Ein Herz und keine Krone - Gemma Townley - E-Book
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Ein Herz und keine Krone E-Book

Gemma Townley

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Beschreibung

Eine Vespa-Fahrt ins Glück: Die spritzige Liebeskomödie »Ein Herz und keine Krone« von Gemma Townley jetzt als eBook bei dotbooks. Eigentlich hat Georgie alles, was sie sich immer gewünscht hat: einen tollen Job, eine gemütliche Wohnung in London und einen Freund, der sie auf Händen trägt … Nur ihren größten Traum hat David ihr immer noch nicht erfüllt: einen romantischen Trip nach Rom, bei dem sie sich fühlen kann wie Audrey Hepburn in ihrem Lieblingsfilm »Ein Herz und eine Krone«. Als ausgerechnet ihr Ex-Freund Mike sie einlädt, mit ihm für ein Wochenende in die ewige Stadt zu fahren, kann Georgie einfach nicht anders, als die Koffer zu packen. Rein platonisch natürlich … und das sieht Mike doch sicher auch so – oder? Und was macht plötzlich auch David in der Stadt? Ehe sich Georgie versieht, wird aus ihrer lang ersehnten Traumreise ein chaotisches »Mamma mia« der Extraklasse. Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der humorvolle Liebesroman »Ein Herz und keine Krone« von Gemma Townley wird alle Fans von Sophie Kinsella und Susan Elizabeth Phillips begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 422

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Über dieses Buch:

Eigentlich hat Georgie alles, was sie sich immer gewünscht hat: einen tollen Job, eine gemütliche Wohnung in London und einen Freund, der sie auf Händen trägt … Nur ihren größten Traum hat David ihr immer noch nicht erfüllt: einen romantischen Trip nach Rom, bei dem sie sich fühlen kann wie Audrey Hepburn in ihrem Lieblingsfilm »Ein Herz und eine Krone«. Als ausgerechnet ihr Ex-Freund Mike sie einlädt, mit ihm für ein Wochenende in die ewige Stadt zu fahren, kann Georgie einfach nicht anders, als die Koffer zu packen. Rein platonisch natürlich … und das sieht Mike doch sicher auch so – oder? Und was macht plötzlich auch David in der Stadt? Ehe sich Georgie versieht, wird aus ihrer lang ersehnten Traumreise ein chaotisches »Mamma mia« der Extraklasse.

Über die Autorin:

Gemma Townley wurde in Großbritannien geboren. Sie arbeitete einige Jahre als Journalistin und lebte zwischenzeitlich auch ihre musikalische Leidenschaft als Bassistin der Indie-Band »Blueboy« aus. Genau wie ihre Schwester, Bestsellerautorin Sophie Kinsella, liebt sie das Schreiben und veröffentlichte humorvolle Liebesromane, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden.

Die Autorin auf Instagram: instagram.com/townley.gemma/

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre Romane »Liebeschaos für Anfänger«, »Ein Herz und keine Krone« und »Wir treffen uns auf Wolke 7«

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eBook-Neuausgabe Mai 2023

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2004 unter dem Originaltitel »When in Rome« bei Ballantine Books (Random House), New York.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2004 by Gemma Townley

Copyright © der deutschen Erstausgabe by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch-Gladbach

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Kristin Pang, unter Verwendung von einen Motiven von shutterstock.com (Jack1e, SkyPics Studio) und Adobe Stock (Briddy, warmworld)

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)

ISBN 978-3-98690-606-1

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Gemma Townley

Ein Herz und keine Krone

Roman

Aus dem Englischen von Claudia Geng

dotbooks.

Für Maddy ‒ weil sie immer weiß, wo es langgeht, und mich mitnimmt

Kapitel 1

Ich male mir gern Folgendes aus: Ich schlendere die Straße entlang, auf dem Weg zu irgendeinem echt coolen Ziel, und plötzlich registriere ich im Augenwinkel Mike. Ich sehe klasse aus; ich habe ein paar Pfund verloren und bin gerade von einem Karibikurlaub zurück, sodass ich eine ansehnliche Bräune habe. Ich spaziere Händchen haltend mit Pierce Brosnan oder vielleicht auch mit Russell Crowe entlang ‒ vorausgesetzt, er benimmt sich. Oder vielleicht sogar mit Brad Pitt. Ich weiß, er ist mit Jennifer Aniston verheiratet und so, aber ich würde ihn mir ja nur borgen. Es geht lediglich darum, dass ich mit einem absoluten Traummann gesehen werde, der zudem offensichtlich total auf mich abfährt. Wohingegen Mike alleine ist und einen einsamen Eindruck macht. Seine schrecklich dünne blonde Freundin hat ihn nämlich sitzen lassen, und er sieht sehr mitgenommen aus. Ich sehe auf den ersten Blick, dass etwas nicht stimmt ‒ er schlenzt nämlich nicht so lässig-arrogant wie sonst durch die Gegend. Und als sein Blick auf mich fällt, wird ihm aus heiterem Himmel bewusst, wie dumm es von ihm war, mich abzuservieren. Mit einem Mal erkennt er, dass von dem Moment an, an dem wir getrennte Wege gingen, bei ihm alles schief gelaufen ist und dass er nie aufgehört hat, mich zu lieben. Mit einem hoffnungsvollen Lächeln im Gesicht schaut er mich an. Und ich, bleibe ich stehen, um mit ihm zu reden? Den Teufel tue ich. Stattdessen gehe ich an ihm vorüber, wobei ich ihm ein freundliches Lächeln schenke, und schlendere zusammen mit Pierce/Brad/Russell weiter zu irgendeiner angesagten Party.

Genau so sollte es laufen. Zumindest habe ich es mir so in den vergangenen zwei Jahren ausgemalt. Aber leider ist das Leben unvorhersehbar.

In Wirklichkeit läuft mir Mike an einem Sonntag über den Weg, und zwar an einem trüben, verregneten Sonntagnachmittag, als David und ich gerade auf dem Rückweg von Homebase sind, einem Baumarkt, weil meine Vorhänge heruntergekracht sind und David mir angeboten hat, eine neue Gardinenstange anzubringen. Demzufolge latschen wir gerade, bepackt mit dieser blöden Eisenstange, durch die Gegend, und eigentlich achte ich lediglich auf meine Füße. Plötzlich legt ein Wagen neben uns eine Vollbremsung hin und spritzt uns dabei ordentlich nass. Ich marschiere schnurstracks zu dem Fahrer und lasse eine Schimpfkanonade über Sonntagsfahrer und rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr vom Stapel. Schließlich bin ich völlig durchnässt, und meine neuen Jimmy Choos sind total ruiniert (ich weiß, ich hätte sie nicht anziehen sollen, aber nachdem ich mir gestern Abend alte Folgen von Sex and the City angeschaut hatte, kam mir die Eingebung, aus einem langweiligen Einkaufsbummel eine Art Aufmarschgala zu veranstalten, indem ich hochhackige, sexy Pumps anziehe). Und gleich darauf wird das Seitenfenster heruntergelassen, und ein unglaublich schönes Männergesicht schaut zu mir hoch und sagt: »Georgie?«

Ich meine, ich bin über Mike hinweg, wirklich. Zudem bin ich mit meinem Freund David sehr glücklich. Dennoch habe ich nie vergessen, dass Mike mir auf einem Zettel, der auf dem Küchentisch lag, mitgeteilt hat, dass es aus ist. Obwohl ich mir zwei Jahre lang den Arsch für ihn aufgerissen habe, hat er nicht einmal den Anstand gehabt, es mir ins Gesicht zu sagen. Klar, dass ich ihn für einen Scheißkerl halte. Und ich war froh, dass er sich nie wieder bei mir gemeldet hat (nicht einmal, um zu hören, wie es mir geht oder so), weil ich nämlich mit ihm fertig bin. Trotzdem würde ich einfach nur gerne wissen, ob es seit unserer Trennung mit ihm bergab gegangen ist. Dass es ihm heute unbegreiflich ist, wie töricht es von ihm war, mich sitzen zu lassen. Dass er nachts vor lauter Sehnsucht nach mir sein Kissen umklammert. Dass er alles tun würde, um mich zurückzubekommen. Nur, damit ich ihm eine Abfuhr erteilen kann …

Die Sache ist die, dass Mike zu den Männern zählt, an die eine Normalsterbliche wie ich normalerweise nicht herankommt. Vorhin war die Rede von Brad Pitt… nun, Mike kann sich locker auf eine Stufe mit ihm und Jude Law und Hugh Grant und Robbie Williams stellen. Er ist einfach zum Anbeißen. Und unheimlich beliebt. Zusammen mit Mike auf der Straße fällt man automatisch auf. Zwei Jahre lang waren wir ein Paar.

