Ein Tag im Leben zweier Lausbuben - Detlef Schumacher - kostenlos E-Book

Ein Tag im Leben zweier Lausbuben E-Book

Detlef Schumacher

0,0
0,00 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wer gern in Erinnerungen an seine Kindheit schwelgt, der wird Gefallen an den  beiden Knaben haben, die an einem einzigen Sommerferientag von Lausbuben zu gefeierten Stars aufsteigen.   

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2020

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Detlef Schumacher

Ein Tag im Leben zweier Lausbuben

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Ein geringes Vorwort

Wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, überkommen einen hin und wieder Erinnerungen an frühe Lebensjahre. Vornehmlich an die der Kindheit, weil sie die schönste Zeit war. Man war jung, umsorgt, lebenslustig, fern der Rente und verspielt, immer nur verspielt.

Manche der einstigen Spielfreunde befinden nicht mehr im Diesseits. Das macht einem die eigene Vergänglichkeit bewusster. Doch will ich hier nicht Wehmut verbreiten, weil Wermut Mut macht. Und nicht nur der. Auch die folgende Geschichte, die nicht unbedingt geglaubt werden muss, soll es tun.

Tante Hedwig

Gerd und ich sind unzertrennliche Freunde. Schon seit dem Kindergarten. Das ist lange her. Wir sind inzwischen älter. Er ist 13 Jahre alt und ich ein Jahr jünger. Ihm wird deshalb eher ein Bart wachsen als mir. Vieles machen wir gemeinsam, nicht jedoch die Hausaufgaben. Die machen wir meistens nie. Dafür öfter Dummheiten. Die sind auch abwechslungsreicher. Die Bestrafungen ertragen wir tapfer. Wir bemühen uns dabei, die Tränen zurückzuhalten. Tränen sind eines Mannes unwürdig, sagte einst mein Papa, nachdem er von Mama mit dem Handtuch bearbeitet worden war. Bei völliger Dunkelheit war er aus der Kneipe heimgekehrt. Als er das Ehebett finden wollte, setzte er sich versehentlich auf Mamas Gesicht.

Gerd und ich verabscheuen den Alkohol. Wir werden ihn erst zu uns nehmen, wenn wir ihn vertragen. Unsere Abstinenz hat einen Grund. Vor einigen Wochen entdeckten wir das geheime Schnapslager meines Vaters. Es befand sich gut versteckt in einer mit Müll gefüllten Mülltonne hinter dem Haus. Wir entnahmen die bereits angetrunkene Flasche und genossen einen kräftigen Schluck. Da wir vorher noch nie mit Alkohol in Berührung gekommen waren, erfasste uns sofort ein seliges Schwindelgefühl. Eingehakt torkelten wir über den Hof und verspürten plötzlich Lust zu singen. Da uns kein passender Text zur Verfügung war, erfanden wir einen. Das fiel uns leicht, weil wir die besten Rapper der Schule sind. Die anspruchsvollsten Rap-Songs gehen uns leicht über die Lippen. Mit dem folgenden erregten wir Aufsehen, weil man staunte, dass wir über einen solchen Wortschatz verfügen: Wir rappen auf Schusters Rappen und werden die geilsten Girls schnappen, mit denen werden wir nicht kegeln, sondern sie nach Herzenslust …- alle Vögel sind schon da, alle Vögel alle. Man lobte uns, ein fast vergessenes Kinderlied in Erinnerung gebracht zu haben.

Weil wir etwas zu laut sangen, guckten Mieter aus dem mehrstöckigen Mietshaus. Unter anderem auch meine Mutter. Als sie mich wahrnahm, bereicherte sie unseren alkoholisierten Gesang mit Wörtern, die sie sonst nur im privaten Bereich anwendet. Von ihrem Einfallsreichtum angeregt, sangen wir zum Entsetzen der Zuhörer noch lauter. Unsere Darbietung fand ein jähes Ende, als wir in die mit Fäkalien gefüllte Grube fielen. Man barg uns und legte uns zum Trocknen neben sie. Meine Mutter erschien, beugte sich mit gerümpfter Nase über mich und fragte, ob ich noch lebe. Mein lebloser Eindruck beunruhigte sie. Besorgt tippte sie mit dem Zeigefinger an meine Stirn. Fast wäre ihr der Fehler unterlaufen, ihn anschließend in den Mund zu stecken und abzulecken. Ich blieb reglos. Nicht aber Gerd, der stöhnend mitteilte, dass er sich Scheiße fühle.

Bis zum späten Nachmittag des nächsten Tages litten wir an den Folgen des Schnapskonsums. Uns schmeckte kein Essen und kein Trinken. Literweise wurde uns Milch eingeflößt, um den Kater zu ertränken. Meine Mutter, die mich in der wassergefüllten Wanne reinigte, unterbrach diesen Vorgang hin und wieder, um zu kotzen. Meinen Vater beauftragte sie, sofort zu ermitteln, weshalb ich eine Schnapsleiche geworden war. Als er das herausgefunden hatte, gab er mir einige Ohrfeigen. Die leere Schnapsflasche ließ er im Glascontainer verschwinden.

Mein Freund Gerd spürte die Folgen seiner Trunksucht anders. Er wurde vom heimischen Balkon kopfunter gehängt, bis der gesamte Mageninhalt aus ihm geflossen war.

