Ein Sommer in Savannah - Cara Lay - E-Book
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Ein Sommer in Savannah E-Book

Cara Lay

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Beschreibung

Ein prickelnder Liebesroman mit viel Herz und einer Prise Erotik vor der Kulisse Savannahs. Band 2 der Elliottville-Reihe von Cara Lay. Ein begehrtes Stipendium verändert das Leben von Livia Riggs schlagartig. Sie wird geradewegs von der beschaulichen elterlichen Farm ins pulsierende Großstadtleben Savannahs katapultiert. Kurz darauf erfährt sie auch noch, dass ihre Mitbewohnerin und Cousine Marisa ihr Geld als Escort-Girl verdient. Und plötzlich findet sich Livia in einer Welt aus Betrug und Verbrechen wieder, die sie bislang höchstens aus dem Fernsehen kannte. Als sie den charmanten, aber undurchsichtigen Staatsanwalt Gregory kennenlernt, muss sie sich obendrein um ihr eigenes Gefühlschaos kümmern. Sie weiß, um ihre Geheimnisse zu wahren, sollte sie sich von ihm fernhalten, doch seine Blicke und Berührungen sind zu verführerisch … Bald geraten die Cousinen in große Gefahr, und Livia bleibt keine Wahl, als ihr Leben in Gregs Hände zu legen. »Ein Sommer in Savannah« von Cara Lay ist ein eBook von feelings*emotional eBooks. Mehr von uns ausgewählte erotische, romantische, prickelnde, herzbeglückende eBooks findest Du auf unserer facebook-Seite. Genieße jede Woche eine neue Geschichte - wir freuen uns auf Dich!

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Cara Lay

Ein Sommer in Savannah

Roman

Knaur e-books

Über dieses Buch

Ein prickelnder Liebesroman mit viel Herz und einer Prise Erotik vor der Kulisse Savannahs. Band 2 der Elliottville-Reihe von Cara Lay.

Als sie ein begehrtes Stipendium erhält, verändert sich das Leben von Livia Riggs schlagartig. Nicht nur wird sie von der beschaulichen elterlichen Farm geradewegs ins pulsierende Großstadtleben Savannahs katapultiert. Bald erfährt sie, dass ihre Mitbewohnerin und Cousine Marisa ihr Geld als Escort-Girl verdient. Plötzlich findet sich Livia in einer Welt aus Betrug und Verbrechen wieder, die sie bislang höchstens aus dem Fernsehen kannte.

Als sie den charmanten, aber undurchsichtigen Staatsanwalt Gregory kennenlernt, muss sie sich obendrein noch um ihr eigenes Gefühlschaos kümmern. Sie weiß, um ihre Geheimnisse zu wahren, sollte sie sich von ihm fernhalten, doch seine Blicke und Berührungen sind zu verführerisch …

Bald geraten die Cousinen in große Gefahr, und Livia bleibt keine Wahl, als ihr Leben in Gregs Hände zu legen.

Inhaltsübersicht

1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. KapitelEinige Monate später
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1.

Auf die Freiheit!« Die drei Gläser trafen mit einem vernehmlichen Klirren über der Tischmitte aufeinander.

Es war einer jener selten gewordenen Abende, an dem es Liv gelang, sich mit Myra und Annie zu treffen. Myra – seit jeher Stubenhockerin – ließ sich, seit sie mit Cole zusammen war, noch schwieriger vor die Tür zerren. Auch die temperamentvolle Annie verbrachte jede freie Minute mit ihrem neuen Freund Tyler Hill. Heute hatten sich Annie und Myra jedoch Zeit für Liv genommen, galt es doch, ihren Abschied aus Elliottville gebührend zu feiern.

»Ich hätte nie gedacht, dass ausgerechnet du als Erste von uns die Schwingen ausbreitest, um in die große weite Welt hinauszufliegen«, sagte Myra und schwenkte gedankenverloren ihr Glas. »Du warst immer diejenige, die an Elliottville gefesselt schien.«

Sie hatte recht. Liv war in die Arbeitsabläufe auf der elterlichen Farm eingebunden, und es war fast unmöglich, den Hof, und sei es nur für wenige Tage, zu verlassen.

»Ich weiß«, stimmte Liv strahlend zu. »Es grenzt an ein Wunder.«

»Vermutlich hat dein Vater den Gegenwert des Stipendiums gesehen und war von den vielen Nullen vor dem Komma so beeindruckt, dass er nicht anders konnte, als dich ziehen zu lassen«, warf Annie grinsend ein.

»Hm.« Liv schürzte zweifelnd die Lippen. »Ich denke eher, er konnte dem geballten Ansturm der Frauen der Familie nicht länger standhalten.«

»Jetzt wird es spannend.« Myra stellte ihr Glas ab und beugte sich interessiert vor. »Wie habt ihr es denn nun geschafft, den gestrengen Mr Riggs weichzukochen?«

Lächelnd lehnte sich Liv zurück und genoss die Aufmerksamkeit ihrer Freundinnen. Ihr ereignisloses Dasein hatte sie bisher selten zum Mittelpunkt der Unterhaltung gemacht. Ihre Farm lag zu weit außerhalb, um in das gesellschaftliche Leben Elliottvilles eingebunden zu sein, und ein Date mit einem Mann scheiterte nicht nur an mangelnden Gelegenheiten, sondern obendrein an den konservativen Ansichten ihres Vaters.

