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"Wenn man glaubt, dass das Leben nicht besser werden kann, dann hat Blake Pierce ein weiteres Meisterwerk an Thriller und Mysterium geschaffen! Dieses Buch ist voller Wendungen und das Ende bringt eine überraschende Enthüllung. Ich empfehle dieses Buch jedem Leser, der sich an einem sehr gut geschriebenen Thriller erfreut, es sich anzuschaffen. " -Autor und Filmkritiker, Roberto Mattos (Fast So Gut Wie Vorüber) EIN UNGLÜCKSFALL (UND GOUDA) ist Band 4 einer charmanten neuen Cozy-Krimi-Reihe von Nr. 1 USA Today Bestsellerautorin Blake Pierce, deren Buch Verschwunden über 1.500 Fünf-Sterne-Rezensionen erhalten hat. Die Reihe beginnt mit Band 1: MORD (UND BAKLAVA). Als London Rose, 33, einen Heiratsantrag von ihrem langjährigen Freund erhält, wird ihr klar, dass eine stabile, vorhersehbare, vorherbestimmte (und leidenschaftslose) Zukunft vor ihr liegt. Verständlicherweise macht sie diese Vorstellung verrückt und sie läuft davon – sie nimmt einen Job am anderen Ende der Welt an: Als Reiseleiterin auf einem europäischen Luxusdampfer, der jeden Tag eine neue Stadt besucht. London sucht nach Romantik, nach Unvorhersehbarkeit und einem spannenden Leben, das sicher irgendwo da draußen auf sie wartet. London ist entzückt von ihrem neuen Leben: Die europäischen Kleinstädte, die sie besucht, sind historisch und bezaubernd. Jeden Abend legt sie in einem neuen Hafen an, kann schier endlose neue Gerichte probieren und lernt zahlreiche neue und interessante Leute kennen. Es ist wie ein Traum und alles andere als vorhersehbar. In Band 4, EIN UNGLÜCKSFALL (UND GOUDA) geht es nach Amsterdam, der Heimatstadt von Van Gogh, mit seinen wundervollen Grachten, endlosen Blumenwiesen und exquisiten Gerichten. Doch als London eine Leiche entdeckt, die in einer Gracht an die Oberfläche schwimmt, muss sie, die einzige Verdächtige, ihren Namen reinwaschen. Ein verworrenes Mysterium nimmt seinen Lauf, das London durch die Welt der niederländischen Museen bis in die düsteren Straßen des Rotlichtviertels führt. Lustig, romantisch, liebenswert und voller interessanter Einblicke in Kultur und Küche, ist die Reihe LONDON ROSES EUROPAREISE ein spannender Trip durch das Herz Europas. Faszinierende Geheimnisse sorgen dafür, dass Sie sich bis zur letzten Seite fragen werden, wie es denn ausgehen wird. Band 5, EINE KATASTROPHE (UND EIN PLUNDER) und Band 6 CHAOS (UND EIN HERING) sind ebenfalls jetzt erhältlich!
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Veröffentlichungsjahr: 2021
EIN UNGLÜCKSFALL
(UND GOUDA)
LONDON ROSES EUROPAREISE, BAND 4
Blake Pierce
Blake Pierce ist Autor der erfolgreichen Mystery-Reihe RILEY PAGE, die aus siebzehn Büchern besteht. Blake Pierce ist ebenfalls Verfasser der MACKENZIE WHITE Mystery-Reihe, die vierzehn Bände umfasst; der AVERY BLACK Mystery-Reihe mit sechs Büchern; der fünfbändigen KERI LOCKE Mystery-Reihe; den sechs Büchern der MAKING OF RILEY PAIGE Mystery-Reihe; der KATE WISE Mystery-Reihe, die aus sieben Büchern besteht; der CHLOE FINE Psycho-Thriller-Reihe, die sechs Bände umfasst; der fünfzehnteiligen JESSE HUNT Psycho-Thriller-Reihe (Fortsetzung folgt); der Psycho-Thriller Reihe DAS AU-PAIR, die aus drei Bänden besteht; der ZOE PRIME Mystery-Reihe, die sechs Teile umfasst; der ADELE SHARP Mystery-Reihe mit zehn Bänden (Fortsetzung folgt); der LONDON ROSES EUROPAREISE Cosy-Krimi-Reihe, die bisher aus sechs Büchern besteht (Fortsetzung folgt); den drei Büchern des neuen LAURA FROST FBI Thrillers (Fortsetzung folgt); der neuen ELLA DARK FBI Thrillern mit bisher sechs Büchern (Fortsetzung folgt); der EIN JAHR IN EUROPA Cosy-Krimi-Reihe aus bisher drei Bänden (Fortsetzung folgt); der dreiteiligen AVA GOLD Mystery-Reihe (Fortsetzung folgt); sowie der RACHEL GIFT Mystery-Reihe, die aktuell aus drei Büchern besteht (Fortsetzung folgt).
Als treuer Leser und lebenslanger Fan des Genres rund um Mystery und Thriller, hört Blake gern von Ihnen, also besuchen Sie die Seite www.blakepierceauthor.com, um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben.
Copyright © 2021 by Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Vorbehaltlich der Bestimmungen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Publikation ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder übertragen oder in einer Datenbank oder einem Abfragesystem gespeichert werden. Dieses eBook ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch mit einer anderen Person teilen möchten, kaufen Sie bitte für jeden Empfänger ein zusätzliches Exemplar. Wenn Sie dieses Buch lesen und Sie es nicht gekauft haben, oder es nicht nur für Ihren Gebrauch gekauft wurde, dann senden Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihre eigene Kopie. Vielen Dank, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dies ist eine erfundene Geschichte. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder das Ergebnis der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, ob lebendig oder tot, ist völlig zufällig.
