Ein heißer Kuss, der alles ändert - Maisey Yates - E-Book

Ein heißer Kuss, der alles ändert E-Book

Maisey Yates

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Beschreibung

Ein Skandal bricht über die reiche Erbin Selena herein. Sie muss raus aus dem Scheinwerferlicht! Ihr bester Freund Knox McCoy bringt sie vor der neugierigen Öffentlichkeit in Sicherheit. In einer Blockhütte wollen sie abwarten, bis sich die Aufregung gelegt hat. Doch mit Knox allein zu sein, ist riskant: Plötzlich knistert es zwischen ihnen. Ein erster heißer Kuss vor dem Kamin gefährdet die alte Vertrautheit. Selena will mehr als Freundschaft - dabei weiß sie doch am besten, warum Knox nicht frei für die Liebe ist!

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Seitenzahl: 207

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IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2017 by Harlequin Books S. A. Originaltitel: „The Rancher’s Baby“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 2080 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Simone Wolf

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbe

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733725204

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Mein falscher Exehemann ist auf See umgekommen, und alles, was ich dafür bekomme, ist ein blöder Brief.

Mit diesem düsteren Gedanken stand Selena Jacobs im Saal eines Bestattungsinstituts und drückte den besagten Brief so fest an sich, dass der Umschlag schon ganz zerknittert war.

Nur entsprach es genau genommen nicht der Wahrheit. Der Brief teilte ihr nämlich mit, dass sie Wills riesiges Vermögen geerbt hatte.

Allerdings waren zur Beerdigung noch vier andere Frauen erschienen, denen man genau dasselbe versprochen hatte. Selena verstand ohnehin nicht, weshalb Will ihr irgendetwas hinterlassen sollte. Abgesehen von dem hässlichen Bärenfell vielleicht, das er von seinem Großvater geerbt hatte und das ihn seit seinem Studium begleitete. Sie hasste dieses Fell, weil die blicklosen Glasaugen ihr Angst machten.

Genau deshalb konnte sie sich gut vorstellen, dass Will ihr es vererben würde.

Aber sein Vermögen?

Ihr fiel es noch immer schwer, zu glauben, dass Will wirklich tot war. Es kam ihr unmöglich vor. Diese kleine Urne konnte doch unmöglich den ganzen Will Sanders in sich aufnehmen. Denn was Will in seinem Leben bewirkt hatte – im Guten wie im Schlechten –, war hier in diesem Raum zu sehen!

Es waren zu viele Frauen, die hier standen und trauerten. Und jede von ihnen hielt einen Brief wie ihren in der Hand. Die Gefühle dieser Frauen angesichts der Versprechungen des Briefes waren jedoch sicherlich andere als ihre. Zumindest nahm Selena das an. Bestimmt leiteten sie nicht alle Unternehmen, die Millionen von Dollar schwer waren.

Selenas verhaltene Reaktion auf ihre angebliche Erbschaft hatte unter anderem damit zu tun, dass sie die Echtheit des Briefes bezweifelte. Außerdem brauchte sie das Geld nicht wirklich. Zumindest jetzt nicht mehr.

Diese anderen Frauen allerdings …

Natürlich konnte sie das nicht wissen. Aber eine von ihnen hatte ein molliges Kleinkind auf dem Arm. Ihr Gesicht war ausdruckslos. Eine andere trug ein dunkles Kleid, das locker über etwas hinwegfiel, das wie ein Babybauch aussah. Es schien so, als ob Will charmanter gewesen wäre, als ihm gutgetan hatte.

Selena überlief ein kleiner Schauer.

Sie wusste nicht, in welcher Beziehung diese Frauen zu Will gestanden hatten, aber sie hatte einen Verdacht. Und wenn sie sich vorstellte, dass sie in einer ähnlichen Situation hätte enden können, bekam sie eine Gänsehaut.

Sie hatte schon ihre Gründe dafür, dass sie die Männer auf Abstand hielt. Dass die Gefahr bestand, schwanger und dann verlassen zu werden, war einer davon. Und zwar ein zwingender.

Und die anderen Gründe? Na ja, jede Frau in diesem Raum war ein lebender Beweis dafür, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. All die todtraurigen Ehefrauen, Exehefrauen und jungen Mütter …

Selena war genau genommen vielleicht auch eine Exfrau, aber nicht im herkömmlichen Sinne. Und sie war nicht todtraurig. Sie war verletzt. Sie trauerte, und sie war voller Reue. Sie wünschte sich mehr als alles andere, dass sie und Will ihre Freundschaft hätten kitten können.

