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Ein Erlebnisbericht zwischen Grenzerfahrung und purem Vergnügen Entlang von Werra, Fulda, Weser, Elbe, Frankenwald, Thüringer Wald und Erzgebirge Mit seinem Fahrrad begibt sich der Autor auf eine Reise in seine norddeutsche Heimat und später weiter die Elbe entlang bis Dresden. Den Kreis schließt er mit der letzten Tour durch Frankenwald, Thüringer Wald und Erzgebirge.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Mein Weg von Coburg nach Großenkneten
Elbe-Tour (oder auch die Tour in Gedenken an meinen Vater)
Lichtenfels nach Dresden (Freiberg),
Epilog
Impressum
Ich fahre schon seit meiner Kindheit begeistert Fahrrad. Früher in Norddeutschland zog ich das Fahrrad dem Schulbus vor, um frei und unabhängig zu sein, mich keinen Abfahrtszeiten anpassen zu müssen und mich sportlich zu betätigen. Wobei mir „der Sport Fahrradfahren“ als Kind und Jugendlicher noch nicht so bewusst war. Anfänglich fuhr ich meine täglichen Routen zur Schule vom Land in die Stadt, das heißt, vom Kloster Blankenburg nach Oldenburg. Das Kloster Blankenburg war damals ein psychiatrisches Krankenhaus, wo ich in der die Dienstwohnung, die meine Eltern dort hatten, mit meinem jüngeren Bruder behütet aufwuchs. Die täglichen Fahrten zur Schule waren von Wind, Wetter, Deichen und dem Blankenburger Holz geprägt. Ausfahrten in die Stadt waren für mich mit dem Fahrrad praktischer zu bewältigen. So zog es mich als Jugendlicher auch am Nachmittag immer noch einmal in die Stadt zum Bummeln.
Da meine Eltern Mitglieder des Campingclubs Graf Anton Günter in Großenkneten waren und wir dort am Wochenende auf dem Clubplatz Fünf Birken Camping machten, fuhr mein Vater mit uns Brüdern ab und zu die 30 Kilometer bis dorthin mit dem Fahrrad. Das war ein großes Highlight und Erlebnis. Vor Ort auf dem Campingplatz mein Fahrrad dabei zu haben war damals schon etwas sehr Besonderes. Es gab noch keine Fahrradträger für das Auto und so blieben die Fahrräder meistens zu Hause, weil ein Transport schwierig war.
Zahlreiche Touren in der Jugend allein und mit einem Freund folgten. Einmal im Sommer als 14-jährige fuhren wir einen ganzen Tag nach Leer in Ostfriesland (glücklicherweise hatten wir den Rückenwind auf der Rücktour). Auch eine Fahrt nach Bremen zu meiner Oma, die ich allein machte, war eine Herausforderung für mich. Aus Unkenntnis verbrannte ich mir dabei bei starker Sonne fürchterlich die Handrücken. Ich hatte damals noch keine Fahrradhandschuhe und auf diese Gefahren war ich nicht vorbereitet, sie sind mir noch gut im Gedächtnis geblieben.
