Ein halbes Jahr zum Glück - Julie Lawson Timmer - E-Book

Ein halbes Jahr zum Glück E-Book

Julie Lawson Timmer

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Beschreibung

Die frisch geschiedene Markie Bryant zieht mit ihrem Sohn Jesse in einen heruntergekommenen Vorort. Hier will sie sich vor der Welt verkriechen, aber sie hat die Rechnung ohne ihre neue Nachbarin gemacht: Die resolute Mrs Saint erklärt es zu ihrer Mission, Markie aus ihrem Schneckenhaus zu holen.

Diese wehrt sich mit Händen und Füßen gegen Mrs Saints Einmischungen. Doch schließlich muss sie zugeben, dass die Maßnahmen ihrer Nachbarin tatsächlich helfen. Und dann kommt der Tag, an dem Mrs Saint auf einmal Markies Hilfe braucht ...

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Seitenzahl: 555

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechszehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Zweiundzwanzig

Dreiundzwanzig

Vierundzwanzig

Fünfundzwanzig

Sechsundzwanzig

Siebenundzwanzig

Achtundzwanzig

Neunundzwanzig

Dreißig

Einunddreißig

Zweiunddreißig

Dreiunddreißig

Vierunddreißig

Fünfunddreißig

Sechsunddreißig

Siebenunddreißig

Achtunddreißig

Neununddreißig

Vierzig

Einundvierzig

Epilog

Danksagung

Über das Buch

Die frisch geschiedene Markie Bryant zieht mit ihrem Sohn Jesse in einen heruntergekommenen Vorort. Hier will sie sich vor der Welt verkriechen, aber sie hat die Rechnung ohne ihre neue Nachbarin gemacht: Die resolute Mrs Saint erklärt es zu ihrer Mission, Markie aus ihrem Schneckenhaus zu holen. Diese wehrt sich mit Händen und Füßen gegen Mrs Saints Einmischungen. Doch schließlich muss sie zugeben, dass die Maßnahmen ihrer Nachbarin tatsächlich helfen. Und dann kommt der Tag, an dem Mrs Saint auf einmal Markies Hilfe braucht …

Über die Autorin

Julie Lawson Timmer wuchs im kanadischen Stratford, Ontario, auf und absolvierte ein Jurastudium an der Southern Methodist University. Sie arbeitet als Juristin und schreibt in ihrer Freizeit Romane. Mit ihrem Debüt FÜNF TAGE, DIE UNS BLEIBEN gelang ihr ein beachtlicher Erfolg. Sie lebt mit ihrem Ehemann, ihren vier Kindern und zwei geretteten Hunden in Ann Arbor, Michigan.

Julie Lawson Timmer

Übersetzung aus dem Englischen vonSonja Rebernik-Heidegger

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Titel der englischen Originalausgabe:

»Mrs. Saint and the Defectives«

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2017 by Julie Lawson Timmer

Published by arrangement with Lake Union Publishing, Seattle

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Ulrike Strerath-Bolz, Augsburg

Umschlaggestaltung: FAVORITBUERO, München unter Verwendung einer Illustration von © shutterstock: TeddyandMia | Lena L | Gannie

eBook-Erstellung: Olders DTP.company, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-5612-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Für Elizabeth Lloyd, unsere »Mrs. Saint«, die wir sehr geliebt haben und schmerzlich vermissen.

Eins

Erst als Markie mit eigenen Augen sah, wie die Hände ihres Ehemannes die Brüste einer anderen Frau umfassten, wurde ihr klar, dass sie ihre Probleme nicht mehr länger unter den Teppich kehren konnte. Wobei das nicht ganz stimmte. Auch wenn sie sich schämte, es zuzugeben, sah es in Wirklichkeit so aus: Hätte Markie sie –  seine Hände und diese Brüste, die nicht ihre eigenen waren –  in ihrem Schlafzimmer oder in einem schäbigen Hotelzimmer gesehen, in das sie gerade geplatzt war, dann hätte sie womöglich immer noch nicht offen zugegeben, dass etwas nicht stimmte. Es hatte schon früher andere Frauen gegeben, doch nachdem lediglich Markie, Kyle und seine jeweilige Geliebte davon gewusst hatten, war es nicht schwer gewesen, es geheim zu halten. Und es war Markie leichtgefallen, es zu verdrängen.

Lippenstiftspuren auf Hemdkragen, der Duft eines fremden Parfums – warum sollte sie sich über solche Dinge Gedanken machen, wenn sie sie so leicht beiseiteschieben und stattdessen mit ihrer Scharade der glücklichen Ehefrau weitermachen konnte? Um genau zu sein, war ihr Leben ja einfach beneidenswert. Kyle konnte zwar kein Versprechen halten, verlor einen Job nach dem anderen, gab mehr aus, als er verdiente und lieh sich mehr, als er zugab. Doch er war gut aussehend, fit und sexy. Und Markie wusste, dass es auf den Dinnerpartys der Privatschule von Saint Mark’s und auch an den allseits beliebten Abenden im Casino, an denen alle Väter Smoking trugen, keine einzige Mutter gab, die diesen Mann nicht gerne mit nach Hause genommen hätte.

Doch Verdrängen war mittlerweile keine Option mehr, denn Markie hatte sie –  seine Hände und diese Brüste, die nicht ihre eigenen waren –  auf dem Display eines Telefons gesehen. Und dieses Telefon hatte sich in den Händen einer Mutter aus dem Mütterkomitee der Schule befunden. Auf dem Display eines Telefons, über das sich gerade fünf andere, in figurformendes Elasthan gequetschte, botoxgespritzte Mütter beugten. Sie saßen flüsternd in einer Nische des protzigen Restaurants nahe der Schule, deuteten auf das Telefon, ermahnten sich gegenseitig, leiser zu sein, und lächelten zwar nicht gerade hocherfreut, aber doch irgendwie voller Genugtuung. Und so wusste Markie, als sie nach Hause stürmte, brüllend die Einfahrt hochhetzte, ins Haus stürzte und ihren Mann endlich zur Rede stellte, dass sich die Nachricht in diesem Moment gerade an der ganzen Schule und an ihrem Arbeitsplatz (was im Grunde dasselbe war) verbreitete. Von den Müttern des Mütterkomitees bis zum Personal und schließlich zu den Schülern. Zu denen auch der gemeinsame Sohn Jesse gehörte, der in diesem Jahr die achte Klasse besuchte.

Danach würde es sicher nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auch die anderen Tatsachen ans Tageslicht kamen, die Markie so lange ignoriert hatte: Kyles zahlreiche Liebschaften, das Überziehen von Kreditkarten, von denen Markie nicht einmal etwas gewusst hatte, und das Leerräumen ihres Bankkontos, ihres Sparkontos sowie der Fonds, die für Jesses Privatschule und die spätere Collegeausbildung gedacht waren.

Und selbst wenn diese Details sich nicht auf dem Campus der Schule, in der Nachbarschaft und in der ganzen Stadt herumsprachen – Markie würde sich hüten, alles auszuplaudern, und Kyle würde sicher nicht sämtliche Fehltritte zugeben – , wäre spätestens wenn Jesse im nächsten Herbst nicht mehr in der Schule erschien allen klar, dass auch in finanzieller Hinsicht irgendetwas vorgefallen sein musste. Und dass dieses Etwas, was auch immer es war, genauso schrecklich war wie die Tatsache, dass sich das Foto von Kyles Händen und den Brüsten der anderen Frau mit der Zeit auf den Telefonen sämtlicher Bekannten wiederfinden würde. Markie würde all diesen Menschen niemals mehr gegenübertreten können.

Kyle zog noch am selben Abend aus. Es war kurz nach Ostern. Jesse hatte noch einige Wochen, bis das Schuljahr endete. Dank seines Vaters hatten sie kein Geld, um die Gebühren zu bezahlen, also schluckte Markie ihren ganzen Stolz und auch einiges an bitterer Galle hinunter und akzeptierte ein Darlehen ihrer Eltern, das jedoch mit einigen Bedingungen verknüpft war. Sobald das Schuljahr vorüber war, stellte sie ihr Haus zum Verkauf, das mittlerweile hochverschuldet war. Um das Haus möglichen Interessenten in einem guten Zustand zu präsentieren, und um eine der vielen Bedingungen zu erfüllen, die an die Almosen ihrer Eltern geknüpft waren, zog sie in ihr altes Zimmer im Haus ihrer Eltern, und Jesse sollte den Sommer über dort im Gästezimmer wohnen.

Sie hielt es keine Woche lang aus. Ihre Eltern, Clayton und Lydia, hatten Kyle nie gebilligt, denn er trug rein gar nichts zu ihrem Status im Country Club bei – er hatte keine eindrucksvollen Buchstaben hinter dem Namen, keine hochtrabende Alma Mater, die sie wie zufällig in ein Gespräch einstreuen konnten, und keine Doktorehren, über die man sich spontan bei einem Drink oder während eines Golfspieles unterhalten konnte.

Noch weniger billigten Markies Eltern allerdings eine Scheidung. Immerhin war ein Kind betroffen – ihr Enkelsohn. Ganz zu schweigen von den Jahren, die sie damit zugebracht hatten, ihre Freunde davon zu überzeugen, dass Kyle eigentlich doch gut genug für ihre Tochter war. Was sollten sie diesen Freunden jetzt bloß erzählen?

