Ein (fast) perfekter Mensch - Silas Julian Pfeifer - E-Book

Ein (fast) perfekter Mensch E-Book

Silas Julian Pfeifer

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Beschreibung

Wer ist nur dieser alte Mann, der Tag für Tag auf derselben Bank im selben Park verweilt und die Gegend mit seinen wachen Augen durchkämmt? Und wer ist dieser Peter Bride, der so plötzlich in das Leben des jungen Henry tritt? Zwei Fragen, welche eine einzigartige Geschichte über Freundschaft und das Leben in seinen außergewöhnlichen und einfallsreichen Facetten einläuten, wie sie wahrlich nur die Wirklichkeit schreiben kann und in deren Mittelpunkt ein besonderer Mensch zu polarisieren beginnt. Peter Bride ist ein in jeder Hinsicht außergewöhnlicher Junge, jedoch birgt er auch ein dunkles Geheimnis, welches nicht nur für ihn weitreichende Folgen haben wird. Begleitet wird er stets von seinen besten Freunden Henry und Abigail, die sehr bald feststellen, dass ihr Leben fortan nicht mehr dasselbe ist.

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Silas Julian Pfeifer

Ein (fast) perfekter Mensch – das Leben des Peter Bride

Part I

Für meine Mutter, die immer an mich geglaubt hat.

Für Frau von Moos, die mir das Leben gerettet hat.

Und für mich selbst, um zu zeigen, dass Vertrauen und Beharrlichkeit Berge versetzen können.

Auch der augenscheinlich perfekteste Mensch besitzt schlechte Eigenschaften.

Für den Einzelnen zählt daher nur, welchen Eigenschaften er selbst die Überhand lässt.

Überraschende Begegnung

Die Sonne stand tief am wolkenlos blauen Himmel, als die Frau jäh innehielt und mit einem genervten Blick zu ihrer Tochter hinuntersah.

»Hörst du jetzt bitte auf so ungeduldig an meiner Hand zu ziehen, Madam?«, fragte sie und besah streng den blonden Haarschopf der Kleinen, deren Aufmerksamkeit sich jedoch längst einem anderen Ziel gewidmet hatte.

»Aber Mum, siehst du denn nicht? Er ist schon wieder da!«

Und die Kleine deutete mit ihrem bebenden Finger auf einen Punkt in der naheliegenden Umgebung.

»Er ist doch jeden Tag da, Liebling, das müsstest du doch mittlerweile auch bemerkt haben. Jedes Mal dasselbe, wenn wir hier entlangkommen«, gab die Mutter zurück und blickte nun noch genervter drein.

»Aber was macht er denn hier?«, piepste das kleine, blonde Mädchen aufgeregt und begann den Arm der Mutter nun hin und her und hin und her zu schwingen.

Die junge Frau antwortete nicht gleich, sondern ließ ihren Blick langsam zu dem Punkt hinüber wandern, der als Auslöser für die Fragen ihrer Tochter fungierte. Dann, als hätte sie einen Entschluss gefasst, fragte sie eher besorgt als wütend:

»Macht er dir Angst, Liebling?«

»Nein, das nicht, aber … ich weiß auch nicht … er ist doch irgendwie komisch«, bemerkte die Kleine unentschlossen.

Die Frau dachte nach und musterte dabei aufmerksam das erregte Gesicht der Tochter, das hin und hergerissen schien, zwischen Neugier und Unbehagen.

»Hmm … du hast doch schon einige Male mit ihm gesprochen, oder?«, fragte sie schließlich und sah nun selbst zu dem Mann auf der Bank hinüber.

Es war das gleiche Bild wie immer. Ein angegrauter Haarschopf; ein faltiges, freundliches Gesicht, das mit seinen neugierigen Blicken die umherstreifenden Leute bedachte.

»Ja schon, aber immer nur über das Wetter. Er fragt immer nur, was ich glaube, wie das Wetter wird? Nie hat er bisher was anderes zu mir gesagt, nur immer das.«

Das Mädchen sah mit fragendem Blick zur Mutter auf.

»Nun ja, er ist eben schon etwas älter, mein Schatz. Die älteren Leute reden doch oftmals ein bisschen merkwürdiges Zeug, das kennst du doch von Opa. Aber wenn es dich wirklich so sehr beschäftigt, dann sagen wir ihm einfach mal ‚Guten Tag‘ und du fragst ihn nach etwas anderem als dem Wetter, einverstanden?«

Die Kleine schien sich diesen Vorschlag gründlich zu überlegen und sah ihrer Mutter dabei skeptisch in die Augen. Diese jedoch nickte aufmunternd und drückte erneut ihre kleine Hand, um zu bedeuten, dass sie ihr bei diesem Unterfangen beistehen würde.

»Mich würde nur mal gern interessieren, warum er jeden Tag hierherkommt und dann immer nur genau auf derselben Bank herumsitzt«, sagte das kleine Mädchen angespannt und schenkte dem alten Mann einen teils neugierigen, teils mulmigen Blick.

»Vielleicht wartet er auf jemanden«, überlegte die Mutter laut und schlenderte, die Hand ihrer Tochter fest umschlossen, langsam den kleinen Weg entlang, der von grünen Rasenflächen gesäumt wurde, »oder aber er ist wirklich nur wegen des herrlichen Wetters –«

»Aber ich hab ihn noch nie mit jemandem gesehen!«, fiel ihr die die Tochter belehrend ins Wort. »Immer ist er allein, also kann er auch auf niemanden warten!«

»Na, du scheinst ihn ja bereits mehr als gründlich beobachtet zu haben, junge Dame«, antwortete die Mutter streng, »man stiert nicht die ganze Zeit auf fremde Leute, das gehört sich nicht.«

»Aber wenn es doch sonst nichts zu sehen gibt hier …«, murmelte die Kleine leise vor sich hin.

»Also schön«, sagte die Mutter und stoppte abrupt ihren schlendernden Gang, »willst du jetzt mit ihm sprechen oder nicht? Dann brauchst du dir überhaupt keine Gedanken mehr zu machen und das wilde Spekulieren hat auch ein Ende. Du wirst sehen, danach fühlst du dich besser.«

Sie sahen sich erneut in die Augen, das kleine verunsicherte Mädchen und die junge, blonde Frau, die ihr aufmunternd zulächelte. Doch die Tochter antwortete nicht. Stattdessen warf sie erneut einen verstohlenen Blick in Richtung der Parkbank. Die Mutter folgte den Augen ihrer Tochter, nickte daraufhin, als würde sie in Gedanken etwas zu Ende bringen und sagte entschlossen: »Verstehe. Na, komm schon! Wir gehen mal hin und fragen, wie es ihm geht.«

»Keine Angst, ich bin ja dabei«, fügte sie auf den ängstlichen Blick ihrer Tochter hinzu, »und wenn er wieder mit dem Wetter anfängt, dann fragst du ihn einfach, ob er hier ist, um die Sonne zu genießen. Das ist nicht unhöflich und er wird dir sicher nicht wieder mit einer Frage nach dem Wetter antworten.«

Sie zwinkerte der Kleinen noch einmal aufmunternd zu.

»Na los!«

Und sie zog an der Hand der Tochter, die sich höchst widerwillig zu einem langsamen Trott hinreißen ließ, jedoch dabei immer einen halben Schritt hinter ihrer Mutter in Deckung blieb.

»Guten Tag, Sir«, sagte die junge Frau freundlich, als sie nur noch einen Meter von der Bank entfernt waren, und sah lächelnd auf den alten Mann hinunter. Dieser blickte zunächst ein wenig verwundert drein und blinzelte gegen die tiefstehende Sonne, um sie genauer erkennen zu können. Nachdem einige Augenblicke vergangen waren und er sicher sein konnte, auch wirklich gemeint zu sein, antwortete er lächelnd: »Guten Tag, Mrs. Davis.«

Sie stutzte milde überrascht. Damit hatte selbst sie nicht gerechnet.

»Sie wissen, wer ich bin?«, fragte sie überrascht.

»Aber gewiss, gewiss. Sie haben sich mir schon einmal vorgestellt, ich schätze, ein gutes halbes Jahr ist es her.«

Er lächelte ab der Verwirrung, die er offenbar hervorgerufen hatte.

Dann fügte er als Antwort auf ihre gerunzelte Stirn hinzu: »Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis müssen Sie wissen, auch wenn man es mir nicht gerade ansieht.«

Er gluckste herzhaft, dann fiel sein Blick auf das kleine, blonde Mädchen, das sich hinter den Beinen der Mutter zusammengekauert hatte.

»Ah und du musst die kleine Sophie sein. Ja, ja ich erinnere mich an dich. Oh, wie unhöflich von mir, Sie beide erinnern sich offensichtlich nicht mehr an meinen Namen. Ich bin Henry.«

Durch die freundliche Art des alten Mannes ermutigt, streckte ihm die Kleine nun vorsichtig die Hand entgegen, kam hinter der Mutter hervor und sagte ein wenig selbstsicherer: »Es freut mich, Sie kennen zu lernen, Henry. Sind Sie hier, um die Sonne zu genießen?«

Dann blickte sie schnell zur Mutter auf und konnte ein kurzes Zwinkern von deren Gesicht ablesen.

»So könnte man es ausdrücken«, antwortete der alte Mann mit einem Schmunzeln und sah zu Mrs. Davis auf.

»Ein wirklich aufgewecktes Mädchen haben sie da, Mrs. Davis.«

»Ja und neugieriger, als es ihr bisweilen gut tut, sollte man meinen«, entgegnete diese mit einem gespielt strengen Blick, tätschelte dabei aber liebevoll den Kopf ihrer Tochter.

