Ein Gentleman in Arles – Gefährliche Geschäfte - Anthony Coles - E-Book

Ein Gentleman in Arles – Gefährliche Geschäfte E-Book

Anthony Coles

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  • Herausgeber: Piper ebooks
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Spaziergänge mit Windhund Arthur, genussvolle Speisen in pittoresk gelegenen Restaurants – so hat sich Peter Smith seinen Ruhestand vorgestellt. Doch dann wird ein junger Polizist bei einer angeblich ungefährlichen Observierung erschossen. Der Großvater des Getöteten glaubt diese Version nicht und bittet den ehemaligen Geheimdienstler Smith um Hilfe. Verdächtig erscheint dem Agenten im Ruhestand sofort, dass der Leichnam eingeäschert wurde. Schneller als ihm lieb ist, findet sich Smith in einem Durcheinander verschiedenster Interessen wieder und entdeckt eine provenzalische Verschwörung.

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Inhalt

Cover & Impressum

Prolog

1. Erstes Briefing

2. Der alte Mann

3. Eine alte Freundschaft

4. Eine wiederaufgefrischte Bekanntschaft

5. Gesprächsrunden undGedankenspiele

6. Knochen für Martine

7. Lunch mit einem Gangster

8. Intermezzo aus Leibesübungen und Papierkram

9. Bullen und Mittagessen

10. Observierungen

11. Krieg

12. Der Morgen danach

13. Tunnel du Rove

14. Dîner mit Martine

15. Interventionen der Schurken

16. Letztes Briefing

17. Endspiel

18. Schluss

4. Eine wiederaufgefrischte Bekanntschaft

Arles war wie ausgestorben. Die kurzzeitige Belebung über Weihnachten und den Jahreswechsel, ohnehin eher bescheiden, war verebbt, und der Januar ging unauffällig in den Februar über. Ein richtiger Winter wird in diesem Teil der Provence niemals so richtig heimisch. Manchmal hängt der Himmel voller Regenwolken, und natürlich fällt hin und wieder dieser seltsame Wind, der Mistral, aus dem Norden ein. Wenn nachts die Temperaturen unter den Gefrierpunkt sinken und sich auf den Pfützen eine Eisschicht bildet, scheint es in den Straßen keinen anderen Gesprächsstoff mehr zu geben. Dann wundert man sich allenthalben über dieses seltene Phänomen, selbst wenn das Eis längst geschmolzen ist und die Sonne wieder scheint. Sehr, sehr selten schneit es auch einmal. Der Seltenheitswert eines zehnminütigen Schneeschauers ist etwa fünfzigmal so hoch wie der einer Frostnacht. Die Menschen verbringen ihre Tage in der nächsten Boulangerie, wo man sich wortreich über die Unwägbarkeiten des Wetters unterhält. Dieses Thema schlägt selbst die übliche Nummer eins, die Gesundheitsproblematik. Es wäre ein Fehler, die Begrüßungsformel »Comment allez-vous?« als bloße Konvention der Anrede abzutun. Wer diese Frage stellt, riskiert eine Antwort in enzyklopädischer Ausführlichkeit, belegt mit Attesten hinsichtlich Blutdruck, Cholesterinspiegel und anderen messbaren Körperfunktionen, die praktischerweise auf dem Smartphone jederzeit abrufbar sind. In Frankreich gibt es mehr Bäckereien als Ärzte und Apotheken, und das hat seinen guten Grund.

An diesem besonderen Morgen war es kalt, und die Frühaufsteher, denen Smith begegnete – er führte wie immer pünktlich um sieben Arthur aus –, tanzten vorsichtig und mit eingerollten Regenschirmen um gefrorene Pfützen herum. Es wehte ein Wind; er war zwar kein Mistral, aber auf dem besten Weg dahin. Wer stehen blieb, einen Moment lang von seinem subjektiven Unwohlsein absehen konnte und den Blick schweifen ließ, wurde entschädigt. In der klaren Luft reichte der Blick über die Alpillen im Nordosten bis zum Mont Ventoux. Atemberaubend, denn selbst im Winter waren solche Aussichten einfach Luxus.