»Außerdem ist es ja nicht so, dass es dir ohne ihn besser ginge«, erklärte Lydia ihrer Tochter und warf einen Blick auf die vor Kurzem hinzugekommenen Pfunde auf Markies Hüften, die seit Längerem nicht mehr gefärbten Haare (»Wir zeigen keinen Ansatz, Schätzchen, egal wie schlecht es uns geht.«) und die alte Yoga-Hose und das zerbeulte T-Shirt, die zu Markies ständigen Begleitern geworden waren. Der Grund dafür war ganz einfach: Die anderen Klamotten passten ihr nicht mehr, und sie hatte kein Geld, um sich etwas Neues zu kaufen. »Vielleicht sollten wir einen Einkaufsbummel machen«, bot Lydia an. »Obwohl ich nicht weiß, ob man im Sommer viel Schwarz findet – und du musst doch zugeben, dass dir in diesem Zustand dunkle Farben am besten stehen, nicht wahr?«

Ihr Enkelsohn fand nur ein klein wenig mehr Anerkennung, denn seine Teenagermanieren erschienen seinen Großeltern beinahe kriminell. »Dieses ständige Herumgeliege«, ereiferte sich Clayton und klopfte bereits am zweiten Tag um sechs Uhr dreißig morgens an Jesses Tür. »Die Sonne ist schon aus den Federn, und was ist mit dir? Ha-ha-ha.« Noch ein Klopfen. »Ich mache nur Witze, mein Junge. Aber eigentlich auch wieder nicht. Raus mit dir! Deine Großmutter hat Frühstück gemacht, und ich habe einen großen Garten, den du mähen kannst. Lass mal die Muskeln spielen.«

»Und dann diese Videospiele«, ärgerte sich Lydia. »Hast du keine Angst, dass er einer von diesen … du weißt schon, von diesen Amokläufern wird? Er sieht ja jetzt schon ein wenig danach aus.« Jesse war so dürr, wie ihre Tochter füllig war. Clayton und Lydia nahmen Anstoß an beidem.

Am zweiten Tag täuschte Markie nach dem Abendessen vollkommene Erschöpfung vor und zog sich in ihr Zimmer zurück. Dort setzte sie sich mit einer Flasche Wein auf den Boden und breitete ihre ehemaligen Tagebücher auf dem Teppich aus.

Dort beschrieb sie in geschwungener violetter Schrift, wie sie sich ihre »fantastische« Karriere vorstellte, und schwärmte von der »perfekten Ehe«, die sie mit einem »attraktiven und stattlichen Mann« eingehen würde, den sie ganz sicher kennenlernen würde, allerdings erst »nach dem College, wenn ich die Welt gesehen habe und weiß, was ich will und was ich von einem Ehemann erwarte«. Zusammen würden sie in einem »umwerfenden« Haus wohnen, und es würde »noch größer und schöner sein als das Haus meiner Eltern«.

Am nächsten Morgen wachte Markie mit tränenverschmiertem Gesicht auf. Die Seiten ihrer Tagebücher waren voller Weinflecken. Sie schleppte sich auf der Suche nach Kaffee in die Küche, wo Clayton bereits wartend auf und ab marschierte. Er warf einen Blick auf ihre ungekämmten Haare, die verschwollenen, blutunterlaufenen Augen und den offenen Morgenmantel und räusperte sich. »Ich glaube, wir müssen uns darüber unterhalten, wie ihr beide mit eurer … Situation umgeht«, meinte er.

Am vierten Tag bewarb sich Markie vollkommen verzweifelt im Internet um einen Job in einer Stadt, die etwa sechzig Kilometer von ihrem alten Haus entfernt lag. Das Unternehmen hatte es eilig, den Posten zu besetzen, und die Arbeit klang einfach und stumpfsinnig, was bedeutete, dass sie den Job nach dem Ausfüllen des Online-Fragebogens und einem kurzen Telefongespräch am nächsten Morgen in der Tasche hatte. Darüber hinaus konnte die Arbeit von zu Hause aus erledigt werden. Das war perfekt für eine Frau, die ihr eheliches, gesellschaftliches und berufliches Versagen so sehr mit Scham erfüllte, dass sie schon Schwierigkeiten hatte, ihrem Sohn gegenüberzutreten – ganz zu schweigen vom Rest der Welt.

Am fünften Tag hockte sie vor ihrem Laptop und suchte nach einem Haus, das sie sich mit ihrem mickrigen stückzahlabhängigen Lohn leisten konnte. Ein weiteres Darlehen von der Clayton und Lydia Woffords Erster Allgemeiner Verurteilungsbank hätte sie ins Grab gebracht. Zu ihrer Überraschung fand sie tatsächlich einen Makler, mit dem sie sich einigen konnte.

Am sechsten Tag überbrachte sie ihren Eltern die Neuigkeit.

Und am siebten Tag packte sie Jesse ins Auto und raste davon. In eine neue Stadt, in der sie niemand kannte, zu einem Job, den sie in aller Abgeschiedenheit erledigen konnte, und in ein Haus, in das sie niemals irgendjemanden einladen würde.

In ein Leben, in dem sie an der emotionalen Oberfläche bleiben würde. Sie hatte vor, sich treiben zu lassen, statt sich neu zu verpflichten. Sie wollte die Wunden lecken, zu denen ihre schlechten Entscheidungen geführt hatten, und darauf warten, dass die Scham, die sie vom Kopf bis hinunter zum letzten Zehennagel erfüllte, irgendwann verebbte. Falls das überhaupt möglich war.

Zwei

Jesse bewegte sich langsam die nasse Laderampe hinunter, indem er abwechselnd mit dem einen und dann mit dem anderen Fuß nach hinten rutschte. Markie folgte ihm vorsichtig und versuchte, die Länge und Geschwindigkeit ihrer Vorwärtsschritte seinen Rückwärtsschritten anzupassen. Normalerweise hätte sie vorgeschlagen, jede Bewegung zu kommentieren, damit sie sich im Gleichschritt fortbewegen konnten – ein einfaches »Rechts, links« oder »Weiter, weiter« hätte ja schon genügt. Doch Jesse schien seine Worte in letzter Zeit zu rationieren, und sie wusste, dass er bis Montag schweigen würde, wenn sie ihn bereits am Samstagmorgen aufforderte, so viele auf einmal zu verschwenden.

Sie hatten es geschafft, sämtliche kleineren Teile ins Haus zu befördern, bevor es zu regnen begonnen hatte. Die größeren Möbel hatten sie allerdings für Kyle aufgehoben, der versprochen hatte, um neun Uhr bei ihnen zu sein. Das Einpacken im alten Haus hatte er verpasst. Er teilte Jesse per Textnachricht mit, dass ihm plötzlich eine »Sache« dazwischengekommen sei – sie sollten doch einfach die Nachbarn bitten, ihnen beim Einladen des Umzugswagens unter die Arme zu greifen. Jetzt wollte er immerhin zum neuen Haus kommen und ihnen beim Ausladen helfen. Jesse konnte nicht zugeben, dass er wütend auf seinen Dad war, weil dieser nicht aufgetaucht war. Eine Zeit lang weigerte er sich sogar, die Tatsache anzuerkennen, dass Kyle überhaupt nicht mehr kommen würde.

Um zehn Uhr hörte er schließlich doch auf, ständig die Straße hinunterzusehen, um nach dem Auto seines Vaters Ausschau zu halten. Und um zehn Uhr dreißig kletterte er hinten in den Wagen, wo Markie in einem fort auf die Uhr sah und versuchte, nicht in Panik zu verfallen. Sie mussten den Umzugswagen bis zwölf Uhr zurückbringen, sonst waren weitere hundert Dollar für die verspätete Abgabe fällig. Und nachdem Kyle in Bezug auf die Unterhaltszahlungen genauso verlässlich war, wie er pünktlich war, zählte im Moment jeder Penny.

Jesse sah den besorgten Gesichtsausdruck seiner Mutter und wandte sich eilig ab. Markie bereitete sich innerlich auf den Unmut vor, der sich in seinem Gesicht breitgemacht haben würde, wenn er sich wieder zu ihr umdrehte. Auf die zusammengekniffenen Augen und die gekräuselte Oberlippe, die sagten: Wenn du wusstest, dass wir es alleine nicht schaffen, warum hast du ihn dann rausgeworfen? Der Junge hatte sich zu einem Meister der geringschätzigen Blicke, des vorwurfsvollen Kopfschüttelns und der langen, anklagenden Seufzer entwickelt.

Markie dachte bei sich, dass es viel einfacher wäre, wenn er seinen Unmut offen zur Sprache brächte und ihr ganz genau sagen würde, was ihn an diesem Tag an ihr wieder mal nicht passte.

In einem solchen Fall konnte sie wenigstens für sich selbst eintreten. Nicht, dass sie gewusst hätte, wie sie sich verteidigen sollte, doch vielleicht fand sie ein Schlupfloch in seiner Argumentation, durch das sie davonkommen konnte. Eine Ungenauigkeit in der Weise, wie er die Sache sah, etwas, worauf sie ihn festnageln konnte. Im schlimmsten Fall konnte sie ihn wenigstens zurechtweisen, weil er in einem so respektlosen Ton mit ihr sprach. Auf sein ergebenes Seufzen gab es allerdings keine passende Antwort.