Der alte Mann gluckste erneut amüsiert.

»Aber bitte, nennen Sie mich doch Monica.«

Und auch sie hielt dem Alten die Hand entgegen.

»Monica«, erwiderte er mit nachdenklicher Stimme. »Ein wirklich schöner Name. Ich kannte auch mal eine Monica, müssen Sie wissen und sie war, naja, sagen wir recht speziell. Aber nichts für ungut natürlich.«

Und er umschloss väterlich lächelnd ihre Hand mit seinen zweien.

»Schön, schön. Wollt ihr beiden euch nicht zu mir setzen? Und vielleicht ein wenig die Sonne genießen?»

Die letzten sieben Worte untermalte er mit einem Zwinkern in Richtung der kleinen Sophie, die sich, nun da ihre Angst verschwunden war, nicht zweimal bitten und neben dem alten Mann auf die Bank plumpsen ließ.

»Ich weiß nicht so recht«, antwortete Mrs. Davis halbherzig. »Das ist wirklich sehr nett von Ihnen, Henry, aber wir wollen Sie keineswegs stören. Wir wollten eigentlich nur eben ›Guten Tag‹ sagen.«

»Aber wie könntet ihr mich denn stören«, gab der alte Mann zurück und verscheuchte diesen Gedanken mit einer lässigen Armbewegung, um zu verdeutlichen, wie absurd er doch war.

»Setzt euch, setzt euch!«

Und er gestikulierte einladend mit den Armen und rutschte ein wenig zur Seite, damit sie beide nebeneinander Platz nehmen konnten.

»Haben Sie mal als Wetterfrosch gearbeitet, Henry?«, platzte es plötzlich aus dem kleinen Mädchen heraus, nachdem sie sich, die Füße in der Luft baumelnd, dem alten Mann zugewandt hatte.

»SOPHIE!«, rief Mrs. Davis entsetzt und sah entschuldigend in Richtung des Alten. »Wie kannst du nur so unhöflich sein?!«

Der alte Henry sah nun doch ein wenig verwirrt drein und blickte von der neugieren Miene des Mädchens zum erbosten Gesicht der Mutter.

»Nein«, er schüttelte den Kopf. »Nein, als Wetterfrosch habe ich eigentlich noch nie gearbeitet. Wie kommst du auf den Gedanken?«

Er schien keineswegs verstimmt, sondern eher ehrlich interessiert.

Die Kleine warf ihrer Mutter einen zaghaften Blick zu, diese zuckte jedoch kaum merklich mit den Achseln, ganz nach dem Motto: Jetzt ist es sowieso egal, also mach nur. Sophie verstand die Mimik offenbar richtig, denn sie drehte sich wieder dem alten Henry zu, der sie nach wie vor gespannt anblickte.

»Na ja«, begann sie verlegen, »jedes Mal, wenn wir bisher kurz miteinander gesprochen haben, dann haben Sie mich gefragt, wie das Wetter wohl werden wird. Sie wollten immer nur das wissen, daher kam mir der Gedanke –«

Der alte Mann fing an zu lachen. Es war ein herzhaftes Lachen. Ein Lachen, mit dem er sich keinesfalls über das kleine Mädchen oder dessen Erklärung lustig machen, sondern mit dem er vielmehr ihrem Einfallsreichtum und ihrer Phantasie Anerkennung zollen wollte.

»Du bist ja köstlich junge Dame … wirklich köstlich.«

Er stieß einen weiteren Hickser aus und rieb sich die tränenden Augen.

»Daher weht also der Wind und man beachte dabei die Wettermetapher«, fügte er augenzwinkernd hinzu.

»Aber nun mal im Ernst. Nein, wirklich sehr schlau kombiniert, Sophie, das muss ich dir lassen. Du musst einen messerscharfen Verstand haben. Bist sicher gut in der Schule, nicht wahr?«

Sophie sah erneut zu ihrer Mutter auf, die offensichtlich einfach nur erleichtert darüber schien, dass der alte Mann so freundlich reagiert hatte.

Dann wandte sie ihren Kopf wieder dem lächelnden Gesicht zu und antwortete: »Also ich bin zwar erst in der dritten Klasse, aber bisher eigentlich ganz zufrieden.«

»Na, das ist doch die Hauptsache«, entgegnete der Alte mit einem weiteren Glucksen. Er zog ein gepunktetes Taschentuch aus dem Innenleben seiner Jacke und tupfte sich damit die Augen.

»Aber um auf deine eigentliche Frage zurückzukommen, es ist immer einfacher über das Wetter zu sprechen, wenn man fremden Leuten begegnet. Man verrät dabei niemals allzu persönliche Dinge und ist dennoch keineswegs unhöflich, verstehst du?«

Die Kleine nickte mit halb überzeugter Miene. Dann nahm sie ihren Mut zusammen und fragte mit einem neugierigen Blick in sein freundliches, doch nun aus der Nähe deutlich erkennbar gealtertes Gesicht: »Aber was machen Sie dann eigentlich in Wahrheit immer hier, Henry? Jedes Mal, wenn wir hier sind, dann sitzen Sie auch hier. Immer auf dieser Bank und immer allein.«

Daraufhin trat Stille ein. Mrs. Davis sah vorsichtig neben sich, doch der alte Henry schien dies keineswegs für unangebracht zu halten, denn er antwortete:

»Hm … eine berechtigte Frage, denke ich. Auch wenn ich mit Glück sagen kann, dass ich ja nun nicht mehr ganz allein bin, nicht wahr?«

Seine Mundwinkel zuckten, doch das kleine Mädchen verharrte in ihrer Position, nun fest entschlossen, dem Mysterium seines täglichen Aufenthalts auf den Grund zu gehen.

Der alte Mann sah sie nachdenklich an und schwieg zunächst. Er lenkte seinen Blick auf das großflächige Gelände um sie herum und ließ ihn eine ganze Weile darüber streifen.

»Das ist wirklich eine berechtigte Frage, wenn nicht die Frage überhaupt«, sagte er schließlich und verschränkte die Finger in seinem Schoß. »Es ist nur so, dass die Antwort darauf nicht so leicht zu geben ist.«

»Da hörst du es, Schatz«, mischte sich plötzlich wieder Mrs. Davis, mit einem eindringlichen Blick zu ihrer Tochter, in das Gespräch ein. »Henry möchte nicht darüber sprechen, weswegen er hier sitzt und das ist auch völlig in Ordnung, weil es uns nämlich überhaupt nichts angeht.«

»Oh nein, so war das nicht gemeint, Monica, das haben Sie missverstanden«, warf der alte Mann dazwischen, ehe die kleine Sophie den Mund zu einer trotzigen Erwiderung öffnen konnte. »Es ist keineswegs der Fall, dass ich es euch nicht erzählen möchte, die Sache ist eher die, dass dafür ein Satz nicht ausreichen dürfte. Aber falls ihr neben den Keksen in dieser Handtasche auch noch etwas Zeit mitgebracht habt, dann habe ich in meiner eventuell eine Thermosflasche voll dampfendem Tee und eine Geschichte, die so wohl noch nie zuvor dagewesen war und die ihr, wenn ich meine Sache gut mache, wahrscheinlich nie wieder vergessen werdet.«

Er lächelte verschmitzt von Mutter zur Tochter und wieder zurück.

Das Interesse der kleinen Sophie hatte sich wohl eben um das Tausendfache gesteigert.

»Ja! Bitte, bitte Mami. Bitte, ich möchte diese Geschichte von Henry hören!«

Die junge Frau runzelte die Stirn und sah von der strahlenden Miene des Alten zum nun von äußerster Spannung behafteten Gesicht ihrer Tochter. Dann zuckte sie kapitulierend mit den Schultern und sagte: »Also schön, Henry. Jetzt haben Sie mich ebenfalls neugierig gemacht.«

»Fabelhaft, fabelhaft«, sagte der alte Mann begeistert und klatschte in die Hände.

Und nun konnte man etwas von jungenhafter Vorfreude in seinen Augen erkennen. »Also, wo fange ich am besten an … lass mal sehen … am besten, ja …«

Und der alte Mann begann zu erzählen …

Geheimnisvoller Fremder

Am besten beginne ich mit unserer ersten Begegnung …

Es war ein sonniger Donnerstagmorgen im Frühsommer 2008. Ja, ich erinnere mich noch ganz genau daran, da ich an diesem Tag beinahe nicht zur Schule gekommen wäre …

Nur vereinzelte weiße Wolkenfetzen säumten den ansonsten hellblauen Himmel und es war bereits früh am Morgen angenehm warm. Der überfüllte Schulhof war wie gewohnt in mehrere, klar erkennbare Gebiete aufgeteilt. Da gab es zum einen auf der linken Seite das Territorium der Rauchergemeinde, welches sich nahtlos an das rechts benachbarte Reich der Mützenträger und Weithosenliebhaber anschloss. Dann gab es noch Ecken, in denen streberhaft aussehende Literaturfanatiker beheimatet waren und solche, die von schnatternden Mädchengruppen besetzt wurden. Leute wie ich ließen sich da eher keiner dieser Gruppierungen zuordnen. Unser Bereich lag auf einem kleinen Platz hinter dem eigentlichen Schulgebäude. Dort verbrachte ich den Großteil meiner Pausen, sozusagen in der neutralen Zone.