Gentrys Bitte hatte Smith in Unruhe versetzt, wenn auch in angenehmer Weise. Suzanne Blanchard war ihm, Smith, schon einmal über den Weg gelaufen, weshalb Gentry ihn zu Hilfe gerufen hatte. Vor gut einem Jahr war Smith dahintergekommen, dass sie nach aller Wahrscheinlichkeit ihren pädophilen Ehemann hatte töten lassen. Stichhaltige Beweise dafür besaß er zwar nicht, aber davon hatte die elegante Madame Blanchard keine Ahnung. Schuldgefühle können die meisten Menschen zum Narren halten, und Madame war gewiss keine Ausnahme. Gentry hatte recht. Ihre Verwicklung in den Mordfall öffnete ihm die Tür zu Ermittlungen in der aktuellen Sache, auch wenn es inzwischen so schien, als wäre sie von ihrem Job bei Europol auf einen noch viel höheren, exotischeren Posten befördert worden. Smith empfand ein vages Unbehagen. Er pflegte seine Einsamkeit und hielt sich möglichst bedeckt. Sein Ruhestand war ihm schon jetzt viel zu ereignisreich, wenngleich ihn eine gewisse Madame Aubanet, die Hauptursache für seine in jüngster Zeit etwas unwillkommene Sichtbarkeit, mehr als schadlos hielt. Nun aber die Klingen zu kreuzen mit einer ehrgeizigen Frau, die ihm alles andere als sympathisch war (was wohl auf Gegenseitigkeit beruhte) und die im Dienst des Präsidialamtes in einer Sache der nationalen Sicherheit Ermittlungen leitete, war ganz und gar nicht nach seinem Geschmack. Sie musste über sehr mächtige Freunde verfügen und war in einem Biotop zu Hause, um das Smith einen weiten Bogen machte. Aber Gentry hatte ihn um Hilfe gebeten, und das war Grund genug, aus der Deckung zu gehen. Er schuldete ihm so einiges, nicht zuletzt sein Leben, auch wenn sich die Schuldenberge auf beiden Seiten türmten und in ihrer gemeinsamen Vergangenheit entstanden waren. Smith seufzte, dachte einen Moment lang nach, fasste sich schließlich ein Herz und sprang ins kalte Wasser.

Als Erstes wollte er ein bisschen im Trüben fischen. In Anbetracht ihres vermutlich schlechten Gewissens würde Madame Blanchard mehr als überrascht sein, wenn er sich plötzlich bei ihr meldete. Nach den Vorkommnissen im vergangenen Jahr hatte sie mehrfach versucht, telefonisch Kontakt mit ihm aufzunehmen; wahrscheinlich wollte sie herausfinden, ob und inwieweit ihr Smith auf die Schliche gekommen war. Er hatte nie zurückgerufen. Nein, er mochte diese schlanke, aufgedrehte Frau nicht besonders, zumal sie in seinen Augen gegen ihre Cousine Martine deutlich abfiel, auf deren Bitte hin er sich überhaupt mit dem Fall befasst hatte. Martine und er waren sich im Laufe seiner Ermittlungen nähergekommen und hatten Freundschaft geschlossen. Im Vergleich zu ihr war Suzanne Blanchard eine völlig andere paire de manches. Smith traute ihr so weit über den Weg, wie er sie mitsamt ihrem eleganten Hintern werfen konnte, und obwohl das durchaus weiter sein mochte, als sie vermutete, war es nicht weit genug.

Nachdem er seinen üblichen Becher Espresso gemacht und sich vergewissert hatte, dass Arthur mit Hundekeksen und frischem Wasser versorgt war, ging er in sein Arbeitszimmer im Obergeschoss seines kleinen Hauses, das gleich neben dem Amphitheater von Arles lag. Der Hund sträubte sich generell, die glatten Steinstufen hinaufzusteigen, und zog es vor, auf der schattigen Terrasse vor der Küchentür zu liegen und auf Katzen zu warten, denen er nachjagen konnte. Er war ein Experte darin, Plagegeister in ihre Schranken zu weisen, wie auch Smith auf seine Art. Es war noch dunkel draußen und in seinem Arbeitszimmer ungemütlich kalt. Er schaltete seinen PC ein und ertrug geduldig das zum Teil völlig unnötig lange Hochfahren, das alle Nutzer des von Herrn Gates ausgeheckten Betriebssystems zähneknirschend über sich ergehen lassen müssen. Als es endlich so weit war, warf er einen Blick auf seine Outlook-Kontakte. Er hatte tatsächlich eine Mobilfunknummer von ihr gespeichert.

Es war inzwischen acht Uhr am Morgen, eine gute Zeit, um jemanden auf dem falschen Fuß zu erwischen. Bei ihr hatte er allerdings das Gefühl, dass sie, wann immer man sie anrief, hellwach und perfekt frisiert an ihrem Schreibtisch sitzen würde.

»Madame Blanchard. Guten Morgen, Peter Smith hier.«

»Monsieur Smith. Wie schön, von Ihnen zu hören. Wie geht es Ihnen?«

Respekt, dachte er, wie schnell sie sich erholte. Aber nicht schnell genug. Die Schrecksekunde war geradezu greifbar gewesen. Trotzdem, ihre Reaktion hätte einem Grand-Prix-Rennfahrer alle Ehre gemacht, der sich bei Tempo zweihundert plötzlich auf dem Seitenstreifen wiederfand. »Gut. Und Ihnen, Madame?«

»Auch gut. Was verschafft mir das Vergnügen Ihres Anrufes?«

Dass sie mit Nettigkeiten noch weniger am Hut zu haben schien als er, stimmte Smith freundlich. »Nun, Madame, ich würde mich gern mit Ihnen treffen und plaudern. Möglichst bald. Wäre das einzurichten?«

Ihre Antwort verblüffte und freute ihn zugleich. Als jemand, der Verhöre zu führen verstand, hatte er den Eindruck, bei eigenem Aufschlag auf Thirty-Love erhöht zu haben.

