Ein Pferd namens Milchmann - Hilke Rosenboom - E-Book

Ein Pferd namens Milchmann E-Book

Hilke Rosenboom

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Beschreibung

An einem Morgen im Mai ist Herman allein zu Haus. Er ist eben dabei, die Umrisse eines Ritters auf sein Butterbrot zu ritzen — als er plötzlich hört, wie draußen jemand hustet ... Erst erschrickt Herman ein bisschen, aber dann schaut er mutig nach und, kein Zweifel, auf der Terrasse steht ein riesiges Pferd! Es heißt Milchmann und seine gewaltigen Lippen zittern, als wolle es gleich anfangen zu heulen. Herman muss dringend was unternehmen. Milchmann darf auf keinen Fall in die Hände der Polizei oder gar in die der Tiertransporteure geraten, die nachts um Hermans Garage herumschleichen. Doch dann stellt Herman fest, dass auch anderen Kindern in seiner Klasse Pferde zugelaufen sind. Das sieht ganz nach einem Pferdeabenteuer aus, das sich gewaschen hat!

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Außerdem von Hilke Rosenboom im Carlsen Verlag lieferbar:Melissa und die Meerjungfrau Das Handbuch für Prinzessinnen Hund Müller Ferdi und der geheimnisvolle Reiter Ferdi und das Pferd aus Gold Ferdi und Greta halten zusammen Ferdi und das gerettete Fohlen CARLSEN-Newsletter Tolle neue Lesetipps kostenlos per E-Mail!www.carlsen.de Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- und strafrechtlich verfolgt werden. Veröffentlicht im Carlsen Verlag Copyright © 2005 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg Umschlag- und Innenillustrationen: Anke Kuhl Umschlaggestaltung: formlabor Satz und E-Book-Umsetzung: Dörlemann Satz, Lemförde ISBN 978-3-646-92133-5 Alle Bücher im Internet unterwww.carlsen.de

Montagmorgen, ein Pferd taucht auf

An einem Tag im Mai war Herman allein zu Haus. Er stand in der Küche und war eben dabei, die Umrisse eines Ritters in die Butter auf seinem Brot zu ritzen. Dazu wollte er Kakao trinken, mit ganz viel Kakaopulver und möglichst wenig Milch. So war das Leben zum Aushalten, fand Herman. Da hörte er plötzlich, wie draußen jemand hustete.

Heute war er nicht in der Schule. Mit leichtem Fieber kann man kein Diktat schreiben, das hatte sogar Hermans Vater eingesehen, der sonst dafür war, dass neunjährige Jungen ihr leichtes Fieber unterdrücken und sich benehmen wie ein Mann. Herman versuchte sich wie ein Mann zu benehmen und spähte um die Ecke.

Wenn ein Mann ein ungewohntes Geräusch hört, schaut er nach, was es ist. Auch wenn er leichtes Fieber hat. Auch wenn das Geräusch nicht aus dem Haus kommt, sondern von irgendwo aus dem einsamen Garten. Aber hinter Hermans Haus gab es keinen einsamen Garten. Es gab eine Terrasse, und – kein Zweifel – auf der Terrasse war jemand und hustete.

Es war ein riesiges Pferd. Es war größer als alle Tiere, die Herman bisher in der Nähe seiner Straße gesehen hatte, und es blickte mit seinen riesigen Augen, die aus seinem riesigen Kopf hervorschauten, in Hermans Richtung.

Herman legte sein angebissenes Butterbrot auf die Ecke des Couchtisches und machte ein paar Schritte auf das Pferd zu. Das Pferd machte nur einen Schritt und warf mit seinem gewaltigen Hintern den Gartengrill um.

Obwohl zwischen ihnen die Fensterscheibe war, konnte Herman erkennen, dass das Pferd Angst hatte. Seine olivfarbenen Augen blickten mild und ängstlich und seine gewaltigen Lippen zitterten. Das sah aus, als wolle es gleich anfangen zu heulen.

Herman öffnete die Terrassentür und trat einen Schritt weit hinaus. Das Pferd zuckte leicht zusammen. »Wahnsinn«, sagte Herman. »Wo kommst du denn her?«

»Pphhrr«, machte das Pferd.

