte Dorothee sie an. Sie spürte, wie tief in ihrem Innern glucksendes Lachen sich den Weg nach oben bahnen wollte. Sie wagte die anderen gar nicht erst anzusehen. Wahrscheinlich bemühten auch sie sich krampfhaft darum, ernst zu bleiben. Lou war wirklich ein hoffnungsloser Fall. Nun gut, das musste man respektieren. Wie um alles in der Welt hatte Lou es bloß angestellt, stolze Mutter eines Sohnes zu werden? Es musste ein wahres Prachtexemplar von Mann gewesen sein, der Lous Festung geknackt hatte. Und wohin war er seither verschwunden?

Doch zurück zu Lous Frage: »Wahrscheinlich werden Gerhard und ich erst im Herbst gemeinsam verreisen. Vielleicht im Anschluss an meine Kur in Baden-Baden.«

»Ach, du meine Güte, bist du etwa krank? Ich hoffe, es ist nichts Ernstes?« erkundigte Lou sich besorgt. Endlich ein Thema, dem sie sich gewachsen fühlte. »Was hast du denn, wenn ich fragen darf?«

»Ääh …«, geriet Dorothee ins Stocken. Dann fasste sie Mut und sagte beherzt: »Ein Frauenleiden!«

Brüllendes Gelächter war die Antwort. Nur Lou nahm mit tiefrotem Kopf einen kräftigen Schluck aus ihrem Glas.

An diesem Julimorgen kletterten die Temperaturen rasch in Richtung dreißig Grad. Eisgekühlter Champagner war genau das richtige Getränk, um fünf durstige und reichlich gelangweilte Frauen zu erfreuen. Daher war es auch kein Wunder, dass sich alle bald ziemlich beschwipst in ihren Liegestühlen im schattigen Teil des Gartens rekelten. Ohne Hemmungen, auch die ungewöhnlichsten Gedanken auszusprechen.

Sehnsüchtig starrte Elli in den wolkenlosen Himmel. Kein Blatt, das sich bewegte, kein Vogel, der bei dieser Hitze auf der Suche nach Futter vorbeiflog. Nur flirrende Hitze und Stillstand.

»Wisst ihr, wovor ich schreckliche Angst habe?« fragte sie und fuhr fort, bevor eine ihrer Freundinnen auch nur höflichkeitshalber darum bitten konnte, es zu erzählen. »Ich bin jetzt seit fünfundzwanzig Jahren Witwe. Seit fünfundzwanzig Jahren lebe ich hier in der Schillerstraße. Tag für Tag, Jahr für Jahr vergehen ohne Höhen und Tiefen. Die einzige Abwechslung für mich stellt im Laufe des Jahres der Wechsel der Jahreszeiten dar …«

»Du übertreibst schamlos!« warf Dorothee träge ein.

»… hoffnungslos wäre das richtige Wort!« Elli fuhr unbeirrt fort. »Ich habe kaum Hoffnung, dass sich in meinem Leben noch einmal etwas Interessantes ereignen wird. Eigentlich könnte ich ebenso gut auf der Stelle tot umfallen. Mein Leben wäre vorbei, ehe es überhaupt begonnen hat. Und ich hätte es verschwendet. Einfach nichts mit ihm anzufangen gewusst.«

»Wir haben alle zuviel getrunken«, gähnte Helga und drehte sich ungelenk auf den Bauch.

Aber Elli geriet langsam in Fahrt. Champagner hin oder her, sie hatte endlich ihr Thema gefunden. »Erst heute Morgen habe ich ein wunderbares Buch zu Ende gelesen. Es handelt von einer Leidensgenossin, Witwe wie ich. Im Gegensatz zu mir hat sie jedoch zwei Kinder und sogar Enkel. Anstatt ein geruhsames Leben zu führen und sich langsam auf ein Ende in Frieden vorzubereiten, macht sie sich mit achtundfünfzig Jahren auf nach Washington und bietet dem Geheimdienst ihre Dienste als Spionin an. Einfach so.«

»… und natürlich wird sie genommen und erlebt fortan ein Abenteuer nach dem anderen. Nicht sehr realistisch, Elli!«

Mit überlegener Geste langte Liliane nach ihrem Glas und ließ es sich ein weiteres Mal von Dorothee füllen. Prüfend hielt diese die Flasche gegen die Sonne. Schließlich drehte sie sie um und steckte sie mit dem Hals in den Grasboden. »Ich fürchte, das war der letzte Tropfen Schampus für heute. Jetzt habe ich nur noch Wasser im Haus.«

»Oh, wie schade«, maulte Liliane. »Soll ich schnell rüber zu Spar springen? Es ist noch nicht eins, die haben bestimmt noch auf.«