Aber sie war natürlich davon ausgegangen, dass noch jede Menge Zeit war, jene Freundschaft wiederaufleben zu lassen, die sie beide im College verbunden hatte.

Es war jedoch nicht viel Zeit geblieben. Will war die Zeit davongelaufen.

Ihr Herz zog sich vor Trauer zusammen, und sie musste schlucken. Dabei wandte sie sich von der Urne ab und sah zur Eingangstür an der Rückseite des Raumes hin.

Als sie den Trauergast erkannte, der gerade hereinkam, machte ihr bereits mitgenommenes Herz einen erschrockenen Sprung.

Knox McCoy.

Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet. Er hatte sich in den letzten Jahren ziemlich rargemacht, und daraus konnte sie ihm absolut keinen Vorwurf machen. Als er ihr neulich eine Textnachricht geschickt hatte, stand darin, dass er nicht zur Beerdigung kommen wollte, und er hatte es nicht extra begründen müssen.

Selena vermutete, dass er seit der Beerdigung seiner Tochter Eleanor auf keiner anderen Trauerfeier mehr gewesen war.

Sie versuchte, ihre Nerven zu beruhigen, die ihren Magen in hektisches Flattern versetzten, während Knox auf sie zukam. Er ließ sie nicht aus den Augen. Sie kannte diesen Mann seit über zehn Jahren. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen, was ihn betraf. Er hatte einfach nie das für sie empfunden, was sie für ihn fühlte.

Er sah noch genauso umwerfend aus wie früher. Sein maßgeschneiderter anthrazitfarbener Anzug brachte seine breiten Schultern, seine muskulöse Brust und seine schmalen Hüften perfekt zur Geltung. Er trug das hellbraune Haar länger als früher und hatte es aus der Stirn zurückgekämmt, außerdem hatte er sich einen Bart wachsen lassen. Zwischen seinen Augenbrauen entdeckte Selena tiefe Falten. Der Schmerz der letzten Jahre hatte sich in sein schönes Gesicht eingegraben.

Sie wäre gern auf ihn zugegangen und hätte mit dem Daumen diese Sorgenfalten glatt gestrichen. Allein schon der Gedanke daran, ihn zu berühren, machte sie unruhig. Ihr wurde ganz heiß.

Aber was sie wirklich nicht brauchen konnte, war ein Zwischenfall mit Knox, ausgerechnet auf der Beerdigung ihres Exmannes.

Ganz gleich, wie ihre Beziehung mit Will ausgesehen hatte, ihre Reaktion auf Knox war unangemessen. Mehr als unangemessen.

„Wie geht es dir?“, fragte er und machte ein besorgtes Gesicht.

Als er sie so ansah, zog er die Augenbrauen zusammen, und die Falten wurden noch tiefer.

„Es ging mir schon mal besser“, sagte sie aufrichtig.

Er lächelte schief und strich mit dem Daumen über ihre Wange. Seine Haut war rau, er hatte die Hände eines Ranchers, eines Mannes, der körperlich arbeitete. Sein Vermögen stammte zwar aus der Kette von noblen Supermärkten, die er besaß, aber seine Leidenschaft galt der Arbeit auf seiner Ranch in Wyoming.

Sie sah ihm in die Augen, und als sie die ausdruckslose Trauer in seinem Blick bemerkte, machte sich ein flaues Gefühl in ihrem Magen breit. Sie fragte sich, ob die Ranch noch immer seine Leidenschaft weckte. Sie fragte sich, ob überhaupt noch irgendetwas dazu in der Lage war.

„Mir auch“, sagte er mit heiserer Stimme.

„Will ist so ein rücksichtsloses Arschloch.“ Ihre Stimme zitterte. „Wenn irgendjemand so ums Leben kommt, dann er.“

„Ja“, stimmte Knox ihr zu. „Der Zeitpunkt hätte kaum schlechter sein können.“

Sie lachte, und im selben Augenblick rollte ihr eine Träne über die Wange.