Als Jesse sich schließlich umdrehte, wirkte sein Gesichtsausdruck zu Markies Erleichterung jedoch nicht vorwurfsvoll, sondern nachdenklich und sogar ein wenig freundlich. Jesse ließ den Blick über die wartenden Betten, die Matratzen, die Sofas, die Lehnstühle und den großen Holztisch wandern, verschränkte die Finger ineinander und streckte seine langen, spindeldürren und blassen Arme über dem Kopf aus, weil er vermutlich dachte, dass Sportler sich so für ihren Einsatz bereit machen.

»Kein Problem, Mom«, meinte er. »Wir schaffen das. Es ist alles, na ja … vollkommen in Ordnung.«

Markie ließ sämtliche Luft aus ihren Lungen entweichen. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie den Atem angehalten hatte. Genau das war das Problem mit Jesse: Gerade, wenn sie dachte, er würde sie mit einem Todesblick in Grund und Boden starren oder beleidigt abziehen, sagte er etwas Nettes, lächelte sie an oder tätschelte ihr manchmal sogar den Arm.

Er war wie das kleine Mädchen in dem Gedicht, das sie als Kind immer gehört hatte. Die Kleine mit der Locke, die ihr immer in die Stirn fiel. »Wenn sie artig war, war sie sehr artig. Doch wenn sie es nicht war, war es schrecklich.« Markie verspürte neuen Respekt für die emotional erschöpften Eltern des kleinen Mädchens aus dem Gedicht. Dieses Hin und Her war wahnsinnig kräfteraubend.

Sie warf Jesse mit hochgezogener Augenbraue einen Seitenblick zu. Er war mittlerweile vierzehn, und in den letzten zwölf Monaten hatte sich sein Körper wie ein Kaugummi verhalten und war immer dünner geworden, während er sich immer weiter in die Länge zog. Seine Ellbogen waren dicker als seine Oberarme und seine Knie breiter als seine Oberschenkel. Er schämte sich, Shorts zu tragen, und so schwitzte er an diesem feuchten ersten Augusttag in seinen langen Jeans mit tief sitzendem Bund, der nicht nur so tief saß, weil es gerade in Mode war, sondern auch, weil es keinen Hintern gab, der ihn oben gehalten hätte. Und auch keinen Gürtel. Das letzte Mal, als Markie Jesse angeboten hatte, einen Gürtel zu kaufen, hatte er in der für ihn so typischen Art abgelehnt, die scheinbar nur kurze Phrasen erlaubte und ausschweifende Erklärungen verabscheute. »Gürtel gehen gar nicht, Mom.«

Er trug eine kleine runde Drahtbrille und hatte ein glattes, blasses Gesicht, wodurch er ein bisschen wie der junge John Lennon aussah (als Jesse noch die Grundschule besucht hatte, war auch der Vergleich mit Harry Potter erlaubt gewesen). Seine dunklen Stirnfransen hätten den Look komplettiert, hätte er nicht alle dreißig Sekunden den Kopf geschüttelt, um sie aus den Augen zu bekommen. Er war die Art von Junge, der für ein Wissensquiz ausgewählt wurde, bei dem es um Geografie oder Geschichte ging. Einer, der alle englischen Könige der Reihe nach aufzählen konnte. Vielleicht war er in seinen coolsten Momenten auch ein geeigneter Kandidat für eine Videospiel-Competition. Aber körperliche Arbeit, bei der es darum ging, einen vollgestopften Möbelwagen zu entladen? Im Regen, innerhalb von neunzig Minuten und mit einer über vierzigjährigen, reichlich aus der Form geratenen Mutter als Partnerin? Keine Chance.

Doch zusätzlich zu den großzügigen vierzehn Worten, die er ihr geschenkt hatte, und dem Anflug eines aufmunternden Lächelns, warf Jesse Markie auch noch diesen gewissen Blick zu, den er zum ersten Mal aufgesetzt hatte, nachdem sein Vater ausgezogen war. Es war eine Mischung aus Zuversicht und Verzweiflung, als wollte er sie bitten, zuzulassen, dass er sich um sie kümmerte, und nicht an ihm zu zweifeln, weil er sonst beginnen würde, an sich selbst zu zweifeln. Er war jetzt der Mann im Haus, aber gleichzeitig auch noch ein verängstigter kleiner Junge. Jedes Mal, wenn Markie diesen Blick sah, explodierte ihr Herz beinahe vor Stolz, während es gleichzeitig vor Kummer auseinanderbrach.

»Klar schaffen wir das«, erwiderte sie.

Da waren sie also – die reichlich aus der Form geratene Mutter und der Sohn mit den Kaugummiarmen und -beinen, die sich Stück für Stück mit ihrem schweren Holzesstisch die rutschige Rampe hinunterquälten, beide aus unterschiedlichen Gründen fest entschlossen, so zu tun, als würde sie das Gewicht nicht umbringen. Als würde sich dieser Vormittag nicht in die lange Liste der Enttäuschungen einreihen, die sie beide durch Markies Ex-Mann und Jesses Vater erfahren hatten. Als wäre das Verfrachten der restlichen, nicht minder schweren Möbelstücke auch nur ansatzweise möglich. Raus aus dem Wagen und den Weg hinauf zu ihrem Bungalow und durch die schmale Tür, alleine, im Regen und in weniger als eineinhalb Stunden.

Sie waren zwei Menschen, die – sowohl in Hinblick auf den Umzugswagen als auch in Hinblick auf ihr Leben im Allgemeinen und ihre Fähigkeit, normal zu funktionieren, nachdem Kyle fort war – so taten, als wäre »alles, na ja … vollkommen in Ordnung«.

Jesse hatte gerade einen Fuß auf den Gehsteig gesetzt, und Markie kämpfte sich immer noch unsicher die Rampe hinunter, als plötzlich ein lärmendes Etwas aus der seitlichen Eingangstür des Nachbarhauses schoss. Es war eine winzige, weißhaarige Frau, die mit erhobener Hand aus dem Haus marschierte, als wollte sie ein Taxi anhalten.

»Arrêtez!«, rief sie, während sie über ihren Rasen auf Markies Garten zustapfte.

Sie war noch nicht weit gekommen, als zwei Männer – einer älter, größer und dünner, der andere jünger, kleiner und breiter – hinter ihr aus der Tür hasteten und sie eilig überholten. Der Jüngere streckte ihr die Hand entgegen, doch sie winkte ab und rief: »Vas-y! Vite!« Er fuhr herum und machte sich wieder auf den Weg, bis er zu dem Älteren aufgeschlossen hatte und mit ihm gemeinsam über den niedrigen Holzzaun sprang, der die beiden Grundstücke voneinander trennte.

Markie drehte vorsichtig den Kopf, um einen Blick über die Schulter zu werfen, denn sie war neugierig, wohin sich die Männer so eilig auf den Weg gemacht hatten. Allerdings wusste sie auch, dass eine schnelle Bewegung sowohl sie selbst als auch den Tisch und ihren Sohn von der Rampe schleudern konnte. Nachdem sie hinter sich nichts Außergewöhnliches sehen konnte, richtete sie den Blick wieder nach vorn und erkannte, dass die beiden Männer mittlerweile beinahe in ihrer Einfahrt angekommen waren und dass die Frau, die mindestens fünfundsiebzig Jahre alt war und nicht mehr als fünfzig Kilogramm wog, durch das Türchen im Zaun getreten war und nun durch Markies Garten stapfte.

»Arrêtez«, rief die Frau erneut. »Stopp! Stellen Sie den Tisch ab. Maintenant! Sofort!«

Markie ließ den Tisch sinken, und die Tischbeine trafen mit einem Krachen auf der Rampe auf. Jesse ließ seine Seite ebenfalls los und stand wie angewurzelt mit erhobenen Händen da. Während die Frau noch über die Terrasse an der Hinterseite des Bungalows hastete, hatten die beiden Männer den Umzugswagen mittlerweile erreicht. Der jüngere – Markie schätzte ihn auf Mitte dreißig – trug ausgewaschene Jeans, ein T-Shirt und eine Baseballkappe. Er trat auf Jesse zu, sagte etwas, was Markie nicht hören konnte, und ihr Sohn rutschte mit immer noch hocherhobenen Händen zur Seite und gab seine Seite des Tisches frei.

»Madame«, meinte der ältere Mann zu Markie und deutete eine Verbeugung an. »S’il vous plaît.«

Er trug Anzughosen mit Bügelfalte, ein Hemd und auf Hochglanz polierte Schuhe; seine Kleidung hätte eher zu einem Businessmeeting als zu einem Sprint über den Rasen und einem Sprung über den Zaun gepasst. Er beugte sich steif nach vorn und vollführte eine ausladende Handbewegung, als wäre er ein treu ergebener Diener und Markie eine Prinzessin, die gerade aus einer Kutsche stieg. Sie ließ zu, dass er ihre Hand hielt, während sie unbeholfen vom Umzugswagen sprang. Nachdem er sichergestellt hatte, dass sie heil unten angekommen war, stellte er einen Fuß auf die Rampe und stieg so mühelos nach oben, als wäre sie lediglich ein paar Zentimeter und nicht einen knappen Meter hoch.

Er packte den Tisch und nickte dem jüngeren Mann zu, der zurücknickte. Dann machten sie sich gemeinsam auf den Weg die Rampe hinunter, durch den Garten und ins Haus. Es dauerte alles in allem bloß einen Bruchteil der Zeit, die Markie und Jesse benötigt hatten, um den Tisch die Hälfte der Rampe hinunterzubefördern.

