Ein Sohn aus gutem Hause - Karl Tschuppik - E-Book

Ein Sohn aus gutem Hause E-Book

Karl Tschuppik

4,8

Beschreibung

Karl Tschuppiks glorioser Familienroman entführt uns in die Zeit der k. und k. Monarchie, beginnend Anfang des letzten Jahrhunderts, endend am Vortag des Ersten Weltkriegs. Einer der schönsten Romane über das Leben und die Gesellschaft zu Zeiten Kaiser Franz Josephs - wiederentdeckt! Die Familie Adorno stammt aus einem Patriziergeschlecht, dessen Ahnherr in den Dienst Maria Theresias trat und dem Habsburgerstaat eine Anzahl treuer Untertanen schenkte. Max, sein jüngster Spross, Sohn einer lebenslustigen Mutter, die ihren Gatten mit einer hochgestellten Person aus dem Kaiserhaus betrügt und der Ehre wegen ihre Familie verlassen muss, lebt halb verwaist im strengen Wiener Vaterhaus. Der Vater hat keine rechte Beziehung zum sensiblen Sohn und schickt ihn aufs Gymnasium nach Prag, später in eine mährische Kadettenanstalt. Als Max mit Oberst Redl bekannt gemacht und dieser die Hauptfigur eines Skandals wird, holt der Vater, tief beschämt, ihn wieder nach Wien zurück. Max verliebt sich erst in ein junges Mädchen, dann in die Frau Rittmeister von Barco ... Das Fulminante und Einzigartige an Tschuppiks Roman ist die Fülle an subtilen Stimmungen, an ergreifenden Konstellationen, an hochinteressanten Betrachtungen der damaligen Gesellschaft und ihrer Werte sowie die kurzweiligen Beschreibungen politischer und historischer Gegebenheiten. Über ein völkerverbindendes Österreichertum, das lange verloren ist. So endet auch Tschuppiks Roman: Max wird eingezogen, der Erste Weltkrieg beginnt.

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Revisited Band 17

Karl Tschuppik

Geb. 26. Juni 1876 in Horowitz, Österreich-Ungarn, heute Tschechien; gest. 1937 in Wien.

Tschuppik arbeitete für Zeitungen wie das »Prager Tagblatt« und publizierte in zahlreichen, zumeist dem linksintellektuellen Spektrum zuordenbaren Zeitungen und Zeitschriften in Wien und Berlin. Er war einer der bedeutendsten österreichischen Publizisten vor 1938. Bei Zeitgenossen wie Max Brod, Joseph Roth oder Friedrich Funder fanden seine Publikationen große Anerkennung, Friedrich Torberg würdigte ihn in seiner »Tante Jolesch«. Tschuppik und Anton Kuh galten in den Kaffeehäusern, damals Treffpunkt des kulturellen und intellektuellen Lebens, aber auch in den Heurigen, die beide gerne und häufig besuchten, als »eines der witzigsten und komischsten Freundespaare«, deren Wirkung der Stegreif-Szenen, in denen sie im Kaffeehaus Personen parodierten, sich vor allem durch die Gegensätzlichkeit der beiden ergab. Seine erste Verhaftung erlebte Tschuppik 1922, als er einen in Zivil auftretenden »Sittenpolizisten« an einer Amtshandlung zu hindern versuchte, seine zweite 1925, als er dem Wiener Polizeipräsidenten Johann Schober das Götz-von-Berlichingen-Zitat ausrichten ließ.

Tschuppiks antifaschistische, anti-deutschnationale Gesinnung, die in seinen Essays, Artikeln und Büchern deutlich zum Ausdruck kommt, sowie seine Monografie über Ludendorff, in der er auch dessen »höchst primitiven Fascismus von der Art Adolf Hitlers« kritisiert, machten ihn zu einem beliebten Angriffsziel nationalsozialistischer Agitation. So fand sich Tschuppik bereits 1933 auf der ersten, 43 Namen umfassenden »Schwarzen Liste Literatur« der Nationalsozialisten, die »schädliches und unerwünschtes Schrifttum« indizierte, das umgehend aus den Bibliotheken entfernt werden musste und der Bücherverbrennung 1933 zum Opfer fiel.

Tschuppik musste Deutschland verlassen und bezog 1933 wieder seine Unterkunft im Wiener Hotel Bristol, in der er bereits während der letzten Zeit in Wien lebte. Ebenfalls nach Wien zurück kehrten 1933 seine Freunde Joseph Roth und Anton Kuh. Zudem pflegte er Kontakt mit Klaus Mann und Ödön von Horváth, dessen Trauzeuge er 1933 war. Seine Einkommenssituation gestaltete sich zusehends schwieriger. Der Amsterdamer Exilverlag Allert de Lange, bei dem Tschuppik seine nach 1933 verfassten Bücher veröffentlichte, wurde zu seiner wichtigsten Einkommensquelle. 1937 erschien Tschuppiks letztes Werk – sein einziger Roman: Ein Sohn aus gutem Hause. Dieser wurde 1989 von Karin Brandauer verfilmt.

