Ein Glückskeks macht noch keine Liebe - Karin Lindberg - E-Book
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Ein Glückskeks macht noch keine Liebe E-Book

Karin Lindberg

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Beschreibung

Liebe? Nein Danke! Natalie hat schwer genug an ihrer letzten Beziehung zu knabbern. Dass sie ihre Brötchen gerade als lasziv-prickelnde Telefonstimme für zahlende Kunden mit einschlägigen Wünschen verdient, erschüttert ihren Glauben an die Liebe zusätzlich. Kein Wunder, dass sie – zumindest verbal – kurzen Prozess mit dem Typen macht, der ihr den letzten Parkplatz vor der Nase wegschnappt. Nur kennt Thies die Vorgeschichte nicht und hält die schimpfende Natalie schlicht für verrückt. Zumal er selbst ein Päckchen zu tragen hat. Eben ist sein geliebter Großvater gestorben, die stressige Arbeit als Chirurg im Krankenhaus und sein regelmäßiges Engagement als Arzt in Krisengebieten fordern ihn außerdem – da kann er diese Zicke nicht brauchen. Bis sie einander näherkommen. Unwillentlich, aber hoffnungsvoll, knüpfen sie ein Band. Ob es hält?

Der brandneue Liebesroman von Karin Lindberg mit Wohlfühlgarantie - zum Lachen, Träumen und natürlich mit Happy End. Der Roman ist in sich abgeschlossen.

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Ein Glückskeks macht noch keine Liebe

KARIN LINDBERG

Copyright © 2023 by Karin Lindberg

All rights reserved.

Lektorat Dorothea Kenneweg

Korrektorat Ruth Pöß

Covergestaltung: Casandra Krammer – www.casandrakrammer.de

Covermotiv: © flas100, oneinchpunch – depositphotos.com, swiejko, elzbieta_malyska – envato.com, Elena Akinina – Shutterstock.com

Karin Baldvinsson

Am Petersberg 6a

21407 Deutsch Evern

Mehr Informationen unter www.karinlindberg.info

Klappentext

Liebe? Nein Danke! Natalie hat schwer genug an ihrer letzten Beziehung zu knabbern. Dass sie ihre Brötchen gerade als lasziv-prickelnde Telefonstimme für zahlende Kunden mit einschlägigen Wünschen verdient, erschüttert ihren Glauben an die Liebe zusätzlich. Kein Wunder, dass sie – zumindest verbal – kurzen Prozess mit dem Typen macht, der ihr den letzten Parkplatz vor der Nase wegschnappt. Nur kennt Thies die Vorgeschichte nicht und hält die schimpfende Natalie schlicht für verrückt. Zumal er selbst ein Päckchen zu tragen hat. Eben ist sein geliebter Großvater gestorben, die stressige Arbeit als Chirurg im Krankenhaus und sein regelmäßiges Engagement als Arzt in Krisengebieten fordern ihn außerdem – da kann er diese Zicke nicht brauchen. Bis sie einander näherkommen. Unwillentlich, aber hoffnungsvoll, knüpfen sie ein Band. Ob es hält?

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Epilog

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Über die Autorin

Prolog

Dass an einem Tag wie diesem das Wetter geradezu märchenhaft war, fand Thies absolut unpassend für einen so traurigen Anlass. Die Sonne spiegelte sich im blank geschliffenen Granit des Grabsteins seiner Großeltern. Der Name seines Opas war kürzlich eingraviert worden und hob sich deutlich vom dunklen Stein ab. Der intensive Geruch von Lilien hing in der Luft. Vögel zwitscherten in den Bäumen, die Blätter raschelten in einer leichten Frühlingsbrise. Ein Schmetterling flatterte von irgendwoher an den schwarz gekleideten Gästen vorbei und landete auf dem weißen Sarg, um sich mit weit ausgebreiteten Flügeln einen Moment auszuruhen. Dieses idyllische Bild war so absurd, dass Thies’ Kehle eng wurde. Hinter seinen Augen brannte es, und die Umgebung verschwamm in seiner Trauer.

Jemand stieß Thies einen Ellenbogen in die Seite. »Na los, du bist an der Reihe«, riss ihn Jaspers Stimme aus der Starre. Sein jüngerer Bruder guckte ihn mit großen Augen an. Endlich kapierte Thies, dass er dichter herantreten musste. Er sollte eine Handvoll Erde und eine weiße Rose in das geöffnete Grab werfen, in die man den Sarg mittlerweile niedergelassen hatte.

Mein Gott, er hatte von all dem gar nichts mitbekommen. Er hatte minutenlang stumpf vor sich hingestarrt und sich dabei immer wieder gefragt, warum es so weit hatte kommen müssen. Thies schluckte. Ohne eine sichtbare Gefühlsregung zuzulassen, tat er, was von ihm verlangt wurde, warf eine Handvoll Erde hinein und ließ eine weiße Rose auf den Sarg fallen. Dann wandte er sich ab.

Die Familie hatte gebeten, von Trauerbekundungen am Grab Abstand zu nehmen, Thies war froh darüber. Er ging ein paar Schritte zur Seite, um den anderen Trauergästen Platz zu machen, und atmete tief durch. Das hieß, er versuchte es, aber es gelang ihm nicht. Er fühlte sich, als hätte jemand einen tonnenschweren Brocken auf seiner Brust abgeladen.

Jasper kam an seine Seite und klopfte ihm auf die Schulter. »Alles in Ordnung?«

Natürlich nicht, aber Thies schwieg. Es kam ihm einfach surreal vor, dass sein Großvater heute zu Grabe getragen worden war. Viel zu früh.