Herman verstand sofort. Pphhrr hieß natürlich: »WEISS ICH DOCH NICHT, MANN.« Herman stand jetzt so nah am Kopf des Pferdes, dass er seinen warmen Atem spüren konnte. Das Pferd trug eine Art Stirnband aus einem schmutzigen Stoff, damit sah es ein wenig aus wie ein schwedischer Tennisspieler. Oben auf dem Band standen zwei Buchstaben.

»MM, ist das dein Name?«, fragte Herman. »Wofür steht das?« Er überlegte eine Weile, so lange, bis das Pferd unruhig von einem Fuß auf den anderen trat. »Magisches Monster könnte es heißen«, sagte Herman, aber das Pferd sah ihn nur abfällig von oben herab an.

»Vergiss es«, sagte Herman. »Ich schätze mal, dass es etwas Praktisches bedeutet, vielleicht so etwas wie Milch Mann.« Das Pferd bewegte seinen riesigen Kopf ein ganz kleines bisschen auf und ab. Nickte es? Oder machte es sich über ihn lustig? Oder schrieb man Milchmann vielleicht in einem Wort?

»Wir bleiben mal bei Milchmann«, sagte Herman und versuchte den Tonfall seines Vaters nachzuahmen. Wir bleiben mal bei der Sache. Wir bleiben mal bei Obst statt Süßigkeiten. Wir bleiben in diesem Sommer mal hier.

»Na? Milchmann?«, fragte Herman und berührte das Pferd vorsichtig am Hals. Der Hals war warm und dick und fest. Das Fell darauf war säbelkurz und seidig.

Wenn das Tier den Kopf gesenkt hielt, so wie jetzt, dann waren die riesigen Nasenlöcher auf Hermans Augenhöhe. Man konnte halb reingucken. Innen waren sie rosa, genau wie bei dem alten Friseur in der Stadt, der Herman und seinem Vater immer die Haare schnitt. »Hast du dich vielleicht verlaufen?«

Milchmann schüttelte den Kopf. Dabei flog die graue Mähne wild hin und her, und als sie sogar Hermans Gesicht streifte, fühlte sich das hart und borstig an. Dann machte Milchmann einen kleinen Schritt auf ihn zu, streckte seinen riesigen Kopf durch die Terrassentür nach innen und linste hinein.

»Stopp!«, rief Herman, doch da klapperten schon die Vorderhufe auf dem Parkett. Herman hielt nach einer Stelle am Körper des Pferdes Ausschau, an der er es zurückhalten konnte. So eine Stelle gab es nicht. Milchmanns Fell war aalglatt und er trug auch keinen Sattel.

Nun drängte Milchmann sich mit seinem prallen Bauch an Herman vorbei und klemmte ihn an die Scheibe der Terrassentür, als sei er ein Fensterbild aus Gummi. »Ifff«, machte Herman und war froh, als Milchmann es endlich geschafft hatte, seinen gewaltigen Hintern, die fetten Oberschenkel und die suppentellergroßen Hinterhufe über die Schwelle der Terrassentür nach innen zu quetschen.

»Das geht aber nicht!«, rief Herman. Seine Eltern schätzten es nicht, wenn er Besuch ins Wohnzimmer ließ. Eigentlich meinten sie dabei vor allem Menschen, Kinder!, aber gegen ein Pferd würden sie auch etwas haben, da war Herman sich sicher. Und zwar wegen der Größe.

Hermans Eltern fanden ihn zwar auch schon groß, weswegen seine Mutter im vergangenen Winter wieder angefangen hatte zu arbeiten. Aber ansonsten hatten sie eine Abneigung gegen alles Große: gegen große Autos und große Ansprüche, gegen zu große Scheiben Wurst auf dem Brot und gegen große Worte. In Hermans Familie wurden die kleinen Dinge hochgehalten, zu Weihnachten und zu den Geburtstagen gab es kleine Aufmerksamkeiten und man tat sich gegenseitig kleine Gefallen.

Jetzt stand das Pferd mit hängendem Kopf in der Mitte des Wohnzimmers und sein riesengroßer Hintern drohte, die Bücher in die Bücherwand zu drücken und die Obstschale von der Anrichte zu rasieren. Herman drängte sich an den Flanken des Pferdes vorbei, um zu sehen, was vorne vor sich ging.