BÜCHER VON BLAKE PIERCE
EIN LAURA FROST FBI-THRILLER
VOR LANGEM VERSCHWUNDEN (Band #1)
EIN ELLA-DARK-THRILLER
IM SCHATTEN (Band #1)
EIN JAHR IN EUROPA
EIN MORD IN PARIS (Band #1)
TOD IN FLORENZ (Band #2)
LONDON ROSES EUROPAREISE
MORD (UND BAKLAVA) (Band #1)
TOD (UND APFELSTRUDEL) (Band #2)
VERBRECHEN (UND BIER) (Band #3)
EIN UNGLÜCKSFALL (UND GOUDA) (Band #4)
ADELE SHARP MYSTERY-SERIE
NICHTS ALS STERBEN (Band #1)
NICHTS ALS RENNEN (Band #2)
NICHTS ALS VERSTECKEN (Band #3)
NICHTS ALS TÖTEN(Band #4)
NICHTS ALS MORD (Band #5)
NICHTS ALS NEID (Band #6)
NICHTS ALS FEHLER (Band #7)
NICHTS ALS VERSCHWINDEN (Band #8)
DAS AU-PAIR
SO GUT WIE VORÜBER (Band #1)
SO GUT WIE VERLOREN (Band #2)
SO GUT WIE TOT (Band #3)
ZOE PRIME KRIMIREIHE
GESICHT DES TODES (Band #1)
GESICHT DES MORDES (Band #2)
GESICHT DER ANGST (Band #3)
GESICHT DES WAHNSINNS (Band #4)
GESICHT DES ZORNS (Band #5)
GESICHT DER FINSTERNIS (Band #6)
JESSIE HUNT PSYCHOTHRILLER-SERIE
DIE PERFEKTE FRAU (Band #1)
DER PERFEKTE BLOCK (Band #2)
DAS PERFEKTE HAUS (Band #3)
DAS PERFEKTE LÄCHELN (Band #4)
DIE PERFEKTE LÜGE (Band #5)
DER PERFEKTE LOOK (Band #6)
DIE PERFEKTE AFFÄRE (Band #7)
DAS PERFEKTE ALIBI (Band #8)
DIE PERFEKTE NACHBARIN (Band #9)
DIE PERFEKTE VERKLEIDUNG (Band #10)
DAS PERFEKTE GEHEIMNIS (Band #11)
DIE PERFEKTE FASSADE (Band #12)
DER PERFEKTE EINDRUCK (Band #13)
CHLOE FINE PSYCHOTHRILLER-SERIE
NEBENAN (Band #1)
DIE LÜGE EINES NACHBARN (Band #2)
SACKGASSE (Band #3)
STUMMER NACHBAR (Band #4)
HEIMKEHR (Band #5)
GETÖNTE FENSTER (Band #6)
KATE WISE MYSTERY-SERIE
WENN SIE WÜSSTE (Band #1)
WENN SIE SÄHE (Band #2)
WENN SIE RENNEN WÜRDE (Band #3)
WENN SIE SICH VERSTECKEN WÜRDE (Band #4)
WENN SIE FLIEHEN WÜRDE (Band #5)
WENN SIE FÜRCHTETE (Band #6)
WENN SIE HÖRTE (Band #7)
DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE
BEOBACHTET (Band #1)
WARTET (Band #2)
LOCKT (Band #3)
NIMMT (Band #4)
LAUERT (Band #5)
TÖTET (Band #6)
RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE
VERSCHWUNDEN (Band #1)
GEFESSELT (Band #2)
ERSEHNT (Band #3)
GEKÖDERT (Band #4)
GEJAGT (Band #5)
VERZEHRT (Band #6)
VERLASSEN (Band #7)
ERKALTET (Band #8)
VERFOLGT (Band #9)
VERLOREN (Band #10)
BEGRABEN (Band #11)
ÜBERFAHREN (Band #12)
GEFANGEN (Band #13)
RUHEND (Band #14)
GEMIEDEN (Band #15)
VERMISST (Band #16)
AUSERWÄHLT (Band #17)
EINE RILEY PAIGE KURZGESCHICHTE
EINST GELÖST
MACKENZIE WHITE MYSTERY-SERIE
BEVOR ER TÖTET (Band #1)
BEVOR ER SIEHT (Band #2)
BEVOR ER BEGEHRT (Band #3)
BEVOR ER NIMMT (Band #4)
BEVOR ER BRAUCHT (Band #5)
EHE ER FÜHLT (Band #6)
EHE ER SÜNDIGT (Band #7)
BEVOR ER JAGT (Band #8)
VORHER PLÜNDERT ER (Band #9)
VORHER SEHNT ER SICH (Band #10)
VORHER VERFÄLLT ER (Band #11)
VORHER NEIDET ER (Band #12)
VORHER STELLT ER IHNEN NACH (Band #13)
VORHER SCHADET ER (Band #14)
AVERY BLACK MYSTERY-SERIE
MORDMOTIV (Band #1)
FLUCHTMOTIV (Band #2)
TATMOTIV (Band #3)
MACHTMOTIV (Band #4)
RETTUNGSDRANG (Band #5)
SCHRECKEN (Band #6)
KERI LOCKE MYSTERY-SERIE
EINE SPUR VON TOD (Band #1)
EINE SPUR VON MORD (Band #2)
INHALT
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
KAPITEL ACHTUNDZWANZIG
KAPITEL NEUNUNDZWANZIG
KAPITEL DREISSIG
KAPITEL EINUNDDREISSIG
KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG
KAPITEL DREIUNDDREISSIG
KAPITEL VIERUNDDREISSIG
KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG
KAPITEL SECHSUNDDREISSIG
London unterdrückte einen erschreckten Aufschrei. Beinahe hätte sie ein Tablett mit Getränken fallengelassen, als der besorgt dreinblickende Steward auf sie zustürmte. Sie half in der Lounge des Flusskreuzfahrtschiffes Nachtmusik aus, was nicht ihr üblicher Job war. Aber als Social Director des Schiffes und engagierte Mitarbeiterin der Epoch World Cruise Lines sprang sie oft ein, wo immer Hilfe gebraucht wurde – was hier gerade offensichtlich der Fall war.