Thies kam nicht damit klar, dass Opa auf eine Behandlung verzichtet hatte, die so einfach gewesen wäre. »Er war Arzt und hätte es besser wissen müssen!«, knurrte Thies mit angespanntem Kiefer. »Opa hätte sich diesen verdammten Schrittmacher implantieren lassen sollen. Damit hätte er noch viele Jahre gut gelebt.«

Jasper nickte. »Der Alte war genauso stur wie du, er wollte einfach nicht. Ich kann sogar irgendwie verstehen, dass er sich dazu entschieden hat, lieber etwas früher und dafür in Würde abzudanken.«

Thies wusste genau, was Jasper meinte. Leider. Ihre Großmutter war vor ein paar Jahren mit einer so schweren wie seltenen Krebserkrankung dahingesiecht. Sie hatte nicht nur lange gelitten, sondern auch viele Schmerzen aushalten müssen.

»Es ist absurd«, sagte Thies. »Ich verstehe, dass Opa Angst hatte, hilflos und schwach zu werden. Niemand wünscht sich das. Trotzdem muss ihm doch auch bewusst gewesen sein, dass es bei ihm gar nicht so hätte kommen müssen.«

»Kannst du das mit Sicherheit sagen?«, wandte Jasper ein.

»Natürlich nicht, aber mit einem Herzschrittmacher würde er heute noch über den Golfplatz trotten und nicht unter der Erde liegen! Er war doch kerngesund, bis auf diese verfluchte Bradykardie«, brauste Thies auf. Jaspers warnender Blick brachte ihn allerdings sofort zum Schweigen. Ein Friedhof war kein Ort für laute Diskussionen. Aber Thies war so wütend in seiner hilflosen Trauer, dass er schlicht nicht wusste, wohin mit sich und all diesen verdammten Emotionen. »Lass uns gehen«, murmelte Thies schließlich und marschierte mit langen Schritten über den gekiesten Weg. Er hörte, dass Jasper ihm folgte.

Den restlichen Nachmittag verbrachte Thies mit sinnlosem Small Talk in der Villa seiner Eltern an der Elbchaussee. Jeder, der in Hamburg etwas auf sich hielt, war gekommen. Normalerweise hatte Thies keine Schwierigkeiten, sich auf diesem Parkett zu bewegen. Aber heute war kein Tag wie alle anderen.

Allein das Wort Trauerfeier ließ ihn kaum merklich erschaudern. Für Thies gab es heute keinen einzigen Grund, fröhlich zu sein. Keinen einzigen. Im Gegenteil. Zu gerne würde er sich wie ein Achtjähriger auf sein Bett werfen und heulen. Natürlich tat er es nicht, sondern straffte sich und rückte die dunkle Krawatte zurecht. Dann schnappte er sich ein Glas Saft von einem Tablett, das eine Servicekraft ihm höflich vor die Nase hielt. »Danke«, murmelte er abwesend, sich gerade noch an seine guten Manieren erinnernd.

Die Stimmung der übrigen Gäste war gelöst. Wären nicht alle in dunklen Farben gekleidet, würde niemand vermuten, dass man heute einen geliebten Menschen beigesetzt hatte. Sogar Jasper schien sich mittlerweile zu amüsieren, er plauderte gerade mit einigen Bekannten aus dem Hanseatischen Herrenclub, die in ihrem Alter waren. Thies stand der Sinn nicht nach einer Unterhaltung, deshalb trat er auf die Terrasse hinaus. Es war kühl geworden, die Sonne hatte sich längst verabschiedet. Man konnte gerade noch einen roten Streifen am Horizont erkennen. Die ersten Sterne waren am Himmel zu sehen. Vielleicht gab es in dieser Nacht wieder Bodenfrost.

Gott, was dachte er da eigentlich? Absurd, als ob es ihn interessieren würde, wie tief die Temperaturen heute fallen könnten. Er schob die Hände in die Hosentaschen und starrte in die Ferne. Hoffentlich war dieser Tag bald vorbei.

Irgendwann trat jemand neben ihn, und er blickte auf.

»Was machst du hier draußen?«, erkundigte sich seine Mutter sanft. Sie schlang die Arme um ihren Körper und zog dabei die Achseln hoch. »Es ist eiskalt geworden, Thies, du erkältest dich noch.«

Die besorgten Worte seiner Mama ließen ihn zum ersten Mal an diesem Tag schmunzeln. Er legte ihr einen Arm um die Schulter. »Ich musste mal kurz durchatmen, Mama. Ich komme gleich wieder rein.«

»Das kann ich gut verstehen. Ihr standet euch sehr nah, das war kein einfacher Tag. Für keinen von uns.«

»Es ist nicht nur das«, gab Thies zurück. Sein Atem hinterließ kleine weiße Wölkchen in der Luft. Er wollte jetzt nicht wieder all das durchkauen, was ihn in den letzten Tagen so oft beschäftigt hatte. Wie unnötig der Tod seines Opas gewesen war.

Dörte Engelmann nickte, und ein warmes Gefühl breitete sich in seinem Bauch aus. Diese Frau war nicht nur eine wunderbare Mutter, sie war auch ein großartiger und empathischer Mensch. Ihr Verhältnis war ausgezeichnet, seit sie endlich damit aufgehört hatte, ihn wegen Annalena zu nerven. Das Thema hatte früher oft zu Ärger geführt, weil seine Mutter die Trennung nicht hatte akzeptieren wollen – was Thies schrecklich fand, immerhin ging es um sein Leben. Aber an dieses ewige Streitthema wollte Thies am heutigen Tage noch weniger denken.