Doch all das sollte sich jetzt ändern! Sie war Mitte zwanzig, hatte ein Stipendium ergattert, und das Leben stand ihr offen – zumindest einen ganzen Sommer lang! In einigen Monaten würde eine ganz neue Liv nach Elliottville zurückkehren, das war ihr fester Plan. Sie setzte sich in Pose und räusperte sich wichtig. »Das Ganze drohte an der Wohnraumfrage zu scheitern. Meine Eltern waren anfangs nicht so sehr gegen diesen Kurs, wie ich befürchtet hatte. Ich glaube, sie wissen, welches Opfer es für mich bedeutet, bei ihnen auf der Farm zu leben und zu arbeiten. Diese einzigartige Chance hätten sie mir sicher gegönnt. Mein Vater war vielleicht sogar ein kleines bisschen stolz, dass ich diesen Schreibwettbewerb gewonnen habe. Alles lief gut – bis die Frage nach der Unterkunft aufkam.« Liv rollte theatralisch mit den Augen. »Das Stipendium umfasst die Gebühren der Uni sowie sämtliche Lehrmaterialien, außerdem helfen sie bei der Suche nach vergünstigten Zimmern. Meine Eltern hörten nur etwas von Studentenwohnheim, da war die Sache für sie erledigt. Sie sahen mich vermutlich schon daueralkoholisiert durch die Flure torkeln, an jeder Seite einen knackigen Typen mit freiem Oberkörper.«

»Ausgerechnet du!«, prustete Annie los. »Aber sollte es dort wirklich so sein, sag Bescheid, ich eile dir zur Hilfe, falls es zu viele Kerle werden.«

»Was sagt denn Tyler dazu?« Myra hob mahnend den Zeigefinger in Annies Richtung. »Du bist jetzt vergeben.«

»Der hat ja nie Zeit«, konterte diese und zog einen Schmollmund. »Wenn wir zusammen sind, läuft es bombastisch. Der Typ ist der Knaller im Bett. Aber was nützt mir das, wenn wir uns nie sehen?« Annie warf Myra einen bedeutungsvollen Blick zu. »Es hat ja nicht jeder so viel Glück und angelt sich einen Halbgott, der den Boden unter den Füßen seiner Freundin anbetet und jede freie Minute mit ihr verbringen möchte. Wohnst du eigentlich noch in deinem Appartement?«

Myras Strahlen sprach Bände. »So ist das eben, wenn man frisch verliebt ist«, entgegnete sie lachend. »Und überhaupt haben wir uns jetzt drei ganze Tage lang nicht gesehen, weil Cole auf einer Geschäftsreise war.«

»Oh, du Arme«, spöttelte Annie weiter. »Wenn das so weitergeht, musst du direkt mitkommen, damit wir uns die Männer in Livs Wohnheim teilen können.«

»Aber ich bin doch gar nicht im Wohnheim«, unterbrach Liv energisch den Schlagabtausch. »Das Wohnheim hätten meine Eltern mir niemals erlaubt!« Liv sah ihren Freundinnen an, dass beiden der Hinweis auf ihr Alter auf der Zunge lag. »Ich könnte nicht ohne ihre Zustimmung weggehen«, fügte sie deshalb rasch hinzu. »Ich hätte kein gutes Gefühl dabei.«

»Und nun? Hast du eine Wohnung in Savannah?« Myra wirkte erstaunt. Kein Wunder, sie wusste um die beengten finanziellen Verhältnisse der Familie Riggs.

»Nein, selbst für ein Studentenzimmer hätten meine Ersparnisse kaum gereicht.« Liv schüttelte den Kopf. »Meine Tante Trish war die Rettung. Genauer gesagt, meine Cousine Marisa. Die lebt und studiert in Savannah.« Sie grinste. »Zumindest behauptet sie das, nur hat meine Tante gewisse Zweifel, und das ist jetzt mein Glück.« Als sie die ratlosen Blicke ihrer Freundinnen auffing, erklärte sie: »Es ist so: Marisa ist das genaue Gegenteil von mir. Sie hat sich von zu Hause abgenabelt, hält kaum Kontakt zu ihrer Mutter, und wenn die beiden mal reden, dann kommt es Tante Trish so vor, als hätte sie jeden Zugang zu Marisa verloren. Falls sich meine Cousine mal daheim sehen lässt, trägt sie teure Klamotten, die sie sich eigentlich nicht leisten kann, und sieht aus wie dem Cover eines Hochglanzmagazins entstiegen. Kurz gesagt: Tante Trish kommt um vor Sorge, weil sie nicht weiß, was ihre Tochter in der großen Stadt treibt. Als sie hörte, dass ich nach Savannah gehe, war sie aus dem Häuschen vor Freude, weil endlich jemand ein Auge auf Marisa haben kann.«

»Du sollst deine Cousine bespitzeln?« Myras Augenbrauen schossen in die Höhe. »Du weißt, wie schnell solche Aufträge danebengehen.« Myra hatte unlängst schlechte Erfahrung in ihrem Job als Journalistin gemacht, als sie für einen Zeitungsartikel Conrad Hughford, Coles Vater, ausspionieren sollte. Ihre Anstellung bei der Zeitung war sie daraufhin los, und beinahe hätte sie auch Coles Zuneigung verloren.

»Ja, ich weiß«, räumte Liv kleinlaut ein. »Aber vielleicht ist ja alles ganz harmlos. Dann kann ich Tante Trish beruhigen und habe gleichzeitig eine Bleibe in Savannah. Meine Tante hat die Dinge in die Hand genommen und mit meinem Vater geredet. Ich wohne also bei meiner Cousine, mein Vater hat nicht gewagt, seiner Schwägerin zu widersprechen. Alle sind glücklich.« Livia strahlte ihre Freundinnen an. Sie war gewiss glücklich.