Als meine Tante Hedwig von meinem unartigen Verhalten erfuhr, wollte sie meine Erziehung übernehmen. Für zwei Stunden pro Woche. Sie ist Kinderpsychologin. Sie werde mir ordentliche Manieren beibringen, versprach sie meinen Eltern. Ich befinde mich in einem Lebensabschnitt, der Vater und Mutter an den Rand der Verzweiflung bringe. Lateinisch heiße er pubertas, zu Deutsch Pubertät. Mein Vater glaubte, ich müsse nur einige Male kräftig pupsen, dann sei ich ein braver Junge. Tante Hedwig verfeinerte den Begriff und sagte, dass ich vom Kind zum Manne reife. Vater kaufte in weiser Voraussicht einen elektrischen Trockenrasierer. Er selbst entstoppelt sich nass. Meine Mutter hat sich schon entstoppelt, und zwar unten rum, weil obenrum nichts sprießt.

Mein Freund Gerd verfügt über eine Schwester, die er Nacktschnecke nennt. Er verriet auch warum. Sie ist viel älter als er und sucht im Internet nach einem passenden Mann. Damit er von ihr nicht enttäuscht sein wird, nimmt sie dauernd eine Intimrasur vor. Früher hätten die Frauen unter dem Bauch dichten Haarwuchs gehabt. Dreieckig und meist in der gleichen Haarfarbe wie das Kopfhaar. Dieses Wissen habe er einem bebilderten Buch entnommen, dass sein Vater in seinem Nachtschrank versteckt hält. Es trägt den Titel Pornografiedamals und heute. Er werde es mal entwenden, dann könnten wir in ihm blättern.

Als mich Tante Hedwig zur ersten Behandlung an sich nehmen wollte, sträubte ich mich mit Händen und Füßen. Dass sei normal, beruhigte sie meine Eltern, Die waren nämlich nahe daran, mich in die Klapsmühle zu überweisen. Ich verstärkte mein Sträuben und schrie, dass ich mich ohne meinen Busenfreund nicht in andere Hände begebe. Das Wort Busenfreund machte meine Eltern stutzig. Auch Tante Hedwig stutzte. Dass ich Gerd gemeint hatte, verschwieg ich. Wir hatten zu Beginn unserer brüderlichen Vereinigung den Schwur abgelegt, niemals unsere Schweigepflicht zu brechen und den anderen nie leichtsinnig zu verraten. Wie ernst die Situation auch werde. Vor allem in Folge begangener Dummheiten. Damit der Schwur auch unverbrüchlich wurde, ritzten wir uns mit einem Sandschippchen eine kleine Wunde in einen Finger und bestrichen mit dem Blut eine Gesichtsbacke. Als die Kindertante das Blut entdeckte, eilte sie ans Telefon und wählte aufgeregt die Notrufnummer. Wenig später tauchte die Schnelle Medizinische Hilfe auf. Während des Notrufs hatten wir unsere Wange aber gereinigt, so dass die Kindertante und die SMH-Männer dumm aus der Wäsche guckten.

Tante Hedwig, in psychologischer Hinsicht schlauer als meine Eltern, nahm sie zur Seite und flüsterte ihnen etwas ins Ohr. Sie erfuhren, dass die Geschlechtsreife manchmal aus der Bahn gerät. Dann wende sich das eigene Geschlecht nicht dem anderen zu, sondern begehre das gleiche. Mit anderen Worten: Männer lieben Männer und Frauen Frauen. Von solcher Geschlechtsverirrung hätten sie schon gehört, meinten die Eltern. Unfassbar sei es ihnen aber, dass ihr Sohn Peter - ich heiße Peter -, davon betroffen sei. Er habe doch von Busenfreund gesprochen, und einen Busen haben nur Mädchen und Frauen. Das Wort Freund sei männlich, belehrte Tante Hedwig. Es heiße ja der Freund. In neuerer Zeit sei es aber üblich, dass Männer sich entmannen lassen, um eine Frau zu werden. Es öde sie an, ein Leben lang Mann zu sein und an schwindendem Sexualtrieb zu leiden. Ihr Pimmel bammele fast völlig nutzlos an ihnen. Deshalb lassen sie ihn entfernen. Mit ihm pinkele man doch, meinte Vater. Frauen pinkeln auch, ließ Tante Hedwig wissen, ohne Penis.

Die Unterhaltung nahm an Wissenschaftlichkeit zu. Ich geriet dabei aus der Beachtung. Flugs entfernte ich mich, um meinen Freund Gerd aufzusuchen. Der sollte von dem mir drohenden Schicksal erfahren.

Tante Hedwigs Informationen wurden immer tiefgründiger. Meine Mutter schrie vor Schreck auf, als sie erfuhr, dass ich mich später vielleicht zu einer Frau machen lassen wolle. Ob ich in dem Zusammenhang eine Gebärmutter eingepflanzt bekäme. Ihr größter Wunsch sei es nämlich, Oma von süßen Enkelkinderchen zu werden. Den Wunsch könne sie fallen lassen, nahm ihr Hedwig die Freude. Richtige Säuglinge mit Nabelschnur und allem Drum und Dran könne nur eine Originalfrau hervorbringen. Ich wäre als künstliche Frau völlig wertlos. Als sie mich fragen wollten, ob es meine Absicht sei, eine Frau zu werden, stellten sie meine Abwesenheit fest.