Gerade, als die Männer im Haus verschwunden waren, trat die alte Frau neben Jesse, nahm ihn am Ellbogen und führte ihn zu seiner Mutter, um ihn neben ihr abzustellen. Er verzog das Gesicht und rieb sich den Arm, doch er bewegte sich nicht von der ihm zugewiesenen Stelle.

Nachdem sie die Frau nun aus der Nähe sah, erkannte Markie, dass ihre Schätzung von fünfundsiebzig Jahren und fünfzig Kilogramm großzügig bemessen gewesen war – sie musste wohl eher zehn Jahre hinzufügen und gleichzeitig fünf Kilo abziehen. Die Frau trug ein teuer aussehendes Leinenkostüm, und an ihren Ohren, um ihren Hals und an ihren Fingern glitzerten Diamanten, was in Markie die Vermutung aufkommen ließ, dass sie unter anderem deshalb so verärgert wirkte, weil sie und ihr genauso elegant gekleideter Ehemann gerade von wichtigeren Dingen abgehalten wurden. Doch bevor Markie der Frau erklären konnte, dass kein Grund dafür bestand, ihre Pläne aufzuschieben, wackelte diese mit dem Zeigefinger vor Markies Gesicht hin und her. Oder besser gesagt: mehr oder weniger vor Markies Gesicht, denn die winzige Frau musste ihren Arm ganz ausstrecken, um auch nur in die Nähe von Markies Kinn zu gelangen.

»Ich konnte gerade noch mit ansehen, wie Sie die kleineren Kartons alleine ins Haus geschleppt haben«, meinte sie mit schwerem französischem Akzent. »Sogar avec la pluie – im Regen. Und dann noch les autres petites choses – die anderen kleinen Dinge. Die Lampen, Kissen, Koffer und so weiter.«

Markie und Jesse wechselten einen Blick. Es war offensichtlich, dass ihre neue Nachbarin sie beobachtet hatte, wie sie den Wagen ausgeladen hatten.

»Mais, une table?«, fuhr die alte Dame fort. »Et …« Sie lehnte sich an ihnen vorbei, um einen Blick in den Umzugswagen und auf die Sofas und Betten zu werfen, die noch ins Haus gebracht werden mussten. »Non. Ce n’est pas raisonnable!«

Sie legte eine mit blauen Adern überzogene Hand auf Markies Arm und die andere auf Jesses und führte die beiden zu der riesigen Eiche, die neben der Einfahrt stand. Sie hörten, wie der Regen auf das Blätterdach prasselte, doch kein Tropfen schaffte es bis zu ihnen hinunter. »Wir warten hier unter dem Baum«, erklärte Markies Nachbarin. »Und lassen die beiden den Rest erledigen.«

Jesse schien hocherfreut über die Unterbrechung, doch Markie warf einen Blick auf die Uhr und meinte: »Ich weiß Ihre Hilfe wirklich zu schätzen, aber ich muss den Wagen in weniger als einer Stunde zurückbringen. Wir brauchen also alle Hände, die wir kriegen können. Einschließlich unserer vier.« Sie deutete auf ihre eigenen Hände und die ihres Sohnes und gab ihrem Jungen mit einem Wink zu verstehen, dass er ihr zum Umzugswagen folgen sollte. Er riss protestierend die Augen auf, und sie wollte ihn schon anfauchen, dass er endlich loslegen sollte, als die Hand der Frau ihren Arm plötzlich fester umschloss.

»Non«, protestierte die alte Dame und schüttelte entschlossen den Kopf. »Das wäre keine Hilfe. Sie wären bloß im Weg.«

Sie deutete auf den alten Mann, der gerade mit Jesses Futonmatratze auf dem Kopf in flottem Tempo auf das Haus zueilte, während der jüngere Mann einen Hocker auf der Fernsehkommode balancierte und hinter ihm her trabte. Der Ältere verschwand im Haus und stand im nächsten Augenblick auch schon wieder an der Tür, um sie für den Jüngeren zu öffnen.

»Danke«, meinte dieser.

»De rien«, erwiderte der andere, ehe er zum Wagen zurückjoggte.

Sosehr es Markie widerstrebte, unter ihrem eigenen Baum (zumindest war er das für die Zeit, in der sie das Haus gemietet hatte) festgehalten zu werden, musste sie zugeben, dass die alte Frau recht hatte. Jesse und sie hätten die durchdachte Choreografie der Männer bloß gestört. Markie konnte ins Innere des Wagens sehen und war erstaunt, welche Fortschritte bereits erkennbar waren. Dank der beiden war sie sich mittlerweile sicher, dass sie den Wagen rechtzeitig zurückbringen konnte. Außerdem genoss ihr Sohn die Unterbrechung, und um ehrlich zu sein, ihr und ihren schmerzenden Muskeln ging es ähnlich. Und so stand Markie mit Jesse und ihrer winzigen Bewacherin unter der Eiche und gönnte ihrem müden Körper eine Auszeit.

Von Zeit zu Zeit warf der ältere Mann einen Blick auf die Frau, die daraufhin das Kinn senkte, den Kopf ein wenig neigte oder eine Schulter anhob, worauf er jedes Mal einsichtig nickte und dem Jüngeren mit leiser Stimme weitere Befehle erteilte. Sie ist wie ein uralter, mit Schmuck behangener Baseballtrainer in Stöckelschuhen, dachte Markie. Oder noch besser: Sie ist wie Yoda in einem schicken Kostüm.

Sie lächelte und versuchte, Jesses Blick zu erhaschen, um ihm zu verstehen zu geben, dass sie ihm nachher etwas Komisches erzählen musste. Sie sah schon vor sich, wie er langsam, mit leicht zur Seite geneigtem Kopf nickte und kaum merklich grinste, während er meinte: »Der war gut, Mom.«

Doch Jesse starrte die Straße hinunter, und als er sich zu ihr umdrehte, war sein Mund leicht verzogen, wie immer, wenn er ein Stirnrunzeln verhindern wollte, bevor es sich festsetzte.

Markie erkannte zu spät, dass er vermutlich wieder nach Kyle Ausschau gehalten hatte und dass ihr selbstgefälliges Grinsen nicht die richtige Reaktion auf einen Jungen war, dessen Vater mittlerweile zwei Stunden Verspätung hatte. Jesses Mund entspannte sich und er runzelte nun tatsächlich die Stirn, bevor er einen bösen Blick aufsetzte und Markie ihn ganz genau hören konnte, obwohl er nichts sagte: Wir bräuchten überhaupt keine Hilfe beim Umziehen, wenn du dich nicht von ihm getrennt und das Haus verkauft hättest, in dem ich meine Kindheit verbracht habe!

Bevor Markie ihren Mund in eine etwas mitfühlendere Form bringen konnte, schnaubte Jesse und wandte sich ab, und ihr war klar, dass er im nächsten Moment gehen würde. Distanz und Schweigen: Das waren neuerdings Jesses Antworten auf jegliche Art von Konflikt. Er tat einen Schritt nach vorne, doch bevor er einen zweiten setzen konnte, streckte die alte Frau ihren Arm aus und packte ihn von hinten am T-Shirt. Zu Markies Überraschung machte Jesse tatsächlich einen Schritt zurück und nahm wieder seine ursprüngliche Position ein.

»Oui«, meinte die Frau und tätschelte seinen Arm. »Du bleibst hier.« Er nickte folgsam, doch er sah die Alte nicht an, und er vermied jeglichen Blickkontakt mit seiner Mutter.

Um ein wenig Spannung abzubauen, versuchte Markie, sich und ihren Sohn mit der neuen Nachbarin bekannt zu machen. »Übrigens, mein Name ist …«, begann sie, doch in diesem Moment schüttelte die Frau eilig und nachdrücklich den Kopf und reckte den Zeigefinger in die Höhe.

»Siii-lence«, flüsterte sie und deutete mit dem Kopf auf die Männer auf der Rampe, als wären sie Teilnehmer eines Golfturniers und jedes Geräusch könnte den entscheidenden Schlag vereiteln.

Mein Gott, sie ist echt herrisch, dachte Markie eher amüsiert als verärgert. Es war eine Sache, wenn die Frau annahm, dass Jesse ihr gehorchte – er war immerhin noch ein Kind. Aber einfach davon auszugehen, dass diese Tatsache auch auf einen Erwachsenen zutraf – vor allem auf eine erwachsene Frau, die (wie die alte Frau ja nicht wissen konnte) bereits seit Jahrzehnten die Fähigkeit perfektionierte, die Befehle ihrer Eltern zu ignorieren –, war so überzogen, dass es beinahe schon komisch war. Markie schenkte der Frau ein großherziges Lächeln. Sie hat keine Ahnung, mit wem sie es hier zu tun hat.

»Ich muss jetzt wirklich wieder an die Arbeit«, erklärte sie und machte einen Schritt auf das Haus zu. Sie wollte zwar keine weiteren Möbel schleppen, aber sie konnte den Männern zumindest die Tür öffnen, ihnen sagen, wohin die Möbel kamen, oder einen Weg zwischen den Kartons und den anderen Einrichtungsgegenständen freiräumen, die Jesse und sie vorhin einfach willkürlich hinter der Tür abgestellt hatten.