„Tut mir leid, dass ich Sie stören muss, Miss Rose“, sagte er. „Aber wissen Sie, wo ich Emil Waldmüller finde?“
Nachdem sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden und sich vergewissert hatte, dass die Getränke noch an ihrem Platz waren, warf London einen Blick auf die Uhr über der Bar.
„Um diese Uhrzeit“, antwortete sie dem besorgten Steward, „müsste er oben auf dem Rondo-Deck sein und sich auf …“
„Er ist nicht dort“, entgegnete der Steward. „Da oben sind Leute versammelt und warten auf seinen Vortrag. Das Schiff ist beinahe in Sichtweite des Mäuseturms, aber Herr Waldmüller ist noch nicht aufgetaucht.“
Das überraschte London. Es sah ihrem deutschen Kollegen nicht ähnlich, zu spät zu kommen.
Sie wusste, dass Emil, der Historiker des Schiffes, auf der Fahrt durch das Mittelrheintal auf Sehenswürdigkeiten hinweisen und sein beträchtliches Wissen mit einer Gruppe eifriger Zuhörer teilen sollte. Sicher würde er bald auftauchen. Außerdem hatte London im Moment mehr als ein Dutzend Drinks zu servieren.
„Keine Sorge“, beruhigte sie den Steward, „Herr Waldmüller würde niemals einen Vortrag verpassen. Wahrscheinlich wurde er nur aufgehalten. Er wird schon kommen – wenn er nicht inzwischen bereits da ist. “
Der Steward nickte unsicher und verließ die Lounge wieder.
London spürte einen Anflug von Sorge, als sie mit ihrem Tablett zum ersten Tisch wankte und sich zwischen den Leuten hindurchschlängelte, die kamen und gingen.
Emil – zu spät für einen Vortrag, dachte sie.
Er würde seinen Termin ganz sicher nicht ganz verpassen. Wahrscheinlich war er schon oben auf dem Rondo-Freideck und begann gerade mit seinen Ausführungen.
Währenddessen musste sie die Getränke unfallfrei zu den Passagieren bringen, die sie bestellt hatten. Die Gäste saßen an den verschiedenen Tischen und auf den Sitzgruppen in dem großen Raum oder spielten im Mini-Casino, das eine Seite der Lounge einnahm.
Es war lange her, dass London in einer Bar gearbeitet hatte, und sie hatte vergessen, wie hektisch das sein konnte. Sie musste sich merken, welche Getränke auf ihrem Tablett zu welchen Tischen gehörten und durfte nicht aus den Augen verlieren, welche Gäste die Long Island Iced Teas, denen man nicht ansah, wie stark sie waren, oder die Moscow Mules auf Wodka-Basis in den gekühlten Kupferbechern bestellt hatten und wer die Flaschen mit Pils und Stout, den Wein, den Whiskey und das Wasser. Ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander, während sie sich ihren Weg um eine der attraktiven Topfpflanzen herum bahnte, die Teil des Dekors waren, und dabei mit der Sorgfalt einer Seiltänzerin navigierte, um das Tablett gerade zu halten und die Getränke nicht zu verschütten.
London fühlte sich gestresst und fragte sich, ob ihr oft zerzaustes kastanienbraunes Haar noch etwas von der ordentlichen Frisur hatte, zu der sie es hochgesteckt hatte, bevor sie als Kellnerin eingesprungen war.
Nun, sagte sie sich, es sieht nie sehr lange besonders ordentlich aus. Das sind die Passagiere ja aber inzwischen gewohnt.
London war an diesem Nachmittag mit dem Servieren von Getränken beschäftigt, denn die Nachtmusik war den ganzen Tag unterwegs und würde auch die Nacht über nicht anlegen. Da es keine Möglichkeit zum Landgang gab, drängten sich mehr Passagiere als sonst in der geräumigen Lounge. Außerdem gab es als Teil eines Bündels von Vergünstigungen, Schnäppchen und Gutscheinen, die die Reederei zur Besänftigung der Passagiere eingeführt hatte, die Getränke zum halben Preis. Die Kreuzfahrt hatte nun zwei volle Tage Verspätung, weil es immer wieder Tote gegeben hatte, wenn die Nachtmusik in einen Hafen eingelaufen war, und die örtliche Polizei die Weiterfahrt immer wieder verzögert hatte, solange die Ermittlungen liefen.
London hoffte von ganzem Herzen, die Pechsträhne der Kreuzfahrt sei nun endlich vorbei.
Zumindest hatten sich noch nicht viele Passagiere über die Verspätungen beschwert.
Aber sie nutzen diese Getränkevergünstigung wirklich aus, dachte London.
Viele der Passagiere schienen über ihren bevorstehenden Besuch in Amsterdam zu spekulieren.
Die, die die Long Island Iced Teas bestellt hatten, diskutierten über die historischen Sehenswürdigkeiten Amsterdams.
„Ich wollte schon immer mal ins Anne-Frank-Haus.“
„Ja, und ich möchte De Waag am Nieuwmarkt besuchen – das ehemalige Waagenhaus.“
An dem Tisch, an dem London die Moscow Mules servierte, sprach man über etwas ganz anderes.
„Ich kann es kaum abwarten, in den Artis Royal Zoo zu gehen.“
„Ja, da soll es ganz unglaubliche Schildkröten geben.“
Als London an einem anderen Tisch ein paar Gläser Wein servierte, hörte sie zwei Frauen über die Shoppingmöglichkeiten in Amsterdam reden.
„Man sagt, in den Neun Straßen kann man wunderbare Kleider kaufen.“
„Und Accessoires aller Art, habe ich gehört.“
Am Tisch mit den Whiskeys und dem Wasser ging es um Kunst.