Als kurz vor der Ausbildung ein Mofa in mein Leben trat, war es erst einmal mit dem Fahrrad fahren vorbei. Es folgten klassisch ein Auto und ein Motorroller, den ich gegen das Mofa eintauschte. Das Fahrrad wurde erst einmal verbannt, denn als Jugendlicher war man ja schließlich motorisiert. Es dauerte einige Jahre, bis ich den Wert eines Fahrrads wieder erkannte. Außerdem war ich mit 3 Gängen unterwegs, was für Norddeutschland reichte, aber später dann für Bayern nicht mehr. Meine Ausbildung zum Krankenpfleger bedeutete, wenig Zeit haben für ein Fahrrad, es war praktischer, das Auto zu nehmen. Ich zog dann nach Oberbayern ins schöne Bad Endorf, wo ich nur experimentell Fahrrad fuhr, da die Fahrradtechnik Anfang der 80ger ja noch nicht so fortschrittlich war. Berge rauf zu fahren war mir ein Greul, dafür hatte ich ja den Motorroller und ein Auto. Anfang der 90iger änderte sich dies Schritt für Schritt, die ersten erschwinglichen Mountainbikes mit 18 Gängen ermöglichten es mir nun, einen Berg mit dem Fahrrad leicht zu befahren. Für mich damals eine neue Freiheit, die ich aber nur an Wochenenden, wenn meine Frau und ich mit dem kleinen Wohnmobil Bayern und den Rest von Deutschland erkundeten, nutzte. Wir erkundeten oft die Gegend um unseren Wohnmobilparkplatz und nutzten das Fahrrad auch schon, um uns in einer fremden Stadt und der nahen Umgebung besser bewegen zu können.
Dann zogen wir nach Niederbayern, ich wechselte über Umwege in die Betreuung von psychisch kranken Menschen und musste fortan in der Stadt und im Umland meine Besuche bei meinen Klientinnen und Klienten machen. Da das Auto in der Stadt für mich nur noch Stress erzeugte, besann ich mich nach einem Artikel in einer Sportzeitschrift, in dem der Abbau von Stressoren durch Sport beschrieben wurde, auf mein Fahrrad. Das war 1999. Von da an habe ich diesen Sport für mich Stück für Stück ausgebaut. Es folgte die Anschaffung meines ersten KTM Fahrrads (Teramo) 2004, das ich heute noch besitze. Das Fahrrad habe ich auf mich stetig abgestimmt und dann meine ersten größeren Fahrradtouren durch Deutschland gemacht. So habe ich meine Touren mit dem Fahrrad stetig ausgebaut, mich mit vielen Erlebnisberichten von anderen Fahrradfahrern beschäftigt, bis ich auf die Idee kam, über mehrere Jahre eine Rundtour durch Deutschland zu machen.
Ich habe die Fernreisenden, die ihre Weltumfahrungen machen oder in Europa und Eurasien unterwegs sind, immer wieder bewundert. Für mich kommen solche großen Touren eher nicht in Frage. Oft fehlt mir die Zeit, zudem begleitet mich auch immer die Angst, im Ausland nicht zurecht zu kommen, Hauptproblem Sprache, Nebenproblem die unterschiedlichen Kulturen. Es war mir immer wichtig, möglichst unabhängig zu sein, deshalb zelte ich und führe aufgrund meiner Ausrüstung auch so manches Gewicht mit, was andere eher zurückschreckt (z.B. meine alte klassische Luftmatratze und meinen kleinen Hocker, weil ich nicht auf dem Boden sitzen mag). Nur ist es in Deutschland schwierig, frei zu campen. Wenn ich es doch einmal gewagt habe, hat mir dies auch schon oft in der Nacht ein ungutes Gefühl beschert. So fahre ich nach Möglichkeit Campingplätze an, um abends entspannt zu duschen und zu schlafen, Pensionen und Hotels meide ich so gut es geht. Auch ist es mir wichtig, möglichst sparsam und ökologisch zu reisen.