Der Griff um Markies Arm wurde erneut fester. »Attendez. Warten Sie.«

Hätte es wie ein Befehl geklungen, hätte Markie vermutlich gelacht und wäre gegangen. Doch dieses Mal sprach die Frau leise, und es klang nicht im Geringsten wie eine Anweisung. Auch ihr Mund schien weicher und war nicht mehr zu einer grimmigen Linie zusammengepresst, während ihr Blick den beiden Männern folgte. Markie sah dieses gewisse Strahlen in den Augen der alten Frau, das sie von sich selbst kannte, wenn sie gerade beobachtete, wie Jesse etwas Kluges tat.

»Attendez«, flüsterte die Alte erneut und sogar noch leiser. Das Wort schien eher ein Ausdruck des Staunens als ein Befehl zu sein. Markie wusste sehr gut, wie herrlich das Gefühl war, das die alte Frau gerade verspürte, und so versuchte sie nicht mehr, etwas zu sagen oder sich vom Fleck zu rühren. Stattdessen blickte sie auf die makellos frisierten grauweißen Locken der Frau hinunter, die Jesse und sie gerade zwang, gemeinsam dazustehen, und lächelte.

Das Wort »gemeinsam« in »gemeinsamer Feind« war zumindest ein Anfang. So hatten Jesse und sie später wenigstens etwas, worüber sie sich unterhalten konnten. Etwas, worüber sie den Kopf schütteln und lachen konnten: Die verrückte alte Nachbarin, die sie schon wer weiß wie lange beobachtet hatte, bevor sie aus dem Haus geschossen kam und ihnen auf Französisch Befehle erteilte. Wie die Frau sie so lange Zeit festgehalten hatte, obwohl sie nur halb so schwer wie Markie und halb so groß wie Jesse war. Und wie sie, mit kaum mehr als dem einen oder anderen Nicken, ein paar Worten und dem Griff ihrer Hand sowohl das schnelle Ausladen des Umzugswagens als auch eine kurze Entspannung zwischen einem wortkargen Teenager und seiner Mutter zustande gebracht hatte.

Drei

Markie parkte das Auto und hob die Tüten mit den Einkäufen vom Beifahrersitz. Nachdem sie sich ausgiebig bei ihren drei unerwarteten Helfern bedankt hatte, hatte sie sich mit der Begründung aus dem Staub gemacht, dass sie den Umzugswagen zurückbringen musste. Sie hatte ihn beim Autoverleih abgeliefert, ihr eigenes Auto geholt, eingekauft und einen Zwischenstopp eingelegt, um eine unvernünftig große Summe für ein paar schicke Sandwiches in einem einige Straßen entfernten Sandwichladen auszugeben. Für Markie gab es Thunfisch mit Gemüse – allerdings bloß mit der halben Portion Majo, nachdem sie gerade einen weiteren halbherzigen Versuch gestartet hatte, ihren Trennungspfunden den Kampf anzusagen. Keinen sehr ehrgeizigen Versuch, um es genau zu sagen, denn nachdem sie sich vom Laden auf den Nachhauseweg gemacht hatte, beschloss sie, sich später auf die Suche nach der Kühlbox zu machen, die sie vorhin aus dem Umzugswagen geladen hatten, um die Majo herauszuholen. Damit sie auch die andere Seite des Sandwiches damit bestreichen konnte. Es war ein emotional anstrengender Vormittag gewesen. Sie hatte das Recht, ein wenig zu mogeln.

Für Jesse hatte sie ein Sandwich mit Fleisch und scharfem Senf besorgt. In letzter Sekunde ließ sie sich außerdem noch ein paar Salatblätter in Folie packen und in ihre Tüte geben. Sie hatten sich in letzter Zeit nicht gerade gesund ernährt, aber Markie redete sich ein, dass Jesses Nährstoffbedarf für diesen Tag sicher gedeckt war, wenn sie später die Salatblätter in sein Sandwich legte. Kyle war der Einzige gewesen, der sich die Mühe gemacht hatte, ordentliche Mahlzeiten zu kochen. Nachdem er fort war, hatte Markie zunächst aus alter Gewohnheit weiterhin Brokkoli, Karotten und Zucchini eingekauft, alles ins Gemüsefach geworfen und das Zeug dort vergessen, während Jesse und sie eine weitere Tiefkühlpizza in den Ofen schoben oder sich etwas vom Drive-in holten. Ein bis zwei Wochen später fiel ihr schließlich der Gestank im Kühlschrank auf, und sie holte das schleimige Gemüse heraus und warf es in den Müll. Danach machte sie sich eilig auf den Weg in den Supermarkt, erklärte sich selbst aufgebracht, dass sie ihren Sohn gesünder ernähren musste, und das Spiel begann wieder von vorne. Allerdings konnte sie es sich eigentlich gar nicht leisten, Geld für Nahrungsmittel auszugeben, die sie nicht aßen, und so gab sie ihre Scharade schließlich auf und ließ bei ihren Einkäufen die Frischeabteilung von vorneherein links liegen, um sich auf direktem Weg in die Tiefkühlabteilung zu machen.

Es gab keinen vehementeren Befürworter einer hochverarbeiteten Junkfood-Diät als einen Jungen im Teenageralter, vor allem einen, der keinerlei Bedürfnis verspürte, sich während des Essens zu unterhalten. Hätten sie gemeinsam zu Abend gegessen, wie sie es früher getan hatten, als sie noch zu dritt gewesen waren, hätten sie sich zusammengesetzt, Besteck benutzt und sich gegenseitig von ihrem Tag erzählt, dann hätte Markie vielleicht ein gebratenes Hühnchen im Supermarkt besorgt. Sie hätte vielleicht sogar einen Eisbergsalat gekauft und einige Tomaten dazugegeben. Und eine Dose Mais warm gemacht.

Doch sie hatte den Versuch, ihren Sohn zu einem Gespräch zu motivieren, schon vor Monaten aufgegeben. Gleichzeitig hatte sie beschlossen, sich nicht mehr vorzumachen, dass es ihrer Beziehung guttat, einfach »zusammen zu sein«, während sie aßen. Das ehrlichste Lächeln seit Monaten hatte sie erhalten, als sie Jesse vorschlug, er solle seine Pizza alleine vor dem Fernseher verdrücken, während sie sich mit ihrer Pizza und einem Buch in ein anderes Zimmer verzog. Mit anderen Worten: Ihre Gespräche waren auf demselben Tiefpunkt angelangt wie ihre Versorgung mit Nährstoffen. Obwohl … wenn man den Wortwechsel »Schönen Tag noch« – »Dir auch« als Gespräch bezeichnete und die Tomatensoße auf der Pizza als Gemüse – und Markie hatte sich auch diesem erzieherischen Tiefpunkt ergeben – , dann schlugen sie sich gar nicht so schlecht.

Mittlerweile war Markie vor der seitlichen Eingangstür ihres Bungalows angekommen, die teilweise aus Holz (im unteren Teil) und teilweise aus Glas (oben) bestand, und griff gerade nach dem Türknauf, als plötzlich das Gesicht der alten Frau mit dem französischen Akzent hinter dem Glas auftauchte. Sie lächelte Markie zu und hob ein Trinkglas.

»Was zum …?«, begann Markie und trat ins Haus und in den kleinen Wohnraum, den sie sich als gemütlichen Aufenthaltsort für sich und Jesse einrichten wollte und wo ihre Nachbarin offensichtlich die Kartons mit der Aufschrift GLÄSER/TELLER gefunden hatte.

Markie konnte es nicht glauben. Sie hatte die herrische Art der Frau bis jetzt mit Humor genommen, doch die Tatsache, dass diese seltsame Nachbarin nun hier in ihrem Bungalow stand und ihre Sachen durchwühlte, war nicht mehr witzig.

Es war ein schrecklicher Vormittag gewesen. Markie hatte alles, was von ihrem in Scherben liegenden Leben übrig war, in einen gemieteten Umzugswagen gepackt, hatte ihren Sohn aus dem einzigen Zuhause gerissen, das er kannte, und ihm dabei zugesehen, wie er hoffnungsvoll und doch vergebens nach seinem Vater Ausschau gehalten hatte. Sicher war es eine große Hilfe gewesen, dass jemand den Umzugswagen für sie ausgeladen hatte, und Markie war ja auch dankbar dafür. Doch seit Stunden träumte sie von nichts anderem mehr, als alleine in ebendieser gemütlich eingerichteten Diele zu sitzen und die Füße hochzulegen, während sich Jesse mit seinem Sandwich und dem Telefon in sein Zimmer im Keller verzogen hatte.

»Ah«, meinte die Frau. »Vous êtes arrivée. Sie sind zurück. Wir wollten gerade …« Sie brach ab und warf einen schnellen Blick auf das Glas in ihrer Hand. »… doch dann brauchte Fraydayrique ein Glas Wasser.« Sie deutete hinter sich auf das kombinierte Ess- und Wohnzimmer auf der anderen Seite der Küche. »Kommen Sie.«

»Ich will wirklich nicht unhöflich sein«, begann Markie. »Und ich schätze Ihre Hilfe von vorhin sehr, aber ich fürchte, ich bin gerade nicht in der Stimmung, um …«

Doch die Frau schien sie gar nicht zu hören. Sie wandte sich ab und machte sich auf den Weg in die angrenzende Küche. Dort legte sie einen kurzen Halt ein, um das Glas an der Spüle mit Wasser zu füllen, und ging dann durch den bogenförmigen Durchgang in das kombinierte Ess-Wohnzimmer. Markie hörte einige laute Befehle auf Französisch, gefolgt von der flehenden Stimme des alten Mannes, der offensichtlich »Frédéric« hieß.