 

Am nächsten Tag musste Livia nur noch endlos lange vier Stunden neben ihrem Vater überstehen, der nicht besonders fröhlich wirkte, während er in die Lincoln Street einbog, um Liv in die Obhut ihrer Cousine zu übergeben.

Marisas Gesicht sah nicht wesentlich vergnügter aus als das ihres Onkels, als sie die Tür öffnete.

Livia schaute sich mit großen Augen um. Bereits das Äußere des Hauses hatte sie beeindruckt. Die hellgrüne Holzverkleidung, die roten Ziegel der Treppe und des Daches sowie die umlaufende, in Weiß gehaltene Veranda bildeten eine harmonische Farbkomposition; kleine Erker, ein Balkon sowie die strahlend weißen Fenstersimse sorgten für einen verspielten Anblick. Das Vordach wurde von zwei Säulen gestützt und erinnerte an das Portal einer Villa. Liv verglich dieses Gebäude unwillkürlich mit dem ausgesprochen nüchternen elterlichen Wohnhaus und zog den Kopf ein. Sie fühlte sich bereits provinziell, bevor sie nur einen Fuß über die Schwelle gesetzt hatte. Im Inneren wurde es nicht besser. Hier hatte sich jemand mit einem Design-Magazin in der Hand ausgetobt. Jedes einzelne Stück der spärlichen Möblierung wirkte bewusst in Szene gesetzt. Die Möbel dienten hier nicht dem Zweck, dem Mobiliar dienen sollte – darauf sitzen, liegen, etwas hineinstellen. Es handelte sich vielmehr um die Installation eines Gesamtkunstwerks. Zumindest kam es Livia so vor, die auf der Stelle den Eindruck hatte, deplatziert zu sein. Sie warf einen Seitenblick auf ihren Vater, dem ähnliche Gedanken durch den Kopf zu gehen schienen. Das wusste sie, bevor er auch nur einen Ton zu der Ansammlung an Designobjekten gesagt hatte. Zögerlich stellte er Livs Reisetasche ab, als befürchtete er, allein dadurch die im hereinfallenden Sonnenlicht blendenden weißen Bodenfliesen zu beschädigen. Steif reichte er seiner Nichte die Hand.

»Ähm … schön hast du es hier«, brummte er, sichtlich darum bemüht, seinen ersten Schreck über diese futuristisch anmutende Möblierung zu überwinden. »So viel Glas und Metall. Ähm … modern. Ja.«

Liv sah auf ihre Schuhspitzen, um ihr Grinsen zu verbergen. Gleich darauf wurde sie jedoch ernst, als ihr einfiel, dass sie die nächsten drei Monate inmitten dieser Museumslandschaft verbringen müsste. Das weiße Ledersofa sah nicht so aus, als könnte man darauf herumlümmeln. Eine Tüte Chips durfte sich vermutlich nicht auf zehn Schritte den Sofaritzen nähern.

Marisa bog die Mundwinkel andeutungsweise nach oben. »Nun ja, so ist das eben, wenn man am College of art and design eingeschrieben ist.« Ein gekünsteltes Lachen folgte. »Ich habe schließlich erst Möbeldesign studiert, bevor ich auf Fashion Marketing and Management umgestiegen bin.«

Mr Riggs verkniff sich jeden weiteren Kommentar, hatte es jedoch mit einem Mal unerwartet eilig, sich zu verabschieden. Liv überlegte für einen Moment, ob sie ihre Tasche schnappen und ihm schnurstracks zum Auto folgen sollte – so übermächtig wurde der Wunsch, nicht in diesem kalten Ambiente wohnen zu müssen. Aber natürlich siegte ihr Verstand. Für die Chance auf den Schreibkurs am College of liberal arts, das zur Armstrong Atlantic State University gehörte, hätte sie auch im Schlafsack vor dem Hörsaal übernachtet.

 

Als sie allein waren, sah Marisa Livia an. Lange und irgendwie abschätzig. Liv musste sich zusammenreißen, um nicht verlegen von einem Bein aufs andere zu treten. Ihre Cousine war schon immer selbstbewusster gewesen. Weltgewandter, obschon auch sie nur aus einer Kleinstadt stammte, aber verglichen mit der abgelegenen Farm, auf der Liv aufgewachsen war, galt das nahezu als Metropole. Hatte Marisa doch Zugang zu einer Mall gehabt, mit Boutiquen, Cafés und einem Kino, ohne dass sie dafür erst eine halbe Stunde über Feldwege hoppeln musste. Marisa hatte sich die Haare schon zu aberwitzigen Frisuren hochgesteckt, als Liv noch zwei geflochtene Zöpfe trug. Sie lief in knappen Outfits herum, als Liv noch Jeans und T-Shirts mit Comic-Prints anzog, und sie hatte eine Vorliebe für Schuhe mit spektakulären Absätzen entwickelt, in denen Livia keine zehn Meter weit gekommen wäre. Und daran hatte sich bis heute nicht viel geändert.

Die lustigen Prints auf Livias Shirts gehörten der Vergangenheit an, und die beiden seitlichen Zöpfe waren mit den Jahren zu einem einzigen geworden, der in ihrem Rücken fast bis zur Hüfte reichte. Davon abgesehen, bevorzugte sie nach wie vor Jeans und Sneaker und galt schon als geschminkt, wenn sie nur etwas Lipgloss auftrug.

Marisa hingegen sah aus, als wolle sie direkt in den Samstagabend starten – und zwar nicht in der Livia-Version mit DVD auf dem Sofa, sondern in einen angesagten Klub.

»Willst du ausgehen?«, rutschte es Livia heraus.