»Komm doch wieder rein, Schatz, ehe du dich wirklich erkältest.«

»Mama, ich bin nicht mehr drei Jahre alt. Ich hole mir nicht gleich einen Schnupfen, wenn ich kurz draußen stehe.«

»Na schön, ich verstehe. Du hast genug für heute, stimmt’s?«

Er schwieg, aber sie traf den Nagel, wie so oft, auf den Kopf. Seine Mutter strich ihm liebevoll über die unrasierte Wange, ehe sie weitersprach. »Dann tu mir doch einen Gefallen, ich habe das Gefühl, dass die Gäste länger als geplant bleiben werden. Könntest du kurz zum Supermarkt fahren und ein paar Getränke und Fingerfood besorgen? Du weißt schon, bei Luigi haben sie eine ganz wunderbare Weinauswahl, und es gibt da diesen Shop im Shop, wo man Antipasti und so ein Zeug kaufen kann. Würdest du das wohl für mich erledigen? Der Catering-Service kann so kurzfristig nichts mehr machen.«

Obwohl Thies es nach wie vor befremdlich fand, dass Leute einen so traurigen Anlass dazu hernahmen, sich zu amüsieren und gut zu unterhalten, nickte er. »Natürlich, Mama, das mache ich gerne. Ich mache mich gleich auf den Weg.«

»Nimm mein Auto, ja?«

Ehe sie ihm Geld zustecken konnte – manchmal behandelte sie ihn wirklich noch wie ein Kind –, schlängelte sich Thies durch die Gästeschar. Er war gerade dabei, den Autoschlüssel aus der Kommode zu fischen, als die Haustür aufging und eine Frau eintrat, auf deren Anwesenheit er gerne verzichtet hätte. Auch das noch. Er hatte bis eben geglaubt, dass der Kelch heute an ihm vorübergehen würde, nachdem sie bei der Beerdigung nicht aufgetaucht war. Wie man sich täuschen konnte. Sie jetzt so unerwartet zu sehen, brachte ihn aus dem Gleichgewicht, mit dem es am heutigen Tag ohnehin nicht weit her war.

»Thies, hallo!«, flötete Annalena und gab ihm ein Küsschen links und rechts. »Mein herzliches Beileid!«

»Guten Abend, Annalena«, erwiderte Thies kühl, sehr darum bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie unangenehm er diese Begegnung fand. »Die Beerdigung ist bereits vorbei«, merkte er kühl an und wandte sich zum Ausgang. Es ging ihn nichts mehr an, ob und wann sie wo auftauchte. Leider gehörte sie für seine Eltern weiterhin zur Familie, obwohl sie bereits seit mehr als drei Jahren getrennt waren. Thies fiel auf, dass Annalena so gut aussah wie eh und je. Sie trug ein dunkles Kostüm, ihre blonde Mähne hatte sie zu einer adretten Hochsteckfrisur drapiert. Alles nur Fassade, wie er wusste. Für seine Eltern war sie allerdings nach wie vor der Inbegriff der perfekten Schwiegertochter. Aber die kannten auch nicht die ganze Geschichte.

»Ich komme direkt aus London, ich habe es leider nicht früher geschafft«, erklärte sie, ohne dass er gefragt hätte. Annalena machte keine Anstalten, weiterzugehen, sondern strahlte ihn aus ihren blauen Augen an. Schon an einem normalen Tag würde er eine Begegnung mit seiner Ex nicht als angenehm bezeichnen, aber heute fand er es nur unerträglich. »Tut mir leid, ich muss los, ich habe etwas zu erledigen«, brummte er und ließ sie stehen. Thies marschierte schnurstracks zum BMW seiner Mutter. Konnte dieser Tag eigentlich noch ätzender werden?

KapitelEins

Die Schaltung des klapprigen VW Polo ächzte, als Nathalie vom dritten in den zweiten Gang schaltete, um auf den Parkplatz des Einkaufszentrums abzubiegen. Lange würde es ihre Schrottkiste vermutlich nicht mehr machen. Das Schrillen des Telefons ließ Nathalie überrascht zusammenzucken. Ihr Gewissen meldete sich. Sie wusste, dass sie spät dran war. Trotzdem beantwortete sie das Gespräch.

»Nathalie, sag mal, wo steckst du eigentlich?«, ertönte Rebeccas Stimme aus der Freisprechanlage. »Waren wir heute nicht verabredet?«

Nathalie seufzte. Dass sie noch nicht zu Hause war, ließ sich jetzt leider nicht mehr ändern. Ihr Tag war bereits nervig genug gewesen, auch ohne dass sie ihre Freundinnen hängen ließ. Aber das war ein Thema, das sie lieber mit Rebecca und Miriam persönlich besprechen wollte, nicht im Auto. Genau genommen brannte sie darauf, den Freundinnen ihr Leid aufgrund der neuesten Entwicklungen zu klagen. Die wussten sehr gut, wie schwierig das Verhältnis zu ihren Eltern war, und brachten stets Verständnis für sie auf. Umso unangenehmer fand sie es, dass sie es nicht pünktlich nach Hause geschafft hatte, das war sonst nicht ihre Art.

»Ich bin gleich da«, sprach Nathalie diese kleine Notlüge aus, da sie vorher etwas einkaufen musste. Sie war heute mit Kochen dran. Seit Miriam verheiratet und Rebecca liiert war, sahen sie sich nicht mehr so häufig wie früher. Die Zeit mit den beiden war rar und kostbar.

»Gut, dass ich meinen Schlüssel noch habe, sonst würde ich jetzt vor der Tür stehen. Ich bin aber schon mal reingegangen, ist ja klar!«, gab Rebecca lachend zurück. »Igitt, was ist das denn?«

Nathalie verstand nicht, was Rebecca meinte. »Wovon redest du? Habe ich vielleicht was im Kühlschrank vergessen, das jetzt vor sich hin gammelt?« Nathalie war nicht nur eine miese Köchin, sondern auch nicht besonders gut darin, zu haushalten, seit sie mehr oder weniger allein wohnte. Als die Dreier-WG noch komplett gewesen war, hatte Nathalie sich um das meiste im Haushalt gekümmert. Aber momentan fehlte ihr schlicht der Elan. Alleinsein war ätzend.