Hier gab es zwar weder Überdachung, noch Sitzmöglichkeiten – bis auf den kalten Asphaltboden, der jedoch von festgeklebten Kaugummiflecken übersäht war – jedoch wurde man hier in Ruhe gelassen und es herrschte auch keine stilistisch- beziehungsweise interessensbedingte Trennung. Kurz um gesagt: das Zuhause der Normalen und "Langweiligen".

Als ich also an diesem verschlafenen Donnerstagmorgen das schrille Läuten der Schulglocke vernahm und den gewohnten Weg in Richtung Hintertür einschlug, fiel mir zum ersten Mal ein dunkelhaariger Junge auf, der sich direkt neben der Tür zum Hinterhof an eine Heizung lehnte. Ich hatte ihn mit ziemlicher Sicherheit noch nie zuvor gesehen, da mein Gedächtnis im Gegensatz zu meinen Muskeln sehr stark ausgeprägt war.

Er stand einfach da, eine Hand leicht in der Tasche, während seine aufmerksamen Augen neugierig durch den Raum wanderten. Man bemerkte sofort, dass er überhaupt nicht beabsichtigte, durch diese Haltung eine Art falscher Lässigkeit oder abgeklärter Coolness vorzutäuschen, wie es viele hier taten. Vielmehr wirkte er völlig in sich ruhend und entspannt. Im Vorbeigehen besah ich ihn mir genauer. Sein dichtes, braunes Haar ergänzte sich perfekt mit seinen durchdringend blauen Augen, welche er mit neugieriger Wachsamkeit über die zum Ausgang hindrängende Schülerschar streifen ließ.

Er war gut gekleidet, aber keineswegs übertrieben elegant (denn auch für dieses Extrem gab es hier genug Individuen).

Die Ärmel seines blaukarierten Hemdes waren hochgekrempelt und um sein Handgelenk hatte er ein hellbraunes Lederarmband gebunden, auf welchem in feinen Buchstaben ein Schriftzug eingraviert war, dessen Bedeutung ich jedoch in der kurzen Zeit des Vorbeigehens nicht erkennen konnte. Seine insgesamt sportliche Statur gepaart mit seinem, ja, ich muss es einfach sagen, wahnsinnig guten Aussehen, machten aus ihm eine beinah exotische Erscheinung. Aber es war nicht allein die Momentaufnahme des Äußeren, was einen stutzen ließ, auch seine gesamte Präsenz hatte etwas Erhabenes, etwas Einzigartiges, dessen Ursprung ich mir mit Worten jedoch nicht erklären konnte, da er im Grunde nichts tat, außer anwesend zu sein. Es war mehr ein Gefühl, eine Art unsichtbare Kraft, die von ihm auszugehen schien.

Ich konnte mir nicht helfen, aber dieser Junge hatte einfach etwas Besonderes an sich, wie er so dastand und mit wachem Blick sein Umfeld taxierte. Er wirkte, ich konnte damals kein passenderes Wort finden, schlichtweg geheimnisvoll. Ganz die Art Mensch, von der man unbedingt mehr erfahren wollte.

Als ich seinen Blicken folgte und meine Augen ebenfalls über die Menge schweifen ließ, bemerkte ich sofort, dass ich nicht der einzige war, dem dieses neuartige Phänomen aufgefallen war.

Viele Schüler um mich herum musterten den Neuen. Manche neugierig, andere unverschämt offensichtlich und wieder andere, überwiegend Mädchen, hatten die Köpfe zusammengesteckt und tuschelten aufgeregt miteinander, während sie immer wieder in seine Richtung blickten.

Ich selbst gehörte zur ersten Gruppe und war eher neugierig, wie er wohl ticken mochte und woher er kam, denn oftmals täuschte das Äußere eines Menschen, besonders an dieser Schule.

Ich war mir jedoch sicher, dass es bei diesem Jungen anders sein musste. Es war kein mathematisches Wissen oder irgendetwas, das wissenschaftlich belegt werden konnte, sondern einfach ein Gefühl und genau das machte es so spannend für mich. Zum damaligen Zeitpunkt konnte ich nicht erklären, was es war oder wodurch es ausgelöst wurde, nur eines wusste ich: dieser Junge war besonders und ich wollte unbedingt mehr über ihn erfahren.

Doch fürs Erste wurde ich von der laut murrenden Schülermenge aus dem Gebäude geschoben und nahm meinen gewohnten Platz auf dem Hinterhof ein – Routine ist schließlich Routine. Die ganze Pause über ging mir der geheimnisvolle Fremde nicht mehr aus dem Kopf und ich überlegte wild vor mich hin, wie er wohl heißen mochte, wo er denn wohnte und woher er zu einem so späten Zeitpunkt des Schuljahrs überhaupt kam.

Als es erneut läutete, betrat ich als einer der ersten die Kühle der Schule und blickte sogleich mit spannungsgeladenen Augen nach rechts, doch da war keine Spur mehr von dem Neuen. Nur die leere Heizung und ein völlig ausgestorbener Gang waren zu sehen.

Wie ich später erfuhr, hatte er seinen behaglichen Platz an der Heizung nur deshalb aufgeben müssen, weil ein Lehrer vorbeigekommen war und ihn daraufhin hingewiesen hatte, dass es Schülern nicht gestattet sei, die Pause im Inneren des Schulgebäudes zu verbringen. Der Junge hatte daraufhin völlig ruhig und nüchtern geantwortet und erklärt, dass er sich nun einige Zeit lang umgesehen hätte, aber von dieser ganzen Aufteilungsgeschichte überhaupt nichts halten würde. Da er ebenfalls keine Absicht habe, sich in irgendeine gruppenorientierte Schublade stecken zu lassen, hatte er für sich entschieden, das Schulgebäude während der Pause gar nicht erst zu verlassen.

Über die genaue Antwort des Lehrers wurde noch lange heiß diskutiert und gerätselt, aber aus sicherer Quelle erfuhr ich, dass der Lehrer über diese Antwort offenbar so verblüfft gewesen war, dass er den Jungen umgehend auf eine Tasse Kaffee in sein Büro eingeladen hatte.

Dort hatten sie sich offenbar weiter über allerlei Dinge unterhalten und obendrein beinahe den Beginn der nächsten Unterrichtsstunde versäumt.

Als der Junge am nächsten Tag wieder an der Heizung stand, wurde er auf halbem Weg erneut von demselben Lehrer, Mr. Stuart, zum Kaffeetrinken in dessen Büro abgeholt. So verging gut eine Woche, in der ich den Jungen immer nur für ca. eine Minute am Tag sah und meine Neugierde stieg bereits in galaktische Sphären, da ich natürlich viel zu feige war, ihn in dieser kurzen Zeit anzusprechen. Tag für Tag stellte ich mir daher dieselbe Frage: Wer war er? Fortan von dieser Ungewissheit begleitet, fiel es mir schwer, mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Ich dachte ständig darüber nach. Beim täglichen Absitzen der Unterrichtszeit, am Nachmittag, am Abend, ja sogar nachts, wenn ich wach im Bett lag …

Bis zu dem Zwischenfall, der unser beider Schicksale auf immer miteinander verknüpfen sollte.

Es war Prüfungszeit und ich war nicht, wie gewohnt, von einer laut krakeelenden Menschentraube umringt, die sonst ihre Pause auf dem Hinterhof verbrachte. Außer mir standen nur noch zwei Mädchen an der gegenüberliegenden Wand und rauchten. Ich beobachtete sie heimlich, denn für die kleinere der beiden, mit ihren hellbraunen Haaren und ihrer insgesamt niedlichen Erscheinung, hatte ich schon länger eine Schwäche entwickelt. Jedoch sie einfach ansprechen? - dafür war ich nicht der Typ. Plötzlich warfen sie die halbgerauchten Zigaretten auf den Boden und gingen mir raschen Schritten an mir vorbei in das Gebäude. Zu spät bemerkte ich, was der Auslöser für ihre blitzartige Flucht gewesen war. Als ich mich umdrehte, waren sie nur noch rund drei Meter von mir entfernt: Zwei große, breitgebaute Gestalten, die mich nun nach und nach in eine Ecke des Hinterhofs drängten.

Natürlich wusste ich, wer sie waren und daher auch, was mir gleich blühen würde. Einer, der Größere der beiden, streckte den Arm aus und packte mich am Kragen, der andere fing an zu lachen und in meinen Taschen nach diversen Gegenständen zu suchen, welche die beiden Trolle möglicherweise zu Geld machten konnten.

Ich startete gar nicht erst den Versuch, mich zu wehren, denn dies war keineswegs mein erster Zusammenstoß mit diesen Gestalten und wenn ich mich kooperativ verhielt, kam ich vielleicht ohne ein blaues Auge davon.

Als der zweite Troll seine Hände aus meinen Jackentaschen zog und dabei Handy, Geldbeutel und ein angerissener Packen Kaugummi zum Vorschein kamen, räusperte sich jemand deutlich vernehmbar.