Da stehe ich also im Regen, mit nassen Haarsträhnen, die mir im Gesicht kleben, und starre Mike an, der lässig grinsend in irgendeinem Superschlitten sitzt. Er bemerkt gerade etwas wie, dass er es riesig findet, mich mal wieder zu treffen, als er plötzlich David wahrnimmt.

Dazu muss ich erklären, dass David und Mike sich nicht ganz grün sind. »Nicht ganz grün« ist etwas untertrieben ‒ in Wahrheit können sie sich auf den Tod nicht ab ‒ und das schon seit ihrer Schulzeit. Im Prinzip war das nie ein Thema ‒ mit David bin ich erst zusammengekommen, nachdem Mike sich aus dem Staub gemacht hat, und seither hatte ich ja keinen Kontakt mehr zu Mike. Aber gerade deshalb sind solche zufälligen Begegnungen wie diese immer irgendwie peinlich. Einen Moment lang koste ich es aus, dass zwei Männer sich wegen mir feindselig anstarren, aber gleich darauf verspüre ich ein wenig Mitleid mit David. Er ist nämlich derjenige, der sein Leben auf die Reihe bekommt, der einen richtigen Beruf hat und so, während Mike nach seinem Studium (für das er sich übrigens auch kein Bein ausgerissen hat; er reagiert immer ziemlich genervt, wenn man ihn fragt, welchen Abschluss er hat) nur Scheiße gebaut hat. Und jetzt sitzt Mike in einem dicken BMW wie ein Popstar oder so, während wir wie die begossenen Pudel im Regen schlottern. Oder sehe nur ich das so?

Wie auch immer, jedenfalls ist jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt, um mit Mike ein Schwätzchen zu halten. Ich bin nämlich nicht dazu fähig, mich zusammenzureißen und einen coolen und glücklichen Eindruck zu machen.

Also sage ich ihm, dass wir dringend weiter müssen (»Du weißt schon«, hätte ich am liebsten hinzugefügt, »wir müssen uns noch bei ein paar Premieren blicken lassen …«), woraufhin er mir kurz mit einem »Ciao, Süße« zuzwinkert und gleich darauf davonbraust. Danach stehen David und ich noch ein paar Minuten lang schweigend im Regen. Als wären wir noch nicht bereit, in unser langweiliges Leben zurückzukehren.

»Na, komm, Schatz«, bringt David schließlich hervor. »Lass uns nach Hause gehen und es uns bei einem Tee gemütlich machen.«

Dort angekommen, setzt David den Wasserkocher auf. Davids Antwort auf jegliches Problem ist, Tee zu kochen. Was gut ist ‒ schließlich ist Mike früher immer los, um eine Flasche Hochprozentigen zu besorgen, wenn er Trouble hatte. Da ist mir Tee doch weitaus lieber.

Währenddessen sitze ich am Küchentisch und sehe zu, wie er nach seiner Methode die Teekanne anwärmt (für David ist Teekochen eine ernste Angelegenheit; aus der Kanne schmeckt er einfach anders) und die sorgfältig bemessene Menge Teeblätter hineingibt. Die Gardinenstange lehnt an der Wand, und draußen gießt es nach wie vor in Strömen.

»War das eigentlich das erste Mal, dass du Mike getroffen hast, seit …«

»Ja.« Zwar versuche ich, desinteressiert zu klingen, aber seit Mike davongedüst ist, kreisen meine Gedanken nur noch um diese Begegnung. Habe ich gut ausgesehen? Bin ich angekommen? Ob er wohl gerade solo ist?

»Bist du okay?«

»Okay? Aber sicher. Wieso auch nicht? Ich fand, er sah ziemlich auf geschwemmt aus. Meinst du nicht auch?«

Das Thema Mike brennt mir förmlich auf der Zunge, und ich habe den Drang, ausführlich über die Begegnung zu sprechen ‒ um jeden Blick und jedes Detail zu analysieren. Aber das geht nicht ‒ jedenfalls nicht mit David.

»Ach ja? Ist mir nicht aufgefallen«, erwidert David in bedächtigem Ton.

»Muss wohl an dem Luxusleben liegen.«

»Luxusleben?«

»Ach, komm schon ‒ der dicke Wagen, die Klamotten… offenbar hat er es zu was gebracht«, sage ich so gelassen wie möglich. Hoffentlich klingt meine Verbitterung nicht durch.

»Mike und es zu was bringen? Aber nur, weil er wohl wieder einen Dummen gefunden hat«, entgegnet David ebenso gelassen, während er in der Teekanne rührt.

»Denkst du, dass er vielleicht eine Freundin mit Kohle hat?«

Ich kenne die Frau nicht, wegen der Mike mich hat sitzen lassen. Außerdem könnte sie schon seine fünfte Freundin nach mir sein, und dennoch stelle ich ihn mir immer mit derselben vor, bestimmt eine richtige Zicke und strohdoof dazu. Ich weiß nur, dass sie blond und dünn ist. Mein Nachbar hat nämlich mitbekommen, wie sie ihn mit einem Mercedes abgeholt hat, als er sich damals aus dem Staub gemacht hat. Obwohl er sich nicht mehr so richtig an sie erinnern konnte ‒ dafür beschrieb er den Wagen in allen Einzelheiten ‒, konnte ich mir aus dem Wenigen, was er mir erzählte, zusammenreimen, dass sie aus weiblicher Sicht der persönliche Albtraum schlechthin sein muss. Hübsch. Lange Beine. Erstklassige Proportionen.

»Freundin, Eltern, Freunde ‒ egal, Hauptsache, es springt Kohle für ihn heraus.« David bringt zwei Teetassen und eine Packung Kekse an den Tisch und nimmt mir gegenüber Platz. Manchmal vergesse ich, wie attraktiv David ist ‒ er hat ein sehr markantes Gesicht und wundervolle blaue Augen, die funkeln, wenn er lächelt. Vielleicht nicht ganz dieselbe Liga wie Mike, aber nichtsdestotrotz genauso anziehend.

»Aber genug von Mike«, sagt er bedächtig. »Ich bin der Meinung, wir sollten uns wegen der blöden Gardinenstange keinen Kopf machen und uns stattdessen einen guten Film anschauen.«

Mit der Tasse heißen Tee setze ich mich aufs Sofa, während David zum Regal geht, um eine Videokassette auszusuchen. Dabei ist das reine Show, zumal wir uns letztendlich immer denselben Film ansehen.