Am 22. Juli 1937 starb Tschuppik unerwartet im Hotel Bristol.

Karl Tschuppik

Inhalt

Die Familie Adorno stammt aus einem genuesischen Patriziergeschlecht. Max, der jüngster Sproß, Sohn einer lebenslustigen Mutter, die ihren Gatten mit mit einer hochgestellten Person aus dem Kaiserhaus betrügt und der Ehre wegen ihre Familie verlassen muss, lebt halb verwaist im strengen Wiener Vaterhaus. Der Vater hat keine rechte Beziehung zu seinem sensiblen Sohn und schickt ihn aufs Gymnasium nach Prag, später in eine mährische Kadettenanstalt. Als Max mit Oberst Redl bekanntgemacht wird, und dieser die Hauptfigur eines Skandals wird, holt der Vater, tief beschämt, ihn wieder nach Wien zurück. Auch das Liebesleben erwacht in dem Knaben; Max verliebt sich in ein junges Mädchen, dann in die Frau Rittmeister von Barco …

Das Fulminante und Einzigartige an Tschuppiks Roman ist die Fülle an subtilen Stimmungen, an ergreifenden Konstellationen, an hochinteressanten Betrachtungen der damaligen Gesellschaft und ihrer Werte und die tiefen Einblicke in die damaligen politischen und historischen Gegebenheiten.

Karl Tschuppik

EIN SOHN AUSGUTEM HAUSE

Roman

Mit einem Vorwort von Joseph Roth undeinem Nachwort von Milan Dubrović

Ein Sohn aus guten HauseJoseph Roth

Ein echter Österreicher ist gestorben: Karl Tschuppik, einer aus dem alten Geschlecht der k. u. k. Österreicher.

Keine spezielle Berufsbezeichnung kann eine so komplexe Erscheinung hinreichend erklären. Man sagt wenig über Karl Tschuppik aus, wenn man erzählt, was er gewesen ist, und auch nicht viel mehr, wenn man jene seiner Werke und Aussprüche zitiert, die Bestand haben über den Tod ihres Autors. Wer war Karl Tschuppik? — Schriftsteller, Geschichtsschreiber, Politiker, theoretischer Stratege, Journalist. Seine Berufe und seine Berufung, seine reichen Gaben und seine starken Neigungen, sein privates und sein öffentliches Schicksal, seine Sympathien, seine Antipathien, seine private Menschlichkeit, seine öffentliche Haltung, die intime Gebärde, der Dialekt, der ein ausschließlich individueller war, eigentlich ein unnachahmlicher Tonfall einer österreichischen Stimme, die persönliche Kultur und die seines Geistes; alle diese Eigenschaften waren nicht österreichisch gefärbt, sondern von Österreich getränkt und gesättigt, sie waren lebendige Zeugnisse einer universal-österreichischen Vergangenheit, ohne die eine noch so restringierte österreichische Gegenwart unmöglich, eine österreichische Zukunft ausgeschlossen wäre …

Mit feinem Ohr vernahm Karl Tschuppik — der Historiker, dessen profunde Kenntnis und wissenschaftliche Sorgfalt die Grazie des Schriftstellers nährten — die Untertöne und Zwischenklänge der menschlichen Geschichte. Noch seine Skepsis hatte einen goldenen Glanz. Sie war ein heiterer Sonnenuntergang. Seine Ironie war elegant und versöhnlich. Aber sein Zorn und sein Groll kannten selten eine abschwächende Milderung. Und nachsichtig, ja leichtsinnig oft, wie er sich der Frivolität und der Nichtsnutzigkeit gegenüber zeigte, blieb er hart, wurde er manchmal fast bedrohlich, gegen jede Manifestation der pathetischen Plumpheit …

Man wird nun heute keine Bücher und Aufsätze mehr von Tschuppik lesen — und es gibt weit und breit kaum noch einen mehr, bei dem man sich, in Angelegenheit der Historie, einen klaren, detaillierten und zuverlässigen Rat holen könnte. Ein graziles Haus auf seinem soliden Fundament, ein diskreter, eleganter und vigoröser Stil; ein Mitteleuropäer mit kosmopolitischem Horizont und europäischem Gewissen; ein Liebhaber des Volks mit aristokratischen Manieren: dies Köstliche, Kostbare ist nun begraben …

Das letzte Buch Karl Tschuppiks — Ein Sohn aus gutem Hause — war sein erstes belletristisches, ein Roman aus dem alten Österreich. Der Autor erwies dem Schreiber dieser Zeilen die Ehre, ihm sein Buch mit folgenden Zeilen zu widmen: »Dem letzten Ritter meiner Welt!« – Von einem Todgeweihten zum letzten Ritter der österreichischen Welt erhoben, habe ich den Mut, diesen Abschied vom Österreicher Tschuppik mit den Worten, den nie verbrauchten, zu beschließen: »Austria erit in orbe ultima.«

Dem letzten Ritter meiner Welt!