Die beiden Gestalten drehten sich verwirrt um – ganz nach dem Motto ›Welcher lebensmüde Mensch es wohl wagen konnte, sie bei ihrer täglichen Arbeit zu stören‹ – und durch den Spalt zwischen ihren breiten Schultern erkannte ich, wie der ›Neue‹ in einer fließenden Bewegung Geldbeutel und Handy aus den Händen des zweiten Trolls fischte. Dies alles geschah so ruhig und ohne Aufregung, dass den beiden Trollen vor Verwunderung kurzzeitig die Sprache zu fehlen schien. Der erste fand sie schließlich am schnellsten wieder und blaffte den ›Neuen‹ an: »Bist wohl ’en ganz harter Zeitgenosse, was? Gleich gibt’s paar auf die Mütze!«

Der ›Neue‹ stand nach wie vor völlig unerschrocken da und musterte erst den einen, dann den anderen, ganz so, als würde er abwägen, ob er es mit beiden gleichzeitig aufnehmen konnte. Dann antwortete er mit ruhiger Stimme – und dies war gleichzeitig das erste Mal, dass ich ihn überhaupt je sprechen hörte: »Tja, Jungs, so geht das aber nicht. Ich will hier ja keine Gefühle verletzen, aber diese Sachen« – und er hob Geldbeutel und Handy verdeutlichend in die Höhe – »bleiben besser bei ihrem alten Besitzer, was meint ihr?«

Dann zwinkerte er ihnen zu und lächelte freundlich.

Sie glotzen blöde zurück, denn damit hatten sie nicht gerechnet.

»Hältst dich wohl für witzig, was?«, schnauzte nun der zweite Troll zurück und baute sich bedrohlich vor seinem Gegenüber auf. Dieser schien jedoch von dieser Gestik nicht sonderlich beeindruckt und gab mit völlig gelassener Stimme zurück: »Nein.«

Ein kurzer Augenblick der Stille folgte, dann: »Nein? Das ist alles, was dir einfällt? ’n einfaches ›Nein‹? Wo haben sie dich denn ausgegraben, du Vogel?«

Die beiden fingen an zu lachen.

Mir wurde zunehmend übel und ich hoffte inständig, dass der ›Neue‹ irgendeine geheime Kampftechnik beherrschte, mit deren Hilfe er es mit diesen beiden, sowohl in die Höhe, als auch in die Breite gewachsenen Bullterriern würde aufnehmen können.

Doch er machte keinerlei Anstalten zu irgendeiner schnellen Kung-Fu-Bewegung oder einem tückischen Schlag anzusetzen. Lediglich sein Gesichtsausdruck, mit dem er seine beiden Gegenüber nun musterte, hatte sich verändert. Das Lächeln war verschwunden und in seinem ernsten Blick lag eine gewisse Schärfe.

Ich wusste, dass der einzige Grund, warum er überhaupt noch aufrecht stehen konnte, sein Gebaren war, das sie überraschte.

Denn für gewöhnlich waren die Leute vom bloßen Erscheinen dieser zwei hünenhaften Riesen dermaßen eingeschüchtert, dass sie entweder sofort das Weite suchten oder, falls es dafür schon zu spät war, bedingungslos kapitulierten. Das hier jedoch war neu. Und so langsam beschlich auch die Trolle ein merkwürdiges Gefühl. Dieser Junge schien nicht ganz normal zu sein. Irgendetwas an ihm war anders. Vielleicht war er ja wahnsinnig.

Plötzlich drehte sich einer der beiden zu mir um und raunzte: »Da haste nochmal Glück gehabt, du Spacko! Das nächste Mal biste fällig!«

Er nickte seinem Kumpanen zu und sie gingen, nicht ohne mich nochmals anzurempeln, in Richtung der Büsche davon, aus denen sie gekommen waren.

»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte der ›Neue‹ und hielt mir meine Sachen entgegen.

»Ja, danke«, stammelte ich etwas verlegen und sah zu ihm auf.

»Ähm, tut mir leid, aber wie heißt du denn eigentlich?«, fragte ich beklommen, als wir wieder in der Eingangshalle angekommen waren und ich ihm endlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand.

»Mein Name ist Peter, Peter Bride. Ich bin neu an der Schule«, antwortete er und hielt mir lächelnd die Hand entgegen.

Und das war das erste Mal, dass ich mit ihm gesprochen habe.

Kurz darauf sollten die Sommerferien beginnen, daher waren die Gelegenheiten ziemlich rar, in denen ich mich mit ihm hätte unterhalten können. Im Grunde sah ich ihn nur in den Pausen, wenn er mit unserem Vertrauenslehrer, Mr. Stuart, auf dem Weg in dessen Büro zum täglichen Pausenkaffee war. Ich fühlte mich schon wie eine Art Stalker, aber dieses kurze Zusammentreffen mit ihm ließ mich einfach nicht mehr los. Er grüßte zwar noch mehrmals, wenn er mich sah, doch offenbar war seine Rettung in letzter Sekunde etwas gewesen, das er auch für jeden anderen jederzeit getan hätte und schien in Folge dessen, kein allzu prägendes Erlebnis für ihn zu sein.

Als ich am darauffolgenden Montag, genau zwei Wochen nachdem ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, meinen gewohnten Platz in der Klasse einnahm und beim Warten auf den Unterrichtsbeginn in meine Unterlagen vertieft dasaß, stieß mich plötzlich jemand an der Schulter. Schon halb mit einer genervten Antwort im Mund sah ich auf und da stand er. Die braunen Haare fielen ihm vereinzelt ins Gesicht, seine wachen blauen Augen blitzen aufmerksam zu mir herunter und um seinen Hals trug er eine Lederkette, an dessen Ende ein Kreuz und eine Feder lässig auf seiner Brust ruhten. Er grinste ab meiner völlig perplexen Miene und deutete auf den freien Platz neben mir.

»Hallo, Henry! Kann ich mich zu dir setzen?«

Die bloße Tatsache, dass er meinen Namen noch kannte, ließ mich kurzzeitig stumm werden.

»Klar – natürlich«, stammelte ich etwas verlegen und nahm rasch meine Schultasche von dem freien Stuhl.

»Danke«, antwortete er und ließ sich lässig darauf nieder.

»Wie … ich meine, was machst du hier?«, fragte ich nach einigen Augenblicken verwundert, nachdem er seine Schultasche unter sich abgestellt hatte und sich mit neugierigem Blick umsah.

»Es gab eine Verwechslung«, antwortete er milde lächelnd und wandte den Kopf. »Die haben hier wohl die Akte meiner letzten Schule erst heute Morgen erhalten und daraufhin bemerkt, dass ich eigentlich noch eine Klasse tiefer sein sollte, als bisher angenommen.«

»Und du hast –«

»– dir nicht die Mühe gemacht, es aufzuklären?«, beendete er glucksend meine Frage. »Nein, allerding nicht. Mr. Stuart und ich haben nach meinen ersten Unterrichtstunden eine Wette abgeschlossen, wie lange ich es wohl schaffen würde, diesen Irrtum am Leben zu erhalten. Er schätzte ›nicht mal einen Tag‹, da diese Schule viel zu hohen Standards ausgesetzt sei.«

»Aber – aber du bist doch schon über zwei Wochen hier, oder?«, fragte ich erstaunt.

»Ich habe die Wette ja auch gewonnen«, antwortete er grinsend und zwinkerte mir zu.

»Und Mr. Stuart hat –?«

»– nichts gesagt, meinst du? Nein, das hat er in der Tat nicht. Er fand es von Tag zu Tag amüsanter und ich musste ihm natürlich versprechen, dass niemand von seiner Beteiligung erfahren wird, also …« Und er legte eine Hand auf die Lippen.

»Klaaar ... von mir erfährt keiner was«, antwortete ich immer noch leicht verdattert.

»Und du hast wirklich verstanden, um was es im Unterricht ging? Ich meine, die sind ja schon viel weiter als wir.«

»Im Großen und Ganzen schon. Klar, gab es da Begriffe, die wir erst im nächsten Jahr lernen, vor allem in den Fremdsprachen wie Französisch fanden sich teilweise einige Stolperer, aber ich denke, ansonsten habe ich einen ganz ordentlichen Eindruck hinterlassen.«

Ein leises »Wow« entfloh meinem Mund und schon im nächsten Moment hasste ich mich dafür. Ich lief rot an und ein vertrautes Gefühl der Hitze stieg in mir auf. Er sollte mich ja keineswegs für einen Arschkriecher oder etwas Derartiges halten, daher hoffte ich inständig, dass Peter es nicht gehört hatte oder zumindest so tat, aber nichts dergleichen war der Fall.

»Ich bin mir sicher, du würdest dort oben ebenfalls zurechtkommen«, sagte er freundlich. »Es ist immer nur die Angst vor dem Unbekannten, die uns das Leben so schwer macht. Aber du hast doch nur das eine, oder? Und irgendwann ist es vorbei, also, was soll dir denn schon passieren, Henry?!«

Er gab mir lächelnd einen Klaps auf die Schulter und setzte sich dann gerade hin, denn soeben hatte Mr. Stuart den Raum betreten.

Seine letzten Worte hallten mir noch in den Ohren. Wie leicht sie ihm über die Lippen gekommen waren und wie null geschwollen oder aufgesetzt sie geklungen hatten.

Ich blickte beeindruckt zu Peter hinüber, der jedoch keine Miene verzog und mit völlig neutralem Gesichtsausdruck aufmerksam nach vorn zu Mr. Stuart sah, welcher bei seinem Anblick ein kurzes Grinsen nicht unterdrücken konnte.

In mir arbeitete mein Gehirn fieberhaft und hatte immer noch nicht ganz verdaut, was er mir soeben alles erzählt hatte. Jedoch war eines ganz sicher, mein erster Eindruck hatte mich nicht getäuscht. Dieser Junge war anders.

In den kommenden Wochen verbrachten wir eine Menge Zeit miteinander und auch die beginnenden Sommerferien änderten daran nichts. Peter kam oft bei mir vorbei oder wir gingen zusammen in die Stadt, aßen Eis und unterhielten uns.