Es gibt zwei Filme, die ich in- und auswendig kenne. Der erste ist Footloose (weil ich früher mal für Kevin Bacon geschwärmt habe), und der zweite ist Ein Herz und eine Krone. Ich kann es zwar nicht richtig erklären, aber David und ich haben ihn uns schon mindestens zwanzig Mal angeguckt, ohne dass es mir jemals langweilig geworden wäre ‒ er ist nämlich unheimlich traurig und komisch zugleich, er spielt in der Traumstadt Rom, und Audrey Hepburn sieht darin einfach umwerfend aus. Sie spielt eine Prinzessin, die ihre ganze Zeit damit verbringen muss, zu repräsentieren und Reden zu halten; und Gregory Peck spielt einen zynischen amerikanischen Journalisten, der versucht, genügend Geld für die Rückfahrkarte nach New York aufzutreiben. Als sie eines Nachts heimlich aus der Botschaft schleicht, begegnen sich die beiden und verbringen gemeinsam den Tag, bevor sie wieder in ihre Prinzessinnenrolle schlüpft ‒ wobei sie sich natürlich unsterblich in ihn verliebt. Oh, und als er erfährt, wer sie ist, beabsichtigt er, eine Titelstory herauszuschlagen, lässt es dann aber doch, weil er sich ebenfalls in sie verliebt. Mag sein, dass die Geschichte nicht besonders realistisch ist, aber egal. Bereits beim ersten Mal hat uns der Film gefesselt. Während des Abspanns murmelte mir David ins Ohr: »Ich fliege mit dir nach Rom, mein Schatz. Dort miete ich mir einen von diesen Rollern und fahre mit dir überallhin, wohin du willst.«

Ich meine, ist das nicht romantisch? Ich stelle mir oft folgendes Bild vor: Ich als Audrey Hepburn mache in todschicken Kleidern die Gegend unsicher, zusammen mit David als Gregory Peck, ein ganzer, harter Mann, allerdings mit einem weichen Kern.

Natürlich waren wir bislang noch nicht in Rom ‒ David hat immer so viel zu tun ‒, aber wir haben es uns fest vorgenommen. Vor ungefähr einem Jahr habe ich sogar zwei Flugtickets nach Rom besorgt, als Überraschung. Ich hatte mit Davids Assistentin abgesprochen, dass er freitags Urlaub bekommt, und ich hatte geplant, am Donnerstagabend unvermittelt in seinem Büro aufzutauchen und ihn in ein langes Wochenende zu entführen. Doch dann hatte es am Montag davor ein Riesentheater bei David auf der Arbeit gegeben, und er musste kurzfristig nach New York reisen. Ich habe ihm nichts von den Tickets erzählt, um ihm ein schlechtes Gewissen zu ersparen. Wir können ja in diesem Jahr immer noch hinfliegen. David hat mir nämlich versprochen, dass er sich dieses Jahr einmal richtig Urlaub nimmt, sodass uns nichts mehr daran hindern kann.

Ich lehne den Kopf an Davids Schulter, als der Film beginnt. Ich fühle mich schon wie eine europäische Prinzessin, und er ist mein starker Begleiter.

Nur, David ist nicht so ganz wie Gregory Peck, nicht nur in meinen Augen nicht. Er ist solide, verlässlich, anständig und großzügig. Darüber hinaus ist er Wirtschaftsprüfer ‒ und ich kann mir beim besten Willen Gregory Peck nicht dabei vorstellen, wie er stundenlang über langweiligen Zahlen hockt… Eigentlich ist David ja auf Wirtschaftskriminalität spezialisiert, was ihn wieder etwas mehr auf eine Stufe mit Gregory Peck stellt. Als er es mir damals gesagt hat, nahm ich zunächst an, er arbeite für Scotland Yard, aber dann erklärte er mir, dass er kein Steuerfahnder wäre. Nichtsdestotrotz klingt das immer noch besser als Zahlenfresser; forensische Prüfer werden mit besonders heiklen Fällen beauftragt. Der eine zum Beispiel, das Scheidungsverfahren irgendeines stinkreichen Geschäftsmannes … und David hatte den Auftrag, die vielen Überseekonten des feinen Herrn ausfindig zu machen, auf denen der Kerl sein gesamtes Vermögen liegen hatte, um es vor seiner Frau sicherzustellen. In einem anderen Fall spürte er einem Drogenring nach, der eine ganze Reihe von Immobilien in London gekauft hatte. Seit einem Jahr arbeitet seine Firma für die Staatsanwaltschaft, sodass er nun regelmäßig mit der Polizei und dem Geheimdienst und solchen Leuten zu tun hat. Aber das ist auch schon alles, was ich weiß. David schafft es nämlich irgendwie, spannende Fälle wie die Zerschlagung eines Drogenrings todlangweilig rüberzubringen ‒ anstatt mit den Worten »Keine Bewegung!« Türen einzutreten, geht es vielmehr um die akribische Prüfung von Bilanzaufstellungen. Deswegen würde ich ihn eher als Wirtschaftsprüfer bezeichnen; nur halt einer, der zufällig für die Staatsanwaltschaft arbeitet, was jedoch auch keinen großen Unterschied macht, meine ich. An sich ist ja an Wirtschaftsprüfern nichts auszusetzen, aber sie entsprechen nicht gerade dem Bild des coolen und starken Schweigers. Wenn ich genauer darüber nachdenke, werden sie auch selten zu den richtig geilen Partys eingeladen. Außer man zählt die Jahresfeier des Wirtschaftsprüferverbands dazu, aber die würde ich nicht als geil bezeichnen.

Da stehen die Chancen mit Mike schon besser. Obwohl er nie einen richtigen Beruf ausgeübt hat, macht er sich als DJ und Plattenproduzent ganz gut (ich habe ihn zwar nur einmal live auflegen sehen, und da war er etwas breit, aber er hat mir einmal gesagt, er könnte berühmter als Pete Tong werden, wenn er das wollte), und er kennt die richtigen Leute. Wenn man zum Beispiel zu einem Konzert möchte, organisiert er Backstage-Ausweise. Und egal, über welches neue Model oder über welche Musikerin oder Schauspielerin man zufällig liest, Mike kennt sie alle. Zumindest war das vor zwei Jahren noch so, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sich daran groß etwas geändert hat.

Entschuldigung, eigentlich sprach ich ja gerade von David, nicht? Also gut, David ist ein prima Kerl. Typ Vorzeigeschwiegersohn. Er verdient, glaube ich, ganz gut ‒ immerhin führt er mich stets in gehobenere Restaurants aus und lässt mich nur bei Pizza Express bezahlen. Außerdem hat er eine schicke Wohnung in Putney, direkt am Wasser.

Zum ersten Mal bin ich ihm auf der Party meiner alten Schulfreundin Candida begegnet. Candy sticht in meinem Freundeskreis ziemlich heraus ‒ so hat sie »Kameraden« mit Namen wie Rupert oder Julian, und sie veranstaltet keine Partys, sondern »Soirees«. Wie auch immer, jedenfalls wusste ich gerade ohnehin nichts mit mir anzufangen, als Candy mit der Idee kam, eine Party zu geben, weshalb ich pflichtgemäß einen billigen Wein kaufte, etwas Lippenstift auftrug und in die U-Bahn nach Notting Hill stieg, wo sie wohnt.

Ich bin gerne in Candys Wohnung ‒ obwohl mein letzter Besuch schon wieder eine Ewigkeit her ist; irgendwie ist unser Kontakt nämlich ein wenig eingeschlafen, seit ich mit David zusammen bin. Um ehrlich zu sein, hatten wir eigentlich nie viel gemeinsam. Früher waren wir Nachbarskinder, und wir haben uns nie wirklich aus den Augen verloren. Ihre Wohnung ist einfach ein Traum ‒ Außenfassade mit Stuck und eine riesige Grünanlage für die gesamte Häuserzeile auf der Straße. Auch die Wohnung selbst ist riesig ‒ es gibt drei Schlafzimmer, einen Wohnraum sowie ein separates Esszimmer. Ich meine, wer hat in London schon ein extra Esszimmer? Ich jedenfalls nicht. Was vermutlich erklärt, warum ich selten Partys veranstalte. Oder besser gesagt, nie.

