Ein unbesiegbarer Sommer - Wendi Stewart - E-Book

Ein unbesiegbarer Sommer E-Book

Wendi Stewart

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Beschreibung

Als das Auto der Familie Archer in Kanada durchs Eis eines gefrorenen Sees bricht, kann Robert einzig seine Tochter retten. Während sie heranwächst, kümmert sich Rebecca allein um den Haushalt und die Farm, der Vater kapselt sich ab. Doch so überwältigend wie die Trauer ist auch ihre Wut auf den Vater, dem nicht zu helfen ist und der nach und nach alle Erinnerungsstücke an die Mutter verschwinden lässt. Trost findet Rebecca in der Freundschaft mit Chuck, einem empfindsamen, von seinem Vater tyrannisierten Jungen, und mit Lissie, die von einer perfektionistischen Adoptivmutter gegängelt wird. – Ein eindringliches Debüt, das Trauer und Komik, Melancholie und unbändigen Lebenswillen perfekt verbindet.

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Seitenzahl: 426

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Sie wollen noch ein paar Dinge aus der Ferienhütte holen, auf dem Rückweg bricht das Auto durch das Eis des Rainy Lake im nordöstlichen Kanada. Robert Archer kann einzig seine Tochter Rebecca herausziehen. Rebecca ist gerettet und fühlt sich doch im Stich gelassen, als sie sich im Alleingang um alles kümmern muss: um ihren traumatisierten Vater, den Haushalt und die Farm, in der die Toten als Lücken lebendig bleiben. Aber so überwältigend wie die Trauer ist auch Rebeccas Wut auf den Vater, dem nicht zu helfen ist und der nach und nach alle Erinnerungsstücke an die Mutter verschwinden lässt. Trost findet Rebecca in der Freundschaft mit Chuck, einem empfindsamen, von seinem Vater tyrannisierten Jungen, und mit Lissie, die von einer perfektionistischen Adoptivmutter gegängelt wird. Zu dritt bilden sie über die Jahre eine Schicksalsgemeinschaft gegen alle Zumutungen der Außenwelt. Aus ihrem Bündnis erwächst ihnen schließlich auch die Kraft, sich endgültig von ihren Eltern zu befreien und gemeinsam aufzubrechen. Mit außergewöhnlicher Lebendigkeit erzählt Stewart von Freundschaft in der Not und von der Fähigkeit, einen Neubeginn zu schaffen.

Nagel & Kimche E-Book

Wendi Stewart

EIN

UNBESIEGBARER

SOMMER

Roman

Aus dem Englischen von

Matthias Fienbork

Nagel & Kimche

Titel der Originalausgabe: Meadowlark

© 2015 Wendi Stewart

NeWest Press, Edmonton, Kanada

Umschlag: Hauptmann & Kompanie, Zürich

© plainpicture/Mark Owen

© 2016 Nagel & Kimche

im Carl Hanser Verlag München

Herstellung: Rainald Schwarz

Satz: Satz für Satz

ISBN 978-3-312-01009-7

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Datenkonvertierung E-Book:

Kreutzfeldt digital, Hamburg

Für Lor – du hattest recht.

Und für Aimee, Samantha, Laurie und Thea,

die an mich geglaubt haben.

Mitten im Winter habe ich einen

unbesiegbaren Sommer in mir entdeckt.

Albert Camus,

Heimkehr nach Tipasa

PROLOG

Meine Mutter beugt sich über mich, wenn ich schlafe, sie flüstert etwas, ihre Lippen kitzeln mich am Hals. Ihr schwerer Zopf trifft mich seitlich im Gesicht, wir kichern. Das Fenster in meinem Zimmer ist voller Eisblumen. Ich kann den Schneepflug hören, der sich draußen auf dem Weg vorankämpft, Lichtreflexe huschen über die Wand. Meine Mutter winkt mir zu, ich soll durch die runde eisfreie Stelle im Fenster hinausschauen, sie hält die Hand darüber, der Kreis wird nun größer. Komm, sagt sie. Ich will nicht, verberge das Gesicht im Kissen. Rebecca, flüstert sie. Hinter ihr schreit mein kleines Brüderchen. Ich strecke die Arme aus. Mommy, rufe ich. Sie legt die Fingerspitzen an die Lippen. Gute Nacht, sagt sie und verschwindet.

REBECCA

1   Meine Mutter sitzt mit angezogenen Knien in dem Sessel am Morgenfenster. Morgenfenster, so nennt sie es, und dort sitzt sie, um zu vergessen, dass sie in einer Gegend lebt, wo der Winter kommt und viel zu lange dauert. Gottverlassen, sagt sie manchmal, wenn sie glaubt, den Winter im nördlichen Ontario nicht eine Minute länger ertragen zu können.