Markie ging in die Küche, stellte die Tüten mit den Einkäufen auf die Arbeitsplatte und seufzte.

Schritte polterten die Kellertreppe hoch, dann öffnete sich die Kellertür, und Jesse trat in die Küche. Er stank nach Aftershave, doch Markie tat, als würde sie es nicht bemerken. Genauso, wie sie jedes Mal vorgab, seine wöchentliche Rasur wäre mehr als Wunschdenken. Sie schob die vollen Einkaufstüten als Entschuldigung vor, um sich von ihm abzuwenden.

»Was ist denn hier los?«, fragte sie flüsternd und deutete mit dem Kopf in Richtung Ess-Wohnzimmer.

»Sie wollte einfach nicht gehen, Mom«, flüsterte er zurück, und das »Mach mir deswegen aber keine Vorwürfe!« war bereits inbegriffen. »Ich habe ihr gesagt, dass wir uns jetzt gerne etwas Zeit nehmen würden, um uns einzurichten, aber sie hat mich einfach nicht verstanden.« Er wandte sich in Richtung Wohnzimmer um. »Aber ehrlich gesagt, sieht es gar nicht so schlecht aus. Du solltest es dir mal ansehen.«

Markie starrte auf den bogenförmigen Durchgang. Sie wollte einfach nicht hindurchtreten, sich aufgeregt umsehen und ihre aufdringliche Nachbarin für ihren hervorragenden Geschmack loben. Sie war hierhergezogen, um allein zu sein. Sie wollte unbedingt allein sein, und zwar nicht nur heute, sondern auch in absehbarer Zukunft. Sie hatte eine Vergangenheit, mit der sie sich abfinden, und eine Zukunft, die sie ordnen musste – und das konnte sie nur, wenn sie allein war. Sie wollte keine Einmischung, weder von neuen Freunden noch von alten, und ganz sicher nicht von überfürsorglichen Nachbarn. Schnaubend wandte sie sich wieder ihren Einkäufen zu.

»Was denn?«, fragte Jesse und klang dabei, als wäre Markie das quengelnde Kind und er der geduldige Erwachsene.

»Nichts«, erwiderte Markie. »Es war ein langer Tag.« Sie legte ihr Sandwich in den Kühlschrank, reichte Jesse seinen Teller und trat auf den Durchgang zu, der ins Wohnzimmer führte. »Ich dachte, wir könnten mal eine Pizza-Pause vertragen«, erklärte sie.

»Ich brauche keine Pizza-Pause«, erwiderte er. »Aber das hier ist superlecker. Danke.«

Sie deutete auf die Salatblätter neben dem Sandwich. »Und iss den Salat auf.«

»Jetzt mach aber mal halblang«, meinte er und schenkte ihr ein schiefes Grinsen. »Du Gesundheitsfanatikerin.«

»Ich werde mich bei ihnen bedanken und sie dann nach Hause schicken.«

Sie schaffte gerade einen halben Schritt durch den Durchgang, bevor sie mit ihrer Nachbarin zusammenstieß, die das Wasserglas siegreich in die Höhe hielt und deren Falten um den Mund nach oben wanderten, um einem breiten Lächeln Platz zu machen.

»Fraydayrique hat heute noch nicht genug getrunken«, erklärte sie und strahlte Markie erwartungsvoll an, als hätten sie in dieser Hinsicht dasselbe Anliegen.

»Ich, ähm …«, begann Markie.

Die Frau packte Markies Hand und zog sie durch den Durchgang zurück in die Küche.

Markie entzog sich der alten Frau und verschränkte vorsorglich die Hände hinter dem Rücken. Sie würde keine weiteren Umklammerungen dulden. »Hören Sie …«, begann sie. »Es war sehr nett von Ihnen, Ihrem Mann und Ihrem Sohn, uns zu helfen. Und wir sind Ihnen sehr dankbar. Aber von jetzt an schaffen wir es alleine …«

»Och.« Die Frau machte eine abwertende Handbewegung in Richtung Wohnzimmer. »Die beiden gehören nicht zu mir. Er ist nicht mein Junge. Und mein Ehemann – mein Edouard – ist tot für mich.«

»Oh«, erwiderte Markie. »Aber wer sind dann …?«

Doch die alte Frau hatte sich bereits zu Jesse umgedreht, der auf einem der Barhocker an der Arbeitsplatte saß. Markie wandte sich ebenfalls zu ihm um, und ihr Blick fiel auf sein verblüfftes Gesicht.

»Qu’est-ce qu’il y a?«, fragte die Frau. »Was ist denn los?«

Jesse hatte den Blick auf seine Hände gerichtet, die er mit den Handflächen nach unten nebeneinander auf die Arbeitsfläche gelegt hatte und nun langsam auseinanderzog. »Ich, ähm …« Er räusperte sich. »Sie sagten: ›tot für mich‹. Ich glaube, es heißt einfach bloß ›tot‹. Es sei denn, Sie wollen damit sagen, dass er etwas getan hat, das Sie …«

»Er ist tot für mich«, wiederholte die Frau und unterstrich ihre Antwort mit einem entschiedenen Nicken, als würde das alles erklären.

»Ja, klar«, erwiderte Jesse, »aber das macht die … die Sache … noch nicht klarer.«

Die alte Frau wandte sich wortlos von ihm ab und Markie zu, und Jesse zuckte mit den Schultern und griff nach seinem Sandwich.

»Vous êtes Markie«, meinte sie. »Das hat Chessie mir erzählt.«

Markie warf einen schnellen Blick auf ihren Sohn, der mit dem Finger auf sich selbst zeigte und mit den Lippen das Wort »Chessie« formte. Markie grinste, und der Kopf der alten Frau fuhr herum, um nachzusehen, was der Junge im Schilde führte. Er ließ den Finger sinken und sah zu Boden.

»Er meinte, das sei Ihr richtiger Name.« Sie sah Markie mit zusammengekniffenen Augen misstrauisch an und schien bloß auf eine Bestätigung zu warten, dass der Junge log. Als Markie jedoch nickte, kicherte die Frau und tätschelte ihr mitfühlend den Arm. »Moi, je m’appelle Angeline St. Denis. Also S-A-I-N-T und dann D-E-N-I-S. Aber Sie können mich ›Mrs. Saint‹ nennen, wenn Sie St. Denis nicht richtig aussprechen können. Was wohl der Fall sein wird, da Sie Amerikanerin sind. Also. Mrs. Saint, wenn ich bitten darf.«

Markie öffnete den Mund, um sich an »St. Denis« zu versuchen, und Jesse, der sich vollkommen bewusst war, dass seine starrköpfige Mutter den Vorwurf, etwas nicht zu können, nicht auf sich sitzen lassen würde – das war eine der Eigenschaften, die er mit ihr teilte –, schüttelte den Kopf und tat, als wollte er sich mit der Handkante die Kehle durchschneiden.

»Saint Dennis«, wagte sich Markie mutig voran und ignorierte ihren Sohn vollkommen. Jesse zuckte zusammen.

»Och! Non!« Mrs. Saint ließ Markies Hand los, stellte das leere Glas auf die Arbeitsplatte und reckte beide Fäuste in Richtung Zimmerdecke, als wollte sie das Universum verfluchen, weil es ihr eine solche Idiotin als Nachbarin beschert hatte. Sie starrte zuerst die Mutter und dann den Sohn an, und es war offensichtlich, dass Jesse vorhin denselben Versuch gewagt hatte und gescheitert war.

Jesse hob die Hände von der Arbeitsplatte, drehte die Handflächen nach oben und formte mit den Lippen die Worte: »Ich habe dich gewarnt.«

»Ce n’est pas Deh-niss«, erklärte Mrs. Saint mit übertrieben amerikanischem Akzent. »Es heißt Dö-nie.« Sie legte eine Kunstpause ein und wiederholte dann: »Dö-nie. Und es heißt auch nicht Saynt, wie die Heiligen, sondern einfach bloß San. Das T ist bloß eine …« Sie richtete den Blick nach oben, als könnte sie das richtige englische Wort an der Zimmerdecke finden. »Eine Andeutung«, meinte sie schließlich. »Das T ist bloß eine Andeutung.« Ihr Blick wanderte erneut von der Mutter zum Sohn, als wollte sie die beiden herausfordern, es noch einmal zu versuchen.

Jesse streckte der alten Frau seine Handflächen entgegen und meinte: »Ich bin zufrieden mit Mrs. Saint.«

Mrs. Saint strahlte ihn an, als hätte er ihr gerade erklärt, dass er an der Universität von Harvard angenommen worden war. Dann richteten sich die Blicke der beiden auf Markie, die fest entschlossen schien, es noch einmal zu versuchen. Nach Mrs. Saints kleiner Aussprache-Lektion war sie sich sicher, dass sie der Sache jetzt näher kommen würde. Sie hatte an der Highschool einen Französischkurs belegt, und ihre Aussprache war gar nicht so schlecht. Außerdem würde sie verdammt noch mal nicht zulassen, dass diese gerade einmal einen Meter dreißig große Frau mit dem französischen Akzent hier in ihrer Küche stand und ihr verbieten wollte, sich an einer Sprache zu versuchen, auf die sie keinen größeren Anspruch hatte als Markie und Jesse auf das Englische.