Kaum war ich bei Candy eingetroffen, wurde mir klar, dass ich einen Riesenfehler begangen hatte. Sie steckte in dieser umwerfenden rückenfreien Kreation und schien bereits wieder vergessen zu haben, dass sie mich eingeladen hatte. Kurz darauf, nachdem sie mich all ihren Internats-»Kameraden« vorgestellt hatte und ich gerade etwas lockerer wurde, verkündete eines der eingeladenen Pärchen, Bridget und Ralf, sie hätten vor kurzem an einem Weinkennerseminar bei Christie’s teilgenommen und würden nun sämtliche Weine auf dem Tisch testen. In der Erwartung, dass mein billiger Chateau osteuropäischer Provenienz es mit den exquisit aussehenden französischen Tropfen bestimmt nicht aufnehmen könnte, schlich ich mich in die Küche, um den Fusel im hintersten Winkel des Kühlschranks zu verstecken, da nach der achten Flasche ohnehin keiner mehr einen Unterschied herausschmecken würde. Dummerweise wurde ich auf meinem Weg in die Küche aufgehalten.

Ein ziemlich attraktiver, ganz in Schwarz gekleideter Kerl mit Prada-Sneakers packte mich am Handgelenk und rief unüberhörbar: »Candy, hier versucht doch glatt jemand, ihren mitgebrachten Wein heimlich verschwinden zu lassen.« Sofort lief ich knallrot an. Seinen Namen hatte ich bereits wieder vergessen, obwohl wir vor gerade einmal fünf Minuten miteinander bekannt gemacht worden waren, aber ich hasste ihn schon jetzt.

»Muss kalt gestellt werden«, murmelte ich und versuchte, mich an ihm vorbeizudrücken.

»Quatsch«, widersprach er in Oberlehrermanier und wand mir die Flasche aus der Hand. »Ich meine, in Bulgarien ist es doch schon kalt genug, oder?«

Dann lachte er los, während ich ein dünnes Lächeln zu Stande brachte. Sämtliche Gespräche waren unterbrochen, und alle im Raum sahen mich betreten an, unschlüssig, wie sie reagieren sollten. Und mit einem Mal kam mir jemand zu Hilfe: Ein ziemlich niedlicher Typ in Hemd und Hose mischte sich ein.

»Bulgarische Weine sind schon mehrfach für ihre Spitzenqualität ausgezeichnet worden«, bemerkte er in ernstem Ton. »Und 1999 war in einigen Anbaugebieten ein besonders gutes Jahr.«

Dankbar lächelte ich ihn an und nahm dem Prada-Schnösel, der mich vor lauter fremden Leuten bloßgestellt hatte, die Flasche wieder ab. Er lachte erneut und stellte sich zu zwei Tussis, die ihn sofort mit Küsschen bedachten und schrill über alles kicherten, was er von sich gab. Mit einem Mal merkte ich, dass der Typ in Hemd und Hose noch neben mir stand. »Ich bin David«, stellte er sich vor. »Freut mich sehr, dich kennen zu lernen.«

Selbstverständlich hat es noch zweieinhalb Jahre gedauert, bevor ich mit David richtig zusammenkam. An jenem Abend landete ich nämlich mit dem Schwachkopf in der Kiste, der sich über meinen Wein amüsiert hatte. Er hieß Mike, und wir brachen mitten beim Essen auf, weil seine Hand unter meinem Rock immer höher kroch und ich nicht glauben konnte, dass ein so gut aussehender Typ auf mich abfuhr.

David hat es mit Fassung genommen. Sechs Monate, nachdem Mike mich verlassen hat, bin ich David zufällig über den Weg gelaufen, und er lud mich zum Essen ein. Und danach noch einmal. Er war so süß! Er rief grundsätzlich an, wenn er es versprochen hatte. Und jetzt hilft er mir mit den Vorhängen. Ich meine, das ist doch wirklich süß von ihm, oder nicht?

Kapitel 2

Es ist Montagmorgen, und ich bin auf meinem Weg zur Arbeit zehn Minuten zu spät dran, was ich eher diesem blöden Fahrkartenautomaten in der U-Bahnstation Shepherd’s Bush zu verdanken habe, der sich hartnäckig geweigert hat, meinen Zehn-Pfund-Schein anzunehmen, als dem Umstand, dass ich heute Morgen nicht aus den Federn kam. Ich lege mir bereits Ausreden zurecht, während ich die Rolltreppe in der Station Bond Street hochhetze. (Ein gutes Training für den Hintern und die Oberschenkel. Aus dem Fitnessstudio bin ich wieder ausgetreten, nachdem ich irgendwo gelesen hatte, dass man täglich unbewusst zwei Stunden Gymnastik betreibt, wenn man Fahrstühle meidet und alles zu Fuß erledigt.)

Um mir den Montagmorgen etwas erträglicher zu gestalten, kaufe ich mir einen Cappuccino, wobei ich kurzfristig beschließe, Nigel einen mitzubringen, in derselben Absicht. Aber offenbar funktioniert es nicht. Als ich den Kaffeebecher auf seinen Schreibtisch stelle, sieht er hoch, und ich bemerke seine leicht gerötete Gesichtsfarbe.

Nigel ist mein Chef. Er regt sich immer ziemlich auf, wenn man zu spät kommt beziehungsweise nicht nach einem geordneten System arbeitet. Das weiß ich, weil er fast geheult hätte, als ich einmal seinen Schreibtisch unbeabsichtigt etwas durcheinander gebracht habe. Ich musste ihn vertreten und hatte an einem seiner Projekte gearbeitet, und mit der Ordnung habe ich es nicht so, um ehrlich zu sein. Ich meine, ordentlich gestapelte Akten auf dem Schreibtisch ‒ wozu soll das gut sein? Ich habe gern alles schön vor mir ausgebreitet, und wenn dabei hin und wieder ein Zettel verloren geht, ist das doch nicht meine Schuld, oder? Als Nigel bei seiner Rückkehr feststellte, dass ich sein Ordnungssystem völlig auf den Kopf gestellt hatte, hat er getobt, und ich schwöre, ihm kullerten Tränen aus den Augen. Seitdem strenge ich mich wirklich an, um Ordnung zu halten.

Nigel und ich sind bei einem Verlag beschäftigt. Wenn ich nach meinem Beruf gefragt werde, belasse ich es gewöhnlich bei dieser Antwort, weil es klingt, als hätte ich beruflich mit literarischen Genies und Spitzenromanen zu tun. Aber Ihnen kann ich ja die Wahrheit sagen: Ich arbeite bei Leary Publishing, und wir geben Handbücher und CD-ROMs für Wirtschaftsfachleute heraus. Manchmal auch für Juristen. Ich bin dafür zuständig, neue Produktzweige zu erschließen, und befrage dazu häufig Wirtschaftsfachleute nach ihren Vorstellungen. Allein aus diesem Grund sind David und ich wie füreinander geschaffen.

Seit kurzem geht es langsam wieder bergauf. Als Erstes wäre da unser neuer Abteilungsleiter Guy Jackson, der Nigel permanent zu irgendwelchen Meetings ruft, sodass dieser mir nicht mehr im Nacken hängt.

Und als Zweites habe ich zu meinem eigenen Erstaunen festgestellt, dass einem die Arbeit tatsächlich leichter fällt, wenn man davon ein wenig Ahnung hat. Was nicht heißen soll, dass ich gebüffelt habe oder so, aber wir haben inzwischen ein sonntägliches Morgenritual, bei dem mir David das Frühstück ans Bett bringt und dann versucht, den Wirtschaftsteil im Telegraph zu lesen. Währenddessen stelle ich lauter dumme Fragen zu den Überschriften, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, woraufhin er ausführlich jeden Bericht erklärt und jeden Punkt mit einem Kuss oder leichten Knuff in meinen Bauch unterstreicht, sodass ich mich kichernd an seine Brust schmiege. Das geht dann meistens ungefähr zehn Minuten lang so, bis die Zeitung auf den Boden fliegt und wir uns gegenseitig den Verstand herausvögeln und das Bett hinterher voller Krümel ist.