»Schön wäre es, Nathalie! Der Kühlschrankinhalt ist nicht das Problem. Aber was veranstaltest du im Wohnzimmer? Hier liegt ein Haufen Unterwäsche verstreut. Reicht der Telefonsex nicht mehr? Feierst du seit Neustem Orgien?«

Nathalie runzelte die Stirn. Klar, sie verdiente ihr Geld als Mitarbeiterin einer Telefonsex-Hotline. Aber häufig wollten die Kunden nicht mal über das eine reden, sondern suchten eine freundliche Unterhaltung ohne Wertung oder Tadel. Viele Männer sehnten sich nach einer weiblichen Stimme, der sie ihr Herz ausschütten konnten. Die Wäsche hatte rein gar nichts mit ihrem Job zu tun. Rebecca wusste das und tat nur so schockiert.

Nathalie lachte auf, ehe sie antwortete. »Du spinnst. Ich habe mir ein paar neue Garnituren gekauft, sie gewaschen und dann zum Trocknen hingelegt.«

»Das sind komische Methoden, aber geht mich ja nichts an. Kommen wir zum spannenderen Thema: Oh, là là, neue Dessous! Gibt es was, wovon ich nichts weiß? Also jemanden?«

Nathalie verdrehte kurz die Augen, dann konzentrierte sie sich wieder darauf, einen Parkplatz zu finden. Es war irrsinnig voll, ganz so, als ob halb Hamburg nichts mehr im Kühlschrank hätte und genau jetzt beschlossen hätte, einkaufen zu gehen.

»Quatsch! Aber das Leben ist zu kurz für nicht zusammenpassende Lingerie! Stell dir mal vor, du gehst in eine Bank, die überfallen wird. Dann stehst du da und musst dich bis auf die Unterwäsche ausziehen, weil die Erpresser ein Zeichen setzen wollen. Es würde absolut bescheuert aussehen, wenn dann nichts zusammenpasst. Ich würde lieber sterben, als im weißen Schlüppi und hautfarbenen BH vor jemandem um Gnade betteln zu müssen.«

Nathalie konnte Rebeccas Gesichtsausdruck förmlich vor sich sehen. Göttlich. Ihre Freundin fragte sich vermutlich gerade, ob Nathalie übergeschnappt wäre. Ein bisschen schräg war ihr Humor, das wusste sie selbst. Und die Macke, dass die Unterwäsche zusammenpassen musste, konnte sie auch nicht leugnen. Dabei gab es sicher Schlimmeres. Weißen Feinripp zum Beispiel.

Rebecca kicherte. »Na ja, Nathalie, deine Logik war ja schon immer sehr speziell.«

Dem würde Nathalie nicht widersprechen.

»Arschloch!«, schimpfte sie, weil ihr jemand auf dem Parkplatz die Vorfahrt nahm und sie gerade noch bremsen konnte, um eine Karambolage zu verhindern.

»Hey! Kein Grund, mich zu beleidigen«, protestierte Rebecca.

»Ich meine doch nicht dich, Liebes, sondern den Penner im BWM vor mir. So ein Idiot! Hör zu, Rebecca, ich bin bald zu Hause. Mach es dir bequem oder was auch immer … Bis gleich!« Nathalie drückte ihre Freundin weg und sah zu, wie das schwarze Cabriolet auf einem Behindertenparkplatz anhielt und die Lichter ausgingen.

Nathalie schnaubte und fuhr ein paar Meter weiter in eine andere Reihe, wo es einen freien Parkplatz gab, zog die Handbremse ihres klapprigen Polos energisch an und stieg aus. Sie stapfte geradewegs zum BMW und klopfte an die Scheibe. Der Besitzer fummelte an seinem Telefon herum. Viel konnte sie nicht erkennen, der Parkplatz war nur spärlich beleuchtet. Nathalies Atem hinterließ kleine weiße Wölkchen in der Luft, es war verdammt kalt geworden.

Der Fahrer stieg endlich aus. Nathalie machte hastig einen Schritt zurück, um ein wenig Abstand zwischen sich und diesen Kerl zu bringen. Himmel, er war mehr als einen Kopf größer als sie. Der Mann trug einen dunklen Anzug mit Weste, eine Krawatte hatte er nicht um den Hals hängen, stattdessen war der oberste Knopf des weißen Hemdes geöffnet. Seine dunkelblonden Haare wirkten ein wenig zerzaust, ganz so, als ob er sie sich kurz zuvor gerauft hätte. Oder jemand anderes hatte darin gewühlt.

Nathalie konnte sich gut vorstellen, wie fantastisch es sich anfühlen würde, diese Frisur zu verwuscheln, während man sich mit diesem Prachtkerl zwischen den Laken wälzte. Auch bei diesen Lichtverhältnissen konnte sie erkennen, wie attraktiv der Blödmann war.

Moment mal, was tat sie da gerade?

Nathalie zog die Brauen zusammen, leider wurde er dadurch nicht hässlicher. Er war gut gebaut. Der Anzug saß perfekt. Seine Augenbraue wanderte leicht in die Höhe, während er sie ausgiebig betrachtete.

Nathalie wurde heiß unter seinem durchdringenden Blick. Wie unangenehm. Gerade noch rechtzeitig erinnerte sie sich, warum sie zu ihm hinübergelaufen war.

»Haben Sie Tomaten auf den Augen?«, schnauzte Nathalie ihn an.

»Wie bitte?«, erwiderte er irritiert.

O Gott. Diese Stimme könnte Eisberge zum Schmelzen bringen. Dunkel und ein bisschen rau, dabei samtig wie ein guter Whisky. Nathalies Kehle wurde staubtrocken. Zum Glück funktionierte ihr Gehirn so weit, um sich daran zu erinnern, dass die gut aussehenden Kerle fast immer Arschlöcher waren. Diese Lektion hatte sie schmerzlich gelernt. Götz und Vinzent, die Männer, die ihre Freundinnen sich geangelt hatten, waren dabei erfrischende Ausnahmen.

Nathalie holte Luft, ehe sie fortfuhr. »Sie stehen auf einem Behindertenparkplatz, außerdem haben Sie mir gerade die Vorfahrt genommen«, erklärte sie kühl.

