Ein Zimtstern macht noch keine Weihnacht - Jenny Stallard - E-Book

Ein Zimtstern macht noch keine Weihnacht E-Book

Jenny Stallard

3,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Es ist schon schwer genug, Single zu sein, wenn man nicht Datingspezialistin eines Internetmagazins ist. Journalistin Genie ist beides - und hat gerade die härteste Deadline ihres Lebens gesetzt bekommen: Entweder sie hat bis Weihnachten einen Freund. Oder sie verliert ihren Job. Notgedrungen testet Genie am eigenen Leib, worüber sie sonst nur schreibt: Internetdating, Blinddates, Dating-Partys, Speeddating. Doch als die Weihnachtstage nahen, muss sie sich fragen, ob sie bei all den Dates und One-Night-Stands nicht etwas Wichtiges übersehen hat ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 430

Bewertungen
3,0 (18 Bewertungen)
3
1
10
1
3
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Prolog

JULI

Mittwoch, 1. Juli, 12 Uhr

1. Juli, 14 Uhr

1. Juli, 17 Uhr 53

Donnerstag, 2. Juli, kurz nach Mitternacht

Ein Freund bis Weihnachten

Freitag, 3. Juli, 19 Uhr

Samstag, 4. Juli, 10 Uhr

Sonntag, 5. Juli, 19 Uhr

Ein Freund bis Weihnachten

Dienstag, 7. Juli

Ein Freund bis Weihnachten

Freitag, 10. Juli, 22 Uhr

Ein Freund bis Weihnachten

Samstag, 11. Juli, 22 Uhr

Sonntag, 12. Juli

Ein Freund bis Weihnachten

Ein Freund bis Weihnachten

Donnerstag, 30. Juli

Freitag, 31. Juli

Ein Freund bis Weihnachten

Januar vor drei Jahren

AUGUST

Montag, 3. August

Ein Freund bis Weihnachten

Donnerstag, 6. August

Ein Freund bis Weihnachten

Juli vor drei Jahren

Ein Freund bis Weihnachten

Donnerstag, 13. August

Freitag, 14. August

Samstag, 15. August, 8 Uhr

Sonntag, 16. August

Montag, 17. August

Ein Freund bis Weihnachten

Donnerstag, 20. August

Samstag, 22. August, 15 Uhr

Sonntag, 23. August, 7 Uhr

Sonntag, 23. August, 12 Uhr

Montag, 24. August, 10 Uhr

Ein Freund bis Weihnachten

Ein Freund bis Weihnachten

Sonntag, 30. August

SEPTEMBER

September vor drei Jahren

Mittwoch, 2. September

Donnerstag, 3. September, 19.30 Uhr

Ein Freund bis Weihnachten

Donnerstag, 3. September, im Taxi auf dem Heimweg

Freitag, 4. September

Montag, 7. September

Freitag, 25. September

Freitag, 25. September, 18 Uhr

Samstag, 26. September

Ein Freund bis Weihnachten

Sonntag, 27. September

Ein Freund bis Weihnachten

Dezember vor drei Jahren

OKTOBER

Sonntag, 4. Oktober

Montag, 5. Oktober

Dienstag, 6. Oktober, 20 Uhr

Januar vor zwei Jahren

Samstag, 10. Oktober

Sonntag, 11. Oktober

Freitag, 16. Oktober

Sonntag, 18. Oktober

Montag, 19. Oktober

Sonntag, 25. Oktober

Januar vor zwei Jahren

Montag, 26. Oktober

Samstag, 31. Oktober, 10 Uhr

NOVEMBER

Sonntag, 1. November

Dienstag, 3. November

Donnerstag, 5. November

Samstag, 7. November

Dienstag, 10. November

Ein Freund bis Weihnachten

Mittwoch, 11. November

Samstag, 21. November

Sonntag, 29. November

Montag, 30. November

Ein Freund bis Weihnachten

DEZEMBER

Dienstag, 1. Dezember

Donnerstag, 3. Dezember

Ein Freund bis Weihnachten

Ein Freund bis Weihnachten

Freitag, 11. Dezember

Montag, 14. Dezember

Dienstag, 15. Dezember

Donnerstag, 17. Dezember

Freitag, 18. Dezember

Samstag, 19. Dezember

Sonntag, 20. Dezember, 18 Uhr

Ein Freund bis Weihnachten

Sonntag, 20. Dezember, 23 Uhr

Donnerstag, 24. Dezember

Über das Buch

Es ist schon schwer genug, Single zu sein, wenn man nicht Datingspezialistin eines Internetmagazins ist. Journalistin Genie ist beides – und hat gerade die härteste Deadline ihres Lebens gesetzt bekommen: Entweder sie hat bis Weihnachten einen Freund. Oder sie verliert ihren Job. Notgedrungen testet Genie am eigenen Leib, worüber sie sonst nur schreibt: Internetdating, Blinddates, Dating-Partys, Speeddating. Doch als die Weihnachtstage nahen, muss sie sich fragen, ob sie bei all den Dates und One-Night-Stands nicht etwas Wichtiges übersehen hat …

Über die Autorin

Als Journalistin hat sich Jenny Stallard von der Jung-Reporterin einer Lokalzeitung zur Magazinjournalistin und schließlich zur Redaktionsleiterin »Features« bei der Pendlerzeitung Metro hochgearbeitet. Für Metro schrieb sie damals auch ihre erste Kolumne, BOYFRIED BY CHRISTMAS, die sie zwar als glücklicher Single beendete, ihr aber auch die Idee für ihren ersten Roman lieferte.

Jenny Stallard

Ein Zimtstern machtnoch keine Weihnacht

Roman

Aus dem Englischen von Angela Koonen

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:Copyright © 2015 by Penguin Books LTDTitel der englischen Originalausgabe: »Boyfriend by Christmas«Originalverlag: Penguin Books LTD, London

Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, KölnTextredaktion: Dorothee Cabras, GrevenbroichTitelillustration: © FAVORITBUERO, MünchenUmschlaggestaltung: FAVORITBUERO, MünchenE-Book-Produktion: two-up, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-4931-3

www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.de

Eins muss ich jetzt mal sagen: Dickens’ Miss Havisham wird meiner Ansicht nach völlig falsch verstanden. Alle denken, sie gibt auf. Und ja, sie hält die Uhren an, und ja, sie zieht ihr Hochzeitskleid nicht mehr aus. Aber heißt das nicht eher, sie hat sich in der Situation eingerichtet? Sie sagt nicht: »Nun ja, der hat nichts getaugt, probiere ich es eben weiter.« Sie sagt: »Scheiß drauf, wenn ich den nicht haben kann, dann will ich gar keinen.«

Das ist gewissermaßen Hingabe.

Wenn man so sitzen gelassen wird wie die arme Miss Havi­sham (und vergesst nicht, sie hat von Dickens nicht einmal einen Vornamen bekommen, was offen gesagt einer Frau gegenüber ziemlich geringschätzig ist), würde man vielleicht auch die Uhren anhalten und sich weigern, zu einem anderen Paar Schuhe zu greifen. Dann würdet ihr vielleicht auch die Gardinen zuziehen und beschließen, lieber eine zornige alte Jungfer zu werden, als noch mal einen Mann an euch heranzulassen.

Andererseits konnte Miss Havisham noch nicht auf Tinder zurückgreifen.

JULI*

Mittwoch, 1. Juli, 12 Uhr

Mit einem Weihnachtscocktail in der Hand schlenderte ich an einer drei Meter hohen Nordmanntanne vorbei, die mit riesigen wie Cranberrys geformten Kugeln geschmückt war. Vor dem Eingang einer Verkaufsbude mit der Aufschrift Spielzeug! wackelte ein Rehkitz mit dem Kopf, und zwischen den Bäumen des verschneiten Zauberwalds, in dem wir Journalisten herumliefen, posierten zwei Mädchen kichernd für ein Foto.

Im Vorbeigehen probierte ich meinen Cocktail. »Ooooh … mmmmmmm!« Ich murmelte ein Lob. Er schmeckte absolut köstlich. Cranberrysaft mit Prosecco und am Glasrand ein Ilexblatt anstelle des Cocktailschirmchens.