Aber trotzdem bleibt was hängen. Vergangene Woche hatte ich ein Gespräch mit Guy über das Krisenmanagement bei Enron. Nachdem ich gesagt hatte, dass ich ein Krisenmanagement für wichtig halte, verlor ich etwas den Faden, was aber auch nicht weiter schlimm war, da Guy sofort ins Schwärmen geriet, man könne doch zu diesem Thema eine CD-ROM herausbringen. Nigel war natürlich stinksauer, dass ihm das nicht als Erstem eingefallen war, und ich habe ihm erklärt, Kreativität sei halt nicht jedem in die Wiege gelegt worden. Aber das hat ihn auch nicht richtig aufgeheitert.

Ich beschließe, Nigels »Du bist zu spät«-Blick zu ignorieren, und gehe zu meinem Schreibtisch. »Diese Scheiß-U-Bahn, nicht zu fassen«, bemerke ich in der Hoffnung, in Denise, unserer kaufmännischen Assistentin, eine mitfühlende Zuhörerin zu finden. Doch Denise telefoniert gerade mit ihrem arg gebeutelten Ehemann, dem sie erklärt, dass sie unter dem Suchbegriff »Feuchtigkeit« im Internet recherchiert hat und dass seine Vorkehrungen am Wochenende das Problem nicht beheben werden. Nigel gibt ein Räuspern von sich.

»Sicherlich hast du eine gute Entschuldigung für deine Unpünktlichkeit heute Morgen«, beginnt er (warum eigentlich immer Unpünktlichkeit? Warum kann er nicht einmal das Wörtchen »spät« wie normale Menschen benutzen?), »aber das ist nun schon das dritte Mal innerhalb von zehn Tagen, und ich fürchte, ich muss das der Personalabteilung melden.«

Nigel liebt es, Berichte zu schreiben und zu lesen. Wenn man ihn von irgendetwas überzeugen will, braucht man nur einen Bericht zu schreiben, am besten gespickt mit Zahlen und ein paar Fachausdrücken wie »strategische Vorgehensweise« oder »Doppel-Effekt«. Dann stürzt er sich wie ein Geier darauf und bearbeitet ihn, bis er zuletzt abgeheftet wird, sodass man den restlichen Tag vor Nigel seine Ruhe hat.

»Und, wie war das Wochenende?«, bemerke ich in heiterem Ton. Nigel nickt und macht dazu ein leicht verklärtes Gesicht. Mit einem Mal fällt es mir wieder ein. »Ach! War das dieses Wochenende?« Rasch wirft Nigel einen Blick auf Denise, um sich zu vergewissern, ob sie mithört. Ich senke die Stimme. »Heißt das, es war gut?«

Genau wie ich ist Nigel nicht richtig glücklich damit, bei Leary Publishing zu arbeiten. Im Grunde hat Nigel überhaupt keinen Bock auf die gesamte Verlagsbranche. Vielmehr sähe er sich lieber als eine Art Retter der Welt, aber mir ist noch schleierhaft, wie er das anstellen will. Nigel ist von Verschwörungstheorien besessen. Er glaubt zum Beispiel, dass der Staat uns beobachtet, dass die Mondlandung nie stattgefunden hat und dass das meiste an moderner Popkultur dazu dient, uns von den wichtigen und aktuellen Themen abzulenken. Zwar ist es mir noch nicht gelungen herauszufinden, welches die wichtigen und aktuellen Themen sind, aber dafür chattet Nigel stundenlang im Internet und liest bizarre Newsletter, in denen die neuesten Ablenkungsmanöver diskutiert werden, die »die« uns zumuten wollen. Um Nigel zu verarschen, braucht man ihn lediglich anzurufen und in die Leitung zu schnalzen. Dann denkt er, sein Telefon wäre angezapft, und flippt komplett aus ‒ richtig mit Schweißausbrüchen und so.

Wie dem auch sei, jedenfalls war er an diesem Wochenende bei einer Convention ‒ eine Versammlung von Science-Fiction-Spinnern, paranoiden Irren, Computerfreaks und sonstigen Schwachköpfen, die nichts Besseres zu tun haben, als den ganzen Tag herumzusitzen und über Sicherheit und Freiheit etc. zu labern. Das weiß ich, weil ich vor zwei Wochen mit einem Blick über Nigels Schulter einen Flyer von dieser Convention erspäht habe, und auf dem stand »Zwischen Sicherheit und Freiheit ‒ Festlegung der Fronten«. Nigel hat mir erst eine Erklärung gegeben, nachdem ich ihm damit gedroht hatte, es allen zu erzählen.

»Das Wochenende ist äußerst erfreulich verlaufen«, sagt Nigel in betont sachlichem Flüsterton, was jedoch nicht seine absolute Begeisterung verdeckt. »Es waren Leute aus der ganzen Welt da. Die Basis wird immer mächtiger, weißt du. Und die Anzeichen, dass es sich um eine Verschwörung handelt, verdichten sich immer mehr.«

»Klasse!« Ich versuche grundsätzlich, meine Schwätzchen mit Nigel in die Länge zu ziehen, um die Arbeit noch etwas hinauszuzögern. Außerdem, wenn er jetzt auf das Thema »Sicherheit« anspringt, vergisst er vielleicht, wegen meines Zuspätkommens eine Meldung zu machen. »Und, nette Leute getroffen?«

Meine persönliche Theorie ist ja, dass Nigel lediglich deshalb ein Verschwörungsfanatiker ist, weil er schon so lange keinen Sex hatte. Vorausgesetzt, er hatte überhaupt jemals welchen. Zumindest habe ich noch nie mitbekommen, dass er im Büro ein Privatgespräch geführt hätte, und seine privaten Kontakte scheinen sich auf die »Mitglieder des Netzwerks« zu beschränken. Bei einer Weihnachtsfeier käme er nie auf die Idee, jemanden anzusprechen, und ich bezweifle, dass er jemals eine Freundin hatte. Was bedeutet, da beißt sich die Katze in den Schwanz; ich meine, wer möchte denn mit so einem Spinner ausgehen? Und wenn er nicht bald mal gevögelt wird, wird er niemals merken, dass es noch eine Welt außerhalb des Internets gibt.

»Es ist am besten, nicht zu viel mit den Leuten zu reden«, entgegnet Nigel. »Man kann nie wissen, wer gerade zuhört oder hinschaut. Aber das Netzwerk wird definitiv immer größer.« Gleich darauf senkt er den Blick, als befürchte er, bereits zu viel gesagt zu haben, und sieht anschließend auf seine Armbanduhr. »Georgie, ich denke, es ist Zeit, dass du dich an deine Arbeit machst. Jetzt ist es nämlich schon halb zehn, und, wie dir bekannt sein dürfte, fängt bei uns der Arbeitstag um neun an.«

Denise, die ihr Telefonat mittlerweile beendet hat, verdreht die Augen in meine Richtung, während ich mich hinter meinen Schreibtisch verziehe und den PC anschalte.

Ich starre aus dem Fenster auf die Straße hinunter. Jetzt ist es halb zwölf, und bislang habe ich lediglich geschafft, ein paar E-Mails zu beantworten und die Überschrift eines Fragebogens zu schreiben, den ich erst noch entwerfen muss. Mit dem Fragebogen soll ermittelt werden, ob Learys letztes Mitteilungsblatt zum Thema »Rente« Anklang gefunden hat. Von Nigel habe ich am Freitag erfahren, dass wir das Blatt wahrscheinlich einstampfen, zumal es sich als sehr kostenträchtig erwiesen hat und wir nicht genügend Abonnenten dafür haben. Folglich erwartet Guy einen Bericht, der darlegt, dass es von Anfang an eine Schnapsidee war (sie stammt ursprünglich aus der Marketing-Abteilung, weshalb es uns alle mehr oder weniger kalt lässt, wenn es floppt) und sofort eingestellt werden sollte.