»Woher wissen Sie, dass ich in Arles bin? Ich bin erst vor ein, zwei Stunden angekommen.«

Er wusste es natürlich nicht. Sie nahm nur etwas Falsches an, wie so viele, die vergessen, dass sie ein Mobilfunkgerät benutzen. Smith genoss es, ein sanftes »Ahhh« durchs Netz zu hauchen. Nicht mehr. Und wieder war an der Art, wie schnell sie sich erholte, nichts auszusetzen.

»Ich würde mich gern mit Ihnen unterhalten, Madame. Unter vier Augen.«

Ihr Zögern war hörbar. »Wann immer Sie möchten. Ich bin zu Hause.«

Smith erinnerte sich an das hübsche kleine Haus am Boulevard Haussmann, in dem sie mit ihrem Mann gewohnt hatte.

»Vielleicht essen Sie heute mit mir zu Mittag«, fügte sie hinzu.

Smith spürte, wie sehr sie hoffte, dass er die Einladung ausschlug und stattdessen ein Treffen an einem neutraleren Ort zu einer späteren Tageszeit in Aussicht stellte, was ihr mehr Zeit geben würde, sich darauf einzustellen und vorzubereiten.

»Es wäre mir ein Vergnügen, Madame.«

Die Schrecksekunde war diesmal nicht mehr messbar, und niemand hätte ihr eine Enttäuschung angemerkt. Im Allgemeinen nimmt kaum jemand zur Kenntnis, dass Kommunikation zu achtzig Prozent nonverbal abläuft und selbst bei einem Telefongespräch sehr viel mehr herauszuhören ist aus dem, was nicht gesprochen wird, als aus dem tatsächlich Gesagten.

»Also um eins, Peter.«

»Ich freue mich darauf, Suzanne.«

Ihre Verwendung seines Vornamens hatte einen sarkastischen Anklang. Dass er sie mit Suzanne anredete, war nichts als eine boshafte Replik.

Glück gehabt, dachte er, als er das Handy weglegte.

Er hatte wahrhaftig nicht damit gerechnet, dass es so leicht sein würde, sich mit ihr zu treffen, und erst recht nicht, dass sie sich in Arles aufhielt und nun gar glaubte, er habe das gewusst. Sein Bluff brachte ihn allerdings nun selbst in Zeitnot. Er musste sich auf die Schnelle etwas einfallen lassen, womit er sich auf dünnes Eis begab. Die Metapher erschien ihm jahreszeitgemäß.

Gentry hatte ihm nur ein paar dürftige Auskünfte mitgeben können. Was an sich ungewöhnlich war. Normalerweise war er derjenige, der sich zunächst eine Fülle von Informationen verschaffte und sich damit abfinden musste, dass er, Smith, aufs Geratewohl improvisierte. Jetzt schien es, dass es sich andersherum verhielt und Smith die Führung zu übernehmen hatte. Im Fall seines Freundes Marcel hatte Gentry ausnahmsweise einmal einem Impuls nachgegeben, was die Sache umso schwieriger machte. Denn waren die Dinge erst einmal ins Rollen gekommen, trat er in den Hintergrund zurück und überließ Smith das Feld. Sich mit Problemen herumzuschlagen und in brenzligen Situationen spontan die richtige Entscheidung zu treffen, war Smiths Stärke, was sich beispielsweise am Schachbrett als Vorteil erwiesen hatte. Je unverschämter sein Zug, desto schneller war Gentry mit seinem Latein am Ende. Er hielt seinen Freund für unbekümmert und waghalsig, verkannte dabei aber, dass Smiths Erfolge – sowohl im Schach als auch in ihren gemeinsamen und mitunter unorthodoxen Unternehmungen – vor allem auf ein gerütteltes Maß an Erfahrung zurückzuführen waren und nicht etwa auf das Glück des Dummen (wie Gentry vielleicht glauben mochte). Gentrys Domäne war die Wissenschaft, und Smith hatte es noch nicht über sich gebracht, dem Freund beizubringen, dass es nicht reichte, genug zu wissen. Apollinisches und Dionysisches passten wunderbar zusammen, wenn das Verhältnis stimmte – etwa so wie bei einer Gewürzmischung für eine Suppe. Smith wusste, wie, Gentry nicht. Vielleicht erklärte es das Geheimnis ihrer langen Beziehung: Gentry war zwar wichtig für Smith, aber Smith war für Gentry unentbehrlich.

Er musste irgendwie dafür sorgen, dass Gentry wieder auf seinem gewohnten Posten und auf die Sache fokussiert war. Denn so viel stand für ihn fest: Falls es in dem anstehenden Fall zu Problemen kommen sollte, brauchte er seinen Freund als Informationsquelle und Strippenzieher im Hintergrund.

Smith überlegte kurz und entschied, Gentry von dem geplanten Treffen mit Suzanne nichts zu sagen. Er würde sich moralisch verpflichtet fühlen, ihn zu briefen. Da aber ihr Rendezvous in weniger als drei Stunden stattfinden sollte, würde Gentry in der Kürze der Zeit keinen guten Job mehr machen können, und er wäre zu Recht sauer. Nein, Smith musste aus dem Stegreif vorgehen. Also rekapitulierte er noch einmal die dürftigen Informationen, die ihm vorlagen.