»So?« In dieser einen Gegenfrage schwang ein vollständiger Aussagesatz mit. Der lautete: »Oh Mann, du hast wirklich keine Ahnung.«

Livia biss sich auf die Lippe. »Ich dachte nur … also dein Kleid, es ist so schön.«

Marisas angespannte Züge glätteten sich sofort. »Ach, das.« Sie winkte ab. »Das habe ich mir schnell übergestreift, als ich euch vorfahren sah. Das ist doch nichts Besonderes.«

»Und vermutlich hast du auch für die kunstvolle Frisur nicht Stunden vor dem Spiegel gestanden«, dachte Livia, verkniff sich diese Spitze jedoch; immerhin wollte oder musste sie die nächsten drei Monate mit ihrer Cousine auskommen, da sollte sie es sich nicht schon in der ersten halben Stunde mit ihr verscherzen.

Marisa macht eine hoheitsvolle Geste in Richtung Tür. »Folge mir bitte nach oben, ich zeige dir das Gästezimmer.« Sie ließ ihren Blick durch den Flur gleiten. »Wo ist denn das restliche Gepäck?«

Liv schulterte ihre Reisetasche. »Welches restliche Gepäck?«

»Du willst doch wohl nicht sagen, dass du für drei Monate mit den paar Klamotten gekommen bist?«

Liv schluckte. Beinahe hätte sie zugegeben, dass sie gar nicht viel mehr hatte. Sie lief wirklich immer gleich herum: Sneaker, Jeans, Shirt. Zur Abwechslung hatte sie nur zwei Kleider, ebenso viele Röcke und ein Paar flache Sandalen. Sie seufzte innerlich. Sie fühlte sich nicht nur provinziell – sie war es definitiv. Da Marisa immer noch auf eine Antwort wartete, zuckte Liv unbestimmt mit den Schultern. »Gibt doch Waschsalons.«

»Unten stehen Trockner und Waschmaschine. Aber das meinte ich nicht.«

Liv wusste, was Marisa meinte, aber was sollte sie schon dazu sagen? Marisa drehte sich ohne weiteren Kommentar um und stieg die Treppe in den ersten Stock hinauf. Ein dicker, cremefarbener Teppich bedeckte den Gang, von dem einige Türen abgingen. »Hier ist mein Zimmer«, erklärte Marisa, »hier das Badezimmer, unten ist auch noch ein Gäste-WC, hier ist ein Abstellraum, und das hier«, sie stieß eine Tür auf, »ist dein Reich für die nächsten Wochen.« Sie rang sich ein halbherziges Lächeln ab. »Willkommen.« Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und ließ Livia allein.

Das Zimmer war nicht groß, aber gemütlich. Erleichtert atmete Livia auf. Nach dem Albtraum von einem Wohnzimmer hatte sie mit dem Schlimmsten gerechnet. Dieser Raum war erfreulich durchschnittlich. Helle Holzmöbel, bestehend aus Bett, Tisch, Stuhl und Schrank, ein feines Blümchenmuster auf der Tapete und luftige Vorhänge, die sich im Windhauch bauschten, als Livia das Fenster einen Spalt öffnete, um den Kopf hinauszustrecken.

Warme Sommerluft schlug ihr entgegen. Marisas Haus lag in einem gepflegten Wohngebiet. Schmale baumbeschattete Straßen, hübsch gestaltete Vorgärten und Häuser, die dem ähnelten, aus dem sie gerade herausspähte. Definitiv keine schlechte Gegend. Livia verstand die Frage ihrer Tante, wie Marisa sich das alles leisten konnte. Sie hatte kein Vollstipendium, das teure Privatcollege bezahlte zum größten Teil Marisas Mutter. Für ihren Lebensunterhalt musste Marisa arbeiten. Angeblich hatte sie abends einen Job im Büro. »Ablage machen und solche langweiligen Dinge«, hatte sie ihrer Mutter einmal erzählt, die diese Information an Liv weitergegeben hatte.

Livia wandte sich vom Fenster ab und begann, ihre wenigen Habseligkeiten auszupacken. Ein paar Minuten später – sie hatte gerade die leere Tasche weggeräumt – klopfte es an der Tür. Marisa trat ein, den Arm voller Kleidung. Sie ließ die Sachen aufs Bett fallen.

»Aus dir machen wir jetzt erst mal eine Stadtpflanze«, sagte sie. »Nein, keine Widerrede!«, fügte sie sofort hinzu, als sie Livs Miene bemerkte. »So kannst du am Montag nicht zur Uni.«

»Was ist falsch an einer Jeans?«, protestierte Livia.

»Nichts, wenn das Oberteil stimmt. Aber weite Schlabber-Shirts wie das da«, sie zeigte kopfschüttelnd auf Livias Oberkörper, »gehen gar nicht. Also los jetzt.«

Die nächste Stunde verbrachten die Cousinen mit Livias Make-over. Drei mitgebrachte Jeans fanden Gnade unter Marisas Augen, die dazu passenden Oberteile kamen von Marisa. Taillierte Shirts, Blusen, dazu zwei Kleider und zwei Röcke nahmen den Weg in Livias Kleiderschrank. Die wusste nicht, wie ihr geschah.

»D… Danke«, stammelte sie schließlich, als Marisa mit zufriedenem Gesicht den Kleiderschrank schloss. Im Spiegel sah Livia zwei junge Frauen, die eine in einem taillierten Kleid, die andere in einem engen kurzen Rock in dunklen Grautönen mit einem passenden, recht knapp geschnittenen Top in hellem Grau, dazu einen leichten Chiffonschal und einen breiten Gürtel, beides knallbunt. Etwas zu gewagt nach Livias Geschmack.