Diese Zeit zählte für mich zu der bis dato aufregendsten in meinem doch relativ unaufregenden Leben, denn ich lernte darin viel über den Menschen Peter Bride kennen und schätzen. Schon nach kurzem war ich äußerst stolz darauf, ihn meinen Freund nennen zu dürfen, auch wenn es zu Anfang eine etwas ungleiche Freundschaft war, da ich eher zu ihm aufblickte, als mich auf Augenhöhe mit ihm zu sehen. Doch das war eher meinen Unsicherheiten geschuldet und von ihm in keiner Weise beabsichtig, wie ich sehr schnell lernen sollte. Es war einfach schwer, neben ihm eine genauso gute Figur abzugeben, wie er selbst es tat. Peter war jedoch niemand, der auf andere Leute herabblickte oder sich für etwas Besseres hielt, er war das absolute Gegenteil. Er gab jedem Menschen, mit dem er zu tun hatte, das Gefühl etwas Wichtiges, etwas Besonderes zu sein. Für ihn gab es keine Unterschiede, alle Menschen besaßen in seinen Augen denselben Wert und so lebte er auch. Da war es ihm auch egal, ob sie schon viel in ihrem Leben erreicht hatten oder noch ganz am Anfang standen, ob da großartige Karrierepläne auf sie warteten oder noch überhaupt keine Idee, was mit der gegebenen Zeit, anzustellen war.

Ich erinnere mich noch gut an ein Erlebnis, das diese Einstellung stark zur Geltung brachte.

Es war kurz vor Beginn des neuen Schuljahres und Peter hatte von seinen Pflegeeltern Karten für ein Spiel meines Lieblingsteams geschenkt bekommen. Als er hörte, was für ein leidenschaftlicher Fußballfan in mir schlummerte, überredete er seinen Pflegevater, die Karte mir zu überlassen.

Nach dem Spiel wartete dann ein besonderes Highlight auf mich, denn wir kamen durch Zufall am Mannschaftsbus meines Teams vorbei, der von einem Hotel geparkt hatte. Die Spieler waren gerade dabei auszusteigen und steckten bereits in einer großen Menschentraube aus Fans und Bewunderern, die sich alle unbedingt ein Foto mit ihren Idolen sichern wollten. Während auch ich mit Mühe und Not ein Foto mit meiner Lieblingsspieler bekam, war für Peter der ganze Rummel eher verwirrend. Anstatt ebenfalls ein Unterschrift oder ein Foto zu erbeuten, stand er ganz entspannt neben mir und als ich nach langem Warten auch noch ein Autogramm vom heutigen Torschützen ergatterte, schüttelte Peter lediglich dessen Hand und gratulierte ihm zu seiner fantastischen Volleyabnahme, ehe er sich umwandte und mir mit einem Kopfnicken signalisierte, dass er gerne weiterspazieren würde.

Auf meine entgeisterte Miene und die Frage, warum er diese einmalige Gelegenheit nicht für ein Erinnerungsfoto genutzt habe, hatte er lachend entgegnet: »Das sind doch auch nur Menschen, Henry.«

Ich wusste daraufhin nicht, ob ich ebenfalls lachen oder doch lieber weinen sollte, über diese banale, wenn auch beeindruckende Sicht der Dinge.

Doch so war er. Der Mensch Peter Bride, so lernte ich im Laufe unserer Freundschaft, war zwar nicht gerade verschlossen, jedoch wusste man auch niemals, was genau in ihm vorging. Er hatte nie das Bedürfnis, im Vordergrund stehen zu müssen, doch er scheute sich auch nicht davor, Verantwortung zu übernehmen. Wie ich nach und nach erfuhr, lebte er seit einiger Zeit bei einer Pflegefamilie, den Grinnings, die ein hübsches Haus in meiner Nachbarschaft besaßen, jedoch keine eigenen Kinder hatten und zu denen Peter erst im Alter von fünfzehn Jahren gekommen war. Seine wirklichen Eltern gehörten zu einem der wenigen Themen, über die Peter nie sprach und ich lernte schnell, nicht mehr danach zu fragen.

Rückblickend betrachtet, musste ich mir eingestehen, was für ein wahnsinniger Glücksfall es doch gewesen war, dass sich diese zwei Trolle ausgerechnet mich als passendes Opfer ausgesucht hatten.

Denn wäre ich nicht auf diese Art und Weise mit Peter zusammengeprallt, hätte er sich womöglich zu einem anderen bekannten Gesicht meiner Klasse gesetzt, wäre dessen bester Freund geworden und ich hätte weiterhin aus der Ferne zu ihm aufschauen dürfen. Dann hätte ich ihn womöglich niemals richtig kennen gelernt und wäre das nicht geschehen, ich weiß nicht, welchen Verlauf mein Leben dann genommen hätte.

In jedem Fall niemals diesen einzigartigen, wie es MIT ihm geschehen konnte und dafür dankte ich Gott an jedem Tag.

So einen Menschen hatte ich noch nie zuvor getroffen und ohne zu sehr mit Bewunderung um mich zu werfen, kann ich euch heute sagen, dass es so jemanden mit Sicherheit kein zweites Mal geben wird. Ihr werdet bald wissen, was ich genau damit meine.

Jedenfalls, je mehr Zeit ich mit ihm verbrachte und je mehr er mich an seinem Leben teilhaben ließ, umso größer wurde das Gefühl in mir, dass er nahezu perfekt zu sein schien. Ein perfekter Mensch, ohne es jedoch selbst darauf anzulegen. Und ich meine keinesfalls diese nervige Art von Perfektion, wie Leute, die mit dem, was sie sagten, immer Recht haben mussten oder von vornherein einfach perfekt aussahen. Vielmehr war es sein Auftreten und seine Art, mit welchen er auf die Menschen zuging und ihnen begegnete. Er hatte Humor, und das nicht zu wenig, und dann konnte er wieder so wunderbar tiefsinnig über das Leben philosophieren. Man hatte beinahe den Eindruck, als könnte er nie etwas falsch machen oder jemanden ungerecht behandeln.

Er war freundlich zu den Lehrern und wusste stets Antworten auf ihre Fragen, ohne dabei wie ein Kriecher zu erscheinen. Es lag eine lockere Lässigkeit, in allem was er tat, ohne dabei arrogant oder draufgängerisch zu wirken. Sein Gespür für die Sorgen anderer und sein großes Talent, Leute zu begeistern, ohne eine Show abziehen zu müssen, waren einzigartig. Wenn man ihn ein wenig kannte, kaufte man ihm einfach zu Hundertprozent ab, dass er echt war, dass er eben er selbst war und keine Rolle spielte. Auch hatte er es keinesfalls nötig, Angebereien oder Witze auf Kosten anderer zu machen, um cool zu erscheinen, wie es hier bereits einige schon erfolgreich mit mir getan hatten.

All dies gelang ihm scheinbar mühelos, ohne es selbst darauf anzulegen; verwurzelt in seiner ehrlichen, offenen, charismatischen Art, die ihn besonders bei den Mädchen äußerst beliebt machte.

Wenn man all dies so betrachtet, könnte man fast den Eindruck gewinnen, es klänge eine Spur zu perfekt oder es einfach als die verwirrten Erinnerungen eines alten Narren abtun, der aus dem Nähkästchen plaudert, aber genauso war Peter Bride eben – und zwar bereits schon in seinen jungen Jahren.

Um es in seinen Worten zu sagen: »Jeder Mensch ist auf seine ganz eigene Art einzigartig, aber manche stechen eben besonders aus der Masse hervor.«

Und genauso ein Mensch war Peter.

Hinter all dieser Perfektion, die seiner Erscheinung innewohnte, verbarg er jedoch auch ein schreckliches Geheimnis. Ein Geheimnis, das sein Leben grundlegend bestimmte und später auch erklären sollte, warum er war, wie er war und weswegen er die Welt sah, wie sie kaum ein zweiter betrachten konnte.

Zum damaligen Zeitpunkt hatte ich, genau wie alle anderen, keinen Schimmer davon, was wirklich Tag für Tag in ihm vorgehen musste. Hätte ich es gewusst, ich weiß nicht, inwiefern es mein Bild von ihm verändert hätte …

Zwei Jahre Später

»Henry, beeil dich bitte, sonst kommst du noch zu spät! Wolltest du nicht noch Peter abholen?«

Die nörgelnde Stimme meiner Mutter wehte durch das Treppenhaus zu mir hinauf. Ich stand gerade vor dem Spiegel meines Kleiderschranks und war dabei, meine Krawatte zurechtzurücken. Wie leicht das doch bei der Verkäuferin in der Boutique ausgesehen hatte, schoss es mir durch den Kopf. Auf unergründliche Weise war es mir gelungen, den von ihr vorbereiteten Knoten wieder zu lösen und in meine ganz eigene Variation zu verwandeln. Daher war ich die letzte halbe Stunde damit beschäftigt gewesen, mein Missgeschick mit Hilfe eines Internet-Tutorials rückgängig zu machen. Na ja, er sah zwar nicht genauso aus wie der Vorherige, aber immerhin saß die Krawatte jetzt wieder da, wo sie hingehörte. Ich nahm mein Jackett vom Bett und schlüpfte hinein, dann besah ich noch einmal prüfend mein Spiegelbild. Ich war zufrieden, auch wenn Peter es mit Sicherheit besser hinbekommen hätte.

Am unteren Treppenabsatz wartete bereits meine Mutter mit einer blinkenden Kamera in den Händen.