Sie wandte sich ihrem Sohn zu und wollte die Lippen bereits zu einem höhnischen Grinsen verziehen, weil er seine Starrköpfigkeit in dieser Hinsicht so schnell abgelegt hatte, doch letztlich öffnete sie bloß ungläubig den Mund. Mrs. Saint schien so stolz auf seine Folgsamkeit, dass sie mit der Hand über seinen Arm rieb. Und Jesse, der nicht einmal mehr zuließ, dass seine Mutter ihm durch die Haare fuhr, und immer so tat, als wäre es ihm nicht wichtig, was andere von ihm dachten, lächelte die Frau an, als hätte er sich nie etwas so sehr gewünscht wie ihre Anerkennung. Er lehnte sich in ihre Richtung, als wollte er auf keinen Fall, dass sie aufhörte, seinen Arm zu reiben, und Markie fürchtete, er würde jeden Moment anfangen zu schnurren. Sie selbst hatte die letzten fünf Monate vergeblich versucht, diesen Jungen – der sich so offensichtlich nach einer Umarmung sehnte – zu irgendeiner Art der körperlichen Annäherung zu bringen.

»Dann also Mrs. Saint«, sagte sie.

Das Lächeln der alten Dame schien ihr ganzes Gesicht zu sprengen, und sie griff mit der Hand, die noch nicht von Jesse in Beschlag genommen wurde, nach Markies und drückte sie erneut.

Na gut, dachte Markie. Dieses eine Mal.

»Bienvenue!«, rief Mrs. Saint. »Willkommen in der Nachbarschaft!« Ihr Blick wanderte von der Mutter zum Sohn, und ihr Lächeln wurde noch breiter. Jedoch nur einen Sekundenbruchteil lang, dann war der Ausdruck ehrlicher Freude auch schon wieder verschwunden und ihre großen, strahlenden Augen wurden schmal und dunkel. »Alors, Chessie hat gemeint, Sie hätten keinen Hund?«

»Wir sind keine Hundemenschen«, erwiderte Markie.

Mrs. Saint spitzte die Lippen, als wollte sie sagen: »Das werden wir schon noch sehen«, doch dann nahm sie lediglich Frédérics Glas von der Arbeitsplatte, füllte es erneut und hielt es Jesse entgegen. »Er sollte noch etwas trinken«, erklärte sie und deutete mit dem Kopf auf den Durchgang.

Hätte Markie Jesse das Glas in die Hand gedrückt und ihm die etwas vage Anweisung erteilt, es einem Mann zu bringen, den er kaum kannte, hätte Jesse sie vermutlich bloß so lange ausdruckslos angestarrt, bis sie ihren Fehler erkannt und das Glas wieder auf die Arbeitsplatte gestellt hätte. Oder er hätte den Kopf leicht zur Seite geneigt, als wäre sie verrückt geworden, ihm eine derartige Anweisung zu erteilen. Oder er hätte gekichert und hätte ihren Irrglauben, er würde ihr jemals gehorchen, irgendwie witzig gefunden. Auf keinen Fall hätte er jedoch gelächelt, das Glas genommen, »Kein Problem!« gerufen und sich auf den Weg ins Wohnzimmer gemacht.

Als er fort war, lehnte sich Mrs. Saint in Markies Richtung und bedeutete ihr, sich nach unten zu beugen, damit sie einander näher waren.

»Jungen tragen bloß so viel Aftershave, wenn sie etwas verbergen wollen«, flüsterte sie. »Während Sie das Mittagessen einkaufen waren, war er draußen hinter dem Haus, und Fraydayrique glaubt, dass er …« Sie hob zwei ausgestreckte Finger an ihren Mund, als würde sie rauchen.

Markie richtete sich auf, trat einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf. »Das kann nicht sein!«

»Ein Hund wird dafür sorgen, dass der Junge nicht in Schwierigkeiten gerät«, erklärte Mrs. Saint. »Die Verantwortung. Und außerdem hätte er dann Gesellschaft, non? Er wirkt ein bisschen … einsam.«

»Er ist nicht in Schwierigkeiten«, erwiderte Markie. »Und er ist auch nicht einsam. Er hatte viele Freunde in unserer alten Nachbarschaft.«

»Aber diese Freunde sind nicht hier, in Ihrer neuen Nachbarschaft«, wandte Mrs. Saint ein. Es schien, als wollte sie noch mehr sagen, aber in diesem Moment drang plötzlich ein Geräusch aus dem Wohnzimmer, das klang, als würde jemand etwas über den Holzboden schleifen.

»Attendez!«, rief sie und eilte an Markie vorbei. Sie war kurz davor, durch den Durchgang zu treten, als sie sich noch einmal umdrehte und einen Finger seitlich an ihre Nase legte. »Wir reden später darüber. Über die Schwierigkeiten. Und die Einsamkeit. Und auch über le chien – den Hund.«

»Ich glaube nicht, dass es etwas gibt, worüber wir reden …«, begann Markie, doch Mrs. Saint nickte bloß abwesend, als wäre vor allem wichtig, dass sie selbst mit sich einer Meinung war. Dann stürzte sie ins Wohnzimmer und gab dabei Befehle in zwei Sprachen von sich.

Vier

Markies neues Wohnzimmer war kaum größer als ihr altes Badezimmer. Natürlich war ihr das bereits bei der Besichtigung eine Woche zuvor klar gewesen, aber damals hatte es ihr noch keinerlei Sorgen bereitet. Schon richtig, es wirkte ein wenig beengt, aber man konnte ein Zimmer nicht richtig einschätzen, solange es leer war. Das redete sie sich zumindest ein. Es würde sicher größer wirken, wenn es erst einmal möbliert war.

Doch mittlerweile standen das storchenbeinige Zweiersofa, der Lehnstuhl und der Beistelltisch ihrer Großmutter an ihrem Platz (die einzigen wertvollen Möbelstücke, die Markie nicht verkauft hatte), und das Zimmer, das bereits bei der Besichtigung klein gewirkt hatte, löste einen klaustrophobischen Anfall bei ihr aus. Plötzlich bekam sie keine Luft mehr, und sie musste sich an der Rückenlehne des Sofas festhalten, während sie versuchte, Luft in ihre Lungen zu befördern und ihre Beine zu zwingen, nicht unter ihr nachzugeben. Mrs. Saint und ihre beiden Helfer eilten mit ausgestreckten Armen auf sie zu, doch Markie winkte ab.

»Alles okay, alles okay«, erklärte sie, auch wenn ihr Keuchen sie verriet. »Es ist bloß …« Sie schüttelte den Kopf. Wie sollte sie das erklären?

Es war »bloß« so: Selbst die stärkste Überzeugung, es würde ihr als geschiedene Frau besser gehen, hatte sie offenbar nicht gegen den Schock immun gemacht, den sie gerade empfand. Denn vor wenigen Sekunden hatte sie erkannt, dass sie nun – tatsächlich – geschieden war. Und obwohl sie den ganzen Tag über immer wieder daran erinnert worden war – von dem Umzugswagen, den Kartons, dem Anblick ihres alten Hauses, der Nachbarschaft und schließlich der gesamten Stadt, die im Rückspiegel immer kleiner wurde –, traf sie der Anblick dieses kümmerlichen Wohnzimmers, das im Vergleich zu dem riesigen hohen Raum in ihrem alten Haus so furchtbar traurig aussah, am härtesten.

»Würden Sie die Möbel gern anders anordnen?«, fragte Mrs. Saint. »Wir dachten, so wäre es am besten, wenn Sie Gäste haben. Denn auf diese Weise sieht man von jedem Platz aus den Kamin.« Sie machte eine ausladende Handbewegung.

Markie betrachtete die Aufstellung und wusste, dass ihre Nachbarin recht hatte. Sie wusste allerdings auch, dass es egal war, ob die Möbel für Besucher ausgerichtet waren – nachdem sie die drei Menschen, die gerade vor ihr standen, hinausbefördert hatte, wären Jesse und Markie die Einzigen, die einen Fuß in diesen Bungalow setzen würden, und zwar solange sie hier wohnten. Es gab allerdings keinen Grund, diesen Gedanken laut auszusprechen, und so lächelte Markie, erklärte ihnen, dass alles perfekt aussah, und durchquerte schließlich mit ausgestreckter Hand das Wohnzimmer, um sich endlich den beiden Männern vorzustellen, die so hart für sie geschuftet hatten.

Frédéric sprach seinen Namen genauso aus wie Mrs. Saint – Fraydayrique –, während er Markies Hände in seine nahm und sich tief vor ihr verbeugte. Markie trat vor Frédérics Freund, der einen Augenblick lang zögerte, bevor er seine schlaffe Hand in ihre legte.

»Und das ist …«, begann Mrs. Saint und zog das letzte Wort in die Länge, während sie den Blick starr auf den jungen Mann gerichtet hielt, der schließlich doch verstand, was man von ihm erwartete.