Ich tippe: Wie würden Sie das »Renten-Bulletin« beschreiben: als Mist, als totalen Bockmist oder als Zumutung?

Gleich darauf markiere ich den Satz und lösche ihn. Bestimmt gibt es etwas Erfreulicheres, womit ich mir die Zeit vertreiben kann. Aber ich vermute, dass ich, was auch immer ich mir heute vornehme, nicht viel zu Stande bringen werde. Seit Samstag spukt mir nämlich ständig die zufällige Begegnung mit Mike im Kopf herum. Der schicke Wagen, die schicken Klamotten, die Tatsache, dass ich meine unvorteilhaftesten Jeans anhatte … und David. Der war nämlich danach ziemlich verstimmt, selbst dann noch, nachdem wir uns die »EastEnders« und die »Antiques Roadshow« angeschaut hatten. Und dann sprang er plötzlich auf, führte ein kurzes Telefonat und meinte anschließend, er müsse noch ins Büro. Gut, hin und wieder arbeitet David auch am Wochenende, aber sich am Sonntagabend auf den Weg ins Büro zu machen, drückt schon eine gewisse Verzweiflung aus.

Im Ernst, eigentlich sollte ich mich um David kümmern und ihm versichern, dass ich längst über Mike hinweg bin. Stattdessen muss ich den ganzen Tag an Mike denken. Ich male mir aus, wie ich ihm ein zweites Mal zufällig über den Weg laufe, aber dieses Mal ohne David, und wir in seinem Wagen davonbrausen.

»Er ist ein totales Arschloch, und es ist gut, dass du ihn los bist«, tippe ich bedächtig, gleich zweimal. »Du liebst David«, gebe ich weiter ein und markiere den Satz rot. Dabei muss ich mir David an seinem Schreibtisch vorstellen. (Den habe ich zwar nie gesehen, aber in meiner Vorstellung handelt es sich um ein Großraumbüro mit lauter Nigels in dunklen Anzügen, die auf die endlosen Zahlenreihen auf ihren PC-Bildschirmen starren.) Er wirkt sehr ernst, die Stirn leicht in Falten gezogen, wie immer, wenn er sich konzentriert. Ich liebe es geradezu, wenn David am Wochenende seinen Laptop zu mir mitbringt, um etwas Arbeit zu erledigen. Während er dann über E-Mails und Zahlen brütet, sitze ich daneben und lasse mir alles Mögliche einfallen, um ihn abzulenken. Ich betrachte es nämlich als Herausforderung, wenn er ankündigt, er müsse arbeiten. Wie einfach wird es wohl sein, seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken? Natürlich gelingt mir das immer ziemlich schnell. Zuerst tut er immer etwas beleidigt, bis er mir schließlich ein verschmitztes Lächeln schenkt und seufzend den Deckel seines Laptops zuklappt. Wenn ich genauer darüber nachdenke, ist ja vielleicht das der Grund, weshalb er sonntags noch das Büro aufsucht.

Mit einem Mal klingelt das Telefon und reißt mich aus meinen Gedankenspielen. »Georgie Beauchamp«, melde ich mich über die Freisprecheinrichtung.

»Dann hast du deinen Mädchennamen also behalten?« O mein Gott! Es ist Mike! Okay, ganz ruhig bleiben.

»David und ich sind nicht verheiratet«, erwidere ich und füge sicherheitshalber »noch nicht« hinzu.

»Ihr seid bestimmt sehr glücklich, wo ihr doch so vieles gemeinsam habt«, redet er weiter.

»Worauf willst du mit deinem Smalltalk eigentlich hinaus?« Meine Stimme klingt eisern, aber insgeheim genieße ich es. Das ist weitaus besser, als ohne Schirm im Regen zu stehen.

»Hab mich neulich gefreut, dich wieder zu sehen.«

»So.« Ich weiß mit dieser Bemerkung nicht so recht etwas anzufangen. Jedenfalls bin ich definitiv nicht bereit, das Kompliment zu erwidern ‒ zumal die Freude ganz auf seiner Seite war.

»Ich dachte mir, es wäre nett, wenn wir uns mal richtig treffen könnten.«

Richtig im Sinne von »ohne Klamotten«, geht mir dabei durch den Kopf, und im nächsten Moment rege ich mich über mich selbst auf. Wirklich wahr, dieser Kerl hat sich wie der allerletzte Arsch aufgeführt, und ich Trulla zerbreche mir die ganze Zeit den Kopf, ob er noch auf mich abfährt.

Wäre schon gut zu wissen, ob er noch auf mich abfährt…

»Du bist der letzte Arsch.«

»Ah. Ja, du hast Recht. Und zwar der allerletzte Arsch. Aber ein Arsch, der dich gerne heute Mittag in ein todschickes Restaurant einladen würde, falls du nichts dagegen hast.«

»In ein todschickes Restaurant? Mike, seit wann hast du denn dafür das nötige Kleingeld? Und dann der Wagen ‒ du hast doch nicht etwa gerade eine Glückssträhne, oder doch?«

Flirte ich gerade? Zumindest kommt es mir so vor. Ich bin wirklich schlimm.

»Ich kann es nicht abstreiten: Momentan habe ich keine Geldsorgen. Man kann tatsächlich von einer Glückssträhne bei mir sprechen. Ich bin wieder im Geschäft. Nimm meine Einladung an, und wir nennen es ein Geschäftsessen.«

Wie schafft es Mike nur, dass er mich, selbst wenn ich auf ihn sauer bin, immer wieder zum Lächeln bringt und vergessen lässt, warum ich eigentlich auf ihn sauer bin? Das war schon immer so: Unsere Streitigkeiten waren immer rasch verflogen; beide hatten wir keine Lust, für längere Zeit den Beleidigten zu spielen. David nimmt sich dagegen alles sehr zu Herzen. Es hat Tage gedauert, bis ich ihn davon überzeugt hatte, dass meine Bemerkung, ich wäre gezwungen ihn zu verlassen, wenn Elvis Presley wieder auferstehen würde, scherzhaft gemeint war. Und einmal, als ich drei Stunden später bei ihm ankam als angekündigt, drehte er völlig durch. Er hielt mir tatsächlich lautstark einen zwanzigminütigen Vortrag darüber, dass mein Leichtsinn mich eines Tages noch Kopf und Kragen kosten würde! Nach dieser Standpauke war er am nächsten Tag ganz kleinlaut und meinte, es sei alles seine Schuld (was ich zwar nie richtig verstanden habe, aber ich hätte es nicht gewagt, ihm in diesem Punkt zu widersprechen). Und in der darauf folgenden Woche schenkte er mir ein Handy, damit ich ihn in Zukunft verständigen kann, wenn ich mich wieder verspäten sollte. Nigel war völlig außer sich, als er das Handy zum ersten Mal gesehen hat ‒ angeblich würde es sich um irgendein Hightechteil handeln, das auf seiner eigenen Frequenz sendet und an das man normalerweise nur als Superagent oder so gelangt. David hatte es von einem seiner Klienten ‒ ich schätze, es hat auch Vorteile, Wirtschaftsprüfer zu sein.

»Also, gehst du mit mir essen?«

Obwohl mich eine innere Stimme warnt, antworte ich bereits mit »Ja«, ohne vorher groß zu überlegen.

»Und David wird auch nichts dagegen haben?«

»David hat sich da rauszuhalten. Schließlich handelt es sich um ein Geschäftsessen.«

»Aber sicher. Gut, dann sei um eins im ›Place‹.«

»Mal sehen«, necke ich ihn und lege den Hörer auf. Mir ist bewusst, dass meine Wangen glühen, und ich versuche mich unauffällig wieder meiner Arbeit zu widmen.

»Was war das denn eben ‒ wohl ein neuer Bewunderer von dir, was?«, bemerkt Denise.