So habe ich nun drei meiner Touren aufgeschrieben, die einen Kreis durch Deutschland bilden. (bis auf 38 Kilometer zwischen Freiberg und Dresden in Sachsen)
Ein herzliches Dankeschön geht natürlich an meine Frau Ingrid, ohne sie wäre diese Erzählung meiner Erlebnisse gar nicht möglich gewesen. Unermüdlich hat sie meine Zeilen Korrektur gelesen, nach Möglichkeiten der Veröffentlichung gesucht und alles in die heutige Form gebracht. Sie war mir immer bei den Touren eine Unterstützung, wenn es einmal schwierig wurde. ILD
Ereignisreiche Tage liegen hinter mir und wahrscheinlich auch vor mir, nicht das diese Tage stressig waren, nein, alles lief soweit gut, aber irgendwie waren diese Tage doch chaotisch. In der Arbeit lief es nicht so gut wie sonst und meine vielen Projekte zu Hause verlangten nach einer guten Planung. Überstunden und ein paar Tage Urlaub verschafften mir diese zehn freien Tage, die ich für meine Tour geplant hatte. Orte meiner Kindheit wollte ich streifen und die alte DDR-Grenze mit ihrer Trennung des Ostens und Westen war in meinem Leben immer wieder ein Thema. So lag es auf der Hand, einmal eine Route in die Heimat quer durch Deutschland zu wagen. Werra und Weser sollten meine Weggefährten sein. Dass sich später durch eine kleine Tourenänderung die Fulda noch dazu gesellte, rundete meine Erfahrung mit den Deutschen Fahrradwegen gut ab. Wie immer hatte ich mir in einer zu kurzen Zeit zu viel vorgenommen, was dazu führte, dass ich große Tagesetappen zurücklegen musste, was mir so manche körperliche wie logistische Grenze aufzeigte. Aber schließlich siegte die Herausforderung und so manches Fluchen gegen die natürlichen Feinde des Radfahrers, den Wind, den Berg und den Regen, gab mir die Kraft weiterzufahren.
So trug ich im Frühjahr meine erforderlichen Informationen für die Tour zusammen. Diesmal wollte ich, um zum Startpunkt zu kommen, kein Auto benutzen, sondern mit dem Zug nach Coburg fahren, um von dort aus meine Fahrt zu beginnen. Da ich einen großen Respekt vor der Rhön habe, schien mir dieser Weg am besten.
Doch zuvor musste die Logistik am Fahrrad gelöst werden. Vier Seitentaschen mit Lowrider, eine große Packtasche und eine Lenkertasche standen für mein Gepäck zur Verfügung. Leichte Funktionskleidung, ein neues leichtes Zelt und das Übliche, was zum Campen gebraucht wird, musste seinen Platz finden.
Die Taschen für das Fahrrad packen, wiegen und alles seinen Platz geben ist immer wieder eine Herausforderung. Habe ich auch nichts vergessen, was wichtig ist, immerhin will ich möglichst selbständig reisen können mit Zelt, Kocher und Co. an Bord. Da kommt eine Menge zusammen, ein bisschen Luxus gönne ich mir natürlich auch, meinen 1,2 kg Falthocker, der mich bisher bei allen meinen Touren begleitet hat und meine Luftmatratze im alten Gummistil der siebziger. Obwohl ich schon oft vor moderneren Varianten von Luftmatratzen gestanden habe, komme ich jedes Mal zu dem Schluss, 200 Gramm mehr aber dafür ein unschlagbares Packmaß können nicht so schlecht sein.
Da mein KTM Teramo mit 60 cm Rahmenhöhe ein stabiles Fahrrad ist, aber mit 23 kg schon ein sehr großes Gewicht hat, komme ich schnell auf fast 50 kg, die ich diesmal aber um 2 kg unterschreite. Alles straff gepackt und gut befestigt, so steht das Fahrrad am Vorabend in der Garage und ich bin gespannt, ob alles so klappt, wie ich mir das gedacht habe.
Ich habe mein erstes Ziel erreicht! Nach einer langen Zugfahrt Richtung Coburg, muss ich schon wegen dem Neubau eines Gleisabschnittes vor Coburg aussteigen. Der Weg nach Sesslach ist mit knapp 18 Kilometern nicht weit und der Campingplatz Sonnenland vor der Stadt schnell gefunden. Das Zelt ist, wenn auch mit einer angebrochenen Glasfieberstange etwas lädiert, aufgebaut und eingerichtet und ich sitze satt, nach einem guten Schnitzel bei einem schönen Bier im Gasthof Reinwand und lasse den Tag an mir vorüberziehen.