Das Rehkitz glotzte dumm, während ein als Weihnachtskobold verkleideter Kellner auf mich zukam und mir ein Kanapee anbot.

»Gewürzlachs?«, fragte er.

»Ja, gern.« Dreimal hatte ich schon zugegriffen, das wussten wir beide. Aber diese Kanapees schmeckten zu gut, um nicht noch eins zu essen. »Die werden der Renner! Na ja, in einem halben Jahr, wenn sie in den Geschäften liegen!«

Er kicherte mit mir, als ein kleines Schneegestöber durch die Luft wirbelte und auf meine Füße fiel, genauer gesagt auf meine frisch pedikürten Zehen.

»Oh nein!«, rief ich aus.

Pediküre?! Ja, der Kunstschnee klebte auf meinen frisch lackierten Zehennägeln. Wer trägt denn bitteschön Peeptoes in einem verschneiten Wald?, fragt ihr euch? Na ja, um diese Jahreszeit beinahe jeder, denn wie ihr vielleicht bemerkt habt, war es Juli. Willkommen auf dem berüchtigten Juli-Weihnachtsmarkt, auf dem die Firmen den Journalisten die Leckerbissen präsentieren, die sie in der bevorstehenden Festsaison in die Läden bringen werden!

Oh ja, das Weihnachtsgeschäft ist tatsächlich eine Ganzjah­res­angelegenheit, und die Werbeleute zeigen den Journalisten so früh, was es in der kommenden Saison zu kaufen gibt, weil viele Magazine die Geschenke-Guides für ihre Dezemberausgabe im Juli planen. Die Hersteller denken da wahrscheinlich schon an das nächste Weihnachtsfest. Sie sind uns immer wenigstens ein Jahr voraus. Ihre Einkäufer schauen rund um den Globus nach neuen Trends und denken sich fragwürdige Truthahnfüllungen und tolle Rezepte mit Schokolade und Schnaps aus, damit sie möglichst viel Umsatz machen.

Es ist der Wahnsinn, kurioser geht’s nicht. Wir kommen von den warmen Londoner Straßen in Sandaletten und Sommerkleid in dieses winterliche Zauberland mit lauter Kunstschnee, (roboterhaft) nickenden Rehen und Weihnachtsbäumen, sitzen herum, reden über Weihnachtsgeschenke und Baumschmuck und begeistern uns viel zu früh für Lebkuchen, Adventskränze und Festkleider. Alles nur, damit die Kunden im Voraus wissen, was es zu Weihnachten in den Geschäften geben wird, und das ist ein Megaspaß – denn es gibt mitten im Hochsommer Hackfleischpasteten, Glühwein, Truthahnhäppchen und Präsenttüten.

Ich befand mich also im Zauberwald eines bekannten Supermarkts und verkündete beifällig nickend, dass die neue Hackfleischpastete ganz sicher die beste sei, die ich je gegessen hätte, und dass ihr Julscheit mit Morello-Kirsche auf jeden Fall ein Erfolg werden würde. Und ich hatte eine Pediküre bekommen. Die spendierten sie, damit wir Schreiberlinge möglichst lange blieben. Aber jetzt klebte Kunstschnee daran. Der Lack hatte den neuen Cranberry-Ton. Er würde mit dem Cocktail zusammen verkauft werden, zu jeder Flasche ein Nagellack und eine Augenmaske. Bestimmt einer dieser Verkaufsschlager, die man an der Kasse mitnimmt, wenn einem gerade superweihnachtlich zumute ist und man sich soeben entschieden hat, dieses Jahr mal das Drei-für-zwei-Geschenkpapier zu benutzen.

Apropos Geschenkpapier, ich lächelte die Angestellte an der Tür an, die mir eine rot glitzernde Präsenttüte überreichte. »Vielen Dank!« Ich konnte nur raten, was drin war, denn wenn ich nicht gegen die Etikette verstoßen wollte, durfte ich erst draußen in der Sonne einen Blick hineinwerfen. »Das ist ja mal nett!«

Außer einem Fünfzig-Pfund-Gutschein des besagten Supermarkts (der diesjährige Truthahn wäre also schon mal bezahlt) hatte ich eine Packung Hackfleischpasteten, eine Flasche des neuen Weihnachtsproseccos (schickes Etikett mit Ilexzweigen), eine Cranberry-Duftkerze und ein Fläschchen Nagellack ergattert.

Gewonnen!, dachte ich. Wenigstens kann ich damit die Pediküre ausbessern!

Aber jetzt möchte ich mich erst mal vorstellen: Ich heiße Genie Havisham. Na ja, eigentlich Eugenia Havisham. Schon fertig gelacht? Ausgezeichnet. Ist in Ordnung, jeder tut das. Es mag euch überraschen, aber ich bin mir durchaus der Ironie bewusst, dass ich mit Anfang dreißig noch Single bin und »Miss Havisham« gerufen werde. Diese verstaubte Analogie zu Dickens’ Roman ist mir in letzter Zeit häufiger in den Sinn gekommen.

Zu der Havisham-Geschichte kommt noch der wahnsinnig moderne und für E-Mail-Schreiber leicht zu tippende Vorname Eugenia. Was den Namen angeht, habe ich es wirklich nicht leicht. Es liegt daher nahe, dass mich jeder Genie nennt. Mir gefällt das sogar; wenn man von Eugenia Havisham ausgeht, ist Genie nicht so übel. Auch wenn es alles andere als ideal war, als Christina Aguilera mit ihrem Song Genie in a Bottle in die Musik­szene platzte oder als Disney Aladdin rausbrachte – mit Dschinni, dem dicken blauen Flaschengeist aus der Wunderlampe. Aber im Allgemeinen finde ich Genie okay.

Also, da stand ich nun in der Londoner City mit Kunstschnee auf den lackierten Fußnägeln, checkte auf dem Smartphone meine E-Mails und fragte mich, ob es mir gelingen würde, ein Taxi heranzuwinken, damit ich nicht mit der Riesenpräsenttüte U-Bahn fahren musste.

Das war heute Vormittag. Jetzt bin ich wieder im Büro und hoffe inständig, dass die Veranstaltung genug hergibt, damit ich am Nachmittag durch die Redaktionssitzung komme.

Ich arbeite als Journalistin bei einer Lifestyle-Website. Ihr kennt solche Seiten. Die sind ein bisschen wie die Online-Ausgabe eures liebsten Hochglanzmagazins. Da gibt es den neusten Promi-Klatsch, da werden ein paar Frauenthemen behandelt, und oft veranlasst das die Leute, zu schreiben, was wir humorvoll als »Meinung« bezeichnen.

Zu meinem Aufgabengebiet gehören Artikel über den besonderen Lebensstil von Frauen, über Beziehungen und dergleichen. Zum Beispiel schreibe ich über eine neue Dating-App oder äußere mich zu der Frage, ob Cameron Diaz mit Benji Madden unter ihrer Gewichtsklasse boxt – oder sogar, ob sie die alleinstehende Frau verraten und verkauft hat, weil sie plötzlich heiratet, nachdem sie sich jahrelang darüber ausgelassen hat, wie toll es ist, Single zu sein. Oder ich diskutiere, ob Charlize Theron einen Mann nehmen sollte, der größer ist als sie (meine Antwort: Ja. Mit dem guten alten Sean Penn hat sie es nicht lange ausgehalten, oder? Die spätere Story, wonach sie ihn ohne ein Wort abservierte, indem sie seine Anrufe und Nachrichten komplett ignorierte, war eine großartige Fortsetzung).