Hier, sagte sie und zeigte mit wütend ausgestrecktem Finger auf den Fußboden, hier haben die Gletscher angehalten und aufgestoßen und am Rainy River einen Streifen Ackerland zwischen den Felsen und den Seen übrig gelassen, bevor sie weiterzogen, die Erde aufrissen und bis auf das nackte Felsgestein abtrugen und den Kanadischen Schild freilegten. Ihr ist kalt, sie zieht die Schultern hoch und schließt die Augen, versucht wohl, sich vorzustellen, dass der Winter vorüber, der Himmel blau und warm und ruhig ist.

«Als ob es in England besser wäre», sagt mein Vater mit vorwurfsvoller Stimme und schimpft weiter. Meine Mutter lässt sich nichts anmerken, schüttelt nur den Kopf und schließt die Augen.

Die aufgehende Sonne scheint durch das Fenster und taucht meine Mutter in Licht, die vielen Gelbtöne verweben sich mit ihrem Haar, das zu einem Zopf zurückgebunden ist. Fast immer bindet sie ihr Haar nach hinten, mit Zauberfingern, die allein zurechtkommen, ohne die Augen, ohne Spiegel. Ich kann mich nicht entsinnen, dass sie das Haar jemals offen getragen hat. Sie hält einen weißen Porzellanbecher an die Lippen, der aufsteigende Kaffeedampf umhüllt sie. Sie atmet ein, als würde allein schon der Geruch jede Faser ihres Körpers erwärmen. Es sieht aus, als träume sie.

Ich möchte vor ihr stehen und mir alle Einzelheiten genau einprägen, die leicht geröteten Wangen, die dicken, aber perfekt geformten Augenbrauen, die langen, weichen Wimpern, die Farbe ihrer Augen, tiefblau, irgendwo zwischen blau und grün, das Grübchen auf der linken Seite, ein Spiegelbild meines Grübchens, eine tiefe Kuhle, in die ich den Finger legen und die ich erkunden möchte, um zu sehen, wie tief sie ist. Ich möchte mir einprägen, wie sie mit den Fingern über das Kinn streicht und wie sie die Lider senkt, wenn sie müde ist, als hätte ihre Mutter das schon getan, als meine Mutter klein war, eine genetische Veranlagung. Ich möchte mir einprägen, wie sie dasteht, groß, den Rücken gebogen, die Hand auf der Stirn, die Zähne zusammen, ein Blick, der sagt, Mir reicht es, eine Warnung für alle, außer für mich.

Jake ist mein kleiner Bruder. Er ist elf Monate alt, nicht einmal real genug, nach Jahren bemessen zu werden, als wäre er noch ein Versuchsmodell, das darauf wartet, ein realer Junge zu werden. Er trommelt mit den Fäusten auf die Abstellfläche seines Babystuhls und schreit, will sich losmachen. Er schreit um des Schreiens willen. Ich schaue ihn verächtlich an, ihn und die Toastreste in seinem Haar. Die Toastscheibe ist in mundgerechte Häppchen zerteilt, doch er stopft sich mehrere Stücke auf einmal hinein.

«Ekelhaft», sage ich und schließe die Augen, damit ich das Chaos nicht mit ansehen muss. Jake wirft oft mit Essen um sich und fährt sich mit klebrigen Händen durchs Haar, was ihm etwas Verwegenes gibt. Er hat ein Lätzchen um, das von seinem Sabber feucht und schmuddelig ist.

«Er zahnt», sagt meine Mutter. Er zahnt ständig, er zahnt seit seinem ersten Atemzug. Seine Wangen sind gerötet und entzündet, die Haut rissig. Meine Mutter gibt ihm zum Draufbeißen einen Eiswürfel, den sie in einen kleinen Waschlappen eingewickelt hat. Jake verzieht das Gesicht und saugt dann so heftig daran, als wäre er plötzlich ganz verrückt nach Eis, die Brauen zucken in die Höhe, in seinen Augen ist ein irrer Ausdruck. Er ist meistens vergnügt, aber auch anstrengend und nervig. Ich versuche, mich daran zu erinnern, wie mein Leben war, bevor er auftauchte und alles durcheinanderbrachte. Als meine Eltern mich hochhoben, ich an ihren Händen hing und in der Luft ging. Es war wunderbar. Doch nun beansprucht Jake ihre Arme, seine Hände schließen sich um ihre Daumen, sein schwerer Kopf fällt an ihren Schultern in Schlaf, der Daumen wie ein Stöpsel im Mund. Die übrige Zeit ist er laut und lacht, und alle lachen mit ihm. Außer mir. Ich finde ihn nicht lustig. Kein bisschen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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