Sie hatte Knox in Harvard kennengelernt. Er kam aus einer Kleinstadt in Texas und damit aus einer ganz anderen Welt als der High Society der Ostküste, die sie gewohnt war. Aber trotz der Unterschiede in ihrer Herkunft hatten sie schnell Freundschaft geschlossen. Und dann war ihr Großvater gestorben, was ihr förmlich das Herz aus der Brust gerissen hatte. Er war der einzige Mensch in ihrer Familie, der sie je geliebt hatte. Der einzige, der ihr Hoffnung für die Zukunft mit auf den Weg gegeben hatte.

Außerdem hatte sein Tod ihr ein Stiftungsvermögen eingebracht. An dieses Geld kam sie jedoch erst mit fünfundzwanzig Jahren heran. Oder wenn sie verheiratet war.

Die Vorstellung, Knox zu fragen, ob er sie heiraten wollte, war undenkbar gewesen. Dafür gab es eine ganze Reihe Gründe. Sie wollte nicht heiraten, nicht wirklich. Und ihre Gefühle für Knox waren echt. Sogar so echt, dass sie Schwierigkeiten hatte, sie unter Kontrolle zu halten, damit sie Freunde bleiben konnten.

Eines Nachmittags hatte ihr Freund Will gesehen, dass sie weinte, und sie hatte ihm alles erklärt. Dann hatte er sich selbst als Lösung angeboten. Dazu konnte sie nicht Nein sagen.

Der Zugang zu ihrem eigenen Geld hatte sie unabhängig von ihrem Vater gemacht. Sie konnte ihr Studium zu ihren eigenen Bedingungen zu Ende bringen. Aber das Geld hatte ihre Freundschaft mit Will zerstört. In der Zwischenzeit hatte Knox eine andere kennengelernt, und irgendwann hatte er geheiratet.

Selena blinzelte, um sich auf den Boden der Tatsachen und in die Gegenwart zurückzuholen. Es hatte keinen Sinn, darüber nachzugrübeln. Und das tat sie auch nicht, zumindest nicht sehr häufig. Ihre Freundschaft mit Knox hatte die Collegezeit überlebt, und sie hatten einander immer nahegestanden, auch wenn sie beide vollauf mit ihrer Karriere beschäftigt gewesen waren.

Aber da war Will. Immer wenn Will ins Spiel kam, konnte sie nicht anders als an diese Jahre zu denken, an diese eine dumme, leichtsinnige Entscheidung, die am Ende so viel Schaden angerichtet hatte.

Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich plötzlich leer und schwach. Sie schwankte ein wenig, und Knox streckte den Arm aus, so als wolle er sie wieder berühren. Sie war sich nicht ganz sicher, ob er ihr eine Stütze sein konnte, so wie er glaubte.

Doch dann öffneten sich die Türen des Bestattungsinstituts noch einmal, und sie sah zur selben Zeit auf, als Knox sich umsah.

Die Welt stand still.

Denn durch die Tür kam der Mensch herein, der sich eigentlich in der Urne befinden sollte.

Es war Will Sanders, und er war sehr lebendig.

Die Welt begann plötzlich sich rasend schnell zu drehen, und Selena hatte keine Ahnung mehr, wie sie aufrecht stehen bleiben sollte.

Sie merkte noch, wie der Boden immer näher kam, dann wurde alles dunkel.

2. KAPITEL

Will war nicht tot.

Selena musste sich das immer und immer wieder sagen, während sie mit Knox in seinem Wagen den Highway entlangfuhr.

„Wo wollen wir hin?“, fragte sie.

„Zu dir nach Hause.“

„Du weißt doch gar nicht, wo ich wohne“, murmelte sie, und ihre Lippen fühlten sich taub an.

„Natürlich weiß ich das.“

„Nein, das weißt du nicht, Knox. Ich bin umgezogen, seitdem du das letzte Mal zu Besuch gewesen bist.“

„Ich hab trotzdem herausgefunden, was ich wissen muss, Herzchen“, sagte er, und dabei setzte sein breiter texanischer Akzent ihr Blut förmlich in Flammen. „Ich habe schließlich Beziehungen.“

Sie stieß einen empörten Laut aus und lehnte die Stirn an das Autofenster. Die Scheibe war nicht kühl genug.