Im Allgemeinen liebe ich meine Arbeit. Ich schreibe gern über alles, was Frauen interessiert und zur Diskussion anregt. Und bei einer Website bekommt man sofort ein Feedback. Nach Erscheinen der Artikel kann man verfolgen, wer sie liest, wer auf die Links im Text klickt und wer wie viel Zeit auf der Seite verbringt. Ich finde es aufregend, zu sehen, dass Leute lesen, was ich geschrieben habe, wie viele eine Story angeklickt haben und wer was darüber meint (wir können das mit den Analysetools feststellen und indem wir die Kommentare ständig im Auge behalten). Es macht mich froh, unter den Frauen da draußen eine Diskussion in Gang zu bringen. Mein großer Traum ist es, eines Tages eine eigene Website aufzuziehen. Ich möchte nämlich ernstere Beiträge veröffentlichen, über Themen wie das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen oder über die Frage, warum bei Fußballerinnen noch immer über ihr Aussehen gesprochen wird und nicht über ihre Torerfolge.

Eigentlich stünde ich sogar gern an der Spitze unserer Website. Stellt euch das mal vor! Visitenkarten mit: Genie Havisham, Herausgeberin Coolhub. Das wäre fantastisch. In diesem Tagtraum kann ich mich stundenlang verlieren, mir ausmalen, ich könnte die Veränderungen vornehmen, die ich will, und einige wirklich gute Kolumnistinnen mit ins Boot holen. Ich würde Autorinnen, Schriftstellerinnen, Krebsforscherinnen und die Urenkelinnen der Suffragetten für Beiträge anwerben.

Ich spiele »Wenn ich bei Coolhub an der Spitze säße« mindestens einmal am Tag, häufig in den Sitzungen mit der Frau, die tatsächlich an der Spitze von Coolhub steht: Tabitha.

Besonders, da ich in diesem Juli quasi ein Jubiläum feiern kann: Vor zwei Jahren wurde ich plötzlich Single, kurz nach dem Start der Website. Und seit damals bin ich auch offiziell Redakteurin für das Ressort »Liebe und Partnerwahl« bei Coolhub.co.uk. Sooft etwas das Thema »Dating« berührte, habe ich darüber berichtet. Gab es eine neue Website, kam von mir ein Artikel dazu, trat eine neue Expertin auf, habe ich sie interviewt. Inzwischen bin ich selbst zur Expertin geworden. Wenn ihr also Single seid und einen Rat braucht, wie ihr jemanden kennenlernen könnt, wie ihr euch bei einem neuen Mann verhalten oder wie die erste SMS nach einem Date aussehen sollte – dann fragt mich! Eigentlich paradox, wenn man bedenkt, dass ich diese Tipps als Single gebe.

Nicht, dass ich niemanden kennenlernen will, aber, unter uns gesagt – bitte verratet es keinem, es ist peinlich –, ich fürchte mich ein bisschen davor. Im Grunde mehr als ein bisschen. Und meine Arbeit für dieses Ressort ist in dem Fall eine gute Ausrede. Ich kann zu Events gehen, Experten für die Partnerwahl treffen, mit Singles über ihren Lebensweg plaudern. Solange ich über Dating schreiben soll, ist es sinnvoll, Single zu sein. Man könnte sogar sagen: Für meinen Job muss ich Single sein.

Versteht ihr?

Zwei Jahre lang habe ich echte Dates vermieden, und das war viel einfacher, als ihr vielleicht denkt. Sagen wir mal, es veranstaltet jemand eine Dating-Quiznacht. Ich muss da nicht mit Kandidaten Telefonnummern austauschen, ich muss lediglich das Event bekannt machen, den Lesern erzählen, wie der Abend gewesen ist. Folglich brauche ich nur mit zwei, maximal drei Leuten zu reden, nämlich mit dem Organisator und einem oder zwei Teilnehmern. Mehr ist nicht nötig, um einen Artikel zu schreiben. Somit kann ich dem sehr stressigen Problem der eigenen Partnersuche ausweichen.

Um ehrlich zu sein, finde ich die Idee, mich wieder auf jemanden einzulassen, nicht verlockend. Seit ich mit meinem Ex Schluss habe, bin ich nur selten mit einem Mann ausgegangen. Seitdem … tja, seitdem habe ich dazu wirklich nicht die Energie oder Lust gehabt. Warum sollte ich mich einen Abend lang mit einem Mann unterhalten, mit dem ich eigentlich nicht ausgehen möchte? Das wäre Zeitverschwendung für alle Beteiligten.

Meine Artikel habe ich natürlich für Leute geschrieben, die wirklich mit jemandem ausgehen möchten. Die Veranstalter der Dating-Nächte waren glücklich darüber und Tabitha (manchmal) vielleicht auch.

Klar, das Thema »Partnerwahl« liegt mir am Herzen, und ich helfe gern Menschen, die Liebe zu finden. Das ernst zu nehmen gehört zu meinem Job, und ich bin kein gefühlloser Roboter. Aber ich will nicht lügen: Eine Zeitlang war ich nicht mit dem Herzen dabei. Wärt ihr es etwa, nachdem euch jemand das Herz gebrochen hat und darauf herumgetrampelt ist? Dann stellt euch vor, der Mensch, der das getan hat (mit Nagelschuhen übrigens), tritt es noch einmal in den Staub, nur zu seinem Vergnügen, und zermalmt es unter seiner Sohle.

Tja, so sah mein Herz vor zwei Jahren aus. Ich musste sozusagen Handfeger und Schaufel nehmen, es aufkehren und irgendwie wieder kitten. Während ich also beinahe täglich über Partnersuche schrieb, waren die Chancen, dass ich mich auf einen Mann einlassen würde, zugegebenermaßen gleich null.

In der Redaktionssitzung sollte sich jedoch alles ändern.

1. Juli, 14 Uhr

Im Büro angekommen ging ich zu meinem Schreibtisch. »Aufgeräumter Schreibtisch, aufgeräumter Verstand« heißt es bekanntlich – nun, sagen wir, in meinem Kopf geht es oft chaotisch zu, und mein Schreibtisch passt dazu. Trotzdem finde ich alles sofort.

Ich packte die Broschüren vom Vormittag auf die von den anderen Juli-Weihnachtsmärkten, die zuoberst auf den übrigen Papieren lagen (ich habe ein System, ehrlich!), und öffnete die Box mit dem Sushi.

»Hallo!«, sagte jemand mit pechschwarzem Haarschopf neben mir und lächelte mich an.

»Hey, Willow«, grüßte ich. Ihr Lächeln wirkte sofort ansteckend und brachte mich zum Grinsen.

Sie hatte den Mund voller Kartoffelchips. »Die neuen fettarmen«, sagte sie schulterzuckend. »Kamen mit der Post.«

Willow betreut das Food-Ressort und sagt von sich, sie sei gerade auf Vor-Diät. Sie ist der lebende Beweis, dass ein Kind sich zwangsläufig zum Gegenteil dessen entwickelt, was sein Name suggeriert. Gertenschlank ist sie nämlich nicht. Sie nimmt immer »ab nächster Woche fünf Kilo« ab oder macht »ab morgen« eine Diät. Man kann nicht einfach eine Diät machen, sagt sie. Man kann auch nicht einfach mal eben einen Marathon laufen. Man muss sich mental und physisch darauf einstellen, darum macht man erst mal eine Vor-Diät. Es ist nur so, dass Willow immer auf diesem Stand bleibt. Sie liebt Essen und hat prächtige Kurven und ist damit die Kim Kardashian von Coolhub. Nebenbei gesagt: Sie will eigentlich gar keine Diät machen, sie isst gern und schneidet einfach das Etikett aus ihrer Kleidung, damit es ihre Figur nicht bestimmt. (»Ich definiere mich über das Outfit, nicht über die Kleidergröße!«)

Willow füttert das gesamte Büro und bekommt bergeweise Schokolade, Bonbons und Gebäck zugeschickt, jeden Tag etwas anderes. Abends kann man sie meistens in einem neuen Pop-­Up-Restaurant treffen, wo sie Neuigkeiten wie Hummer-­Hot­dogs und Martini mit Schinken kostet. Sie wurde schon von Krankenkassen gebeten, verschiedene Diäten oder Trainingspläne auszuprobieren, aber das lehnt sie schlichtweg ab. »Ich glaube nicht, dass man plötzlich mit einem Training anfangen kann. Ich muss einfach reduzieren und weniger naschen, anstatt von jetzt auf gleich eine Saftdiät zu machen, wisst ihr?« Und dann: »Außerdem könnte dadurch mein Hintern kleiner werden. Könnt ihr euch das vorstellen?« Daran sieht man, wie sehr sie eigentlich mit ihrem Körper einverstanden ist und ihre Spielchen mit der Vor-Diät zelebriert.