»Muss das wirklich sein, Mum?«, fragte ich mit leicht genervtem Blick, obwohl ich mich insgeheim darüber freute, endlich einmal in so einer adretten Aufmachung abgelichtet zu werden.

»Sei nicht albern, wo du doch schon mal so schick aussiehst. Wow, es sitzt wirklich wunderbar, mein Schatz! Stell dich neben deinen Vater … ja genau so. Vater und Sohn«, sagte sie mit zusammengekniffenen Augen, während sie die Kamera auf mich und meinen Vater richtete, nachdem wir uns am Fuße der Treppe nebeneinander aufgestellt hatten.

»Das kommt gleich hier vorn an die Wand«, sagte sie voller Vorfreude und deutete auf eine freie Stelle über der Kommode. »Jetzt noch eins von uns beiden.«

Und sie drückte meinem Vater die Kamera in die Hand.

»Mum –«, fing nun ich mit nörgelnder Stimme an, doch sie hatte bereits den Arm um mich geschlungen und lächelte in das blinkende rote Licht.

Nach ein paar weiteren herzlichen Worten konnte ich mich endlich loseisen und trat hinaus in die herrlich warme Brise. Den ganzen Tag über war es sehr heiß gewesen, doch nun wehte ein angenehmes Lüftchen um meine Ohren. Die Sonne stand bereits tief am wolkenlos blauen Himmel und die rotstichigen Töne, die ihre Strahlen säumten, läuteten einen lauen Sommerabend ein. Ich sah auf meine Armbanduhr: es war kurz vor sechs.

Ich ging unseren kleinen Eingangsweg entlang, der zu beiden Seiten von samtig grünem Gras eingeschlossen wurde, das meine Mutter wie ihren Augapfel hegte und pflegte. Mir war es ein Rätsel, was es da überhaupt zu pflegen gab. Es war Gras, Punkt. Doch offenbar gab es darin für manche Leute mehr zu sehen.

Auf der Straße angelangt bog ich nach rechts. Das Haus der Grinnings lag nicht weit entfernt, weswegen ich die Strecke die vergangenen zwei Jahre über beinahe jeden Tag zu Fuß zurückgelegt hatte, um Peter zum täglichen Unterricht abzuholen. Unterwegs schossen mir einige Gedanken durch den Kopf.

Unsere Schulzeit war nur so dahin gerast. Vielleicht lag dies auch daran, dass es durch Peter eine solch schöne gewesen war, denn es ist ja allgemein bekannt, dass die Zeit schneller zu verrinnen scheint, wenn man glücklich ist.

Wir beide hatten die zurückliegenden Abschlussprüfungen jeweils mit sehr guten Noten bestanden, wenn auch Peter ein wenig besser abgeschnitten hatte.

Zwar hatte sich in den vergangenen zwei Jahren auch Peters restlicher Freundeskreis in rasanter Geschwindigkeit vergrößert und er war, wie nicht anders zu erwarten gewesen, zu einem der beliebtesten Schüler der gesamten Schule mutiert, doch auch die enge Freundschaft zwischen uns war stetig gewachsen, sodass ich zum ersten Mal im Leben jemanden zurecht als meinen besten Freund bezeichnen durfte und dass gerade Peter dieser jemand war, konnte kein Zufall sein. Auch war es ihm unglaublicherweise gelungen, dem zahlreichen Werben der Damenwelt erfolgreich zu widerstehen, was ich wiederum überhaupt nicht verstehen wollte und ihm spaßeshalber sogar ein wenig übel nahm.

»Man, wenn ich diese Auswahl hätte«, hatte er sich nicht nur einmal von meiner Seite aus anhören müssen.

Doch er grinste daraufhin immer nur und schwieg. Unser Vertrauenslehrer Mr. Stuart, alias Peters Kaffeekumpane in den großen Pausen, war besonders niedergeschlagen, dass sein Schützling die Schule nun verlassen sollte, denn zwischen den beiden hatte sich ebenfalls eine enge Freundschaft entwickelt. Außenstehende warfen dieser Beziehung bisweilen mit argwöhnischen Mienen fehlenden Abstand zwischen Schüler und Lehrer vor und einige gingen sogar so weit, hinter vorgehaltener Hand darüber zu munkeln, ob Peter dadurch vielleicht notentechnisch bevorzugt werden könnte, was jedoch, wie alle die Peter näher standen wussten, völlig an den Haaren herbei gezogen war.

Mr. Stuart erteilte in unserer Klasse bereits seit zwei Jahren keinen Unterricht mehr und genoss darüber hinaus unter Lehrern und Schülern gleichermaßen den berechtigten Ruf, absolut loyal zu sein. Zudem hätte Peter es mit seinen Leistungen wohl kaum nötig gehabt, fremde Hilfe anzunehmen. Nein, es war vielmehr so, dass Peter für sein Alter bereits relativ weit war, weiter als die meisten anderen und ich wusste zwar nicht genau, über was die beiden bei ihren häufigen Treffen so alles sprachen, aber gewiss nicht über Unterrichtsstoff oder die Inhalte von Klausuren.

Wie Peter mir in einem unserer Gespräche verriet, hegte er selbst den Wunsch, einmal Lehrer zu werden und würde daher ab kommendem Herbst ein entsprechendes Studium beginnen. Das passte wie die Faust aufs Auge. Allein wegen seiner Ratschläge über das Leben und seinen stets zuverlässigen Lösungsansätzen, wenn es um Probleme ging, bei denen die Betroffenen selbst keinen Ausweg mehr fanden, suchten ihn die Menschen ständig auf und er freute sich im Gegenzug immer, wenn er helfen konnte.

»Weißt du, Henry, ich wäre niemals so vermessen, zu behaupten, dass alles, was ich sage, automatisch richtig ist und dass die Leute in jedem Fall meinen Rat befolgen sollten. Es ist vielmehr so, dass ich ihnen ganz offen und ehrlich sage, wie ich darüber denke und was ich für die beste Vorgehensweise erachte. Dass ihnen dadurch oftmals eine andere Perspektive eröffnet wird, die obendrein noch hilfreich sein kann, ist im Grunde das einzige, was daran von Bedeutung ist.«

Das war seine Antwort auf meine Frage gewesen, ob ihm der stetige Andrang von Leuten, die ihn mit ihren Problemen bewarfen, nicht manchmal zu viel werden würde. Aber er konnte nicht anders, wie ich mit der Zeit herausfinden sollte. Er war keiner der Menschen, die einfach wegsehen konnten und dabei hatte er, wie sich noch zeigen sollte, im Grunde mehr als genug mit sich selbst zu kämpfen.

Ich bog um eine weitere Straßenecke und erkannte in einiger Entfernung das unverkennbare rosa Blühen des Rhododendrons im Vorgarten eines stattlichen, orangen Hauses. Unweigerlich begann ich zu lächeln. Ich wusste nicht warum, aber der bloße Anblick dieses Hauses hatte eine beruhigende, ja eine beinahe balsamierende Wirkung auf mich und ich ging gemächlichen Schrittes darauf zu.

Die Vorfreude gepaart mit einem Gefühl der aufregenden Neugier machte sich allmählich bemerkbar. Im Grunde hätte man sich keinen besseren Tag für unsere Abschlussfeier wünschen können, als diesen lauen Sommerabend im Herzen des Juli. Es war bestes Wetter, ein herrlicher Duft, wie es ihn nur im Sommer gab, erfüllte die Luft und alles schien bereit zu sein für eine fantastische Nacht voll ausgiebigen Übermutes.

Ich stand nun vor dem Anwesen der Grinnings, Peters Pflegefamilie, bei welcher er seit seiner Ankunft lebte.

Mrs. Grinning war eine kleine, blonde Frau mit einem herzensguten Wesen und einem, zwar nicht ganz so stark wie bei Peter ausgeprägtem, aber dennoch vorhandenen Helfersyndrom. Daher hatte sie auch keine Sekunde gezögert und ihn, ohne große Umschweife, wie einen Sohn, bei sich aufgenommen.

Weswegen Peter erst mit 15 Jahren bei ihnen Zuflucht gesucht hatte, war wie bereits erwähnt, eines der Mysterien, welche seine Person umgaben.

»Die besten, aber auch die schlimmsten Geschichten schreibt nach wie vor das Leben«, würde Peter in ferner Zukunft einmal rückblickend über seine eigene sagen und sich dabei einen Hauch von Zynismus nicht verkneifen können, was ansonsten völlig untypisch für ihn war.

Jedenfalls wussten zum damaligen Zeitpunkt wohl nur eine Handvoll Menschen von seiner Vergangenheit und er selbst sprach nie darüber.

Ich drückte mit dem Finger auf den goldenen Klingelknopf neben der geschwungenen Gravur des Familiennamens und sofort ertönte ein dumpfes, harmonisches Läuten hinter der weißen Haustür, die einen Moment später nach innen aufschwang.

»Hallo, Henry, mein Lieber«, begrüßte mich Mrs. Grinning mit einem strahlenden Lächeln und schloss mich in die Arme. »Ein großer Abend für euch beide, nicht wahr? Ich freue mich ja so für euch. Alles in Ordnung mit dir? Peter ist wie immer die Ruhe selbst oder er lässt sich nichts anmerken, na ja, du kennst ihn ja. Ich weiß noch bei meiner Abschlussfeier, oh oh …«

Und sie kicherte verschmitzt. Doch ehe sie weiter in Erinnerungen schwelgen konnte, rief eine Stimme aus der Küche: »Wer ist es, Margret?« Und Mr. Grinning kam um die Ecke geschlendert.