„Du hast mir eine Weihnachtskarte geschickt“, sagte er in aufreizend ruhigem Ton. „Seitdem ist deine Adresse in meinen Kontakten gespeichert.“

„Na schön“, seufzte sie. „Das hab ich nun von meinen guten Manieren. Offensichtlich machen sie mich leicht auffindbar.“

„Du bist nicht gerade eine Meisterin der Tarnung.“

Sie fühlte sich langsam wieder wie ein Mensch, aber gleichzeitig begann sie die Tragweite von dem zu begreifen, was eben geschehen war.

„Will ist am Leben“, sagte sie, nur damit sie es von ihm bestätigt bekam.

„Sieht so aus.“ Knox umklammerte das Lenkrad fester.

Selena gab sich Mühe, über das Spiel der Muskeln in seinen Unterarmen, über seine großen Hände und darüber, wie groß er überhaupt war, hinwegzusehen. Dieses Auto war eindeutig zu klein für ihn.

„Dann kriege ich das Bärenfell wohl nicht“, sagte sie gedankenverloren.

„Was?“

„Kannst du dich nicht mehr an dieses schreckliche Ding erinnern, das Will in seinem Zimmer im College hatte?“

Knox sah sie aus dem Augenwinkel heraus an. „Nicht so richtig. Hey, geht’s dir wieder besser?“

„Ich weiß nicht. Ich meine, wahrscheinlich geht es mir besser als vorhin, als ich dachte, dass seine Asche in einer Dose liegt.“ Sie räusperte sich. „Tut mir leid. Geht’s dir gut, Knox? Wahrscheinlich ist das die erste …“

„Darüber will ich nicht reden“, sagte er und schnitt ihr damit das Wort ab. „Nicht nötig. Es ist alles okay.“

Das glaubte sie ihm nicht. Ihr wurde die Kehle eng. „Okay. Ist ja auch egal. Bei mir ist auch alles in Ordnung. Meine Beziehung mit Will war … Du weißt schon.“

Nur dass Knox keine Ahnung hatte. Niemand wusste Bescheid. Alle dachten, sie wüssten, was los war, aber sie irrten sich. Es sei denn natürlich, dass Will mit irgendjemandem gesprochen hatte, dem er die Wahrheit über ihre Ehe gesagt hatte. Doch das bezweifelte Selena.

„Wie lange ist es her, dass ihr zwei das letzte Mal geredet habt?“, fragte Knox.

„Verdammt lange.“

Sie versuchte, so wenig wie möglich über ihre kurze Zweckehe mit Will und die Folgen nachzudenken.

Es war ihr noch nie leichtgefallen, jemandem zu vertrauen. Will war ein guter Mensch, und das wünschte sie sich in ihrem Leben – einen wahren Freund. Nicht, weil sie sich unterschwellig zu ihm hingezogen fühlte, sondern weil sie von ganzem Herzen einen Freund brauchte. Nachdem ihr Vater sie ihr Leben lang schlecht behandelt hatte, hoffte sie auf eine echte Freundschaft. Doch gleichzeitig fürchtete sie sich auch davor.

Selena hatte den größten Teil ihrer Kindheit damit verbracht, sich auf den nächsten Schlag vorzubereiten. Sowohl gefühlsmäßig als auch körperlich. Es war viel einfacher gewesen, zu glauben, dass Will sie hatte hereinlegen wollen, als ihm einfach zu vertrauen.

Sie und Will hatten sich gestritten, und dann hatten sie es gerade eben bis zur Hochzeit geschafft. Sie hatten nur darauf gewartet, bis Selena ihr Geld auf dem Konto hatte, und dann reichten sie die Scheidung ein.

Danach war ihre Freundschaft nie mehr wie früher gewesen.

Sie hatte sich nie bei ihm entschuldigt. Selena wurde beinahe wieder von Trauer überwältigt, ehe es ihr einfiel: Will war gar nicht tot.

Das bedeutet, dass du dich bei ihm entschuldigen kannst. Das bedeutet, dass ihr eure Freundschaft wieder kitten könnt!

Damals war sie eine andere Frau gewesen. Die Jahre, die sie um ihr Überleben gekämpft hatte, hatten sie hart und gemein gemacht.

Die Art und Weise, wie Knox über all die Jahre zu ihr hielt, und die Freundschaft, die er ihr bewiesen hatte, trugen jedoch dazu bei, dass sie inzwischen gelernt hatte zu vertrauen. Heutzutage glaubte sie daran, dass Männer auch gute Menschen sein konnten.