»Ausgeschlossen«, entfuhr es Lou, die die einzige war, die sich mit dem Alkoholkonsum etwas zurückgehalten hatte. »Was sollen denn die Leute von dir denken, wenn du am helllichten Tag betrunken in den Laden stolperst? Ich schlage vor, wir kochen uns erst einmal einen schönen starken Kaffee, vielleicht ist auch noch etwas von dem Fisch da. Mike kommt zum Glück erst gegen drei nach Hause. Dann kann ich dem Jungen noch etwas Ordentliches zu essen machen.«

»Dein Mike ist volle siebzehn Jahre alt und wirklich in der Lage, sich einmal selbst ein Butterbrot zu schmieren!« brauste Helga wütend auf, so dass die anderen sie erstaunt ansahen.

Auch Elli war sauer. »Jetzt sind wir ganz vom Thema abgekommen«, schimpfte sie mit finsterem Gesicht. »Mir ist es wirklich ernst, ich habe das Gefühl, lebendig begraben zu sein, und ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ich diesen Zustand ändern könnte. Natürlich ist die Geschichte um meine Romanheldin ein Märchen. Aber sie enthält eine ungemein wichtige Botschaft, sie gibt mir geradezu Hoffnung. In ihrem Alter nimmt diese Dame ihr Leben noch einmal in die Hand und ändert es radikal, von einem Tag auf den anderen. Sie gibt nicht auf, versteht ihr?« Elli stockte plötzlich in ihrer Rede. Beschwörend blickte sie von einer zur anderen. »Ich habe mich entschlossen, es ihr nachzutun. Immerhin bin ich mehr als zehn Jahre jünger. Ich bin fest entschlossen, wieder etwas mehr Spannung in mein Leben zu bringen.«

Dorothee lachte heiter. »Ach, Elli, manchmal bist du wirklich zu witzig. Sag bloß, du willst dich beim amerikanischen Geheimdienst melden?«

»Also wenn schon Geheimdienst, dann wenigstens der Bundesnachrichtendienst«, grinste Liliane.

»Elli hat ganz recht. Mir geht die gepflegte Langeweile meines Hausfrauendaseins auch auf den Keks«, sprang Helga Elli überraschend zur Seite. »Nehmt zum Beispiel meine Tochter Kerstin. Erst heute Morgen hat es zwischen uns wieder gekracht. Ständig bombardiert sie mich mit ihren Ratschlägen. Mutter, du wirst zu dick. Mutter, in deinem Alter tut man das nicht mehr. Mutter, in deinem Alter sollte man sich eleganter kleiden. Am liebsten würde ich sie für alle Zeit nach Köln verbannen. Und dennoch, diese Kräche mit Kerstin sind so ziemlich die einzige Abwechslung, die das Leben mir noch bietet. Von Wolfgang sehe ich so gut wie gar nichts mehr, seitdem er mit den Japanern ins Geschäft gekommen ist. Ihr glaubt gar nicht, wie glücklich ich mittlerweile bin, wenn ich nachts von seinem Schnarchen geweckt werde. Ist doch immerhin auch eine Art, an seinem Leben teilzunehmen, wenn auch nur eine sehr bescheidene.«

»Kein Wunder, dass du heute so schlechte Laune hast!« folgerte Dorothee messerscharf. Plötzlich setzte sie sich in ihrem Liegestuhl kerzengerade auf und schwang die Beine auf den Boden.

»Ich will euch etwas verraten«, flüsterte sie geheimnisvoll und legte dabei den Finger auf den Mund. »Auch ich habe einen Plan gefasst. Ich werde endlich etwas machen, das ich mir schon lange vorgenommen habe. Ich werde ein Buch schreiben!« Sie weidete sich an den verblüfften Mienen ihrer Freundinnen. Zutiefst befriedigt lehnte sie sich in ihrem Lehnstuhl zurück.

»Du willst ein Buch schreiben?« entfuhr es Liliane. Kokett schlug sie sich mit der Hand auf den Mund, als sie Dorothees beleidigte Miene bemerkte.

»In der Schule habe ich immer die besten Aufsätze geschrieben«, entgegnete Dorothee mit Würde. »Na ja, beinahe jedenfalls«, ergänzte sie nach kurzer Überlegung. »Eigentlich eher die zweitbesten. Ich konnte machen, was ich wollte, aber eine bessere Note als die Lieblingsschülerin meiner Deutschlehrerin bekam ich nie.«

»Na, das sind ja wirklich die denkbar günstigsten Voraussetzungen, um einen Roman zu schreiben!« Liliane verbiss sich das Lachen. »Woran hast du denn gedacht? An etwas Heiteres? Eine Liebesgeschichte? Oder gar einen Krimi?«

»Vielleicht einen Spionageroman?« versuchte es Elli.