Einmal hat sie tatsächlich eine Saftdiät gemacht. Ich kam morgens früh ins Büro, und da saß sie und trank etwas Grünes, Klumpiges, den tränenverschleierten Blick auf eine Schachtel pikanter Cruffins geheftet, die auf ihrem Schreibtisch lag. »Das ist ein neues Frühstücksgebäck«, schniefte sie und starrte zur Abwechslung auf ihren Saft. »Crumpet-Muffins mit Schinkenstückchen und einer tomatigen Käsesauce.«

Um ehrlich zu sein, klang das für meine Ohren ein bisschen ­abschreckend, doch sie wirkte untröstlich. Es genügt zu sagen, dass die Saftdiät kurz danach endete.

Willow gehört außerdem zu den Leuten, die immer fantastisch angezogen sind, und sie beherrscht Online-Shopping, sodass sie nicht in eine Umkleidekabine muss. Während ich mich an die Läden der Hauptgeschäftsstraßen halte, bei denen ich weiß, dass ich in Größe 38 oder M passe und noch ein bisschen Spielraum habe, kennt Willow die Websites, über die sie gut sitzende Kleider bekommt, und sie bleibt ihnen treu.

»Kaufst du billig, kaufst du zweimal«, sagt sie grinsend, bevor sie bei net-a-porter oder ASOS den Button In den Einkaufswagen anklickt. Und es funktioniert – sie sieht immer fantastisch aus, trägt Sachen, die ihre Wahnsinnskurven betonen, denn sie hat einen Vorbau, für den Katie Price anfangs etliche Riesen hätte hinblättern müssen.

Ich dagegen führe konstant Krieg gegen Brot und Kuchen, und meistens siege ich. Ich kaufe ausschließlich Größe 38, und nicht etwa die H&M-38, die eher der Größe 40 entspricht, wie jeder weiß. Ja, ich esse Sandwiches, süßes Gebäck, Kebab. Ich wäre kein Mensch, wenn ich derlei nicht genießen könnte. Aber ich gehe ins Fitnessstudio zum Aerobic-Kurs, steige aufs Fahrrad und mache Yoga, wenn ich mich verkatert fühle oder mich bloß dehnen möchte. Ich verbrenne das Gebäck, bevor es überhaupt ansetzen kann. Genie gegen Gebäck: 1:0. So muss es bleiben. Denn ich will nicht Single und dick sein. Entweder das eine oder das andere. Allerdings will ich bei den Single-Events, auf denen ich herumstolziere wie die neue Carrie Bradshaw, auch nicht fotografiert werden und die Leute denken lassen: Nun ja, ehrlich gesagt, ist es keine Überraschung, dass sie seit zwei Jahren Single ist, sie tröstet sich offenbar mit Essen!

Das einzig Gute an meinem gebrochenen Herzen war, dass ich die sechs Monate, nachdem mein Ex sich in seinen Nagelschuhen verdrückt hatte, von Luft und Prosecco lebte. Dadurch habe ich sechseinhalb Kilo abgenommen, was dringend nötig war. Und selbst wenn in meinem Leben nichts weiter passiert: Ich werde NICHT wieder zunehmen, kapiert? AUF KEINEN FALL.

Rios gebräunte Stirn erschien über meinem Schreibtisch. »In zehn Minuten ist Sitzung.« Rio ist meine andere Kollegin, sie betreut die Rubrik »Heim und Reise«. Während ich den Spitznamen Miss Havisham verfluche und Willow gelernt hat, als »Oak« akzeptiert zu werden, wird Rio auf ewig den Tag beklagen, an dem im Kreißsaal Duran Duran gespielt wurde.

Coolhub hat verschiedene coole Hubs, um unsere Themengebiete abzudecken: den »Lovehub«, »Lifehub«, »Foodhub«, »Travelhub«, »Celebrityhub«. Sie können sich überschneiden, wenn zum Beispiel Brad und Angelina in der Stadt sind und in ein Restaurant gehen. Während ich über das Liebespaar schreibe, wird Willow hingeschickt, damit sie das Essen testet und den Lesern die Speisekarte vorstellt. Rio schreibt über alle spektakulären und neuen Reiseziele, außerdem Artikel wie »Eulen sind out! Jetzt kommen die Enten auf die Kissen!«. Was bei Willow die Cruffins sind, sind bei Rio die Einrichtungsprospekte, Kissen, Duftkerzen und Sonnenbrillen. Kürzlich bekam sie eine hellgelbe Ray Ban, um auf ein neues Resort in der Karibik aufmerksam zu machen.

In der Regel muss man auf einer Lifestyle-Website auch über Stars schreiben, damit die Leute die Artikel anklicken. Die »Randspalte der Schande« bei der Daily Mail Online beweist das, nicht wahr? Wir teilen also die Promis auf, je nachdem, was für eine Story sie hergeben. Wenn Jennifer Lawrence wegen eines Presse­auftritts zu ihrem neuen Film in London ist, verschaffe ich mir einen Interviewtermin mit ihr oder zitiere aus dem Interview einer freischaffenden Kollegin und schreibe meinen Artikel unter dem Gesichtspunkt »Beziehung«. Wäre es Gwyneth Paltrow, dann würde Willow die Story übernehmen, weil sie total auf Mungobohnen und Smoothies steht. Rio würde einen zeitlosen Artikel bringen, zum Beispiel »Wie man es anstellen muss, um nicht aus dem Flieger geworfen zu werden wie Kate Moss«. Oder einen Bericht über das Resort in der Türkei, in dem Kate entgiftet hat, bevor sie aus dem Flieger geworfen wurde.

Das also sind wir, das kleine, aber bestens zusammengesetzte Team von Coolhub.

Zu guter Letzt natürlich, gewissermaßen als großartiges Finale, stelle ich euch Tabitha vor, die Herausgeberin unserer Website, eine Kirsty Allsopp, immer strahlend in einem Outfit von Boden, Phase Eight oder Jigsaw. Gewöhnlich trägt sie ein Wickelkleid, die Uniform der zweifachen Mittelklassemutter. Aber im Gegensatz zu der vollbusigen Fernsehmoderatorin Kirsty Allsopp hat Tabitha Mühe, ihre Kleider auszufüllen. Sie hängen an ihren Schultern wie alte Vorhänge von einer blassen Gardinenstange.

Als Herausgeberin einer Lifestyle-Website ist sie ungefähr so gut wie ich in einer festen Beziehung. Tut mir leid, aber so kommt sie rüber. Manchmal habe ich den Eindruck, es liegt nicht so sehr daran, dass sie es nicht gut macht, sondern daran, dass sie es gar nicht machen will.

Tabitha arbeitete früher bei einer landesweiten Zeitung in der Kulturredaktion und ist sehr old school. Sie weiß, wie sie eine Hausfrau dazu bringen kann, in einem Interview mit ihr ehrlich zu bekennen, dass sie es bereut, ihr drittes Kind bekommen zu haben, weil das ihr Fahrgestell zerstört und ihr Ehemann sie wegen des Au-pair-Mädchens verlassen hat. Solche Mittelklasse-­Mums sprechen mit ihr ganz offen über Probleme wie »Mein Mann verdient hunderttausend Pfund, aber ich kann mir keine neuen Schuhe leisten«. Oft denke ich, sie tun das, weil sie spüren, dass Tabitha im Grunde eine von ihnen ist.