Das hatte jedoch nichts an ihrer Haltung zu Liebe und Ehe geändert. Sie kämpfte weiterhin gegen alle Gedanken an, die im Widerspruch zu dieser Haltung standen.

Es kam nicht wirklich darauf an, dass sie bei Knox manchmal anders über Liebe und Ehe dachte. Er hatte geheiratet und sie auch. Genau genommen hatte sie sogar zuerst einen anderen geheiratet. Es war nur so, dass …

Doch das war jetzt nicht wichtig.

„Will zu sehen, war sicher nicht leicht für dich. Da kommen bestimmt jede Menge alte Geschichten wieder hoch“, sagte Knox, während er die nächste Ausfahrt vom Highway nahm und in die schmale Straße einbog, die zu ihrem neuen Blockhaus führte.

Sie konnte sich jetzt die Freiheit nehmen, von zu Hause aus zu arbeiten. Ihre Kosmetikfirma war inzwischen so erfolgreich, dass sie Leute eingestellt hatte, die ihr alles abnahmen, was zu viel Zeit kostete. Daher hatte sie beschlossen, sich außerhalb der Stadt niederzulassen.

Sie hatte beschlossen, dass es endlich Zeit war, sich selbst ein Zuhause zu schaffen, anstatt immer nur in der Warteschleife zu leben. Sie musste nicht mehr ihre ganze Energie aufwenden, um ihre Firma weiter auszubauen und ihr Vermögen zu vergrößern.

Bis sie hier eingezogen war, hatte sie sich nirgendwo zu Hause gefühlt. Nach dem College hatte sie überall nur übergangsweise gewohnt. Und davor hatte sie in einem Krisengebiet gelebt.

Dieses Blockhaus war ihr Zufluchtsort, und es gehörte nur ihr allein.

Es lag versteckt im Wald, umgeben von Wiesen voller Wildkräuter und hohen Bäumen. An ihrer Veranda floss ein kleiner Fluss vorbei.

Natürlich war es nicht so elegant wie Knox’ Anwesen in Jackson Hole, aber es gab auch nicht viele Häuser, von denen man das hätte behaupten können.

Davon abgesehen ging es ihr gar nicht um Eleganz. Dieses Blockhaus musste nicht repräsentativ sein. Sie wollte niemanden damit beeindrucken. Es war nur dazu da, sie glücklich zu machen, und in ihrem Leben hatte es bisher nur wenige Dinge gegeben, die diesen Zweck erfüllten.

Jetzt, da sie es geschafft hatte, ein relativ glückliches Leben zu führen, sehnte sie sich jedoch nach mehr. Normalerweise war sie gegen diesen Wunsch immun, aber plötzlich spürte sie den Drang, ihr Leben mit jemandem zu teilen.

Sie biss die Zähne zusammen und wandte mit Nachdruck den Blick von Knox ab, als dieser Gedanke anfing durch ihren Kopf zu spuken.

„Es ist wirklich ärgerlich“, stellte sie trocken fest. „Jetzt zu erfahren, dass Will gar nicht tot ist, wo ich schon ehrlich um ihn getrauert habe. Davon ganz abgesehen …“

„Hast du über eure Ehe nachgedacht?“

Sie presste die Lippen zusammen und überlegte, was sie darauf antworten sollte. Es stimmte. Sie hatte ziemlich viel über ihre Ehe nachgedacht. Natürlich war es keine echte, körperliche Ehe gewesen. Sie waren eher wie Mitbewohner gewesen, nur dass sie ein paar Formulare mehr ausgefüllt hatten. „Stimmt“, gab sie schließlich zu.

„Scheidungen sind die Hölle“, sagte Knox, und seine Stimme klang dabei rau wie ein Reibeisen. „Ich weiß, wovon ich rede.“

Die Schuldgefühle drehten ihr den Magen um. Er glaubte, dass sie das gemeinsam hatten: das Scheitern ihrer Ehe. In Wirklichkeit hatte ihre Situation mit seiner nicht viel zu tun.

„Will und ich waren doch nur ein Jahr verheiratet“, antwortete sie. „Das ist wirklich nicht dasselbe wie bei dir und Cassandra. Ihr wart immerhin zwölf Jahre lang zusammen und …“

„Ich habe doch gesagt, dass ich nicht darüber sprechen will.“

Zum Glück wurde ihr Gespräch unterbrochen, weil sie an die Abzweigung kamen, die sie von der asphaltierten Straße auf den Schotterweg brachte, der zu ihrem Haus führte.