»Ach ja?«

Meine Güte, war dieser Mann schwer von Begriff? Er wirkte alles andere als schuldbewusst auf sie. Im Gegenteil. Der Schnösel im feinen Zwirn stand selbstsicher und aufrecht vor ihr, als gehörte ihm die Welt.

»Sonst haben Sie wohl nichts zu sagen, was?«, zischte Nathalie. »Typen wie Sie hab ich gern. Los, fahren Sie Ihre Karosse weg, damit Leute mit einer echten Behinderung dort parken können, wo es ihnen zusteht.«

»Wer sind Sie denn, die Parkplatzpolizei?«, erwiderte der Anzugträger rotzfrech.

Das war zu viel nach diesem Tag, Nathalie war sprachlos. Und das passierte nicht oft. Eigentlich nie. Ihr Mund klappte auf und dann wieder zu, ohne dass ein Laut herauskam. Sie starrte den ungehobelten Flegel an und fragte sich, ob das wirklich sein Ernst war. Aber ja, vermutlich schon. Leute wie er nahmen sich, was sie wollten. Rücksicht auf andere stand dabei nicht auf dem Plan.

»Wissen Sie was?«, gab sie schließlich mit einem resignierten Seufzen zurück.

»Nein, aber ich vermute, Sie werden es mir gleich sagen.« Seine Lippen verzogen sich spöttisch.

So ein arroganter Widerling! Zu gerne würde sie ihm das blöde Grinsen mit einem nassen Feudel aus dem Gesicht wischen.

»Machen Sie doch, was Sie wollen, aber wundern Sie sich nachher nicht, wenn Ihnen jemand eine Kartoffel in den Auspuff steckt!«

Und dann geschah etwas Seltsames: Der Kerl fing an zu lachen. Er lachte lauthals und grollend. Dieses Geräusch bescherte Nathalie eine Gänsehaut.

»Ja, ja, sehr witzig«, brummte sie und stapfte davon. Sie hatte schon genug Zeit mit diesem Deppen vertrödelt, der sich augenscheinlich auch nicht belehren lassen wollte. Wieso war sie nur so blöd gewesen und hatte es überhaupt versucht? Es war nichts Neues, dass Menschen seines Schlages glaubten, das Recht stünde auf ihrer Seite, und sie könnten tun und lassen, was sie wollten. Widerlich. Absolut widerlich. Außerdem regte sie sich maßlos darüber auf, dass ihr nichts Sprachgewandteres eingefallen war als »Ja, ja, sehr witzig«.

Schlechter konnte Nathalies Laune heute wirklich nicht mehr werden. Als sie wenig später zu Hause eintraf, war sie nach wie vor stocksauer. Zähneknirschend schloss sie die Tür auf und kickte die Schuhe von den Füßen. Dann schmiss sie ihren Schlüssel in das kleine Kästchen im Flur.

Nathalie fand Miriam in der Küche der alten Kapitänsvilla. Ihre Freundin saß am kleinen Tisch und scrollte auf ihrem Handy herum. Miriams lange Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, sie trug einen hellen Wollpulli zu einer Jeans. Vermutlich kam sie direkt von der Arbeit. Der Hundesalon lief bombig, soweit Nathalie wusste. Ein warmes Gefühl rieselte durch Nathalies Brust, sie hatte ihre Freundinnen vermisst. In den letzten Wochen hatten sie sich kaum gesehen.

»Hallo, Liebes, tut mir leid, dass ich jetzt erst komme«, grüßte Nathalie Miriam, stellte die Einkaufstüte ab und umarmte sie innig. Es tat so gut, sie zu sehen. Seit sie mit Götz verheiratet war, lebte Miriam mit ihm in einer hübschen Stadtvilla in Blankenese und hatte seltener Zeit. Bei Rebecca war es ähnlich. Ihre Freundin hatte zwar offiziell weiter ein Zimmer hier, aber wohnte faktisch bei Vinzent, dem ein Apartment in der HafenCity gehörte.

Die kleine WG hatte sich mit dem Liebesglück der Freundinnen quasi aufgelöst. Rebecca zahlte weiter ihren Mietanteil und hatte noch ein paar Sachen oben, aber sie war faktisch nie hier. Nathalie vermisste die alten Zeiten, obwohl sie sich natürlich für die beiden freute. Trotzdem führte es ihr vor Augen, was sie selbst nicht hatte. Manchmal war sie einfach traurig, allein zu sein, obwohl sie das nie zugeben würde. Außerdem brauchte Nathalie dringend den Rat der beiden zu einem anderen Thema.

Eigentlich hatte sie aber überhaupt keine Lust, über das Treffen mit ihrem Vater zu reden. Sie wollte nur eins: den Tag vergessen und einen schönen Abend mit ihren Freundinnen verbringen.

»Hey, Nathalie, du siehst ja gestresst aus, alles okay?« Miriam guckte ihr prüfend ins Gesicht.

Während Nathalie eine Flasche Bordeaux aus der Tüte zog, stieß sie einen leisen Seufzer aus. »Erzähle ich gleich, wo steckt eigentlich Rebecca?« Nathalie holte den Flaschenöffner aus der Küchenschublade und machte sich daran, dem Rotwein Sauerstoff zu verschaffen.

»Die ist oben, sie kommt gleich.«

»Super.« Nathalie grinste schief, und der Korken ploppte heraus.

Miriam holte drei Gläser aus dem Schrank. »So viel sollte ich aber nicht trinken, auf leeren Magen vertrage ich das nicht.«

»Gutes Stichwort, ich hoffe, ihr steinigt mich nicht, weil ich nur Tiefkühllasagne besorgt habe.«

Miriam verdrehte die Augen, dann musste sie lachen. »Es ist schön, dass sich manche Dinge nicht ändern. Warum hast du nichts gesagt, ich hätte für uns kochen können.«

Nathalie goss Wein in die Gläser ein und reichte Miriam eines. »Kommt nicht infrage, heute sorge ich für Futter, und einmal Fertigessen wird dich schon nicht umbringen.« Sie zwinkerte Miriam zu, dann stießen sie miteinander an.