Marisa schnalzte hingegen anerkennend mit der Zunge. »Viel besser«, sagte sie. »Wie gut, dass du meine Figur hast.«

Tatsächlich hätten die Cousinen auch Schwestern sein können. Größe und Körperbau waren identisch, die gleichen hellblauen Augen strahlten aus einem leicht gebräunten Gesicht mit ebenmäßiger Haut, und wären nicht die Haare so unterschiedlich gewesen, hätte man sie aus der Ferne womöglich sogar für Zwillinge halten können. Marisas blonde Haare flossen glatt, aber schwungvoll über ihren Rücken. Livia dagegen hatte die Naturlocken ihrer Mutter geerbt. Ihr Haar zeigte ein ähnliches Blond wie das Marisas, doch durch die Krause wirkte es stumpf und dunkler. Niemals hätte sie es offen tragen können, nach wenigen Minuten in der feuchten Luft Georgias sah sie aus, als hätte sie in eine Steckdose gefasst.

Der Blick ihrer Cousine glitt suchend durch den Raum. »Wo ist dein Schminkzeug? Hast du es schon im Bad untergebracht?«

»Alles hier drin.« Liv deutete auf einen Kulturbeutel, der noch am Fußende des Betts darauf wartete, verstaut zu werden. »Lipgloss und Puder, mehr benutze ich nicht.«

Marisas genuschelter Kommentar hörte sich verdächtig nach »hoffnungslos« an, ihr Augenrollen verriet auch ohne deutliche Worte, was sie dachte. »Darum kümmern wir uns später«, sagte sie, nachdem sie wieder ein etwas aufgesetztes Lächeln in ihr Gesicht gezaubert hatte. »Ich muss mich fertig machen, ich will bald los, Carlos konnte mich gerade noch dazwischenschieben, da darf ich mich nicht verspäten. Lohnt danach nicht mehr, nach Hause zu kommen, wir sehen uns also morgen irgendwann.« Marisa hatte das Zimmer verlassen, noch bevor Liv auf diesen Redefluss hätte reagieren können. Verdutzt blickte sie ihrer Cousine hinterher. Deren Verhalten war wirklich schwer einzuordnen. Und wer war Carlos?

 

Während Marisa im Bad herumwerkelte, stand Liv unschlüssig in ihrem Zimmer. Sie hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, wie sie die ersten Tage in Savannah verbringen würde, und wusste nun nichts mit sich anzufangen. Auf der Farm gab es immer irgendetwas zu tun, und in den seltenen Momenten, in denen wirklich einmal Ruhe herrschte, setzte sich Liv mit einer Tasse Kaffee zu ihrer Mutter oder verabredete sich mit Myra oder Annie. Ein Gefühl von Schwermut überkam Livia, und sie schüttelte den Kopf, um es loszuwerden. Sie war noch keinen Tag weg aus Elliottville, und schon machte sich Heimweh bemerkbar? Es war ihr Traum gewesen, in die große Stadt zu gehen, das Unileben und neue Menschen kennenzulernen – und sei es nur für die drei Monate, die das Stipendium ihr dies ermöglichte. Energisch kämpfte sie die Melancholie nieder, richtete sich auf und trat auf den Flur hinaus. Marisa war noch immer im Bad, also kehrte Liv in ihr Zimmer zurück und nahm ein Buch mit nach unten. Da das Wohnzimmer nichts von seiner wenig einladenden Kälte eingebüßt hatte, setzte sich Livia auf die Veranda, die das Haus umgab. Die breite Holzbank im weißen Shabby-chic-Stil sah mit ihren bunten Kissen freundlich aus. Liv kuschelte sich an, legte den Kopf zurück und schloss die Augen. Ein leichter Wind strich über ihr Gesicht, etwas entfernt rauschte der Verkehr, doch in ihrer unmittelbaren Umgebung übertönte das Vogelgezwitscher aus den großen Bäumen am Straßenrand jedweden anderen Laut. So konnte man es wirklich aushalten. Die Anspannung der letzten Stunden fiel von ihr ab, und sie merkte, wie sich ihre Mundwinkel wie von selbst zu einem leisen Lächeln nach oben bogen.

»Ach, hier steckst du.« Mit einem Klacken fiel die Insektenschutztür hinter Marisa zu, die auf die Veranda stöckelte.

Liv riss die Augen auf und sah ihre Cousine wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt an. In gewisser Weise war sie das auch. Nie hatte sie die Unterschiede zwischen ihr und Marisa bei aller optischen Ähnlichkeit deutlicher wahrgenommen. Allein diese aberwitzig hohen Stilettoabsätze, die länger wirkten als der winzige Minirock, der kaum diese Bezeichnung verdiente. Das Outfit war hart an der Grenze zu nuttig, und Liv wurde abwechselnd heiß und kalt, wenn sie daran dachte, dass ihre Tante einen Bericht darüber erwartete, was ihre Tochter in der Stadt trieb. Beim Anblick dieses Outfits schossen Livia die wildesten Fantasien durch den Kopf.

Falls Marisa die Verwirrung ihrer Cousine auffiel, überging sie diese lässig. »Wenn du heute noch ausgehen willst, das RMagic ist gerade angesagt. Der Bus fährt da vorne ab.« Sie zeigte in eine ungefähre Richtung. Liv wusste, dass dort die Hauptstraße lag, weil sie am Mittag von dort gekommen waren. »Hier ist ein Haustürschlüssel für dich. Kühlschrank ist voll, Kaffeemaschine selbst erklärend.« Ohne ihre Cousine weiter zu beachten, trippelte Marisa die hölzernen Stufen zum Weg hinab und verschwand mit einem lässigen Winken um die Ecke.