„Wieso lässt du den Weg nicht pflastern?“, fragte er.

„Es gefällt mir so.“

„Und warum?“

Das war eine schwierige Frage, auf die es keine einfache Antwort gab. Aber Knox war ihr Freund, und sie war froh, dass sie nicht mehr über Ehen reden musste, deshalb versuchte sie, es ihm zu erklären. „Weil der Weg hier nichts mit der Auffahrt zu tun haben soll, die wir zu Hause hatten, als ich Kind war. Die war völlig glatt und gepflastert, und sie führte zu einem Monster aus Ziegelsteinen.“

„Also ist das hier so etwas wie umgekehrte Nostalgie?“

„Ja.“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich verstehe das besser, als du dir vorstellen kannst.“

Er hielt vor dem Blockhaus an, und sie blieb auf ihrem Sitz, bis er um das Auto herumgegangen war und die Tür für sie öffnete. Dann sah sie hinauf in die Sonne und blinzelte, weil seine breiten Schultern im Weg waren.

„Was ist eigentlich mit meinem Auto?“, fragte sie.

„Ich lasse es von jemandem hierher bringen. Mach dir keine Sorgen.“

„Ich könnte es auch selbst holen.“

„Ich habe irgendwie das Gefühl, es wäre besser, wenn du ein bisschen die Füße stillhältst.“

„Wieso das?“

„Na ja, dein Exmann ist gerade von den Toten wiederauferstanden, und das könnte durchaus Interesse bei den Medien wecken. Du bist mit vier anderen Frauen zusammen als Erbin benannt worden, und dabei geht es um eine Menge Geld.“

„Aber Will ist doch gar nicht tot, und mir ist sein Geld völlig egal. Ich habe mein eigenes.“

„Das werden dir nur wenige Menschen glauben, Selena“, sagte Knox in ernstem Ton. „Die meisten Menschen glauben nicht, dass es so etwas wie genug Geld überhaupt gibt. Sie gehen davon aus, dass alle immer mehr wollen.“

„Was willst du damit sagen? Dass ich in Gefahr sein könnte?“

„Das weiß ich nicht. Aber wir wissen auch nicht, was mit Will los ist, und du bist in diese ganze Sache mit hineingezogen worden. Du könntest zu leicht zur Zielscheibe werden. Die Asche von irgendjemandem befindet sich in dieser Urne, und du hast einen Brief bekommen, der dich hierherzitiert hat.“

„Jetzt ziehst du voreilige Schlüsse, Knox.“

„Vielleicht“, sagte er. „Aber ich schwöre bei Gott, Selena, dass ich dich lieber in Sicherheit weiß als in einer Urne. Das könnte ich nicht ertragen.“

Verwundert bemerkte sie, wie ernsthaft er sie bei diesen Worten ansah. „Ich passe schon auf mich auf.“

„Du musst dich eine Weile von der Öffentlichkeit fernhalten.“

„Was soll das denn heißen? Was soll ich deiner Meinung nach tun?“

Knox zuckte mit den Schultern. Doch die Lässigkeit dieser Geste passte nicht zu der eisernen Entschlossenheit in seinen grauen Augen. „Ich dachte, ich könnte dir Gesellschaft leisten.“

3. KAPITEL

Selena wirkte alles andere als begeistert bei der Vorstellung, dass sie sich zu Hause verkriechen sollte, während die Angelegenheit mit Will geklärt wurde.

Knox war es jedoch gleichgültig, ob sie begeistert war. Er wollte nur, dass sie in Sicherheit war. Soweit es ihn betraf, war das alles hier eine sehr zwielichtige Angelegenheit, und bis alles geklärt war, wollte er nicht, dass sie weiter im Mittelpunkt stand.

Es war alles sehr seltsam. Fünf Frauen hatten beinahe identische Briefe bekommen, in denen ihnen mitgeteilt wurde, dass sie Wills Vermögen geerbt hatten. Aber Will war in Wirklichkeit noch am Leben! Irgendjemand hatte sich als Will ausgegeben.

Vielleicht betraf Selena das alles ja auch gar nicht. Aber es gab wenig in Knox’ Leben, das ihm so am Herzen lag wie die Sicherheit seiner besten Freundin.