»Oh! Bruce!«, meinte er und drückte kopfschüttelnd sein stoppeliges Kinn an die Brust, als würde er nie verstehen, dass man seinen Namen nennen musste, wenn man jemanden kennenlernte. Seine Wangen waren vor Scham oder vielleicht auch vor Schüchternheit gerötet, und er erschien Markie wie ein übergroßes, unbeholfenes Kind. Genauso fühlte sich Markie immer, wenn sie mit den Freunden ihrer Eltern aus dem Country Club zusammen war. Diese Leute erzählten sich ständig Insiderwitze, die sie nicht verstand. Und sie stellten Anforderungen an das Auftreten eines Menschen, denen sie nicht genügen konnte. Obwohl sie vorhatte, sich mit niemandem näher anzufreunden, verspürte sie sofort eine Verbindung zu Bruce, und sie tätschelte seinen Arm, lächelte warmherzig und meinte: »Es ist sehr nett, Sie kennenzulernen, Bruce.«

Danach wandte sie sich auch Frédéric zu und meinte: »Ich danken Ihnen beiden so sehr für Ihre Hilfe! Unser Umzugsteam hat im letzten Moment abgesagt. Ohne Sie hätten wir es nie geschafft, den Wagen rechtzeitig zu entladen und zu retournieren.«

»Non, non«, erwiderte Frédéric und wischte ihre Dankbarkeit beiseite. »Es war uns eine Freu-dee. Wir waren mehr als glücklich.«

Markie warf einen Blick auf seine elegante Kleidung und fragte sich, wie glücklich er tatsächlich war, dass er seine ursprünglichen Pläne verworfen hatte, um für eine Frau zu schuften, die er noch nie gesehen hatte. Bruce, dessen Jeans und T-Shirt abgewetzt wirkten und schlecht saßen, war vermutlich nicht zu der Veranstaltung eingeladen, die die älteren beiden besuchen wollten.

»Dann sind Sie also ebenfalls Franzose«, meinte sie an Frédéric gewandt.

»Frankokanadier«, korrigierte Bruce Markie, und Mrs. Saint streckte die Hand aus und tätschelte anerkennend seinen Arm. Er strahlte.

»Ja, das bin ich«, antwortete Frédéric auf ihre Frage. »Aber das kommerzielle Amerika hat im Laufe der Jahre beinahe meinen ganzen Akzent verschlungen. Angeline blieb ein solches Schicksal erspart.«

Er sah Mrs. Saint mit so offensichtlicher Bewunderung an, dass Markie beinahe ein erfreutes »Ah!« von sich gegeben hätte. Wie wundervoll, dass diese Frau nach ihrem verstorbenen Edouard eine neue Liebe erleben darf, dachte sie. Doch Mrs. Saint runzelte bloß die Stirn und sah aus dem Fenster, und Frédérics Lächeln verblasste. Er blickte zu Boden.

»Bruce würde gerne wissen, was Sie mit den Fern-säh-hörn vorhaben«, erklärte Mrs. Saint.

Bruce deutete auf die beiden Fernsehgeräte, die an der unsichtbaren Schwelle zwischen dem winzigen Wohnzimmer und dem kaum nennenswerten Essbereich standen. »Wir wussten nicht, welches Gerät wohin gehört, nachdem eines … Sie wissen schon … größer ist.«

»Oh.« Markie winkte ab. »Bitte, lassen Sie den Rest einfach stehen. Sie haben bereits mehr als genug getan. Jesse und ich übernehmen ab jetzt.« Sie deutete in Richtung Durchgang und auf die seitliche Eingangstür dahinter. »Sie haben doch sicher alle noch etwas zu erledigen. Wir können jetzt wirklich alleine …«

»Aber Fraydayrique hat seinen Hammer mitgebracht!«, rief Mrs. Saint. »Und die Nägel für die Bilder.« Sie deutete auf einen Werkzeugkoffer, der Markie noch gar nicht aufgefallen war und der auf einem der zahlreichen großen Kartons in der Ecke stand, die mit BILDER beschriftet waren. »Außerdem ist noch die ganze Küche einzuräumen!«

Markie warf einen Blick auf die Kartons und winkte ab. »Die sind im Moment nicht so wichtig. Jesse wird sie nachher in den Keller bringen, und er wird sich auch um die Sachen kümmern, die in die Küche gehören. Ich danke Ihnen trotzdem sehr. Sie haben mehr getan, als man von Nachbarn jemals erwarten könnte.« Sie machte erneut eine ausladende Handbewegung in Richtung Tür und widerstand dem Drang, wiederholt mit dem Finger darauf zu deuten, damit die drei den Wink endlich verstanden.

»Ich sollte zumindest noch die Fernsehgeräte in die richtigen Zimmer bringen«, erklärte Bruce. »Sie sind ziemlich schwer.«

Mit anderen Worten: Er hatte Jesses streichholzdünne Arme und auch die etwas außer Form geratene Mutter mittleren Alters gesehen, und er wusste, dass die beiden die Fernseher unmöglich irgendwohin schleppen konnten. Nervös trat er von einem Bein auf das andere, während er auf eine Antwort wartete. Sein Gesicht wirkte so ernst und hoffnungsvoll, dass eine Zurückweisung ihn womöglich am Boden zerstört hätte.

»Klar«, erwiderte Markie und ließ ergeben die Hand sinken. »Das ist sehr nett von Ihnen. Der große Fernseher und die dazugehörige Kommode kommen in Jesses Zimmer, der kleinere in meines.«

Mrs. Saint gab ein seltsames Geräusch von sich, während Bruce zur Decke hoch deutete. »Das große Zimmer für Sie und das kleine für ihn? So haben wir die Betten aufgestellt.«

Markie wollte gerade antworten, doch dann war sie einen Moment von Mrs. Saints Reaktion zum Thema »Fernseher im Schlaf- bzw. Kinderzimmer« abgelenkt. Sie hätte ihr am liebsten gesagt, dass sie sich durchaus bewusst war, dass so etwas ein elterliches No-Go war. Sie wusste, dass Jesse zu lange wach bleiben und fernsehen würde. Sie wusste, dass zwei Fernseher sie der Möglichkeit beraubten, Fernsehzeit als »Familienzeit« zu deklarieren. Aber sie wusste auch, wie ihr Sohn tickte, und sie wusste, was er brauchte – und das war keine zusätzliche Mutter-Sohn-Zeit und schon gar keine Regel bezüglich seines Fernsehkonsums.

Markie hatte bereits versucht, ihre Eltern von ihrer Einstellung gegenüber dem Fernsehen und den Videospielen zu überzeugen, und war gescheitert. Deshalb wollte sie sich auf keinen Fall vor einem weiteren Tribunal verantworten, und ganz sicher nicht vor einer Frau, die sie erst einen halben Tag lang kannte. Also meinte sie zu Bruce: »Eigentlich bekommt Jesse das Zimmer im Keller«, und bevor Mrs. Saint ein weiteres seltsames Geräusch ausstoßen konnte, fügte Markie rasch hinzu: »Er hat es sich selbst ausgesucht. Er hatte ein ziemlich schweres Jahr, also habe ich zugestimmt.«

Bruce’ Finger deutete nicht mehr zur Zimmerdecke hoch, sondern auf den Fußboden hinunter. »Soll ich auch noch das Bett hinunterbringen, bevor ich gehe?«, fragte er. »Und ich kann auch das Fernsehkabel vom Wohnzimmer nach unten ziehen.«

»Die Sache mit dem Bett wäre wunderbar«, erwiderte Markie. »Aber das Verlegen des Kabels ist nicht notwendig. Wir haben im Moment kein Budget für Kabelfernsehen.« Sie zuckte mit den Schultern, als würde diese Tatsache keine riesige Enttäuschung für ihren Sohn bedeuten – so riesig, dass sie es immer noch nicht geschafft hatte, ihm davon zu erzählen –, und winkte ab. Nein, es war keine große Sache.

»Er hat so eine Spielekonsole, die er anschließen kann.« Sie deutete in Richtung Diele. »Ich glaube, ich habe sie irgendwo neben der seitlichen Eingangstür gesehen.«

»Le pauvre«, rief Mrs. Saint. »Ein schweres Jahr – in diesem Alter! Scheidung, non?«

Markie hatte keine Ahnung, ob die alte Frau berechtigterweise wissen wollte, ob sie geschieden oder verwitwet war, oder ob sie bloß eine Bestätigung für das suchte, was sie bereits wusste. Es schien durchaus plausibel, dass sie Jesse diese Information entlockt hatte, während Markie einkaufen gewesen war. Dieser Gedanke machte Markie wütend, und auch wenn es kindisch war, ignorierte sie die Frage einfach und tat, als würde sie Mrs. Saints durchdringenden Blick nicht spüren.

Bruce räusperte sich, und Markie war sicher, dass er ihr gleich erklären würde, dass niemand Mrs. Saint eine Antwort schuldig blieb. Wäre es nicht ein so stressiger Tag gewesen und hätte sie nicht gerade erst sieben Tage damit verbracht, sich von ihren Eltern herumkommandieren zu lassen, dann hätte Markie vermutlich einfach bestätigt, dass sie geschieden war. Stattdessen presste sie die Lippen zusammen. Das hier war ihr Haus – und sie entschied, wem sie antwortete. Sie spürte, wie sich das missmutige Kleinkind in ihr erhob, wütend die Arme verschränkte und mit den Füßen aufstampfte. Und sie senkte den Kopf, damit die anderen nicht sahen, wie ihre Wangen vor Scham über ihr eigenes Verhalten glühten.

»Ich sehe gleich mal nach der Spielekonsole«, flüsterte sie und eilte schnell an den dreien vorbei und durch den Durchgang.

Irgendwann gingen sie tatsächlich. Markie dankte ihnen erneut und bekam dafür eine angedeutete Verbeugung und ein in die Länge gezogenes »Madame«