Eines Tages, im Mai des Jahres 19…, hielt vor einem einstöckigen schmalen Barockhaus der Hofzeile im neunzehnten Bezirk von Wien ein Wagen der Rettungsgesellschaft. Die Bewohner dieser Gasse waren nicht danach beschaffen, den Regungen der Neugierde nachzugehen. In dem Kloster an der Ecke der Gasse wohnten Nonnen, von der Außenwelt wie durch einen dichten Schleier getrennt; das daneben liegende langgestreckte Haus hinter dem hohen Eisengitter war eine Heilanstalt für Nervenkranke. Der Rettungswagen, an diesem Ort keine seltene Erscheinung, hatte nur einige Kinder herbeigelockt, die sich drängten, einen Blick in das Innere des schwarzlackierten Gefährts zu tun. Zwei Männer mit rosafarbenen Kappen waren eben dabei, eine Tragbahre von den Riemen zu lösen. Dem Inneren des Wagens entströmte jener Geruch von Karbol und Äther, der Krankenhäusern und Operationssälen anhaftet.

Als die Männer mit der Tragbahre im Hause verschwunden waren, wurde es in der Gasse wieder ganz still. Der Kutscher des Rettungswagens beklopfte den Schenkel seines Handpferdes und zündete sich eine Zigarette an. Auf die Frage eines Jungen, was denn im Hause geschehen sei, zuckte er die Achseln. Das schmale Barockhaus, vor dem der Rettungswagen stand, gehörte zu den sogenannten verschwiegenen Häusern, wie sie in manchen Gassen der ruhigen Vororte zu finden waren. Man nannte sie so, weil sie kleine Geheimnisse zu verschweigen hatten, zu deren Hüter meist ein älteres Ehepaar, der Hausmeister und seine Frau, eingesetzt war. Sonst wohnte niemand darin. Der Sinn dieser Häuser war, verborgene Inseln jenseits des Bezirks der gesellschaftlichen Gesetze zu sein. Da sie durch ihre Sonderstellung die Sitte respektierten, wurden sie nicht als störend, geschweige denn als skandalös empfunden; auch sie gehörten zur gesellschaftlichen Ordnung. Hinter den Gardinen des verschwiegenen Hauses wohnte die Weisheit eines alten Regimes, dessen Erfahrung wußte, daß man notwendige Einrichtungen, zu denen die Ehe gehört, nur erhalten kann, wenn man auch dem Ehebruch eine Norm gibt. Eine gewisse taktvolle Art der kleinen Leute sorgte dafür, daß das Verschwiegene nicht über die Gasse hinausdrang, man war stolz, Mitwisser des Geheimnisses zu sein, und sperrte es vor Unberufenen ab.

Es mochte seit der Ankunft des Rettungswagens mehr als eine Stunde vergangen sein, als ein Fiaker vorgefahren kam, dem zwei Herren und ein Beamter des Sicherheitsdienstes entstiegen. Die Polizei des Kaisers Franz Joseph hatte die Gepflogenheit, in heiklen Fällen diskret zu sein. Man wartete das Dunkelwerden ab, dann erst öffnete sich das Tor des verschwiegenen Hauses. Die zwei Männer brachten die Tragbahre, nun belastet, wieder. Der Körper, den sie trugen, war mit einem Leintuch bedeckt. Es gab ein knarrendes Geräusch, als sie das ambulante Bett in den Rettungswagen schoben.

An diesem Abend geschah es, daß die gewohnte Ordnung im Hause des Ministerialrats d’Adorno eine merkwürdige Änderung erfuhr. Es war dort der Brauch, um sieben Uhr die Hauptmahlzeit zu nehmen, wobei Herr d’Adorno — im Hause nannte man ihn den Herrn Baron — an dem runden weißgedeckten Tisch im großen Speisezimmer seiner Frau gegenübersaß, während die beiden Kinder, der zwölfjährige Max und die neunjährige Lucy, die zwei Plätze zwischen den Eltern innehatten. Gewöhnlich war es so, daß Frau d’Adorno ihren Mann erwartete, die Tischblumen zurechtrückte, dafür sorgte, daß der weiße Tischwein eingekühlt werde. Herr von Adorno hielt auf ein gewisses Zeremoniell, und er liebte es, in diesem hellen, angenehmen Raum, der nach Blumen duftete, respektvoll-freundlich empfangen zu werden.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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