Man hörte Rebecca, ehe man sie kommen sah. Sie trampelte fluchend die Treppe herunter, dann kam sie mit zwei übereinandergestapelten Umzugskisten in die Küche und ließ diese stöhnend auf den Boden fallen. Es gab einen lauten Knall. Rebecca stemmte ihre Hände in die Hüften und guckte grinsend von Miriam zu Nathalie, während sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht pustete. »So, das wäre es erst einmal.« Sie trug eine schlammgrüne Marlene-Hose und ein geringeltes Shirt aus ihrer eigenen Kollektion, die sie als Curvy Model auch selbst präsentierte. Sie sah wie immer fantastisch aus. »Du hättest auch was sagen können, dann hätten wir beim Tragen geholfen«, kommentierte Nathalie und umarmte ihre Freundin erst einmal innig.

Rebecca winkte ab. »Ach was, selbst ist die Frau. Jetzt lasst uns nicht über die ollen Kisten reden, sondern erzähl: Für wen brauchst du die Spitzenwäsche wirklich?« Rebecca schnappte sich ein Weinglas und prostete ihren Freundinnen zu.

Nathalie schob die Lasagne in den Ofen und zuckte die Schultern. »Ich habe es dir ja am Telefon schon erzählt, und es wundert mich, dass du das in all der Zeit, in der wir zusammengelebt haben, anscheinend echt nicht mitgekriegt hast. Ich hasse Wäsche, die farblich nicht passt. Das war leider wirklich alles.«

Rebecca lachte. »Na schön, es war nur ein Check, ob du uns etwas verschweigst.«

»Was sollte ich denn verschweigen. Bei mir herrscht absolut tote Hose. Von meinen Telefon-Talks mal abgesehen, und sogar da ist gerade die Luft raus, das Gequatsche nervt mich sogar manchmal. Vielleicht ist es kein Job für immer, sollte es ja auch gar nicht werden. Aber egal. Der Punkt ist doch der: Berufliches und Privates möchte ich nicht vermischen; das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Überhaupt nicht.« Obwohl die Arbeit als Sexarbeiterin übers Telefon total okay für sie war, machte sie es in erster Linie, weil sie damit gutes Geld verdiente. Aber auch wenn sie es vor anderen nie zugeben würde, so hatte sie diesen – superbezahlten – Gelegenheitsjob auch ausgewählt, um im Stillen gegen ihre Eltern zu rebellieren. Mit Schrecken erinnerte sich Nathalie an das Theater, das die aufgeführt hatten, nachdem Nathalie ihr Jurastudium geschmissen hatte. Aus Gründen, die heute noch wehtaten und an die sie jetzt nicht denken wollte. Seinerzeit hatte es sich richtig angefühlt, etwas Verrücktes zu tun, womit sie gleichzeitig sehr bequem ihre Kosten decken konnte. Doch mittlerweile merkte Nathalie immer öfter, dass es ihr nicht mehr so leichtfiel wie früher. Womöglich war es bald an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren, doch das behielt sie erst einmal für sich.

»Kein Mann in Sicht?«, hakte Miriam nun auch nach und runzelte die Stirn, es sah ein wenig mitleidig aus.

»Keiner«, bestätigte Nathalie und setzte sich auf die Arbeitsfläche, während die beiden am Tisch Platz nahmen.

Wieso gerade jetzt das Gesicht des arroganten Widerlings vor ihrem inneren Auge auftauchte, konnte Nathalie nicht sagen. Weil sie nicht über ihn nachdenken und schon gar nicht reden wollte, verdrängte sie die Erinnerung an die unangenehme Begegnung auf dem Parkplatz.

»Erzählt mal lieber, was geht bei euch ab?«, versuchte Nathalie von der Flaute in ihrem Liebesleben abzulenken. Es war ein leidiges Thema, auf das sie jetzt keine Lust hatte.

»Wir suchen immer noch nach einem Häuschen«, erklärte Rebecca. »Aber der Markt ist komplett leer gefegt oder überpreist. Es ist eine Katastrophe.«

»Dann klappt es mit Vinzent nach wie vor gut?«, wollte Miriam wissen.

»Ja, wer hätte das gedacht, hm? Wir sind fast immer rund um die Uhr zusammen, durch die Arbeit ist alles viel intensiver.« Rebecca grinste selig und trank einen Schluck Wein. »Es gibt keine Probleme mit dem Toilettendeckel oder der Zahnpastatube. Das Leben mit Vinzent ist so harmonisch, dass es mir manchmal Angst macht.«

Nathalie lachte. »Wäre ja noch schöner, wenn Vinzent den Klodeckel nicht zuklappen würde! Schließlich stammen eure Jungs aus bestem Hause, die wissen einfach, was sich gehört.«

Miriam kniff die Brauen ein wenig zusammen. »So, wie du das sagst, klingt es nicht nach einem Kompliment.«

Nathalie winkte ab. »Ach, du weißt doch, dass ich es mit den feinen Pinkeln nicht so habe. Aber hey, nichts gegen Vinzent und Götz, die beiden sind in Ordnung. Ansonsten können mir alle Muttersöhnchen im Maßanzug gestohlen bleiben.«

»Welche Kriterien muss denn dein Traummann erfüllen?«, wollte Miriam wissen, ohne auf Nathalies Spitze einzugehen. »Nur mal so, falls uns jemand begegnet, den wir dir vorstellen könnten.«

»O Gott, ihr wollt mich doch wohl nicht verkuppeln!« Nathalie hob abwehrend die Hände. »Aber nur für den Fall, dass ihr es nicht gecheckt habt, was ich nicht glaube. Ich stehe absolut nicht auf Anzugträger. Ich hasse Kerle, die mit Geldscheinen wedeln oder mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurden. Also vergesst es lieber gleich wieder, Amor spielen zu wollen, denn in euren Gefilden schwimmen nur die Schnösel. Nein, danke! In dem Fall bleibe ich lieber ewig Single und ziehe mir ein Ticket an der Samenbank, wenn es mal so weit ist und meine biologische Uhr tickt. Apropos, Miriam, wie sieht’s aus? Nach der Hochzeit steht doch bestimmt bald ein Baby ins Haus?« Nathalie versuchte es spielerisch und lässig klingen zu lassen, aber so ganz gelang es ihr nicht. Das war kein leichtes Thema für sie. Ihre Freundinnen kannten Nathalies Geschichte und wussten, was sie durchgemacht hatte.