Wenn das stimmt, wieso leitet sie dann eine Website? Nun ja, Tabitha ist bei ihrem alten Arbeitgeber in Ungnade gefallen, und wir können vorläufig festhalten: Ehemann, dem ein Medienkonzern gehört, plus in Ungnade gefallene Ehefrau, gleich Ehefrau, die eine Stelle bei der neuen Website des Medienkonzerns bekommt. Ehrlich gesagt glaube ich, er hat ihr den Posten vor allem verschafft, um sie sich vom Leib zu halten. Soweit ich gehört habe, saß sie zu Hause und trieb ihn in den Bankrott, weil sie ständig bei White Company und Joules bestellte. Einschließlich der Schulgebühren war es für ihn einfacher und billiger, ihr ein Gehalt zu zahlen, anstatt sie weiter durch Online-Shopping sein Kapital vernichten zu lassen.

Als Coolhub gegründet wurde, gehörte ich bereits zum Team. Tabitha wurde die Leitung erst später übertragen, der ursprüng­liche Herausgeber war ihr Mann Richard. Ihm gehört der Konzern Coolmedia, der auch Coolhub herausgibt. Es war die erste Website unter diesem Label, und sie sollte aussehen wie eure Lieblingsillustrierte, aber online lesbar sein und täglich Neues bringen, sodass ihr nicht mehr jeden Donnerstag aus dem Haus gehen und ein Printmagazin kaufen müsst.

Ein Jahr nachdem die Sache gestartet war, brachte Richard jedoch Coolbloke auf den Markt, die Ausgabe für Männer, und wir wurden den »fähigen« Händen Tabithas überlassen, die er zu diesem Zeitpunkt eindeutig aus dem Haus haben wollte, weit weg von seiner Kreditkarte.

Beim Start von Coolhub gefiel es mir, an etwas ganz Neuem mitzuarbeiten, das außerdem Spaß machte. Dating – das hatte was von einer Revolution, und ich war eine der Vorreiterinnen. Außerdem lernte ich von Richard aus erster Hand, wie man eine Lifestyle-Website aufbaut und leitet, was ungeheuer wertvoll ist. Er hatte zehn Jahre lang Websites für Printmagazine aufgebaut und dann seine eigene Firma gegründet. In der Branche hatte er einen Namen, und hier war er und lehrte uns drei, wie man Texte für ein Online-Magazin schreibt und veröffentlicht. Ich fand meinen neuen Job sensationell. Eines Tages werde ich der weibliche Richard sein, dachte ich und schaute bewundernd zu ihm auf.

Es war gut, dass er kleiner war als ich und allmählich kahl wurde, denn andernfalls wäre ich auch noch scharf auf ihn gewesen. Zum Glück war ich’s nicht, und dadurch konnte ich mich auf die Arbeit konzentrieren und brauchte mir keine Sorgen zu machen, ob meine Schwärmerei mir die Karriereaussichten versaute.

Damals, als die Website noch vor dem Start stand und uns vorkam wie ein Baby, das wir alle zusammen erschaffen hatten, war die Vorstellung, eine Dating-Kolumnistin wie Carrie Bradshaw zu sein, für mich etwas Ungeheuerliches. Ich würde tatsächlich fürs Schreiben bezahlt werden. Um das glauben zu können, musste ich mich mehrmals täglich in den Arm zwicken.

Und es boten sich haufenweise Themen an. Gerade war Tinder gegründet worden, die Leute konnten nun auf eine ganz neue Art zueinanderfinden. So bekam ich das Dating-Ressort. Auf meinen Visitenkarten stand Genie Havisham, Coolhub, Feuilletonistin, Dating-Ressort.

Die »Feuilletonistin« bezieht sich auf meinen anderen Aufgaben­bereich. Ich schreibe nämlich auch über alles, was unter »Life­style« rangiert. Erscheint ein neues Selbsthilfebuch, interviewe ich den Autor. Gibt es eine neue Fitnessmethode, die die Welt im Sturm erobert, werde ich beauftragt, darüber zu berichten. Wenn sie ein Promi betreibt, umso besser. Ich schreibe über alles, was Frauen interessiert, und tue das gern. Oft geht es nur um Dating und Fitness, ab und zu kann ich aber auch jemanden interviewen, den ich für wichtig halte, etwa eine Abgeordnete oder eine Köchin, die eine eigene Wohltätigkeitsorganisation ins Leben rufen will, um ein Entwicklungsland mit Lebensmitteln zu versorgen. Ich brenne darauf, für Coolhub mehr solcher Beiträge zu ­schreiben.

Als mir das Herz gebrochen wurde, wurde mein Karriere-Gen aktiv und ließ sich fortan nicht mehr aufhalten. Na gut, dachte ich, wenn ich die Liebe nicht haben kann, dann mache ich eben Karriere. Das war etwas, das ich selbst in der Hand hatte und das mich nicht abservieren konnte. Eine sichere Sache, bei der ich wusste, wenn ich hart genug arbeitete, würde etwas dabei he­raus­kommen. Darum beugte ich den Kopf über die Tastatur und habe seitdem nicht mehr aufgeblickt.

Aber genug von der Vergangenheit! Es war Zeit für die erste Juli-Sitzung.

Wir begaben uns in den Sitzungsraum. Tabitha nahm sofort das pink-rot gestreifte Sofa in Beschlag, während wir uns möglichst geschickt auf die Sitzsäcke fallen ließen, die vor ihr im Halbkreis standen. Deshalb trage ich immer Leggings oder blickdichte Strumpfhosen, denn man kann sich nicht auf einem Sitzsack niederlassen, ohne dass jemand die Unterhose sieht. Dasselbe gilt für Strings. Plumpst ihr mit einem String unter dünnen Leggings in einen Sitzsack, sieht man jede Menge Hintern durchscheinen. Abgesehen davon, dass Strings in meinen Augen eindeutig die Unterwäsche des Satans sind, bieten sie keine Pobedeckung, keinen Platz für eine Slipeinlage und nicht genug Baumwollzwickel, sodass man sich ständig wegen weiblichen Schweißgeruchs sorgt, wenn man zwischen Presseterminen, Partys und Dating-Events hin und her hetzt.

Heute jedoch war ich sehr in Eile gewesen, als ich das Haus verließ, um zu dem Juli-Weihnachtsmarkt zu kommen, und hatte kein schwarzes Höschen finden können. So betrat ich den Sitzungsraum in dem Wissen, dass a) Tabitha ganz klar auf dem Kriegspfad war (nach ihrer Gewittermiene zu urteilen), b) ich ein rosa Höschen trug und c) meine Leggings eine Laufmasche hatten, weil ich auf herumliegendem Lametta ausgerutscht war.

Während wir uns innerlich auf ein Donnerwetter gefasst machten, starrte ich auf die Zimmerwand, auf der der geschwungene Schriftzug prangte: »Greife nach den Sternen, lande bei Coolhub.« An der anderen weißen Wand wartete das Whiteboard.

Auf dem Beistelltisch liegen immer haufenweise farbige Filzstifte, und bei jeder Sitzung werden wir ermutigt, aufzustehen und an das Whiteboard zu schreiben, wenn wir eine Idee haben, wie die Seite gestaltet, wo ein Foto oder eine Abbildung oder was sonst noch platziert werden sollte. Das ist ein geniales Konzept – wenn man nicht gerade ein rosa Höschen unter zerrissenen Leggings trägt und sich aus einem Sitzsack stemmen soll.

Ich starrte auf meine (im Großen und Ganzen unbeschädigten) lackierten Fußnägel und hoffte inständig, nicht als Erste an die Reihe zu kommen. Wenigstens trainierte ich genügend und konnte daher aus der Hocke aufstehen, ohne ins Schnaufen zu geraten. Eine Flasche San Pellegrino stand neben mir auf dem Boden. (Das Mineralwasser wurde mir von einem Dating-Experten mal als »Katzenminze für Single-Frauen« beschrieben. Er forderte alle Männer auf, es im Restaurant zu bestellen und einen Vorrat davon für den Fall im Kühlschrank zu haben, dass eine Frau mit zu ihm käme und etwas trinken wollte.) Ich blickte immer wieder auf die Flasche und hoffte, in der Mitte dranzukommen. Ist man die Erste, bekommt man Tabithas Anfangszorn ab. Ist man die Letzte, wird man Opfer ihrer Schlussidee und bekommt eine blöde oder unausführbare Aufgabe zugeteilt.