„Ich habe gelesen, im Van-Gogh-Museum sind seine ,Sonnenblumen, ausgestellt.“
„Ja, und die ,Mandelblüte‘“
London hatte Amsterdam als Kind besucht, konnte sich aber kaum daran erinnern. Sie musste viele dieser Sehenswürdigkeiten in Begleitung ihrer Mutter gesehen haben. Jetzt stockte ihr der Atem, als ihr die Adresse wieder einfiel, auf die sie in Deutschland gestoßen war.
Poppenhuisstraat 65, Amsterdam
Bedeutete diese Notiz wirklich, dass ihre Mutter nach all diesen Jahren wieder in Amsterdam war?
Konzentriere dich auf deinen Job, ermahnte sich London streng.
Als sie sich umdrehte, um zu sehen, wen Sie als Nächstes bedienen musste, war sie etwas erstaunt über das Gespräch, das sie am Tisch mit dem Pils und dem Stout hörte.
„Stimmt es, dass Amsterdam über ein ganz legales Rotlichtviertel verfügt?“
„Ja, und es gibt dort Läden, wo man Cannabis kaufen und rauchen kann!“
„In Amsterdam ist vieles legal.“
Was diese Gäste sagten, stimmte natürlich. In Amsterdam lenkte man eine ganze Reihe von Aktivitäten, die an den meisten anderen Orten illegal waren, in behördlich regulierte Bahnen. Doch der kecke Unterton und das leise, freudige Kichern in diesen Stimmen lösten bei ihr einen Anflug von Beunruhigung aus. Die Leute an diesem Tisch kamen ihr weniger erwachsen vor als die meisten anderen Passagiere. Die hundertköpfige Gruppe, die die Kreuzfahrt gebucht hatte, bestand größtenteils aus Rentnern, Menschen in den zweiten Flitterwochen und dergleichen.
Natürlich hatten viele davon bei ihrem letzten Halt in Bamberg begeistert am Bierfest teilgenommen. London spürte, wie sie zusammenzuckte, als sie sich daran erinnerte, dass sie dort kurz mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Bis auf die Passagierin, die in die Ermittlungen verwickelt gewesen war, hatte der Rest nichts Schlimmeres als einen Kater erlitten.
Andererseits: Bietet Amsterdam vielleicht besonders viele Gelegenheiten für peinliche Eskapaden?
London überlegte kurz, ob sie oder ein anderer Verantwortlicher – vielleicht Kapitän Hays – eine Durchsage machen sollten, um den Passagieren zu raten, solche Aktivitäten zu unterlassen oder zumindest Tipps zu geben, wie man sich am besten verhielt, wenn man sich denn darauf einlassen wollte. Aber dann entschied sie sich dagegen.
Immerhin sind sie alle erwachsen.
Es war weder ihre Aufgabe noch die des Kapitäns, Polizei oder Ersatzeltern zu spielen.
Ihr Tablett war endlich leer, aber das bedeutete nicht, dass sie eine Pause bekommen würde.
„Noch ein Lager“, rief ein Passagier aus einer in der Nähe sitzenden Gruppe, und schon war sie wieder unterwegs und versuchte, sich zu merken, welche Getränke sie an welchen Tischen servieren musste. London hatte nicht genug Zeit (und nicht genügend freie Hände), um die Bestellungen zu notieren. Sie musste einfach in Bewegung bleiben und gleichzeitig extrem konzentriert sein.
Schließlich kehrte sie an die Bar zurück, um ihrer Freundin Elsie Sloan, die für die Amadeus-Lounge zuständig war, ihre Bestellungen zu nennen. Sie und die hochgewachsene Frau mit dem wasserstoffblonden Haar hatten sich in den vergangenen Jahren auf Hochseeschiffen angefreundet und freuten sich über das Wiedersehen auf der Nachtmusik. Wie immer war London erstaunt über Elsies Fähigkeiten, als diese Londons gesamte Bestellung entgegennahm, während sie ohne Pause Drinks mixte und dabei ihren Barassistenten mit Bronx-Akzent Befehle zubellte.
Während sie wartete, sah London einen Kopf mit glattem, dunklem Haar sich durch die Menge nähern. Amy Blassingame sprang an diesem Tag ebenfalls als Aushilfskellnerin ein. Die Concierge des Schiffes war ein paar Jahre jünger, etwas kleiner und kräftiger als London und schien sich mit größerer Leichtigkeit durch die Menge zu bewegen. Amy kam mit ihrem leeren Tablett an der Bar an und gab ihre eigene Litanei von Getränkebestellungen an Elsie weiter.
„Ich brauche einen Gin Tonic und eine Bloody Mary für Tisch 6, einen Black Russian und einen Erdbeer-Daiquiri für Tisch 9, zwei Flaschen Stout für Tisch 15 und zwei Scotch pur für Tisch 10 ... oder war es Tisch 12? Nein, ich glaube, es war vielleicht 9.“
Elsie warf London einen genervten Blick zu und sagte dann zu Amy: „Du hast gerade gesagt, du bräuchtest für Tisch 9 einen Black Russian und einen Erdbeer-Daiquiri.“
„Ach, stimmt ja“, bestätigte Amy und klang dabei etwas durcheinander. „Jetzt erinnere ich mich wieder. Die Scotchs sind für Tisch 10.“
„Bist du dir sicher?“, fragte Elsie skeptisch.
„Ganz sicher“, bestätigte Amy mit einer zittrigen Stimme, die alles andere als überzeugt klang.
Während London und Amy auf ihre Getränkebestellungen warteten, kam der Steward wieder auf sie zugestürmt.
„Miss Rose, es tut mir furchtbar leid, dass ich Sie schon wieder stören muss, aber Herr Waldmüller ist immer noch nicht zu seinem Vortrag erschienen.“
London klappte vor Überraschung die Kinnlade herunter.