Als ich die Gaststube betrete, bietet mir ein netter fränkischer Stammtischler am Stammtisch einen Platz an und drängt mir gleich ein Gespräch auf. Da ich an diesem Abend nicht besonders gesprächig bin, kann ich ihn durch die Bedienung meines Handys erfolgreich vertreiben. Drei Ehepaare wohl aus der besseren Gesellschaft sind noch übriggeblieben und tauschen nun in der Gaststube verbale intime Nettigkeiten aus, denen ich interessiert zuhöre. Eigentlich frage ich mich, ob diese Leute in eine so bodenständige Gastwirtschaft passen. Die Wirtin hat jedenfalls ihre Freude an den Gästen und verkauft ihren Böhmerschnaps als „Gourmetschnaps“, was den Umsatz sofort ankurbelt. Sei´s drum, meine Gedanken beginnen, den Tag zu reflektieren und ich gehe noch einmal alle Erlebnisse von heute durch.
Gleich nach der Arbeit, die ich schon mittags beendet habe, starte ich vom Bahnhof Landshut Richtung Coburg. Die Fahrkarte hatte ich schon einen Tag vorher gekauft, um mir Stress zu ersparen.
Weil ich mir noch etwas zu essen gekauft habe, erreiche ich den Zug knapp. Das Fahrradabteil ist schon ziemlich voll, auch ein Kinderwagen nimmt hier viel Platz ein. Ein älterer Herr lässt mich mein Fahrrad an seins anlehnen, dann ergreift die Mutter plötzlich die Flucht und räumt den Kinderwagen auf die Seite. Allerdings steigt sie an der nächsten Haltestelle aus, was mein schlechtes Gewissen wieder etwas beruhigt. Ich kann doch keine Mütter vertreiben....
Nun ist es Zeit, das Sandwich zu genießen und ich freue mich über den guten Start. Mit einer anderen Frau komme ich über soziale Arbeit und meine Tour ins Gespräch, bis sich unsere Wege in Regensburg trennen. Als ich aussteige, entdecke ich, dass der Zug nach Hof 50 Minuten Verspätung hat. Das fängt ja wieder mal gut an, denke ich und beschließe, die Bahn-App zu befragen. Beim Öffnen der App entdecke ich, dass mir bei der Eingabe meines Zieles ein Fehler unterlaufen ist. Da steht Chemnitz anstatt Coburg. Kein Wunder, dass ich über Hof fahren sollte. Nun verstehe ich meinen Klienten, der mal Fahrdienstleiter bei der Bahn war, und sagte „über Hof nach Coburg, warum fährst Du nicht über Nürnberg?“ Ein Durcheinander auf dem Bahnsteig beginnt. Fahrstuhl holen, rauffahren, falschen Bahnsteig ausgesucht, wieder zurück, ich lande nach vielen Hin und Her schließlich auf dem Bahnsteig 5, der neben dem Bahnsteig 4, ist, wo ich von Landshut her ankam, die Lauferei hätte ich mir sparen können. Es nutzt nichts, ich muss warten, 1 Stunde 10 vergeht, bis mein Zug nach Nürnberg eintrifft. In dieser Zeit füllt sich der Bahnsteig mit Menschen und ich bekomme Angst, nicht mehr mitzukommen, jedoch klappt es, einen Platz für mein Fahrrad und mich zu finden. Komisch ist nur, dass die App die Zugfahrt nicht ganz bis Coburg anzeigt, ab Ebersdorf beginnt der Schienenersatzverkehr und das heißt für mich Ende der Zugfahrt keine Mitnahme des Fahrrads. Egal, jetzt fahre ich erst einmal. Das Bahnchaos nimmt seinen Lauf.