Er war sehr groß und hatte schwarzes, an manchen Stellen angegrautes, gelocktes Haar. Durch seine Brillengläser hindurch sah er mich lächelnd an und streckte mir die Hand entgegen.

»Na, nervös junger Mann? Gibt keinen Grund dazu, ihr beide habt es geschafft!«

Und er klopfte mir väterlich auf die Schulter. »Komm rein, wir stoßen noch schnell auf euren Abschluss an, ehe ihr abhaut. Peter, bist du fertig? Henry ist hier.«

Irgendwo aus dem oberen Stockwerk ertönte Peters Stimme.

»Ich komme gleich!«

Fünf Minuten später stand Peter in einem weißen Ausgehanzug in der Küche und grinste mir anerkennend entgegen, während er von Mr. Grinning ein Glas Champagner gereicht bekam. »Danke, Steve.«

Peter redete die beiden stets mit ihren Vornamen ›Margret‹ und ›Steve‹ an, was vollkommen nachzuvollziehen war, denn auch wenn sie mittlerweile eine Art Familienersatz für ihn darstellten, bestand schließlich keinerlei Verwandtschaft zwischen ihnen. Er schätzte die Grinnings sehr und war ihnen von ganzem Herzen dankbar, für all das, was sie in den vergangenen zweieinhalb Jahren für ihn getan und ihm darüber hinaus ermöglicht hatten.

Doch so sehr es auch Mrs. Grinnings Wunsch gewesen wäre, dass Peter sie mit ›Mum‹ ansprechen würde – da das Ehepaar leider nie eigene Kinder bekommen hatte und Peter daher liebend gern adoptiert hätte –, so selbstverständlich war es für ihn, dass dieses reizende Paar, zwar mit zu seinen engsten Bezugspersonen zählte, jedoch keineswegs einen Ersatz für seine leiblichen Eltern darstellen konnte. Mittlerweile jedoch hatte sich auch Mrs. Grinning mit diesem Arrangement abgefunden und Peter war mit seinen achtzehn Jahren schließlich auch schon lange kein Kind mehr.

»Also dann –« Steve Grinning erhob sein Glas. »Ich bin wirklich sehr stolz auf dich, Peter, auf euch beide natürlich!«, prostete er und sah erst Peter, dann mir und anschließend seiner Frau kopfnickend in die Augen. »Dieser hier steht schon seit einer halben Ewigkeit im Keller und ich dachte einen passenderen Anlass, die Flasche zu köpfen, gibt es nicht.«

»Das ist sehr nett von dir, Steve«, antwortete Peter, nachdem alle getrunken hatten und nickte ihm ebenfalls dankbar entgegen.

Nach einem kurzen Gespräch und einer weiteren herzlichen Umarmung seitens Mrs. Grinning, verabschiedeten wir uns von den beiden Erwachsenen.

»Wir sehen uns dann später«, sagte Steve und schüttelte meine Hand, während Mrs. Grinning Peter mütterlich in die Arme schloss.

»Und Finger weg vom Schnaps! ... Zumindest bis ich da bin«, fügte er halblaut und augenzwinkernd hinzu, sodass seine Frau, die gerade in die Küche zurück geeilt war, es nicht hören konnte.

Abermals trat ich, dieses Mal dicht gefolgt von Peter, hinaus in den herrlichen Sommerabend und wir machten uns auf den gewohnten Weg zur Schule, den wir bereits hunderte Male zusammen gegangen waren.

»Zum letzten Mal heute, was?!«, bemerkte ich grinsend und sah zu ihm hinüber.

»Ja, zum letzten Mal«, antwortete er bedächtig.

»Margret schien mir heute ganz schön aufgekratzt«, stellte ich amüsiert fest.

»Ja, ihr macht das alles ziemlich zu schaffen«, antwortete Peter mit nachdenklicher Stimme. »Dass die Zusage letzte Woche kam, weiß sie nicht, aber ich denke, sie ahnt etwas. Sie versteht zwar, dass ich von hier weg möchte, aber es fällt ihr schwer. Sie sagt es nicht, aber ich merke es. Insgeheim hofft sie immer noch, dass ich hier zur Uni gehe und somit zumindest noch während des Studiums bei ihnen wohnen bleibe.«

»Sie ist einfach traurig, nehme ich an?«

»Das kann man so durchgehen lassen, denke ich«, entgegnete er mit einem breiten Grinsen.

»Was meint Steve dazu? Du hast doch mit ihm darüber gesprochen?«

»Du kennst Steve … er sieht das alles ein wenig entspannter. Er versteht mich. Als er jung war, hatte er ähnliche Ziele. Er wollte etwas erleben, die Welt sehen und nicht direkt nach dem Abitur in einen langweiligen Job starten. Aber dann hat er Margret kennengelernt, was insgeheim wohl das Beste war, was ihm passieren konnte.«

Wir bogen um eine Ecke und schon konnte man in der Ferne das alte Backsteingemäuer mit seinen hohen Rundbogenfenstern am Ende der Straße erkennen, indem wir uns vor zwei Jahren zum ersten Mal über den Weg gelaufen waren.

»Du musst es ihr aber schon noch sagen, du kannst ja nicht in drei Monaten über Nacht einfach verschwinden«, sagte ich glucksend.

»Klar, werde ich das, aber nicht heute Abend. Steve macht mir keinen Druck und sie war so glücklich vorhin … sie freut sich auf die Feier. Außerdem geht es heute Abend nicht um meine Probleme, sondern um uns. Wir haben es geschafft!«

Und zum zweiten Mal an diesem Abend bekam ich einen anerkennenden Klaps auf die Schulter.

Als wir vor der Schule ankamen, tummelten sich dort bereits viele Absolventen unseres Abschlussjahrgangs. Die Mädchen hatten sich besondere Mühe gegeben, um aufzufallen. Da gab es zahlreiche gereifte Blumenbänder an Handgelenken und funkelnde Halsketten, ganz abgesehen von den bunten, teilweise aufreizenden, teilweise stilvolleren Abendkleidern, welche die Eltern des ein oder anderen Mädchens sicher ein Vermögen gekostet haben mussten.

Die Jungen hingegen trugen zu diesem feierlichen Anlass überwiegend die Standardvariante: Einen schwarz- oder dunkelblauen Anzug, darunter ein weißes Hemd mit dazu passender, meist unifarbener Krawatte. Hin und wieder sah man auch einen Smokingträger und ein besonders schräger Vogel hatte sich für einen weißen Frack mit Zylinder entschieden, wie man ihn eigentlich nur bei Bediensteten in besonders noblen Restaurants zu sehen bekam.

Auch die Lehrer hatten sich herausgeputzt, wobei die Damen auch in dieser Altersklasse deutlich besser abgeschnitten hatten.

Mr. Stuart, ebenfalls in schwarzem Anzug, winkte Peter vom anderen Ende der Menge her entgegen.

Peter grinste und rückte sich anerkennend die Krawatte zurecht, um Mr. Stuart zu bedeuten, eine gute Kleiderwahl getroffen zu haben. Dieser lachte kurz auf und wandte sich dann wieder seinem Gesprächspartner, dem uralten Professor Fisher, zu.

»Peter!«, rief eine Mädchenstimme durch das Wirrwarr aus Kleidern und klirrenden Sektgläsern. Es war Abigail, ein sehr hübsches Mädchen mit dunkelbraunem Haar und stechend dunkelgrünen Augen, die mit drei Gläsern Sekt in den Händen auf uns zusteuerte. Sie trug ein rubinrotes Abendkleid, das ihr bis kurz über die Knie reichte, eine, im Licht der untergehenden Sonne, beeindruckend funkelnde Perlenkette und elegante, zum Outfit passende Pumps.

»Hey, Abs«, sagte Peter erfreut, als sie sich endlich durch die Menge gekämpft und um seinen Hals geworfen hatte. Er löste sich aus ihrer Umklammerung und hielt sie an den Schultern, während er sie von Kopf bis Fuß betrachtete. Dann begann er anerkennend zu nicken.

»Ich bin nicht häufig sprachlos, Abs, aber wow, du siehst wirklich bezaubernd aus.«

»Ja, echt … hammer«, stotterte ich ein wenig verlegen und bekam nun ebenfalls eine Umarmung ab.

»Danke, Jungs. Ich war mir irgendwann überhaupt nicht mehr so sicher. Meine Mum hat etwa eine Stunde lang an meinen Haaren herumgemacht, bis ich endlich einverstanden war. Hier, wir müssen anstoßen!«

Und sie drückte uns zwei der drei Gläser in die Hände.

»Auf uns!«

Sie strahlte.

»Aber ihr habt es auch ganz schön gebracht, das muss ich schon zugeben«, sagte sie grinsend. »Besonders dich, Henry, hab ich noch nie so schick gesehen.«

Sie zwinkerte mir zu und unverkennbar war da dieses Leuchten in ihren Augen zu erkennen, welches einerseits stets ein Gefühl der tiefsten Wertschätzung versprühte, jedoch bisweilen auch ein wenig einschüchternd und verunsichernd wirken konnte.

Eigentlich war es auch immer nur dann zu beobachten, wenn ihre Augen auf Peter trafen, mittlerweile jedoch gehörte ich wohl ebenfalls zu ihren besten Freunden.

Für mich war es insgeheim ein Rätsel, warum die beiden nicht längst zueinander gefunden hatten, ich meine, als Paar.