Kurz darauf startete ein Motor, dann sorgten wieder allein die Vögel für die Hintergrundgeräusche. Liv ließ sich gegen die Lehne der Bank fallen und vermisste ihre Freundinnen.

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2.

Die folgenden Tage flogen nur so dahin. Liv und Marisa hatten eine angenehme Form des Zusammenlebens gefunden, die vor allem darauf basierte, nicht stattzufinden. Wenn Liv von der Uni nach Hause kam, war Marisa meist kurz darauf schon wieder unterwegs. Liv wunderte sich, weil Marisa anscheinend nie etwas für das College machen musste, andererseits fühlte sich Livia gerade selbst wie im Urlaub.

Die Uni verlangte ihr noch nichts ab, die erste Woche diente der Orientierung, das bedeutete, es gab Einführungsveranstaltungen zum gegenseitigen Kennenlernen, jedoch noch keine Kurse.

»Im Grunde ist Einführungswoche auch nur eine Umschreibung für siebentägige Party«, kommentierte Livia, als sie von Réjane einen Plastikbecher entgegennahm, in dem etwas undefinierbar Orangenes schwappte, das laut dem am Tisch lehnenden Plakat die beschönigende Bezeichnung »fruchtig frischer Sommercocktail« trug. Aus großen Boxen schallte Musik über die Wiese, die – eingerahmt von roten Backsteingebäuden, in denen sie die nächsten Wochen Literaturkurse belegen würden – das aktuelle Zentrum des studentischen Partylebens bildete. Zu den ersten früh angereisten Freshmen, deren reguläres Semester in Kürze losging, gesellten sich Studenten wie Liv, die bis in den Spätsommer hinein spezielle Paketangebote wahrnahmen. Überall verteilten sich kleine Gruppen, vereinzelt erklang Gelächter.

Réjane warf einen skeptischen Blick auf den Inhalt ihres Bechers, bevor sie daran nippte und sofort das Gesicht verzog. »Merde«, schimpfte sie, »der besteht ja nur aus Alkohol mit etwas Farbe. Wollen die uns vergiften, oder meinen die, man muss sich die Uni schön saufen?« Dann grinste sie verschmitzt. »Andererseits erleichtert es die Kontaktaufnahme, und dafür sind wir schließlich hier.« Ihre Augen wanderten über eine Gruppe, die etwas von ihnen entfernt stand. Als hätte er das Interesse gespürt, drehte sich ein großer Lockenkopf wie aufs Stichwort um. Begleitet von einem breiten Lächeln, winkte er aufgeregt. »Réjane, wie schön, komm her und bring deine Freundin mit!«

Lächelnd folgte Livia Réjane. Sie hatten sich am Vortag auf einer eher langweiligen Veranstaltung kennengelernt und sofort gut verstanden. Die französische Austauschstudentin erinnerte Livia mit ihrer temperamentvollen Art an Annie, auch wenn die optische Ähnlichkeit der beiden gering war.

Réjane wurde sofort in die Gruppe gezogen. Der Lockenkopf legte einen Arm um die Französin und meldete damit offensichtlich gegenüber seinen Freunden Besitzansprüche an, gegen die Réjane durchaus nichts einzuwenden hatte. Sie schmiegte ihren Kopf an seine Schulter und warf ihm ein kokettes Lächeln zu. Wenngleich Livia weder an dem Lockenkopf noch an einem seiner Freunde Interesse hatte, versetzte es ihr doch einen Stich, wie spielerisch einfach Réjane mit der Gruppe verschmolz. Livia seufzte. So war es bereits in Elliottville gewesen. Stets war sie die Außenseiterin. Die Farm lag zu weit draußen. Bis sie ihren eigenen Führerschein hatte und – viel schwieriger noch – bis ihr Vater ihr endlich das Familienauto anvertraute, hatte sie buchstäblich auf der Farm festgesessen und sich die Abende mit Romanhelden vertrieben, während ihre Mitschülerinnen die ersten Küsse erhielten. Besser geworden war es erst, als sie bei einem Schreibkurs der städtischen Bibliothek Annie und Myra kennenlernte. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie echte Freundinnen. Den beiden gelang es nach und nach, Liv aus ihrem Schneckenhaus zu locken.

Und jetzt war sie hier – inmitten einer fantastischen Großstadt, an einer der wichtigsten Universitäten des Staates, umgeben von unzähligen Menschen. Dennoch wurde Liv den Eindruck nicht los, allzu viel hatte sich nicht geändert. Angesichts der fremden Kommilitonen war ihre alte Schüchternheit wieder da – und obwohl Réjane sich in diesem Moment zu ihr umdrehte und auffordernd ihre Hand ausstreckte, um sie näher an die Gruppe zu beordern, machte sich in Liv das vertraute Fünfte-Rad-am-Wagen-Gefühl breit.

Mit einem schmalen Lächeln schüttelte sie den Kopf. »Meine Cousine wartet«, log sie und hatte beim Anblick der enttäuschten Miene der Französin sofort ein schlechtes Gewissen. Auch einer der Typen sah sie bedauernd an, als sich Liv kurz entschlossen verabschiedete. Wilde Studentenpartys waren nichts für sie. Auf dem Weg zur Bushaltestelle überfiel sie Ernüchterung. Es hatte doch alles anders werden sollen. Das war ihre Chance gewesen, einen großen Freundeskreis aufzubauen. Zumindest für drei Monate hätte sie das Leben führen können, das sie sich in ihrer Highschoolzeit immer gewünscht hatte. Und der eine Typ hatte doch eigentlich ganz nett gewirkt. Vielleicht hätte sie mutiger sein sollen. Bestimmt hätte sie mutiger sein sollen. Ab morgen, das schwor sich Liv, würde alles anders werden. Doch heute Abend wollte sie lieber noch einmal den Kopf in den Roman stecken, der auf dem Nachttisch wartete.