Ankunft in Nürnberg, aussteigen und auf den Zug nach Coburg warten. Dieser fährt vom gleichen Gleis, wo ich schon angekommen bin. Abfahrt 16.10 Uhr. Ich warte, eine gestresste Frau mit ihren vier Kindern läuft vorbei, der Kinderwagen mit schreiendem Inhalt und drei Kinder von 3 bis 13 an der Hand. Weitere Leute sammeln sich. Komme ich wohl mit? Ich merke, wie Panik in mir hochsteigt. Nun warte es mal ab und halte Deine Gedanken zurück, sagt meine Ressourcenstimme. In der Systemik heißt es ja: „folge dem Prozess“, also schnaufe ich kurz durch, stelle mich fest auf den Boden und lasse den Dingen ihren Lauf, sprich der Bahn.
Der Zug fährt ein, bleibt aber ganz am Anfang des Bahngleises stehen. Was macht der da, denke ich. Keine Ansage, nichts passiert. Ich fixiere den Zug mit meinem Blick, als wenn ich ihn damit durch den Bahnhof ziehen könnte. Der Zug rührt sich nicht. Keiner steigt aus oder ein, die Zeit verrinnt und ich lasse es geschehen. Nichts, einfach nichts passiert. Der Zug steht einfach da. Andere Züge fahren in den Bahnhof ein und verlassen ihn wieder, doch mein Zug auf meinem Gleis rührt sich nicht. Auf dem Gleis hinter mir steht schon die ganze Zeit ein anderer Zug, als ich auf die Anzeigentafel schaue, entdecke ich, dass dieser Zug nach Coburg bzw. Ebersdorf fährt. Das Gleis ist das Gleis 5, hatte ich schon mal in Regensburg. Es ist inzwischen 16.45 Uhr und die Abfahrt soll in 10 Minuten sein. Ich steige sofort ein und finde sogar für mein Fahrrad einen Platz. Der Zug ist fast leer, wer hätte das gedacht. Folge dem Prozess, wieder bewahrheitet sich die systemische Regel...
Als dann die Tür aufgeht und die kleine Familie mit dem Kinderwagen einsteigt, freue ich mich fast. Die Familie nimmt am Kindertisch Platz und das Baby fängt an zu schreien. Die Mutter ist sehr geduldig und hat auch die anderen Kinder gut im Griff. Meine Bewunderung für sie lässt gar kein genervt sein über das Geschrei zu. „Es ist halt ein Baby“ denke ich. Der Zug füllt sich langsam und plötzlich sind alle Plätze besetzt. „Glück gehabt“ denke ich bei mir. Es dauert noch bis 17 Uhr, bevor der Zug abfährt, eine Ewigkeit, denke ich. In Fürth füllt sich der Zug noch einmal, stehende Menschen an meinem Fahrrad, lassen die das Rad in Ruhe? Nun gibt das Baby mit seinem Geschrei richtig Gas, erste genervte Gesichter drehen sich nach der Mutter um, die ihr Bestes gibt, um das Baby zu beruhigen. Die Kinder malen und spielen, keiner sagt etwas. Ich spüre, wie meine Bewunderung für die Mutter steigt.
In Erlangen angekommen, leert sich der Zug schlagartig. Platz zum Laufen für die Mutter, denn Baby Hassan mag es nicht, wenn Mama sitzt. So lerne ich seine Schwester, die kleine Rena kennen, die mir die Situation mit dem kleinen Bruder erklärt. Außerdem erfahre ich, dass die Familie nach Schweinfurt zur Oma Agnes fährt. „Was für ein Zufall, da kommt meine Frau auch ursprünglich her“, antworte ich. Wir haben ein herrliches Kindergespräch. Johann. das dicke Entenküken. ist der Mittelpunkt. Wir spielen, Du siehst mich nicht und ich kann nichts mehr sagen. So geht es bis Bamberg, wo Rena mit ihrer Familie aussteigen muss. Wir verabschieden uns mit ganz viel Winken.