Sie sah Amy an und fragte: „Wissen Sie vielleicht, wo Emil ist?“
Amy runzelte die Stirn und antwortete mürrisch: „Woher soll ich denn das wissen? Warum fragen Sie mich?“
Erneut war London über Amys Tonfall überrascht.
Beinahe hätte sie gesagt: Nun ja, gestern hieß es noch, Sie beide seien ein Paar.
Als die Nachtmusik aus Bamberg ausgelaufen war, hatte London die sonst so puritanische Amy und Emil dabei erwischt, wie sie wie Teenager in der Schiffsbibliothek herumknutschten. Sie hatten versucht, ihre kleine Romanze geheim zu halten, aber das war ihnen nicht besonders gut gelungen.
Was haben die beiden denn für ein Problem, fragte London sich.
Währenddessen trat der Steward unruhig von einem Bein auf den anderen.
„Der Mäuseturm kommt gerade in Sicht“, sagte er. „Die Gruppe freut sich schon sehr darauf, von Herrn Waldmüller zu hören, was es damit auf sich hat.“
Er beugte sich vor und versuchte, leise zu sprechen.
„Ich … ich kann den Vortrag nicht übernehmen … die starren mich alle so an … bitte schicken Sie mich nicht nochmal da rauf …“
„Keine Sorge“, beruhigte Amy den panischen Mann. „London übernimmt das.“
London blieb vor Überraschung der Mund offenstehen.
Ach ja?, fragte sie sich.
London schwirrte der Kopf. Sie war noch nicht sicher, wo sie am dringendsten gebraucht wurde – hier beim Servieren der Getränke oder oben auf dem Rondo-Deck, um für Emil einzuspringen. Doch jetzt hatte sich Amy die Freiheit genommen, sich in ihrem Namen freiwillig für Letzteres zu melden.
London musste sich beherrschen, Amy deswegen nicht anzuschnauzen. Sie musste zugeben, dass es eine absolut vernünftige Lösung war, denn außer Emil wusste sie mehr über die Sehenswürdigkeiten, die sie besuchten, als jedes andere Mannschaftsmitglied.
Aber sie fühlte sich alles andere als sicher, was ihre Fähigkeit anging, die Passagiere über die mehr als ein Dutzend Burgen zu informieren, an denen sie vorbeikommen würden. Sie hatte diese Gegend noch nie persönlich besucht – und außerdem war es eine Entscheidung, die sie lieber selbst getroffen hätte.
„Das könnte ich wohl tun“, sagte London. Dann fragte sie Elsie: „Aber brauchst du mich nicht hier?“
„Ich denke, meine Jungs und ich haben die Dinge jetzt im Griff. Geh nur, es hört sich an, als würdest du da oben dringender gebraucht.“
„Oh, danke“, stotterte der ängstliche Steward. „Ich kündige Sie an.“
Als der Mann davoneilte, meinte Elsie zu Amy: „Sie können London ja helfen.“
Londons blieb wieder der Mund offenstehen.
„Wie soll Amy mir denn helfen?“, hätte sie am liebsten gefragt.
Ihr fiel nicht ein, wie Amy ihr behilflich hätte sein können, Emils Abwesenheit zu überbrücken.
Dann bemerkte sie den verschmitzten Ausdruck in Elsies rotwangigem Gesicht. Elsie suchte nur nach einer Ausrede, um Amy loszuwerden, deren Bemühungen, in der Lounge zu helfen, sich als so umständlich erwiesen, dass sie keine wirkliche Unterstützung waren.
„Bist du sicher, dass du mich nicht brauchst?“, versicherte sich Amy bei Elsie.
London sah, dass Elsie sich das Lachen kaum verkneifen konnte.
„Wir werden schon irgendwie zurechtkommen, Amy“, antwortete Elsie.
„Na gut“, lenkte Amy ein, die erleichtert klang, dass man sie von ihren derzeitigen Pflichten entband. „Gehen wir, London.“
Als sie sich auf den Weg machten, kamen sie an der Tür der Schiffsbibliothek vorbei, die sich an einem Ende der Lounge befand. Da dies Emils üblicher Arbeitsplatz war, blieb London stehen, um zu sehen, ob der Historiker sich vielleicht dort befand.
Während sie an London vorbeitrabte, drehte sich Amy um und rief ihr zu: „Was tun Sie denn da?“
„Ich suche Emil“, antwortete London.
„Warum?“
„Nun ja, ich dachte nur, vielleicht …“
„Wenn er in der Bibliothek wäre, hätte ihn der Steward doch wohl sicher gefunden. Kommen Sie, wir müssen uns beeilen!“
London sah auf den ersten Blick, dass Amy recht hatte. Emil war nicht in der Bibliothek. Der mit Büchern gefüllte Raum war leer, ebenso wie der große Tisch, an dem Emil manchmal arbeitete oder an dem die Passagiere saßen, die sich für einen seiner Vorträge versammelt hatten.
Als sie aus der Lounge traten und durch den Empfangsbereich in Richtung Treppe gingen, fügte Amy hinzu: „Ganz ehrlich, ich weiß gar nicht, wie Emil diesen Job überhaupt bekommen hat. Man kann sich einfach nicht auf ihn verlassen.“
London war wieder ein wenig erschrocken. Es war seltsam, dass Amy so etwas sagte. London hatte sich nicht immer gut mit Emil verstanden. Sie waren sogar mehr als einmal ernsthaft aneinandergeraten. Aber er hatte eine Eigenschaft, die London immer respektiert hatte. Er war absolut zuverlässig.
Zumindest bis jetzt, dachte sie.