»Bewunderer? Quatsch! Nein, bloß ein alter Freund, ganz alt ‒ jetzt, nicht er, ich meine, wir kennen uns schon eine Ewigkeit. Wir, du weißt schon, gehen nur was essen, um über alte Zeiten zu plaudern, mehr nicht!«

Sie sieht mich sonderbar an. »Das war bloß ein Scherz«, beschwichtigt sie. »Schließlich bist du mit David zusammen, oder?«

Ich wende mich wieder meinem Computer und meiner Arbeit zu, aber mir schwirrt der Kopf. Mittagessen mit Mike? Da bleibt mir aber nicht viel Zeit. Zum Restaurant brauche ich zwanzig Minuten, was bedeutet, dass ich noch ungefähr eine Stunde habe, um mich zu stylen und mir lauter schlagfertige Sätze über mein fantastisches Leben zurechtzulegen.

Bevor ich mir überhaupt weitere Gedanken machen kann, mit welchen aufregenden Neuigkeiten ich bei dem Essen glänzen kann (im Moment fällt mir leider nur meine neue Gardinenstange ein, und ich wage zu bezweifeln, dass Mike dies zu der Einsicht bringt, es wäre dumm gewesen, mich sitzen zu lassen), kommt Nigel zu mir herüber.

Ich hasse es, wenn Nigel meinen Schreibtisch ansteuert. Er beugt sich dann immer vor, um genau zu sehen, womit ich gerade beschäftigt bin, sprich: im Internet surfen oder private E-Mails schreiben, und um dann eine spitze Bemerkung hinterherzuschieben, zum Beispiel: Er erwarte, dass ich heute noch einige Überstunden mache, um meine Arbeit aufzuholen. Aus diesem Grund springe ich sofort auf, sobald er Anstalten macht, zu mir herüberzukommen, und stürze an seinen Schreibtisch, bevor er meinen erreicht. Einmal sind wir doch glatt zusammengestoßen, was nicht gerade ein erfreuliches Erlebnis war, aber, wie ich immer sage, man muss es nehmen, wie es kommt.

Doch dieses Mal bin ich in Gedanken zu sehr mit Mike beschäftigt, um Nigels Heranschleichen zu bemerken, und bevor ich weiß, wie mir geschieht, ist er mir auch schon auf die Pelle gerückt. Mein Glück, dass ich wenigstens gerade auf meinen Fragebogen schaue. Mein Pech, dass ich über die Überschrift noch nicht hinausgekommen bin.

»Sieht aus, als müsstest du die Mittagspause durchmachen, falls das alles ist, was du heute Vormittag geschafft hast«, bemerkt Nigel süffisant. Ich bringe ein Lächeln zu Stande.

»Eigentlich wollte ich fragen, ob ich heute etwas länger Mittagspause machen kann, Nigel.« Ich versuche, selbstsicher zu klingen, bin aber nicht sicher, ob es funktioniert. Wir haben einmal eine CD-ROM zum Thema »Kommunikative Fähigkeiten im Geschäftsleben« herausgebracht, laut der man, um selbstsicher zu wirken, seinem Gegenüber direkt in die Augen schauen und seine Botschaft nie verschleiern sollte. Aber mir ist es zuwider, Nigel in die Augen zu schauen. Er trägt nämlich eine Brille mit so dicken Gläsern, dass man seine Augen nicht richtig wahrnehmen kann, und gewöhnlich hat er einen fetten Pickel irgendwo im Gesicht, auf den ich dann letzten Endes immer starren muss.

»Das ist so gut wie unmöglich«, entgegnet Nigel in ausdruckslosem Ton. »Das können wir uns bei dem Berg Arbeit nicht erlauben.«

Na schön, das wird doch schwieriger, als ich dachte.

»Aber ich habe um eins einen Termin im Krankenhaus, den ich unbedingt wahrnehmen muss«, fange ich an zu jammern. Ich kann mir das Mittagessen mit Mike auf keinen Fall durch die Lappen gehen lassen. Laut der CD-ROM sollte man zwar eigentlich Ausreden tunlichst vermeiden (das schwächt wohl die eigene Position), aber ich schmücke meine superdringende Botschaft, früh abzuhauen, ja nur etwas aus.

»Ein Krankenhaustermin? Weswegen?«

Ich mache ein betretenes Gesicht. »Wegen so ’ner Frauensache«, erwidere ich im Flüsterton.

Im Nu weicht Nigel ein Stück zurück.

»Na schön. Du kannst um halb eins gehen, aber ich erwarte dich pünktlich um vierzehn Uhr an deinem Schreibtisch zurück.«

Gott sei Dank. Ich vergewissere mich, dass Lippenstift und Mascara in meiner Handtasche sind, und mache mich auf in Richtung Damentoilette, um mir den letzten Schliff zu verpassen.

The Place ist ein sehr schickes Restaurant in Kensington. Bislang bin ich lediglich einmal dort essen gewesen, zusammen mit meiner Mutter, auf ihre Einladung hin, weil sie mir ihre bevorstehende Hochzeit mitteilen wollte. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nichts von ihrer Trennung von Ehemann Nummer drei, er scheinbar aber auch (noch) nicht, was meiner Mutter allerdings kein großes Kopfzerbrechen bereitete. Meine Mutter ist nämlich die eigenartigste Femme fatale, die es gibt. Ich meine, man sieht ihr ihr Alter (sechsundfünfzig) an, sie liest die Daily Mail und hält Bikinis für vulgär. Dafür weiß sie aber ganz genau, wie man die Männer um den kleinen Finger wickelt. Sie hat Dad verlassen, da war ich fünf, und wir beide sind bei Brett eingezogen, einem amerikanischen Geschäftsmann, der ein riesiges Apartment in Grosvenor Square in London sein Eigentum nannte. Das hielt ungefähr drei Jahre. Dann setzte sie sich in den Kopf, in einem Haus zu wohnen, während Brett eine Wohnung vorzog, womit sich der Fall erledigt hatte. Danach lernte sie Ehemann Nummer zwei kennen, Stan, der zwar lieb war, aber für meinen Geschmack etwas zu alt. (Brett und ich waren früher immer mit Inlinern im Hyde Park unterwegs, aber Stans Vorstellung, etwas zu unternehmen, beschränkte sich darauf, zur nächsten Parkbank zu spazieren und sich draufzusetzen. Wenn man acht ist und vor Energie nur so strotzt, findet man das Herumsitzen auf einer Parkbank nicht so prickelnd.) Stan hatte ein großes Haus in Dulwich Village, wo wir gute fünf Jahre wohnten, bis meine Mutter William kennen lernte, einen Antiquar aus Kensington, der ihr ständig Antiquitäten schenkte, bis sie einwilligte, zu ihm zu ziehen. Wir wohnten über dem Laden auf der Kensington Church Street, der perfekte Ort, um Jungs kennen zu lernen, und was anderes interessierte mich damals ohnehin nicht. Candy wohnte um die Ecke, und nicht lange, und wir hingen gemeinsam draußen herum (jedenfalls immer, wenn sie nicht in ihrem noblen Internat saß, was nicht so oft zu sein schien; ich habe nie begriffen, weshalb man, je teurer die Schule ist, umso weniger Zeit absitzen muss), in der alleinigen Absicht, die Aufmerksamkeit des anderen Geschlechts auf uns zu lenken. Mit William ist meine Mutter keine Ehe eingegangen, und an dem Tag, an dem ich wegen meines Studiums wegzog, erzählte sie mir von ihrer neuen Liebe, Stephen. Stephen wurde Ehemann Nummer drei ‒ er verdiente seine Brötchen mit Firmenübernahmen und -aufkäufen, sodass meine Mutter eine Dinnerparty nach der anderen schmeißen und die treue Ehegattin spielen musste. Allerdings nicht lange. Während eines Besuchs bei mir in meinem Abschlussjahr beklagte sie sich, dass sie Stephen nie zu Gesicht bekomme ‒ für ihren Geschmack würden Firmenübernahmen und -aufkäufe zu viel Zeit in Anspruch nehmen, und sie fühle sich abends oft einsam. Ich meine, dass sie Stephen irgendwann ein Fax geschickt hat, als er gerade auf irgendeiner Geschäftsreise war, in dem sie ihm mitteilte, dass es aus sei. Und danach hat sie sich zum Mittagessen mit mir verabredet, im Place.