Seine Geschäfte verlangten nicht von ihm, dass er sich ständig mit allen Einzelheiten persönlich befasste. Das war für ihn einer der Vorteile, wenn man Milliarden verdiente: Wenn man nicht wollte, musste man nicht ständig in einem verdammten Büro herumsitzen.

Außerdem hatte das alles doch sowieso keinen Sinn.

Er versuchte, das Gefühl der Leere abzuschütteln, und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Selena zu.

„Du brauchst nicht hier bei mir zu bleiben“, sagte sie und rannte förmlich über den Rasen und auf ihre Veranda zu.

„Aber ich möchte gern“, gab er zurück. Er wusste, dass sie ihm nicht widersprechen konnte, weil sie sich auch Sorgen um ihn machte. Dazu gab es keinen Grund, aber so war es nun einmal. Und wenn er das ausnutzte, würde sie ihm geben, was immer er wollte.

„Aber du verschwendest nur deine Zeit“, stellte sie fest, während sie in ihrer Handtasche nach ihrem Hausschlüssel suchte.

„Vielleicht“, sagte er. „Aber ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn ich zu einer Beerdigung gehen muss, bei der vorne ein Foto von dir steht …“

„Ich werde doch gar nicht bedroht“, sagte sie, schloss die Tür auf und öffnete sie.

„Und mir wäre es lieber, nicht erst abzuwarten, bis es jemand tut.“

„Du bist übervorsichtig“, gab sie zurück.

„Ja.“ Er biss die Zähne zusammen. „Man kann nicht alles im Leben kontrollieren, und es gibt Dinge, auf die du keinen Einfluss hast, Selena. Aber ich werde nicht einfach beschließen, dass hier alles in Ordnung ist, und damit das Risiko eingehen, dich zu verlieren, nur weil ich früher nach Hause gegangen bin, als ich es hätte tun sollen.“

Sie sah zu ihm auf, und dabei verschwand langsam die Sturheit aus ihrem Blick. „Okay. Wenn du dich dann besser fühlst, meinetwegen.“

Selena betrat das Blockhaus und warf ihre Handtasche auf den Tisch, der in der Diele stand. Die Geste war typisch für sie. An der Wand direkt über dem Tisch befand sich ein Haken, aber sie hängte ihre Tasche nicht auf. Nein. Dieser zusätzliche Handgriff war in ihren Augen Zeitverschwendung. Dabei kostete sie ihre Unordnung meistens mehr Zeit, weil sie ständig nach irgendetwas suchen musste.

Er sah sich in dem großen, hellen Zimmer um. Es war sauber. Erstaunlich sauber.

„Dieses Haus ist schön. So makellos.“

„Ich habe eine Putzfrau“, sagte sie, drehte sich um und sah ihn an. Dabei verschränkte sie die Arme vor der Brust und lächelte schief.

Für einen Augenblick, einen kurzen Augenblick nur, senkte er den Blick auf ihre Brüste. Sein Magen zog sich zusammen, und er zwang sich, ihr stattdessen in die Augen zu sehen. Selena war eine Frau. Er kannte sie schon seit einer Ewigkeit, aber sie war eine Frau, deren Brüste ihn nichts angingen. Das war immer schon so gewesen.

Als sie sich im College kennengelernt hatten, fand er sie schön. Der Mann, der das nicht tat, musste blind sein. Aber sie war ihm auch spröde vorgekommen. Wankelmütig und verstört. Es hatte ihn einiges an Arbeit gekostet, eine Freundschaft mit ihr aufzubauen.

Nachdem er einmal ihr Freund geworden war, wollte er nichts anderes mehr sein, um diese Verbindung zwischen ihnen nicht zu gefährden. Vielleicht war er ein wenig eifersüchtig auf Will Sanders gewesen, weil Will es geschafft hatte, sie irgendwie davon zu überzeugen, dass eine Ehe mit ihm das Risiko wert war. Doch Knox hatte dieser Eifersucht nie nachgegeben.

Dann hatte Will sie verletzt. Sie war am Boden zerstört, als er sich von ihr scheiden ließ. Seitdem hatte Selena keinerlei Zweifel daran gelassen, wie sie über Beziehungen dachte. Außerdem war es ihm zu jenem Zeitpunkt ernst mit Cassandra gewesen, und sie hatten geheiratet.