Sie fragte sich, ob ihm etwas zugestoßen war. Sollte sie sich Sorgen machen? Sie könnte ihn anpiepsen lassen, aber sie dachte, das könnte die Sache noch schlimmer machen. London war sicher, dass der Historiker seinen Vortrag nicht vergessen hatte und dass es ihm schrecklich peinlich gewesen wäre, wenn sie seine Abwesenheit über die Lautsprecheranlage bekannt gegeben hätten. Irgendetwas stimmte nicht, und sie würde das später klären.
Doch zunächst würde der Steward verkünden, dass sie den Job übernommen hatte.
Warum hatte sie nur das deutliche Gefühl, dass Amy darauf bedacht war, Emil nicht zu finden?
Sie und Amy trabten gerade die Wendeltreppe hinauf, als sie Sir Reggie, Londons kleinem Yorkshire-Terrier, begegneten, der die Stufen herunterkam. Der Hund kläffte London ängstlich an, als wolle er sagen: „Komm schnell! Wir haben da oben ein Problem!“
Manchmal schien Sir Reggie besser zu verstehen als die meisten Menschen, was an Bord der Nachtmusik vor sich ging.
Sie, Amy und Sir Reggie eilten gemeinsam die Treppe hinauf. Als sie auf das offene Oberdeck hinaustraten, stieß London einen unterdrückten Schrei des Erstaunens über ihre Umgebung aus. Das atemberaubend majestätische Mittelrheintal war noch spektakulärer, als sie erwartet hatte.
Der Fluss floss breit und weit dahin und leuchtete so blau wie der weite, spätnachmittägliche Himmel mit seinen strahlend weißen Wolkensäulen. Zu beiden Seiten des Flusses türmten sich steile, bergige Ufer auf, die mit Dörfern, Weinbergen und Burgen übersät waren. Die anderen Schiffe auf dem Fluss sahen inmitten solcher Erhabenheit winzig aus. Selbst die Nachtmusik wirkte wie eine Art Spielzeug, und ihre Passagiere erschienen wie winzige Püppchen.
London musste einen Augenblick innehalten, um zu Atem zu kommen. Der Anblick war besonders erschütternd, nachdem sie die letzten paar Stunden unter Deck verbracht hatte, um in der überfüllten Amadeus-Lounge zu arbeiten. Es schien plötzlich eine Schande zu sein, dass so viele Passagiere dieses Spektakel verpassten, um Drinks zum halben Preis zu genießen.
Sie verspürte den Drang, zurück in die Lounge zu eilen und allen zu sagen, sie sollten sofort heraufkommen, um keinen weiteren Augenblick dieser Aussicht zu verpassen. Aber das konnte sie natürlich nicht tun, und außerdem waren bereits einige andere Passagiere hier oben und genossen das Spektakel – einschließlich der Gruppe vor ihr am Bug, die auf Emils Vortrag wartete.
Eine Welle der Beklemmung überkam London, als sie auf die Gruppe von etwa einem Dutzend Passagieren zuging, die ihr erwartungsvoll entgegensahen.
Was soll ich ihnen nur erzählen?, fragte sie sich.
Sie hatte eine Menge über den Mäuseturm gelesen, also verfügte sie über viele Informationen, die sie mit den Passagierinnen und Passagieren teilen konnte. Aber sie wusste, dass diese von Emils Vorträgen mehr erwarteten als bloße Fakten. Er war immer zu einer spontanen Darbietung bereit.
Das muss ich auch hinkriegen, erkannte London.
Während in ihrem Kopf eine clevere Erzähltaktik Gestalt annahm, rief eine Stimme aus der Gruppe: „London, ist Herr Waldmüller krank?“
Ein anderer Passagier sagte: „Er sollte uns eigentlich etwas über den Turm erzählen.“
„Es geht ihm gut“, erwiderte sie. „Ähm, ihm ist etwas dazwischengekommen.“
Ihrem frisch entwickelten Plan folgend schritt sie durch die Gruppe auf den Bug zu, gefolgt von Amy und Sir Reggie. Tatsächlich stand am Fluss vor ihr eine der malerischsten Burgen, die sie je gesehen hatte. Das mit leuchtend roten Zinnen gekrönte Gebäude war schmal, senkrecht und wurde von einem einzelnen zigarettenförmigen Turm überragt. Es war auf einem schmalen Felseninselchen mitten im Rhein erbaut.
Sie sah hinab zu Sir Reggie und fragte: „Was siehst du da vorn, mein Junge?“
Reggie spielte seine Rolle perfekt, rannte zum Geländer und bellte beim Anblick des Turms.
„Oh, nein!“, rief London. „Glaubst du, wir kriegen Ärger, mein Junge?“
Sir Reggie bellte einfach weiter, und genau das hatte London gewollt. Einige Leute aus der Gruppe kicherten, gespannt, was London wohl vorhatte. Sie warf einen Blick in die vertrauten Gesichter.
Direkt neben ihr standen Gus und Honey Jarrett, ein Paar mittleren Alters, das London in den letzten Tagen gut kennengelernt hatte. Gus hatte ein Fernglas um den Hals hängen.
„Gus, könnte ich mir Ihr Fernglas leihen?“, fragte London.
„Äh ...“, sagte Gus verblüfft.
„Natürlich, London“, sagte Honey und ließ ihre Kaugummiblase platzen. „Gus, sei ein guter Ehemann und leih London dein Fernglas.“
Mit gehorsamem Achselzucken reichte Gus es ihr.
Als London durch das Fernglas schaute, erschien ihr das Schloss mit seinen grauweißen Steinmauern, seinem Wappen und dem gotischen Maßwerk an den Fenstern noch malerischer als zuvor.
London stieß einen gespielten Seufzer der Erleichterung aus.
„Gott sei Dank“, murmelte sie und schaute immer noch durch das Fernglas. „Ich sehe da drüben im Mäuseturm weder Soldaten noch Bogen- oder Armbrustschützen – ich hatte schon Angst vor einem Angriff mit Speeren und Pfeilen. Aber ich hatte vergessen, dass der böse Erzbischof, der früher solche Probleme verursacht hat, schon seit über tausend Jahren tot ist – seit 970 nach Christus, glaube ich.“
London reichte Gus Jarrett lächelnd das Fernglas zurück.