Abigail hatte genau wie Peter etwas an sich, das einer magischen Anziehungskraft gleichkam, wenn auch ihre nicht so stark ausgeprägt und von anderer Natur zu sein schien. Aber vielleicht, und darüber hatte ich schon des Öfteren gegrübelt, ging es, was die ihre betraf, auch nur mir so.

Jedenfalls schien sie das einzige Mädchen des gesamten Abschlussjahrgangs zu sein, das sich nicht heimlich in Peter Bride verliebt hatte. Peter wiederum betrachtete sie eher als kleine Schwester, die zugleich die Rolle seiner besten Freundin einnahm und die er wie seinen Augapfel hütete.

Abigail Disher war ein in jeder Hinsicht spezielles Mädchen, keineswegs wie die anderen in unserer Klasse, die Peter teilweise hysterisch schmachtend an den Lippen hingen oder versuchten, ihn zu eindeutigen Verabredungen zu locken.

Bevor er an unsere Schule gekommen war, hatte ich sie zwar ab und an auf dem Pausenhof gesehen, aber wie auch Peter kam sie erst zum Beginn unseres vorletzten Schuljahres in meine Klasse. Peter selbst hatte von Anfang an einen guten Draht zu ihr gehabt, wohl auch, weil ihm sofort aufgefallen war, dass dieses hübsche Mädchen mit ihrem modernen, aber überhaupt nicht aufdringlichen Modegeschmack, eben nicht so tickte, wie die meisten anderen unserer Stufe, und ich denke, eben dieser Umstand hatte ihn besonders gereizt.

Abigail war in Australien, nahe der Stadt Adelaide, aufgewachsen. Als sie acht Jahre alt gewesen war, verunglückte ihr Vater bei einem Arbeitsunfall auf See, woraufhin ihre Mutter den Entschluss gefasst hatte, die Familie zu entwurzeln und nach England zu ziehen, da sie hier Verwandte besaß, in deren Firma sie fortan arbeiten konnte. Vielleicht verband gerade das die beiden so sehr, denn wer sollte besser verstehen, was es hieß, ohne ein intaktes Elternhaus klarkommen zu müssen, als Peter. Eine von vielen Gemeinsamkeiten, jedoch nicht gerade die Glücklichste.

Wie wir nach und nach erfuhren, war es ihr im Gegensatz zu ihm jedoch zu Anfang alles andere als leicht gefallen, sich an unserer Schule zurechtzufinden.

Als Neuling war sie oftmals aufgezogen worden, vielleicht auch deswegen, weil sie schon immer schlauer gewesen war und Sachverhalte schneller verstanden hatte, als die anderen Kinder in ihrem Alter. Möglicherweise hatten sie in ihr auch eine Art Bedrohung gesehen und während sich die anderen Mädchen mit zunehmenden Jahren immer mehr den Themen Nägel machen, Jungs nachgaffen und Beautyzeitschriften gewidmet hatten, konnte sie mit diesem ganzen Rumgekichere und den Gesprächen über die neuesten Trends der Stars eher weniger anfangen und hatte sich daher lieber mit Büchern über angewandte Mathematik oder sozialwissenschaftliche Prognosen beschäftigt.

Trotz allem oder vielleicht auch gerade dadurch, was sie bereits in früher Kindheit so alles durchleben musste, war sie heute, neben Peter, zu einem der besten Menschen herangereift, die ich je kennen lernen durfte. Genauer gesagt, war sie nach ihm mein absoluter Lieblingsmensch.

Sie war einfühlsam, taktvoll und verdammt schlau. Konnte bisweilen aber auch mal aus der Haut fahren und war keineswegs auf den Mund gefallen.

Sie liebte es, Peter herauszufordern und ihm bei Gesprächen auch mal ordentlich Kontra zu geben, vor allem, wenn sie sich dabei im Recht sah und er ihr widersprach. Oftmals wurde sie dann etwas lauter, wohingegen er völlig ruhig und sachlich mitdiskutierte und in den allermeisten Fällen musste sie sich gegen Ende der Flut an logischen Argumenten geschlagen geben und einlenken.

Aber diese ganze freche, ehrliche und direkte Art war ein Detail an ihr, das Peter besonders zu faszinieren schien. Sie besaß darüber hinaus die seltene Fähigkeit, ihn durch ihre Spontanität immer wieder aufs Neue zu überraschen und vor Herausforderungen zu stellen, was nur äußerst wenigen Leuten je gelang. Eine Eigenschaft, die jedoch auf Gegenseitigkeit beruhte.

Zudem war sie äußerst loyal, stets treu und sah zu ihm, wie zu dem großen Bruder auf, den sie nie gehabt hatte. Dieses platonische Bruder-Schwester-Verhältnis war wohl auch der Grund, weshalb sie nur beste Freunde geworden waren. Peter sprach mit ihr über Dinge, die er teilweise nicht einmal mir anvertraute. Die beiden waren schlichtweg unzertrennlich. Da waren so viele Gemeinsamkeiten, wie ihre Abenteuerlust, ihre vergleichbaren Erlebnisse in früher Kindheit oder, was denke ich entscheidend war, ihr inneres Gefühl nicht der breiten Masse anzugehören. Und doch gab es zwischen ihnen auch einige erhebliche Unterschiede, die dafür sorgten, dass es niemals langweilig wurde.

Während Peter in seiner charismatischen, ruhigen und selbstbewussten Art niemals laut oder aufbrausend wurde und sich stets unter Kontrolle zu haben schien, konnte Abigail durchaus mal die Fassung verlieren oder in sarkastische Gefühlsausbrüche abschweifen, welche Peter jedes Mal besonders amüsierten.

Man durfte eben nicht vergessen, dass sie nicht wie er war.

Während dieser Junge nahezu perfekt schien, hatte sie ein paar deutlich erkennbare Macken. Wenn sie beispielsweise zornig wurde, so ließ sie dies schon mal ganz gerne an uns beiden aus und sparte dabei nicht, mit ironischen Bemerkungen um sich zu werfen. Ich erinnere mich noch gut, wie sie einmal versucht hatte, Peter aus der Reserve zu locken und es wenigstens einmal zu schaffen, ihn wirklich wütend zu machen oder ihm zumindest eine giftige Antwort zu entlocken, aber vergeblich. Zum Ende hin war sie regelrecht gemein geworden, doch zu diesem Zeitpunkt hatte Peter sie bereits längst durchschaut und als sie schlussendlich anfing, gequält aufzulachen und mit halb belustigter, halb wütender Stimme zu fragen, warum er denn nicht zurückgemault habe, hatte er sie nur lachend in den Arm genommen und ihr einen leichten Klaps auf den Hinterkopf gegeben.

Peter für seinen Teil sprach sie nie mit ihrem vollen Vornamen an, sondern nannte sie stets einfach nur ›Abs‹. Kein anderer war auf die Idee gekommen, ihren Namen derart zu kürzen und sie hatte sich lange dagegen gewehrt, doch nach etlichen Versuchen, Peter diese eigentümliche Anrede abzugewöhnen, schließlich aufgegeben und laut verkündet, dass nur er sie fortan so nennen dürfe. Peter hingegen hatte ihr mit freudiger Stimme mitgeteilt, dass es doch eine schöne Vorstellung sei, einen Namen zu haben, mit dem nur er sie anreden durfte. Diese Sichtweise hatte sie ein wenig beschwichtigt und ich hätte diesem raffinierten Mistkerl damals dafür in den Hintern treten können, wie er es mit einer Mischung aus seinem einzigartigen Charme und sachlicher Hartnäckigkeit geschafft hatte, den beharrlichsten Menschen, der mir bekannt war, zu brechen. Auch wenn es im Grunde nur eine Winzigkeit darstellte, so symbolisierte diese Bezeichnung doch die Besonderheit ihrer gegenseitigen Beziehung.

Das war wieder einer dieser Momente gewesen, in denen man nichts außer Bewunderung für Peter aufbringen konnte, obwohl es sich augenscheinlich nur um eine Lappalie, wie einen Spitznamen gehandelt hatte. Es war jedoch die Art und Weise, wie Peter sie dazu brachte, ihm ihr Vertrauen entgegenzubringen und ihm dieses Zugeständnis zu machen, die besonders beeindruckte.

Keine Spur von Arroganz oder Überheblichkeit, ohne sich über sie lustig zu machen; sein Humor und sein Charisma, mit denen er jedem Menschen begegnete, hatten völlig ausgereicht.

Peter, Abigail und ich waren seit Beginn des vorletzten Schuljahrs zu einem unzertrennlichen Trio zusammengewachsen und quasi ständig gemeinsam unterwegs.

Natürlich war den Leuten sogleich aufgefallen, dass Peter neben mir nun auch häufiger in Begleitung einer jungen Dame gesichtet wurde, was vor allem unter den Schülern der Oberstufe für reichlich Getuschel gesorgt hatte und wodurch auch schnell erste Gerüchte aufgekommen waren, denn vor allem die Mädchen waren brennend daran interessiert gewesen, wer das hübsche Ding neben Peter Bride war und was genau zwischen den beiden vor sich ging.

Da man sie aber nie beim Händchenhanteln oder Herumknutschen auf dem Schulhof ertappen konnte, hatte sich dieses Gemurmel mit der Zeit zerstreut und bald war ersichtlich geworden, dass die beiden wohl einfach nur gute Freunde sein mussten.

Als ich gerade dabei war, ein weiteres Glas Sekt von einem vorbeischwebenden Tablett zu schnappen, ertönte plötzlich eine laute, mikrofonisch verstärkte Stimme.