Miriam schüttelte den Kopf, ihr Lächeln war ein wenig verblasst. »Mach mal halblang, Nathalie. Wir müssen nichts überstürzen.«

»Ja, wirklich, sei nicht so gemein, Nathalie«, schimpfte Rebecca.

»Hä? Gibt es was, was ich nicht weiß?« Nathalie schaute Miriam verständnislos an.

Miriam zuckte die Schultern. »Na ja, das mit der Verhütung haben wir seit der Hochzeit letzten August gelassen, aber… Bisher hat es nicht geklappt.«

»O Gott, das wusste ich nicht. Entschuldige bitte.« Nathalie fühlte sich schrecklich. Dass gerade sie so unsensibel dahergeredet hatte! Sie sollte wissen, was für ein heikles Thema das Kinderkriegen war. Sie stand auf und umarmte Miriam. »Bitte sei nicht böse, dass ich so blödes Zeug quatsche, ich bin unmöglich.«

Nathalies Kehle wurde eng, weil auf einmal alles in ihr hochkam. Die heimliche Liebe mit Benjamin, die ungeplante Schwangerschaft und dann das schreckliche Ende, als ihre Beziehung zum Dekan der juristischen Fakultät aufgeflogen war und sie das Baby verloren hatte. Ehe Nathalie in das schwarze Loch fiel, das sich gerade vor ihr auftat, konzentrierte sie sich lieber auf ihre Freundinnen. »Es tut mir wirklich leid, Miriam. Ich habe nicht nachgedacht, ehe ich meine verdammte Klappe aufgemacht habe.«

»Alles gut, Süße, ich bin dir nicht böse. Aber du wolltest uns doch was erzählen, dann mach das mal. Ich will nicht jammern, weil ich nicht schwanger werde.«

»Noch nicht, Liebes! Das wird schon. Außerdem sind es ja erst ein paar Monate, kein Grund, gleich panisch zu werden«, versuchte Rebecca Miriam zu beruhigen und drückte sie aufmunternd.

»Daran, dass wir es nicht versuchen, kann es nicht liegen.« Eine zarte Röte überzog die Wangen der Hundefriseurin. »Wie gesagt, ich will mich nicht beklagen, Götz und ich haben alle Zeit der Welt. Und jetzt erzähl du, Nathalie.«

Nathalie trank einen Schluck Rotwein, ehe sie anfing zu berichten. »Ich habe mich heute mit meinem Vater getroffen, wie ihr wisst.« Sie hatte den beiden neulich bereits von der geplanten Verabredung erzählt. Ihr Vater hatte sie schon beinahe förmlich um ein Mittagessen gebeten, was sie sofort stutzig gemacht hatte. Seit Nathalie das Studium geschmissen hatte, hatten ihre Eltern alle Zahlungen für sie eingestellt. Sie hatte zunächst gedacht, dass er das Thema wieder auf den Tisch bringen wollte, aber das war es nicht gewesen. Sie war nach wie vor entrüstet über die Neuigkeiten, die er ihr beim Essen verkündet hatte.

»Und? Dreht er dir den Geldhahn jetzt wieder auf?«, wollte Rebecca wissen.

Nathalie winkte ab. »Wo denkst du denn hin? Okay, es war ja schon öfter so, dass er mir halbherzig gemeinte Finanzspritzen angeboten hatte, die ich immer abgelehnt habe. Ich will nichts von ihnen, ich kann für mich selbst sorgen. Es ist viel schlimmer! Mein Vater hat mir gebeichtet, dass er eine Neue hat. Und das, obwohl sich meine Eltern erst im letzten Herbst getrennt haben. Könnt ihr euch das vorstellen? Ich bin schockiert und irgendwie auch nicht. Es ist so komisch. Verwirrt bin ich in jedem Fall.«

»Weiß deine Mutter davon?«, fragte Miriam vorsichtig nach.

»Ich, ähm, glaube schon. Mein Vater hat gesagt, er hätte mit ihr geredet. Sie haben sich seinerzeit in Freundschaft getrennt, angeblich. Niemand redet schlecht vom anderen, es ist, als wären sie tatsächlich nicht böse aufeinander.«

»Sei froh«, warf Rebecca in den Raum. »Stell dir mal vor, sie würden einen schlimmen Rosenkrieg führen.«

»Na ja, dass mein Vater eine Wohnung für sie in Harvestehude gekauft hat, dürfte sicher auch eine Rolle spielen. Geld war zwischen ihnen kein Thema, da waren sie sich immer einig – was auch daran liegen könnte, dass meine Mutter die Kanzlei mit in die Familie gebracht hat. Davon hat mein Vater natürlich profitiert.«

»Wer kann, der kann. Eine Wohnung in Harvestehude also«, kommentierte Rebecca mit einem Achselzucken. »Utopische Dimensionen, aber Vinzent würde das vermutlich auch normal finden. Es ist trotzdem komisch, dass dein Vater bei dir so knauserig ist.«

»Es sind Machtspielchen, er kann nicht akzeptieren, dass ich nicht in seine blöde Kanzlei einsteigen möchte. Mir liegt die Juristerei einfach nicht. Der Erwartungsdruck meiner Eltern hat mich schon während des Studiums fertiggemacht. Zum Glück habe ich das vor dem Abschluss gemerkt, in Papas Kanzlei wäre es viel krasser geworden.« Das Leben an der Uni an sich hatte ihr Spaß gemacht, aber sie hatte sich nie vorstellen können, in die Fußstapfen ihres alten Herrn zu treten. Hin und wieder kamen auch ihr Zweifel, ob es richtig gewesen war, alles hinzuschmeißen. Sie hätte die Uni wechseln können, irgendwo von vorn anfangen, wo sie niemand kannte. Aber Nathalie hatte sich das nicht vorstellen können, damals nicht. Und heute auch nicht.