 

Am Ende der Einführungswoche hatte Liv sich immerhin einige Male auf einen Kaffee mit Réjane getroffen und war mittags mit ihr und dem Lockenkopf, der Brett hieß, sowie einigen seiner Freunde essen gegangen. Da das Pensum des Kurses erschreckend straff war, stellte sich für Liv die Frage nicht mehr, ob sie abends ausgehen sollte – sie hatte schlicht keine Zeit für andere Aktivitäten. Auf Marisa traf sie nur selten. Immer häufiger wunderte sich Livia über das Leben, das ihre Cousine führte. Angefangen vom kleinen, sportlichen Flitzer, den sie fuhr, über die erlesene Ausstattung des Hauses, das für eine Studentenbude deutlich zu groß war, bis hin zu den teuren Outfits. Marisa hatte mit Designernamen um sich geworfen, von denen Liv mindestens die Hälfte nicht kannte, die aber offenbar in der Modewelt wichtige Label waren, so wie Marisa die Namen betonte. Einiges davon gefiel Livia sogar, andere Stücke fand sie entschieden zu offenherzig. Niemals würde sich Livia so aus dem Haus wagen – völlig gleichgültig, wie lange sie in der Großstadt lebte oder wie sehr sie von ihrer Cousine modisch umerzogen werden würde.

Das Klingeln des Telefons riss Livia aus ihren Grübeleien. Sie konnte sich nicht erinnern, ob Marisa das Haus schon verlassen hatte – die Haustür klemmte ein wenig, sodass Liv für gewöhnlich hörte, wenn ihre Cousine kam oder ging. Da das Telefon beharrlich weiterläutete, legte Liv mit einem genervten Ausatmen ihr Buch zur Seite und lief die Treppe hinab. Über Festnetz kamen nur selten Anrufe an, und die wenigen waren in aller Regel für Marisa. Nachdem sich die Anruferin gemeldet hatte, wünschte sich Livia sofort, das Klingeln überhört zu haben.

»Oh, hallo, Tante Trish«, säuselte Liv und zwang ihre Mundwinkel nach oben, da sie mal gehört hatte, man bekäme allein anhand der Stimme mit, ob der Gesprächspartner am Ende der Leitung lächelte. Dabei wäre sie am liebsten in einem Loch im Boden versunken. Was sollte sie antworten, wenn ihre Tante …

»Liebes, schön, dass ich dich dranhabe.«

Schon ging es los. Trisha rief ihretwegen an. Livia stockte unwillkürlich der Atem.

»Wie geht es denn meiner Lieblingsnichte?«, flötete es aus dem Hörer. Den lauernden Unterton konnte Trisha nicht kaschieren. »Hast du dich gut eingelebt?«

»Oh, ja, danke, die Kurse sind interessant und meine Kommilitonen nett.«

»Und Marisa? Versteht ihr euch gut? Hat sie dir die Stadt schon gezeigt?«

»Ich habe mir schon einiges von Savannah angesehen.« Dass Trisha eigentlich etwas anderes wissen wollte, war Livia klar, aber sie würde ihre ohnehin beunruhigte Tante nicht noch nervöser machen, indem sie ihr erzählte, dass Marisa vorwiegend abends und nachts aktiv war und dabei niemals aussah, als würde sie zu ihrem langweiligen Bürojob aufbrechen.

»Äh, ja, das freut mich. Was macht ihr denn, wenn ihr zusammen seid?«

»Marisa gibt mir Styling- und Schminktipps.« Das war zumindest nicht gelogen, auch wenn der zeitliche Rahmen, in dem diese gemeinsame Unternehmung stattgefunden hatte, denkbar gering war.

»Ach ja, das kann ich mir vorstellen, das ist ganz sicher Marisas Berufung.« Trisha lachte.

Nachdem Liv ihr versichert hatte, sie werde Marisa, die leider gerade aus dem Haus war, Grüße ausrichten, beendete ihre Tante zum Glück das Verhör. Aufatmend legte Liv den Hörer in die Ladeschale zurück und zuckte augenblicklich zusammen, als Marisas Stimme schneidend an ihr Ohr drang.

»Was wollte meine Mutter von dir?«

Langsam drehte Liv sich um. »Ich nehme an, sie wollte eigentlich mit dir sprechen. Ich wusste nicht, dass du zu Hause bist.«

»Bin gerade reingekommen.« Marisa zog die Augenbrauen zusammen. »Was wollte Trisha denn? Ihr habt doch über mich gesprochen!«

Wenn sie wüsste, wie hässlich sie mit den Runzeln aussieht, würde sie nicht so ein böses Gesicht ziehen, dachte Livia und grinste innerlich. Äußerlich gelassen, erwiderte sie: »Sie wollte wissen, ob ich mich eingelebt habe und ob wir uns gut verstehen. Das nennt man höfliches Interesse. Menschen machen so etwas, weißt du?« Sie schenkte ihrer Cousine ein liebreizendes Lächeln und schob sich an ihr vorbei auf den Flur. Hoffentlich blieb es bei dieser einen telefonischen Inquisition. Es behagte Livia überhaupt nicht, so zwischen ihrer Tante und ihrer Cousine zu stehen.

 

»Überraschung!« Mit einem strahlenden Gesicht erschien Marisa in Livs Türrahmen. Zwei Tage waren seit Trishas Anruf vergangen, in denen die Cousinen auch weiterhin kaum miteinander gesprochen hatten. Deshalb konnte sich Liv auch keinen Reim auf Marisas fröhliche Miene machen.