Weiter geht’s. Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich nun fast allein im Zug sitze. Nun geht es schnell, Staffelstein, Lichtenfels und schon bin ich in Ebersdorf. Als ich sehe, wie alle auf den Bus warten, bin ich froh, das Fahrrad dabei zu haben. Ich will nach Sesslach, mein erstes Etappenziel mit nur 4 Km Umweg, da ist das Fahrrad sehr hilfreich. Nun muss ich schnell nach Sesslach kommen, denn die dunklen Wolken lassen nichts Gutes ahnen und die Zeit läuft mir, was Campingplatz und Essen gehen betrifft, davon. Dann stehe ich vor einem Umleitungsschild für Radfahrer Richtung Coburg. „Ihr könnt mich mal“ fluche ich innerlich und ignoriere die Umleitung. Ich habe ja nur ein Fahrrad, da komme ich schon irgendwie durch. In der Ferne kann ich die im Abriss befindliche Brücke sehen, hier geht es nicht rüber, was nun. Ich fahre störrisch weiter und entdecke einen anderen Radweg. Die zwei Gestalten auf einer Bank, die ich nach dem Weg frage, kennen sich nicht aus, sagen aber, ich könne bis zum Ende der Baustelle weiterfahren. Langsam entrinne ich dem Baustellenchaos und sehe, dass sich die Bahnstrecke nach Coburg in einem Neubau befindet. Kein Wunder, dass in Ebersdorf Schluss ist. Im nächsten Ort wird aus einer alten Bahnstrecke ein Fahrradweg, welch ein Geschenk. Durch eine hügelige Landschaft mit so mancher schon anständigen Steigung komme ich auf dem Campingplatz Sonnenland in Sesslach an. Ich habe mein erstes Ziel erreicht, baue das Zelt auf, wobei gleich am Anfang meine hintere Zeltstange beim Einbiege Trick abknickend nachgibt. Der Trick hatte zu Hause in der Garage immer gut funktioniert, doch hier gibt der Metallwinkel gleich nach und verbiegt sich und bricht. Mit ein paar Tricks hält es dann vorerst doch. Ich habe noch ein zweiten Metallwinkel dabei, doch ist das sonst so gut konstruierte Zelt im hinteren Bereich so schlecht gemacht, dass es sicherlich, vermute ich, wieder Probleme geben wird. Ich überlege, am nächsten Tag Klebeband zu besorgen und es so vorerst zu richten. Egal, nun geht es erst einmal in die Stadt etwas essen und ein gutes Bier trinken im Gasthof Reinwand.
Da habe ich dann doch alles geschafft, ich bin in Sesslach angekommen und habe nun die ersten Zeilen dieses Reisberichts geschrieben. Dankbarkeit macht sich in mir breit, auch für die netten Zeilen meiner Frau am Anfang meiner Kladde, die mich sehr aufmuntern. Wie einfach Glück sein kann, wenn die Dinge fließen und Geduld das Dasein prägt. Was für ein Tag liegt hinter mir, eigentlich nichts Besonderes und doch so viel geschenkt bekommen.
Ich denke an die kleine Rena, ob sie ihre Tüte Zucker, die sie auf der Reise dabeihatte, nun in Omas Tee schütten konnte, wer weiß........?
In der Nacht habe ich gut geschlafen und meine lädierte Zeltstange hat durchgehalten. Ich beginne den Tag erst einmal mit einer gründlichen Morgentoilette, das Duschen ist mir mit 1€ zu teuer, man muss ja auch mal sparen. Darauf fahre ich dann in die Altstadt, um mir Semmeln zu holen. Natürlich kaufe ich beim alteingesessenen guten Bäcker, wer will schon die Industrieware eines näher gelegenen Discounters essen. Ich decke mich vorsichtshalber schon mal mit etwas kalorienreichen Kuchen ein, was mir die nette Bäckerin mit einem netten Lächeln quittiert. Schon beginnt der Tag ein wenig freundlicher, wenn es noch Bäckerinnen gibt, die einem die Backwaren über die Theke reichen, als wenn ich die Semmeln einfach aus dem Regal im Discounter nehme.