Tabitha klatschte in die Hände und schaute in die Runde. »Fangen wir an!«, sagte sie, eine weibliche Version von Kim Jong-un mit Margaret-Thatcher-Frisur, denn im Sitzungsraum herrschte Diktatur. Das Bällebad in der Ecke raschelte leise. Ich fragte mich, ob sich bei einer früheren Sitzung jemand hineingeflüchtet hatte, doch das Rascheln verstummte. Bei der Geschäftseröffnung war es als Gag eingebaut worden – wir sollten darin herumspringen und wahlweise entspannen, über coole Ideen nachdenken oder Stress abbauen –, und seither stand es unbenutzt herum. Der Geist vergangener Artikelschreiber, dachte ich halbherzig, den Kopf noch voller Weihnachtstrends.

»Rio!«, sagte sie mit ausgestrecktem Zeigefinger.

Rio war wie immer in Bestform. »Für den Reiseteil: Mendoza in Argentinien ist das neue Loire-Tal – ich bekomme gleich einen Bericht von einem Gaucho, den ich da unten kenne. Und für den Einrichtungsteil: Eine Promi-Köchin sagte heute Morgen im Radio, dass sie Leopardenmuster toll findet, darum denke ich an eine Slideshow mit entsprechenden Haushaltsgegenständen.«

»Gut«, beschied Tabitha. Durchaus ein Lob.

»Willow, das Waldlicht?« Tabitha zeigte mit dem Finger auf Willow.

Oje. Tabithas fieser Spitzname für die wunderhübsche Willow. Ich denke, insgeheim ist sie neidisch auf Willows Nigella-Law­son-Kurven. Willow hat, wie gesagt, Megamöpse und weiß, wo sie die richtigen BHs und Kleider bekommt, die sie voll zur Geltung bringen. Tabitha dagegen ist eine wütende Bohnenstange ohne Brüste, ohne Hintern, ohne Fleisch auf den Knochen. Sie eifert Victoria Beckham nach, denke ich, wäre gern eine dünne, stylische Mutter eines kleinen Mädchens. Stattdessen ist sie eine dünne, unstylische Mutter von drei schwierigen, schmuddeligen Jungen.

»Heute Abend wird in Soho ein neues Pop-Up-Restaurant eröffnet, wo alles aus Schokolade gemacht wird«, begann Willow.

»WIE BITTE?«, unterbrach Tabitha. »Alles?«

»Ja, von den Getränken und Vorspeisen bis zu den Hauptgerichten und Desserts. Es nennt sich …« Sie ging die Unterlagen in der Pressemappe durch. »Cocoa-motion.«

Wir mussten uns das Lachen verkneifen. Das war gut, und jede von uns wusste das. Wir freuten uns diebisch, wenn Tabitha nichts einwenden konnte. Allerdings hinderte sie das nicht daran, sich wie eine blöde Kuh zu benehmen.

»Na, dann sehen Sie zu, dass Sie den anderen Gästen einen Happen übrig lassen!«, sagte sie gehässig. »Noch etwas?«

»Von der Promi-Hochzeit am vorigen Wochenende habe ich die Kanapee-Zusammenstellung. Jemand, den ich kenne, kannte einen der Hochzeitsgäste. Ich dachte, wir könnten ein Crossover machen: ›Promis und ihre Hochzeitstafel‹«, schlug sie vor.

Ah! Ein Klassiker. Nette Idee, Willow!, dachte ich.

Dann kam ich dran. Ach du lieber Himmel, ich war die Letzte. Und irgendwie fand ich, dass es für die anderen beiden verdächtig glattgelaufen war. Unsere Redaktionssitzungen liefen sonst nie so reibungslos ab.

»Ich war heute bei zwei weiteren Juli-Weihnachtsmärkten«, begann ich. Ja, ich war ein bisschen unvorbereitet, was Artikelthemen anging. Darum dachte ich, über die Events zu reden würde mich über die Sitzung retten, doch Rio und Willow hatten mich mit ihren Einfällen bereits ins Hintertreffen gebracht.

»Es ist Juli! Was reden Sie denn da von Weihnachten?«, schnauz­­te Tabitha.

»Äh … weil jetzt die Weihnachtskollektionen vorgestellt werden?«, erwiderte ich und wagte ein wenig Sarkasmus. Sie wusste das doch ganz genau! Ich wollte ja nur berichten. Mir war auch klar, dass wir über die Artikel erst zeitnah reden würden, aber es schadete nicht, grundsätzlich zu zeigen, dass ich a) bei Veranstaltungen gewesen war und b) aufgepasst hatte.

»Hören Sie auf, Ihrem eigentlichen Thema auszuweichen! Was gibt es Neues an der Dating-Front, verehrte Dating-Expertin?« Sie stach mit dem Finger nach mir.

»Tja … am Freitag habe ich noch einen Speed-Dating-Termin und …«, ich überlegte fieberhaft, » … und …«

»Und? UND? Und, und, und, und, und«, spottete sie.

Ich war schwer in Versuchung, sie zu fragen, wann sie das letzte Mal mit einem Mann im Bett gewesen war oder warum sie sich auf einmal für eine Autorität in Sachen Liebe hielt, doch ich sagte kein Wort und gab mir Mühe, ein ausdrucksloses Gesicht zu machen. Gleichgültig, was ihr auf der Zunge lag, sie würde es aussprechen – ob ich ihrem Gift mit Ausflüchten oder Antworten entgegenwirkte oder nicht.

»Oookay.« Mit einem Blick in die Runde kontrollierte sie, ob ihr auch jeder gebührend Aufmerksamkeit zollte. »Mal sehen, was wir hier haben. Genie Havisham. Miss Havisham! Ha!« Jetzt kam sie mir mit diesem Namen? »Dating-Expertin … die ewig auf der Suche ist, aber keinen abbekommt. Nun, ich habe genug von Ihnen und Ihren sogenannten Dating-Berichten. Da Sie Weihnachten so sehr mögen, ist das Ihre Deadline.«

Sie sprang auf, griff nach einem Stift und schrieb ans Whiteboard: Ein Freund bis Weihnachten. »Da, das ist Ihre neue Kolumne. Beginn nächste Woche. Sie haben eine Deadline, junge Dame!«, sagte sie. Ich schwöre, sie lächelte wie Heath Ledger, als er als Joker in Batman das Krankenhaus in die Luft sprengte.

Sie hielt mir einen roten Stift hin. »Schreiben Sie Folgendes auf: »Die Regeln für EFBW.«

Ich schrieb nach ihrem Diktat.

Genie schreibt mindestens einen Post pro Woche, einen ungeschminkten Bericht über ihr Dating-Leben.Sie geht zu jeder Veranstaltung, zu jedem ihr angebotenen Date, ohne Ausnahme. Das schließt auch Fälle ein, wo jemand in der Kneipe sie nach ihrer Telefonnummer fragt oder sie bei Twitter um eine Verabredung bittet.Wenn Genie bis Weihnachten keinen Freund hat, dann ist Schluss mit »tiefschürfenden« Artikeln.

Ja, sie zwang mich tatsächlich, tiefschürfende Artikel hinzuschreiben. Herablassendes Miststück! Ich sagte keinen Ton und riss mich zusammen, um nicht aufzubrausen oder vor Bestürzung zu weinen (und ein bisschen vor Angst, ich will nicht lügen).

»Eugenia«, sagte sie, während ich zur Tür ging. So nennt sie mich ab und zu. Blöde Kuh!Jeder weiß, dass ich mir das verbeten habe. Der Name klingt nach einer geisteskranken Erfinderin im viktorianischen Zeitalter. »Ist das Ihr rosa Glücksbringerslip?«

Feixend zeigte sie auf meinen Hintern. »Ich glaube, Ihre Leggings sind hinüber«, höhnte sie. »Am besten kaufen Sie sich ein paar neue, wenn Sie die Männer beeindrucken wollen, mit denen Sie sich treffen werden!«

Sie spielte an ihrer fetten Perlenkette herum, die um ihren mageren Hals baumelte. »Ich habe große Erwartungen, Miss Havi­sham!«, gackerte sie.