Sie goss ihnen erneut nach, die Flasche war damit leer. Gut, dass sie eine zweite gekauft hatte.

»Was du blöde Kanzlei nennst, ist der Traum von vielen«, meinte Miriam zögerlich, weil sie wusste, wie brisant das Thema war.

»Ja, es ist aber halt nicht meiner!«, erwiderte Nathalie seufzend. »Ich bin glücklich so, wie es ist. Ich verdiene gut in meinem aktuellen Job.« Wobei glücklich natürlich übertrieben war. Das Telefonieren bezahlte die Rechnungen und ermöglichte ihr ein relativ entspanntes und komfortables Leben. Dass sie sich, seit Rebecca und Miriam ausgezogen waren, nun häufig einsam fühlte, stand auf einem anderen Blatt.

Miriam und Rebecca wechselten einen Blick. »Falls du dich doch langweilst und du ein bisschen Abwechslung suchst, im Hanseatischen Herrenclub suchen sie jemanden, der im Büro aushilft.«

»Ich denke, Frauen sind da nicht erlaubt?«, erkundigte Nathalie sich.

Miriam neigte ihren Kopf ein wenig. »Nun, als Mitglieder nicht, als Mitarbeiterinnen schon. Es wäre nur für ein paar Stunden die Woche, so kämst du mal raus.«

»Gott, Miriam, das klingt ja, als würde ich hier total vereinsamen, was definitiv nicht stimmt.«

Oje, sie war eine schlechte Lügnerin.

»Homeoffice«, Rebecca malte Gänsefüßchen mit ihren Fingern in die Luft, »hin oder her. Ich glaube, das wäre genau das Richtige für dich!«

»Du tust ja so, als ob ich hier versauern würde. Nein! Auf die schnöseligen Mitglieder hab ich wirklich keine Lust. Das ist bestimmt nur Wohltätigkeitskram, um sich am Ende doch wieder selbst die Taschen vollzumachen.«

Miriam seufzte. »Das finde ich nicht nett von dir, Nathalie. Du kennst die Leute doch gar nicht. Nächstes Wochenende gibt’s tatsächlich ein kleines Event, einen Frühlings-Ball, bei dem Spenden gesammelt werden für Kinder aus sozialen Brennpunkten. Komm doch einfach mit und guck es dir an.«

»Das ist nicht meine Welt, nimm es mir nicht übel«, lehnte Nathalie dankend ab.

»So schlimm sind die meisten Leute wirklich nicht. Götz und Vinzent magst du doch auch«, wandte Miriam ein.

Nathalie hob eine Braue. »Die beiden sind absolute Ausnahmen.«

Nathalie hatte einen bestimmten Typ Mann im Kopf, mit dem sie nichts anfangen konnte. In Hamburg gab es natürlich mehrere dieser Clubs für die Reichen und Schönen. Ihr Vater war zwar in diesem nicht Mitglied, aber im Grunde war das Theater überall das gleiche. Das alte Geld und versnobte Getue fand Nathalie einfach nur fürchterlich. »Ich habe gar nichts zum Anziehen für einen Ball, tut mir leid, Mädels, das müsst ihr ohne mich machen«, versuchte Nathalie sich etwas diplomatischer rauszureden, weil sie weder Miriam noch Rebecca zum zweiten Mal vor den Kopf stoßen wollte.

Sie sah an Rebeccas Gesichtsausdruck, dass sie damit einen Fehler begangen hatte. Ihre Modelfreundin strahlte plötzlich über beide Wangen. Im gleichen Moment sprang sie auch schon auf und rannte aus der Küche. Ein mulmiges Gefühl machte sich in Nathalies Magengegend breit.

»Ich wusste, dass du das sagst«, erklärte Rebecca, als sie nach wenigen Sekunden mit einer Tüte zurückkehrte. »Deshalb habe ich was für dich dabei. Du kannst mir später danken.«

Rebecca zog ein langes Abendkleid heraus, es schillerte in einem zarten Roséton. »Los, schlüpf mal rein!«

»O Gott, damit werde ich aussehen wie ein Bonbon!«, kreischte Nathalie entsetzt.

»Wirst du nicht, sei nicht albern. Es passt perfekt zu deinen grünen Augen und den wundervollen haselnussbraunen Haaren.«

Nathalie zog eine Grimasse. »Ihr macht mich fertig! Aber eine Bewerbung habt ihr noch nicht für mich abgeschickt, oder?«

Ihren Freundinnen traute sie alles zu. Gleichzeitig fand sie es süß, dass sie sich Sorgen machten, dass sie einsam sein könnte. Schade war nur, dass die zwei keine bessere Idee gehabt hatten, als sie in einen bescheuerten Männerclub schleppen zu wollen. Klar, für einen Ball brauchten die feinen Herren natürlich auch mal ein paar Frauen in ihren Räumlichkeiten. Hoffentlich wurde das nicht zu einer dämlichen Tanztee-Nummer aus dem letzten Jahrhundert. Zuzutrauen war es diesen Leuten, die so sehr an Traditionen hingen.

Sie hasste es jetzt schon. Diesen Frühlingsball würde sie nur mithilfe von viel Alkohol ertragen, so viel war klar. Das behielt Nathalie lieber für sich, denn Rebecca und Miriam schienen sich wirklich darauf zu freuen – was Nathalie absolut nicht nachvollziehen konnte.

---ENDE DER LESEPROBE---