„Der Fehlalarm tut mir leid, Leute“, sagte sie. „Genießen Sie weiter die Aussicht.“
Als sie tat, als wolle sie gehen, hörte sie Ausrufe entrüsteten Protests.
„Hey, wollen Sie uns nicht von der Burg erzählen?“
„Was hat es mit den Speeren und Pfeilen auf sich?“
„Wer war dieser böse Erzbischof?“
„Warum nennt man das Gebäude den Mäuseturm?“
Londons Lächeln wurde verschmitzt.
„Nun, wenn Sie wirklich interessiert daran sind ...“
„Natürlich!“, rief Honey, während sie Gus anstupste, damit er auch die anderen abwechselnd den Turm durch das Fernglas betrachten ließ.
„Na gut“, lenkte London ein. „Aber bedenken Sie, es handelt sich um eine Legende. Wie viel davon wahr ist, das müssen Sie selbst entscheiden.“
London lehnte sich mit Blick auf den Fluss an die Reling.
„Vor langer Zeit, im zehnten Jahrhundert, regierte in dieser Gegend Hatto II., der böse Erzbischof von Mainz. Hatto machte die Flussschifffahrt auf diesem Teil des Rheins sehr gefährlich. Er stationierte Bogen- und Armbrustschützen da drüben in diesem Turm, die Speere und Pfeile auf alle Boote herabregnen ließen, die nicht eine saftige Gebühr für die Durchfahrt zahlten. So wurde er reich. Er war sehr gierig.“
„Klingt, als wäre er auch sehr hartherzig gewesen“, sagte Honey.
„Oh, hartherziger, als Sie sich vorstellen können“, bestätigte London. „Er behandelte seine Untertanen überaus grausam. Als eine Hungersnot kam und alle Bauern darbten, waren Hattos Scheunen mit genug Getreide gefüllt, um alle zu ernähren. Aber er weigerte sich, seine Vorräte zu teilen. Stattdessen spielte er den Bauern einen herzlosen, bösartigen Streich. Er sagte, sie sollten in einer leeren Scheune auf ihn warten, wohin er ihnen alles Essen bringen würde, was sie brauchten. Dann schloss er die Bauern in der Scheune ein und steckte sie in Brand.“
„Oh je!“, keuchte eine der Passagierinnen auf.
London fuhr fort: „Er lachte hämisch, während die Bauern bei lebendigem Leibe verbrannten. ,Hört nur, wie die Mäuse pfeifen!‘ spottete er seinen Schergen gegenüber laut. Aber als er sich vom Feuer entfernte, verfolgte ihn eine ganze Armee von Mäusen. Bald stürzten sie sich in Scharen auf ihn und begannen, ihn zu beißen. Er stieg in sein Boot und versuchte, zu seinem Turm auf der Insel zu entkommen. Aber Tausende und Abertausende Mäuse schwammen ihm einfach nach.“
„Was ist dann passiert?“, fragte eine andere Passagierin atemlos.
„Er rannte in seinen Turm und schloss sich ein. Aber die Mäuse nagten sich einfach durch die Holztüren und hetzten Erzbischof Hatto bis aufs Dach, wo sie ihn bei lebendigem Leibe fraßen. Seither heißt das Gebäude dort drüben ‚Mäuseturm‘.“
Ein Raunen bewundernden Staunens ging durch die Gruppe.
„Schön erzählt“, lobte einer der Passagiere.
Londons Lächeln wurde breiter, als ihre Zuhörerinnen und Zuhörer kurz applaudierten. Selbst Sir Reggie bellte zustimmend.
London wusste, dass Emil dieselbe Geschichte vorgetragen hätte, wenn er hier gewesen wäre. Obwohl Emil ein guter Erzähler war, konnte London nicht umhin, sich zu fragen, ob er sie genauso gestaltet hätte.
Die einzige Person in der Gruppe, die etwas abgelenkt zu sein schien, war Amy Blassingame, die jetzt im Besitz des Fernglases war. Sie hatte beiläufig hindurchgeschaut und amüsierte sich nun, indem sie es auf die Gesichter der Leute richtete, die natürlich riesig aussehen mussten.
Plötzlich keuchte Amy erschrocken auf und drückte das Fernglas hastig wieder Gus Jarrett in die Hand. Ohne ein Wort zu sagen, wirbelte die kleine, stämmige Concierge herum und entfernte sich eilig von der Gruppe.
Was ist denn jetzt schon wieder los?, fragte sich London.
London bemühte sich, sich – und die Aufmerksamkeit ihres Publikums – weiter auf den faszinierenden Mäuseturm zu konzentrieren, als das Schiff an dem Bauwerk vorbeifuhr. Sie wollte nicht, dass die Passagierinnen und Passagiere von Amys seltsamem Verhalten Notiz nahmen. Doch es gelang London zwar, weiterzusprechen, aber sie kam nicht umhin zu sehen, dass die unberechenbare Concierge sich plötzlich hinter einem Zeitschriftenständer in der Nähe einer Reihe von Liegestühlen duckte.
Hat sie etwas zu verbergen?, fragte sich London.
Sie dachte nicht lange darüber nach.
„So jedenfalls lautet die Legende“, erzählte sie der Gruppe ihrer Zuhörer. „Ob sie nun wahr ist oder nicht, der Turm, den Sie hier sehen, ist ein anderer als der, der im 10. Jahrhundert dort stand. Er wurde mehrfach neu errichtet, umgebaut und zu allen möglichen Zwecken genutzt. Aber alle mögliche Schriftsteller und Dichter erzählten die Geschichte immer und immer wieder, zum Beispiel …“
Eine Stimme mit deutschem Akzent unterbrach London.