Oh, LOL und ROFL, Tabitha, wahnsinnig lustig!, dachte ich.

Dann fügte sie etwas ernster hinzu: »Sehen Sie zu, dass Sie bis Weihnachten einen abkriegen, sonst …«

Sonst was?, wollte ich fragen. Aber das war nicht nötig, denn ihre Kanonade war noch nicht vorbei.

»Und wenn ich sage ›sonst‹, dann meine ich es auch!«

»Wie bitte?« Endlich fand ich die Sprache wieder.

»Seit zwei Jahren schreiben Sie über Dating. Das muss sich ändern. Wir brauchen mehr persönlichen Einsatz von Ihnen, Genie Havisham. Ich bin mir nicht sicher, ob wir das Dating-Thema noch fortführen sollten, und wenn nicht, was werden Sie dann schreiben?«

Interessante Artikel über Themen, die für Frauen wie mich relevant sind und über die ich schreiben will, aber nicht darf, weil Sie mich zwingen, über Dating zu schreiben?, dachte ich. Doch ich sprach es nicht aus. Ich wollte mit Tabitha keinen Streit anfangen. Es war eigentlich nicht angebracht, patzig zu werden, und ich hatte schon mit meinem »Wie bitte?« etwas riskiert.

Ich saß in der Klemme. Denn mangels Alternative war das Dating-Thema mein Ding geworden – auf Kosten anderer Themen, über die ich schreiben wollte. Ich war geblieben und hatte getan, was von mir verlangt wurde, denn eine Stelle bei Coolhub im Lebenslauf zu haben war ein Riesenplus.

Hatte ich mich nach einer anderen Stelle umgesehen? Ja, natürlich. Ich hielt stets Ausschau nach etwas anderem, aber mit Rio und Willow zusammenzuarbeiten machte Spaß. Ich dachte immer wieder, wenn Tabitha ginge oder sich etwas änderte, dann würde sich auch meine Stellung ändern. Dann könnte ich das Dating-Thema zugunsten eingehender Beziehungsbeiträge aufgeben.

Hatte ich richtig verstanden, was Tabhita von mir wollte? Ich sollte einen Kerl finden, sonst verlöre ich meinen Job? Konnte sie das machen?

Sie stand auf, als hätte sie meine Gedanken gelesen. »Ja, ich kann das machen. Es wird Zeit, dass Sie einen Mann finden. Andernfalls ist dieser Job vielleicht nicht mehr das Richtige für Sie!«

Damit schlenderte sie hinaus. Wir drei hockten auf den Sitz­säcken und starrten das Whiteboard an.

»Wow!«, sagte Willow. »Jetzt ist sie komplett übergeschnappt!«

»Hat sie das alles wirklich gesagt?«, fragte ich.

»Sie hat dir gedroht«, meinte Rio. »Soll ich die Personalabteilung anrufen?«

»Nein danke, jedenfalls jetzt noch nicht. Lasst uns mal gründlich darüber nachdenken!«

Und es gab nur einen Platz, wo wir das tun konnten. Der Pub.

Es ging auf fünf Uhr zu. Noch eine halbe Stunde, dann durften wir zur Tür raus und uns eine Flasche Prosecco genehmigen.

1. Juli, 17 Uhr 53

Auf der anderen Straßenseite im Pub knallte ich den Eiskübel mit der Prosecco-Flasche auf den Tisch, dazu ein paar Knabbereien und drei Gläser, bevor ich mich auf dem zerschlissenen Ledersofa niederließ.

Rio goss ein, Willow riss die Tüte mit den Cashewkernen auf.

»Wie sollst du das hinkriegen? Können wir jemanden dafür bezahlen?«, überlegte sie laut.

»Wäre das möglich?«, fragte ich plötzlich hoffnungsvoll.

»Du könntest ans andere Ufer wechseln.« Lachend warf Rio ihre langen blonden Haare hin und her und schürzte die Lippen.

Ich musste lachen. »Rio, du bist umwerfend, aber einfach nicht mein Typ.«

(»Nicht alle Lesben sehen wie Schuljungen aus«, sagt sie zu Männern, die sie regelmäßig anlabern und dann ärgerlich werden, weil sie toll aussieht und nicht in ihr Klischee von einer lesbischen Frau passt.)

Mit einem listigen Gesichtsausdruck hob sie das Glas. »Ein Hoch auf … Genie und ihren Freund bis Weihnachten!«

»Ein Freund bis Weihnachten!«, riefen wir und kicherten, weil sich der ganze Pub nach uns umdrehte, als wären wir nicht ganz dicht. Verständlicherweise.

»Was passiert, wenn du keinen kennenlernst? Kommen dann die apokalyptischen Reiter angeprescht?«, fragte Willow. »Sie kann dich nicht wirklich rauswerfen, das weiß sie!«

»Wohl eher vier Dressurreiterinnen mit Liberty-Kopftüchern«, erwiderte ich. »Die mir das Ende meiner Karriere und meines guten Rufs verkünden.«

»Also willst du es wirklich versuchen?«, fragte sie.

»Ich schätze, ja. Immerhin habe ich ein Tinder-Profil, das ich aber seit Eiszeiten nicht benutzt habe.«

Wenn man auf Tinder geht und matcht, kommt Send a Message oder Keep Playing – das habe ich nicht erfunden. Kein Wunder, dass ich mich dabei ein bisschen gelangweilt habe. Ist Dating nur ein Spiel für diese App-Entwickler?, frage ich mich oft. Man wischt und bleibt am Ball?

Die Nachrichten, die man bekommt, rangieren meistens zwischen langweilig und rüpelhaft. Ihr glaubt mir nicht? Googelt »Tinder Nightmares«, und geht in den Instagram-Account, in dem die Leute die schlimmsten Nachrichten einstellen. Es ist zum Totlachen, viel lustiger als die eigentliche App, finde ich. Genial ist auch »ByeFelipe«, wo Leute lächerliche Trennungs-SMS posten. Habe kürzlich darüber geschrieben.

»Wisst ihr, ich habe noch nie ein Pimfie bekommen!«, sagte ich.

»Pimfie?«

»Ein Pimmel-Selfie!«, erklärte ich, und Rio spuckte fast ihren Prosecco über den Tisch. »Hast du schon mal solche … bekommen? Von einer Frau, meine ich. Wie kann man das nennen? Vagselfie? Hosenlatz-Selfie?«

Wir krümmten uns kichernd zusammen.

»Das kommt nicht vor, weil Frauen beim Dating und beim Sex viel normaler als Männer sind«, sagte sie triumphierend. »Aber los, versuchen wir’s mal mit deinem Tinder!«

Ich reichte ihr mein Handy. Sie öffnete die App, und wir legten das Telefon vor uns auf den Tisch. Ich übernahm das Wischen. »Nein, nein, nein, NEIN!« Ich schickte alle Männer nach links, die mich nicht interessierten.

»Fett, schräg, Glatze«, kommentierte ich und wischte drei weitere weg.