Zurück auf dem Campingplatz in meinem kleinen „Camp“ versuche ich erst einmal, das Zelt trocken zu bekommen. Da die Sonne schon scheint, ist dies keine große Sache und das Zelt trocknet schnell von allein. Irgendwie bin ich für diese kleinen Annehmlichkeiten der Natur dankbar, die Sonne am Morgen auf einem Campingplatz gibt einen guten Start in den Tag.
Das Frühstück ist ein Genuss, auf meinem kleinen Hocker genieße ich meinen bescheidenen Komfort. Der Rest geht schnell, Zelt abbauen, Fahrrad packen, alles läuft wie am Schnürchen und so bin ich um 10 Uhr schon abfahrbereit. Ich staune nicht schlecht, die Prophezeiung des Platzwartes ist tatsächlich eingetroffen, obwohl ich ihn gestern Abend noch belächelt habe, als er meinte, ob ich um 9 Uhr schon fahre. Wo hat er diesen Weitblick nur her. Als ich bei ihm bezahle, ist er sogar richtig freundlich. Nicht das fränkische brummige Urgestein von gestern Abend.
Dann unterhalten wir uns über das üblichen Franken, Bayern und „alle anderen sind Preußen“ Gerede, doch ich kann ihm gegenüber mit meiner fränkischen Frau trumpfen. Er ist sogar richtig verständnisvoll. „Sieh an“ denke ich, und dass bei meinen norddeutschen Wurzeln. Nach über 30 Jahren Bayern, sind die norddeutschen Äußerlichkeiten immer noch erkennbar, aber tief in mir drin weiß ich, ohne Bayern und Franken könnte ich heute nicht mehr leben. Obwohl ich das Norddeutsche an mir auch mag, ist halt ein Teil von mir, der sich nicht leugnen lässt und den ich auch lebe und liebe.
Ich fahre los mit dem Blick zum Himmel. Durchwachsenes Wetter! Da bestelle ich wie Hape Kerkeling sicherheitshalber mal beim Universum gutes Wetter. In seinem Buch vom Jakobsweg (Ich bin dann mal weg) hat er das auch immer mit Erfolg gemacht. Dieses Buch hat mich sehr begeistert.
Erstaunlicherweise funktioniert es auch an diesem Tag. Obwohl die Wolken sehr bedrohlich wirken, hält das Wetter bis auf ein paar klitzekleine Ausrutscher.
Ich folge ein Stück dem Grenzverlauf der alten DDR-Grenze (dem grünen Band) und entdecke Schrifttafeln mit Geschichten aus der alten Zeit in dieser Gegend. Dabei kreuze ich mehrfach die alte Grenze zwischen Bayern und Thüringen. Billmuthausen, den Ort, den es nicht mehr gibt, wird durch eine Art Gedenkstätte in Erinnerung gehalten.
Ich schaue mir das Mahnmal genauer an. Neben liebevoll hergerichteten Sitzmöglichkeiten laden zahlreiche Schrifttafeln zum Verweilen und Erinnern ein. Den Ort gab es 638 Jahre, bis er durch die Machthaber der DDR zum Ausbau der Grenzanlagen „geschliffen“ wurde. Das heißt, dem Erdboden gleichgemacht. Geblieben sind noch die alte Viehtränke und der wieder aufgebaute Friedhof des ehemaligen Ortes nahe der bayrischen Grenze. Durch den Abriss des Ortes wurde die DDR-Grenze vor dem Westen geschützt. Die Bewohner hat man einfach umgesiedelt, ein Irrsinn, wozu Menschen fähig sind, wenn sie Macht über andere haben und diese nutzen.
Ich ruhe mich etwas aus und schaue mir die alten Mauerreste an.