Das Pferd ließ seinen Kopf über den Couchtisch hängen und versuchte mit seiner Unterlippe die Brotscheibe hochzuflippen, die Herman dort abgelegt hatte. Zuerst gelang das nicht, aber plötzlich stülpte das Pferd die Lippen auf, zeigte eine Reihe riesiger gelber Zähne und verschlang die Brotscheibe, mitsamt eingeritztem Ritter. Es kaute ein paarmal unentschlossen in die eine und unentschlossen in die andere Richtung. Dann schluckte es und sah Herman herausfordernd an.

Frühstück für ein Ungeheuer

Kein Zweifel. Das Pferd war ihm zugelaufen. Und es hatte Hunger. Herman saß mit angewinkelten Beinen im Lesesessel seines Vaters. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Was konnte er dem Pferd anbieten? Frühstückte ein Pferd überhaupt? Und was schmeckte ihm? HAFER!

Die Frühstücksflocken, fand Herman, waren mit das Schlimmste in seiner Familie. Es gab immer nur die eine Sorte und es gab sie in rauen Mengen. Sie schmeckten staubig, mehlig, spelzig, mampfig, dumpf und überhaupt nicht süß. Das würde dem Pferd gefallen. Zumindest, wenn es wirklich Hunger hatte. Wenn man wirklich Hunger hat, schmeckt noch die trockenste Flocke, sagte Hermans Vater immer.

»Warte hier«, beschwor Herman das Pferd und wand sich an ihm vorbei in Richtung Küche. Aber das Pferd bewegte sich ohnehin nicht. Es schien völlig in sich versunken zu sein. Dann hob es den Schweif und äpfelte auf den Teppich, direkt vor den Fernseher. Das Pferd äpfelte elf Äpfel, einen nach dem anderen. Dann hörte es auf und sah sich kurz nach hinten um.

Herman fackelte nicht lange. Er schoss in die Küche und zog das Kehrblech aus dem Besenschrank. Der Duft der Pferdeäpfel schoss hinter ihm her und umhüllte Herman, der vor dem Schrank kniete und fieberhaft nach einem Gegenstand suchte, mit dem er die Pferdeäpfel auf das Kehrblech schieben konnte. Der Handbesen mit seinen weichen Haaren ging schon mal nicht. Das würde eine schöne Ferkelei werden. Er entschied sich für den Teigschaber, riss die kleine durchsichtige Salatschüssel aus dem Schrank, schüttete sie mit Haferflocken voll und flitzte zurück ins Wohnzimmer.

Das Pferd hatte sich unterdessen die drei Äpfel aus der Obstschale genommen. Den letzten kaute es immer noch. Ehe Herman sich’s versah, steckte es sein riesiges Maul in die Salatschüssel, mampfte kurz und schlabberte sich mit seiner großen rosa Zunge um die Lippen. Dann blickte es Herman gespannt an.

Die elf Pferdeäpfel lagen locker auf dem kleinen bunten Teppich vor dem Fernseher, auf dem Hermans Mutter immer ihre Yogaübungen machte. Sie ließen sich ganz leicht mit dem Teigschaber auf das Kehrblech schieben. Herman hoffte inständig, dass sie keinen Geruch auf dem Teppich hinterlassen würden.

In den Mülleimer in der Küche jedenfalls konnte er die Pferdeäpfel nicht werfen. Da würden sie gefunden werden. Herman musste die Pferdeäpfel nachhaltig loswerden, überlegte er. Vielleicht könnte er sie ins Klo werfen. Obwohl es insgesamt doch recht viele waren?

Da fiel Herman das Rosenbeet ein. Das Rosenbeet lag im Vorgarten und es wuchsen drei magere Rosen darin, für jeden aus Hermans Familie eine. Die Rosen, dachte Herman jetzt, könnten ALLE etwas Dünger vertragen.

Draußen war es plötzlich viel wärmer geworden. Als Herman einen Fuß auf die kleine Außentreppe setzte, spürte er, wie sehr sich die Steine erwärmt hatten. Über der Hecke summte sogar eine Biene. Mit seiner alten Kinderschaufel ließ sich in der lockeren Erde des Rosenbeetes ganz leicht ein gewaltiges Loch graben. Alle Pferdeäpfel passten auf Anhieb hinein. Herman drückte schnell noch die Erde fest, dann sprang er auf die Füße und flitzte ins Haus zurück.