»Ja?«, erwiderte sie fragend und im Grunde nur mäßig interessiert. Sie sollten über das Wochenende eine Kurzgeschichte plotten sowie schreiben, und Livia schwante bereits, dass diese Aufgabe wesentlich aufwendiger war, als sie sich zunächst anhörte. Deshalb wollte sie sich durch nichts davon ablenken lassen – schon gar nicht durch ihre Cousine, denn welche interessante Überraschung sollte die für Livia haben? Ein weiteres Shirt aus Marisas Beständen brauchte sie nun wirklich nicht.

Ihre Cousine ließ sich nicht anmerken, ob sie Livias unterschwellige Ablehnung wahrnahm. Unbeeindruckt tänzelte sie ins Zimmer. »Du und ich, wir machen morgen einen Cousinentag. Ich habe es geschafft, auch für dich noch einen Termin bei Carlos zu bekommen, danach essen wir eine Kleinigkeit und dann … tadaaa …«, sie machte eine dramatische Pause, »dann gehen wir ins ›RMagic‹. Ich werde dich in Savannahs Nachtleben einführen!« Sie klatschte, von sich selbst begeistert, in die Hände. »Na, was sagst du?«

Cousinentag. Daher wehte der Wind. Trishas Anruf hatte Marisa wachgerüttelt, die nun entweder ein schlechtes Gewissen beruhigen wollte oder schlicht Sorge hatte, Livia könnte beim nächsten Telefonat womöglich nicht genug zu berichten haben. Livia hatte bereits eine bissige Antwort auf der Zunge, als sie sich bremste. Vielleicht wäre diese Abwechslung doch ganz nett. Ihr Plan für den Sommer war schließlich, eine neue Livia zu entdecken. Eine, die ausging und neue Leute traf. Und womöglich auch flirtete. Eventuell lernte sie sogar einen attraktiven Typen kennen. Annie, Myra und sie wollten ihr Singledasein beenden. Diesen Plan hatten sie zu Beginn des Sommers gefasst, und Myra und Annie waren beide inzwischen glücklich mit Cole und Tyler. Zumindest Myra und Cole waren glücklich, korrigierte sich Livia. Annie hatte die letzten Male darüber geklagt, dass Tyler zu wenig Zeit für sie hatte.

»Und?« Marisa klang ungeduldig.

»Ja, gerne, das ist eine gute Idee.« Livia lächelte Marisa friedfertig an. »Ich freue mich.«

 

Die ersten Bedenken, ob die Idee tatsächlich so gut war, kamen Livia bereits beim Betreten des ausgesprochen luxuriösen Salons von Carlos, der sich als Marisas Friseur und Stylist entpuppte. Livia entspannte sich ein wenig, nachdem Marisa ihr zugeflüstert hatte: »Keine Sorge, das geht auf meine Rechnung.«

Trotzdem konnte Liv sich nicht voller Ruhe in die sicherlich fähigen Hände von Carlos’ Assistentin begeben. Sie fühlte sich wie ein Fremdkörper zwischen all den Personen, die hier in einer ihr völlig fremden Welt genau zu wissen schienen, was von ihnen erwartet wurde – aufseiten des Stylistenteams ebenso wie aufseiten der Kundinnen. Nur Liv warf immer wieder einen Hilfe suchenden Blick zu ihrer Cousine, die ganz in ihrem Element war.

Bevor eine Horde Assistenten über Marisa herfiel, beratschlagte man sich noch mit fachkundiger Miene, wie mit Livia zu verfahren sei. Diese kam sich vor wie eine renovierungsbedürftige Wand in einem vom Verfall bedrohten Haus. Da niemand von ihr eine eigene Meinung oder gar Mitarbeit zu erwarten schien, ließ sie Carlos und die immer größer werdende Gruppe um sich herum gewähren und musste irgendwann sogar zugeben, dass sich die Kopfmassage angenehm anfühlte und es auch kein Grund zum Weglaufen war, dass ihr die Hände massiert und die Fingernägel lackiert wurden, während eine ätzend riechende Masse auf ihrem Kopf einwirkte. Sie hatte etwas erschrocken auf die Menge an Tunke gestarrt, die eine von Carlos’ Mitarbeiterinnen in bestimmten Abständen auf Livias Locken pinselte, sich dann aber damit beruhigt, dass Marisas unbestreitbar gutes Aussehen unter anderem Carlos zu verdanken war.

Nachdem das Werk vollbracht war – just in dem Augenblick, als ihr die Prozedur allmählich zu viel wurde –, starrte Livia ungläubig auf die Person, die ihr aus dem Spiegel entgegenlächelte. Sie war so stark geschminkt wie nie zuvor in ihrem Leben, so dezent allerdings, dass es kaum auffiel und doch ihre glänzenden Augen riesig und ihre Lippen sinnlich und voll erscheinen ließ. Die Augenbrauen waren akkurat gezupft, und die Wimpern bildeten einen dichten Kranz.

Selbst Marisa schien hingerissen zu sein. Die übliche Geringschätzung, die so häufig in ihrem Blick lag, wenn sie Livia ansah, war verschwunden und hatte ehrlicher Bewunderung Platz gemacht.

»Du siehst großartig aus«, sagte sie, und nur die deutlich heraushörbare Verwunderung darüber gab Livia einen kleinen Stich. Dennoch konnte nichts ihr Hochgefühl trüben, das sich in ihr ausbreitete, zumal das gesamte Team nach und nach an ihrem Stuhl vorbeischaute, um sie mit anerkennender Miene zu begutachten.