Sie fraßen die Speise, die Lagerstatt,
Sie fraßen den Tisch und wurden nicht satt!
Sie fraßen ihn selber zu aller Graus,
Und nagten den Namen sein überall aus.
Es war natürlich Emil. Er kam aus der Kabine geschlendert, in der sich der Aufzug und die Treppe befanden, und lächelte, als käme er nicht gerade zu spät zu seinem eigenen Vortrag.
London atmete bei seinem Anblick erleichtert auf. Sie war noch nie so glücklich gewesen, den großen, intelligenten Historiker zu sehen wie in diesem Augenblick. Wo auch immer Emil sich herumgetrieben hatte, als sie heraufgekommen war, um ihn zu vertreten, jetzt war er hier und konnte der Vortrag übernehmen. Es würde noch eine Menge zu erzählen geben, während die Nachtmusik durch das malerische Flusstal fuhr, und sie war sich nicht sicher, ob sie dieser Aufgabe gewachsen gewesen wäre. Außerdem machte sie sich Sorgen darüber, wie es unten in der überfüllten Lounge stand.
In seiner charmantesten professoralen Art fügte Emil hinzu: „Diese Zeilen stammen aus einem Gedicht des englischen romantischen Dichters Robert Southey – es heißt ,God‘s Judgment on a Wicked Bishop‘, also etwa ,Gottes Urteil über einen bösen Bischof‘. Die Legende, wie Tausenden von Mäusen den bösen Erzbischof verschlangen wurde, hat also sogar ihren Weg nach England und in die englische Poesie gefunden.“
London trat in der Erwartung, dass Emil ihren Platz einnehmen und den Vortrag fortsetzen würde, beiseite.
Stattdessen sah sich Emil einen Moment lang nervös um.
Dann gefror sein Lächeln.
„Fahren Sie ruhig fort, Fräulein Rose“, sagte er mit einem Nicken. „Sie machen das ausgezeichnet.“
Damit wandte er sich ab und marschierte zurück zur Treppe.
Was in aller Welt ...?, fragte sich London.
Sie sah Amys dunklen Haarschopf hinter dem Zeitschriftenständer hervorlugen, ehe er wieder aus ihrem Blickfeld verschwand.
Was ist nur los mit den beiden?
Versteckte sich Emil vor Amy?
Oder versteckte sich Amy vor Emil
Oder versteckten sich beide vor einer dritten Person?
Aber warum?
London wusste nur, dass sie im Moment keine Zeit hatte, sich über all das Gedanken zu machen. Emil hatte sie wieder mit der Aufgabe allein gelassen, die Sehenswürdigkeiten entlang der Rheinschlucht zu beschreiben. Sie musste wieder an die Arbeit gehen.
Nun schien es, als wolle Emil seinen geplanten Vortrag ganz ausfallen lassen, was natürlich völlig untypisch für ihn war.
Aber es war Fakt.
Sie wandte sich an die Gruppe der Passagierinnen und Passagiere und begann, die nächste Burg zu beschreiben, die hoch oben auf einem Hügel über dem Fluss in Sicht kam. Während sie sprach, fragte sie sich, wann sie diesen Vortrag wohl würde beenden können.
***
Die Dämmerung setzte ein, und in den Häusern, Burgen und Dörfern am Rheinufer blinkten kleine Lichter. Noch heller schimmerten die Lichtreflexe, die die flussauf- und -abwärts fahrenden Booten auf das Wasser warfen.
London war erschöpft von der Beschreibung der Burgen, Weinberge und Siedlungen entlang des Rheintals. Sie verfügte nicht über Emils umfangreiches historisches Wissen, daher war ihr die Aufgabe nicht leichtgefallen. Von Zeit zu Zeit schlug sie auf ihrem Mobiltelefon Informationen nach, um Einzelheiten zu ergänzen, die sie nicht auswendig wusste. Aber Emil war nicht zurückgekehrt, und Amy hatte sie bald nach dessen Weggang davonhuschen sehen. Sir Reggie war auf einen nahegelegenen Leinen-Liegestuhl geklettert und hatte sich schlafen gelegt.
Aber die Nachtmusik glitt immer weiter an bemerkenswerten Sehenswürdigkeiten vorbei, Emil kehrte nicht zurück, und es gelang London, immer weiter zu erzählen. Sie rief gerade einen Artikel über die nächste Sehenswürdigkeit am Ufer auf, als die dralle Honey Garrett rief: „He, seht mal! Da kommt ein richtig großes Schiff direkt auf uns zu!“
Honey spähte durch das Fernglas ihres Mannes Gus. Das schrille Paar mittleren Alters war auf Hochzeitsreise und schien sich auf der Flusskreuzfahrt gut zu amüsieren. An einem Tag wie diesem leuchtete Honeys rot gefärbtes Haar im Sonnenlicht regelrecht.
Gus schnappte sich das Fernglas von seiner Frau und sah selbst hindurch.
„Heiliger Bimbam, das Ding ist riesig!“, sagte Gus. „Es wirkt viel zu groß für die Fahrt auf einem Fluss – groß genug, um auf dem Ozean zu fahren, und wenn nicht jemand den Kurs ändert, rammt es uns wahrscheinlich!“
Ein paar andere Passagiere starrten nach vorne und flüsterten besorgt.
Mit einem beruhigenden Lachen beschwichtigte London: „Keine Sorge, es wird keine Kollision geben. Gus, Honey, gebt bitte euer Fernglas weiter, damit die anderen einen Blick darauf werfen können.“
Die nächste Passagierin, die durch das Fernglas schaute, meldete sich zu Wort.
„Das ist doch gar kein Schiff. Es sieht aus wie eine Art Gebäude, das direkt aus dem Wasser ragt.“
London wies auf den Artikel, den sie auf ihrem Handy gefunden hatte.