Mike wartet an der Theke auf mich, eine Champagnerflasche in der Hand.

»So, Mr. Vorstandsvorsitzender«, sage ich zur Begrüßung und nehme ein Glas entgegen, wobei meine Hand die seine streift. Zufall? Oder doch Absicht? Ich bin mir nicht sicher. »Offenbar lebst du nicht schlecht. Darf man fragen, woher dieser plötzliche Reichtum kommt, oder muss ich wieder mit dem alten Trick rechnen, dass du dir alles auf der Karte bestellst und mich hinterher bittest, mit meiner Kreditkarte auszuhelfen, bis du wieder flüssig bist?«

»Tja, lass dich überraschen!« Mike zwinkert mir zu.

Ich lasse mich von ihm an unseren Tisch führen und nehme mir die Speisekarte vor.

»Die Seezunge ist hervorragend«, murmelt Mike und schnappt sich die Weinkarte.

»Gibt es bei diesem Geschäftstreffen eine Tagesordnung?«

Mike sieht mich mit hochgezogener Augenbraue fragend an.

»Ich möchte gerne wissen, weshalb du mich unbedingt sehen wolltest, wo du doch zwei Jahre lang nichts von dir hast hören lassen.«

»Ist das wirklich so lange her?«

Jetzt setzt er diesen Hundeblick auf. Ich hasse das. Der verfehlt nämlich nie seine Wirkung, was stets darauf hinausläuft, dass ich dümmlich zu lächeln anfange und ihn mal wieder ungeschoren davonkommen lasse.

»Allerdings, schon verdammt lange her.«

Mein Blick kreuzt zufällig den eines jungen Mädchens ein paar Tische weiter. Sofort wendet sie den Blick ab. So was passiert häufig, wenn man sich mit Mike in der Öffentlichkeit zeigt. Ständig wird er von Leuten angestarrt. Einmal, bei einem Kneipenbesuch, suchte ein völlig niedlicher Typ permanent Blickkontakt zu mir. Ich habe das ziemlich genossen und irgendwann ganz beiläufig Mike gegenüber erwähnt. (Bei einem Date sollte man nämlich immer sicherstellen, dass der Kerl merkt, wie begehrenswert man ist, behauptet jedenfalls Candy. Sie treibt es sogar so weit, dass sie sich selbst Blumen schickt, was wahrscheinlich ein bisschen übertrieben ist, aber ich kann ihre Beweggründe nachvollziehen.) Egal, also, statt beeindruckt zu sein und meinen Bewunderer zu einem Duell herauszufordern, prustete Mike lachend in sein Glas und erklärte mir, dass der Kerl den ganzen Abend ihn anbaggern würde. Ich meine, für wen hält der sich! Nur, nachdem ich mir den Kerl etwas genauer angesehen hatte, wurde mir bewusst, dass Mike Recht hatte. Es war hoffnungslos. Ihm sahen nicht nur sämtliche Frauen hinterher, sondern auch mehr Männer als mir.

»Verstehe«, meint Mike und fährt sich durch die Haare. Im nächsten Augenblick grinst er mich an. »Also gut, schön, bei unserer Begegnung am Samstag ist mir erst klar geworden, wie lange es schon her ist, und ich dachte mir einfach, es wäre nett, dich nochmal so richtig zu treffen, mehr nicht. Bestimmt schulde ich dir auch noch ein Essen.«

»Du schuldest mir das Essen für ein ganzes Jahr.«

Mike zieht eine Augenbraue hoch. Er hat schöne Augenbrauen. Ohne abstehende Borsten, gleichmäßig geformt. Er hat auch schöne Augen ‒ warm und dunkel und mit herrlich dichten Wimpern. Für solche Wimpern würde ich einen Mord begehen.

»Du siehst bezaubernd aus«, bemerkt er in sanftem Ton. Sehen Sie, was ich meine? Man kann ihm unmöglich lange böse sein. Mir wird bewusst, dass ich rot werde. Ich muss unbedingt das Thema wechseln, um mich nicht völlig zu blamieren.

»Na schön, dann erzähl mal von deinen großartigen Geschäften. Was machst du, Investmentberatung?«

Daraufhin verdreht Mike die Augen und lehnt sich zurück. »Ich bin Unternehmer, meine Liebe. Ich manage das coolste Plattenlabel in ganz London und mache außerdem Clubpromotion.«

Bastard. Nur Mike schafft es, mit etwas echt Coolem Geld zu verdienen. Besser, ich erzähle David nichts davon.

»Dann bist du tatsächlich mal flüssig?«

»Was denkst du denn?«

In diesem Moment kommt der Kellner und füllt unsere Gläser nach. Wir bestellen etwas zu essen ‒ ich wähle als Vorspeise Tintenfischsalat und als Hauptspeise Huhn. Eigentlich wäre mir Seezunge lieber, aber ich möchte den Eindruck vermeiden, dass ich auf Mike höre. Nachdem der Kellner sich entfernt hat, herrscht eine Weile Schweigen zwischen uns.

»Und, wie läuft’s mit David?«

Interessiert ihn das wirklich, oder verarscht er mich gerade? Ich beschließe, mit offenen Karten zu spielen. »Es könnte nicht besser laufen. David ist ein Schatz. Wir sind sehr glücklich miteinander.« Was auch alles der Wahrheit entspricht, aber aus irgendeinem Grund werde ich erneut rot, und mir entgleist ein dümmliches Lächeln. Mike lehnt sich auf seinem Stuhl zurück.

»Kann mir euch beide gar nicht zusammen vorstellen. Dachte immer, du hast was Besseres als einen Buchhalter verdient. Aber wenn du damit klarkommst …«

Wie schafft er das bloß? Eine Beleidigung wie ein Kompliment klingen zu lassen. Wenn man darauf sauer reagiert, sieht es so aus, als würde man überreagieren. Aber er hat ja Recht. Ich hätte ja selbst nie gedacht, mal bei einem Wirtschaftsprüfer zu enden. Das passt auch nicht ganz zu meinem »Moderne-Frau-von-heute«-Image. Aber ich werde den Teufel tun und Mike auf den Gedanken bringen, einen wunden Punkt bei mir getroffen zu haben.

»Hör mal«, halte ich dagegen, während ich registriere, dass es im Restaurant immer heißer wird. »Du hast kein Recht, so über David zu sprechen beziehungsweise Fragen über unsere Beziehung zu stellen. Du hast mich sitzen lassen, wenn ich deiner Erinnerung auf die Sprünge helfen darf, und zwar ohne den Mumm zu haben, es mir ins Gesicht zu sagen. Du bist ein mieses Schwein und ein Idiot, und ich habe keine Ahnung, warum ich eigentlich hier sitze.« Meine Stimme hat einen leicht schrillen Unterton angenommen, sodass ich verstumme und ihm einen meiner gelungensten »Ich-habe-für-so-einen-Mist-keine-Zeit«-Blicke zuwerfe.

Doch erneut fängt Mike an zu grinsen, als würde es ihn freuen, meinen Ausbruch provoziert zu haben, und bevor ich es verhindern kann, zucken meine Mundwinkel bereits nach oben. O Gott, dieser Sexappeal! Na gut, im Grunde ist er ein mieser, arroganter Mistkerl, aber das eine schließt ja das andere nicht zwangsweise aus, oder? Ich spiele die Beleidigte. Ich will nämlich unter allen Umständen vermeiden, dass er denkt, ich fahre immer noch total auf ihn ab.