»Du weißt nicht, ob er eine Glatze hat!«

»Die mit Mütze sind immer kahl. Und es gibt Unterkategorien. Golfmütze: langweilig und kahl. Strickmütze: gefühllos und kahl. Perumütze: pleite und kahl. Wer einen Fahrradhelm trägt, ist kahl und hat wahrscheinlich glattere Beine als du. Wäre eine Lose-Lose-Situation.«

»Warum keine Kahlköpfe?«

»Das fühlt sich einfach an, als fehlte was, weißt du? Ich habe mal im Urlaub mit einem Kahlkopf geknutscht, und sein Kopf leuchtete im Mondschein. Wie bei Friends, wo die Freundin von Ross sich den Kopf rasiert.«

Wir sahen Rio an. »Siehst du, noch was, worüber du dir keine Gedanken zu machen brauchst!«

»Wieso meint ihr, Lesben haben es so leicht?« Sie lachte. »Ein Freund bis Weihnachten? Du bist so wählerisch, du kannst von Glück reden, wenn du bis Weihnachten 2025 einen hast! Allerdings hat Tabitha nicht gesagt, welches Weihnachten, oder?«

»Was fällt dir ein?« Lachend wischte ich einen weiteren Mann weg. »Ich treffe mich nicht mit Männern, die mit betäubten Tigern für ihr Profilfoto posieren! Oder die sich als »Gebrauchtwagen« bezeichnen und Dinge schreiben wie: Gebrauchtwagen sucht umsichtige Besitzerin, noch Zeit, um ein paar Kilometer auf den Tacho zu kriegen … Womit sie in Wirklichkeit ihren Schwanz meinen.«

Wieder war ich der Frage mit Scherzen ausgewichen. Obwohl ich es mir wirklich äußerst ungern eingestehe: Tabitha hat recht, und das ist auch den anderen klar. Ich verantworte das Dating-Ressort. Ich schreibe ständig über Dating-Events, interviewe Experten, sogenannte Lifestyle-Berater, probiere neue Dating-Methoden aus … war aber tatsächlich noch bei keiner privaten Verabredung.

Willow hielt mir das vor Augen, uns allen.

»Haha! Denk mal an dein letztes Date! Kein Wunder, dass du einfach aufgegeben hast!«

»Ja, das habe ich nicht vergessen.« Ich stützte den Kopf in die Hände.

Es war ein reicher Banker gewesen, ein attraktiver Typ, den ich eines Abends kennenlernte, als ich mit Willow beruflich unterwegs war. Wir waren in Shoreditch bei der Eröffnung eines Pop-­Up-Restaurants – ich glaube, es war TV Dinners, wo alles auf einem Tablett wie im Flugzeug serviert wurde. »Darf ich Sie mal zu einem anständigen Abendessen einladen?«, fragte er.

»Aber klar«, sagte ich, denn er sah umwerfend aus.

Das Problem war, dass er zwar toll aussah, aber mehr auf Fifty Shades of Gay stand, nicht auf Grey.

Ich kreuzte beim Treffpunkt auf und dachte: »Wow, schönes Hemd!« Es war gebügelt, was schon mal ein Schocker war, da Heteros meiner Erfahrung nach meist nur ein T-Shirt tragen – Superdry oder dergleichen. Dieser aber trug ein gebügeltes Oberhemd, schicke Jeans und roch wie das Marc-Jacobs-Regal bei Selfridges.

Er hatte einen sehr hübschen Cocktail bestellt, der schon auf mich wartete. »Wow, Sie wissen, wie man eine Frau beeindruckt!«, meinte ich lächelnd.

»Ich versuche es.«

Die Unterhaltung ging erstaunlich flüssig vonstatten. Er moch­­te genau wie ich die Musik der Achtziger und ging auch gern shoppen. »Es gibt nichts Besseres als einen Nachmittag auf der Oxford Street und anschließend einen frühen Cocktail!«, sagte er. »Ich war dort kürzlich für die Hochzeit meiner Schwester einkaufen. Ich brauchte einen neuen Anzug.«

»Haben Sie einen bekommen?«

»Ja, von Reiss. Mein Ex hat … äh, meine Ex hat da gearbeitet, darum bekomme ich Rabatt.«

Mein Ex. Ich war mir sicher, dass er sich nicht versprochen hatte. Und außerdem waren Heteros selten noch mit ihrer Ex befreundet. Das konnte nicht sein … oder doch?

»Sagten Sie gerade: ›mein Ex‹?«

»Oh, Mist! Es tut mir leid.«

»Ich wusste doch, Sie sind zu elegant für einen Hetero! Aber was hat Sie getrieben, mich um ein Date zu bitten?«

Wie sich herausstellte, sollte ich bei der Hochzeit seiner Schwester als Alibi fungieren. Für mich war das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Von nun an würde ich jemanden abschleppen und mich austoben, aber auf keinen Fall mehr mit einem Mann den ganzen Abend im Restaurant sitzen und essen. Bei meiner »Recherche« war ich zu folgendem Schluss gekommen: Im Grunde ist der ganze Dating-Betrieb großer Mist, ein riesiger Unsinn, mit dem kräftig Geld verdient wird.

Zunächst mal hat man Kosten. Dating-Websites sind »kostenlos« – zumindest behaupten sie das. Wenn man aber Nachrichten lesen oder versenden will, muss man sich anmelden. Der Preis hängt natürlich davon ab, für wie lange man angemeldet sein möchte. Verpflichtet man sich für ein Jahr, macht das zum Beispiel fünfzehn Pfund im Monat. Verpflichtet man sich für einen Monat, macht das dreißig Pfund.

Der fatale Fehler ist natürlich zu glauben: Ach, ich nehme ein ganzes Jahr, das ist billiger. Dann kapiert man, was man da gerade unterschrieben hat: im Grunde die Prognose, dass man weitere zwölf Monate allein sein wird.

Jedes Mal, wenn man ein Date arrangiert, durchläuft man eine Reihe von Gefühlen, die einen zuerst emotional, dann finanziell umhauen. Es beginnt mit einem amüsanten Chat, bei dem die Hoffnung aufkommt, dieser Mann könnte vielleicht jemand Besonderes sein. Dann wagt man sich daran zu texten, weil man sich verabreden möchte, schließlich an das Date selbst. Ein Drink, dann ein Abendessen. Die Frage »Was ziehe ich an?« führt meistens zu einer Neuanschaffung. Für das Abendessen gibt man ebenfalls Geld aus. Die Kreditkarte in der Hand zögert und druckst man wegen der Rechnung herum und denkt: Ja, ich will, dass du bezahlst, weil du langweiliger/kleiner bist, als du behauptet hast, und eindeutig gut genug bei Kasse bist, um mich einzuladen. Als Frau in diesem Jahrtausend weiß man jedoch, dass man seine Hälfte selbst zahlen muss.

Schließlich fährt man voller Bedauern und billigem Hauswein nach Hause und meldet sich bei einer anderen Partnervermittlung an in der Hoffnung, sie könnte besser sein, was jedoch die Kosten des ganzen Debakels erhöht.

Zynisch? Ich? Normalerweise nicht, aber ich hatte schweren Liebeskummer hinter mir, und erst mal schob ich den Männern, dem Dating-Spiel, allem und jedem außer mir selbst die Schuld daran zu, dass ich solo und zu nichts Verbindlichem mehr bereit war.

Jetzt jedoch klang mir Tabithas Ultimatum noch in den Ohren und machte mir eines klar: Ich würde nicht drum herumkommen, mich auf die Dating-Welt einzulassen, derentwegen ich so zynisch geworden war. Und ich war zugleich stinksauer und wie gelähmt.

Mein Gedankengang sah in etwa so aus:

Was für eine Zeitverschwendung!Was, wenn mir das Gleiche erneut passiert? Wenn mir wieder einer das Herz bricht? Denn so war es beim vorigen Mal, oder? Man stöckelt lässig zu einer Verabredung, denkt an nichts Böses, und plötzlich lernt man einen kennen, und man mag einander, sieht sich häufiger, und am Pinguinbecken im Zoo sagt er dann, er liebt einen, und dann reißt er einem das Herz in Fetzen.

Liebeskummer war nichts für mich. Freunden hatte ich verboten, ihn zu erwähnen. Ihn, dessen Name nicht genannt werden soll, meinen Ex. Ich will nicht mal selbst seinen Namen aussprechen.

Und Dates wie »Fifty Shades of Gay« lieferten mir jeden Grund zu sagen, es liegt nicht an mir, sondern an denen, und es gibt keine anständigen Männer, jedenfalls keine, die zum Freund taugen. Und solange ich keine Langeweile aufkommen ließ, Sport trieb, meine Gedanken auf anderes lenkte und meinen Ex auf Face­book weiter blockte, würde er sich nicht in meine Gedanken stehlen können.

Um elf Uhr war es Zeit, im Pub Feierabend zu machen.

»Nein«, sagte ich mit aller Bestimmtheit, als Willow mit einem stummen »Wollen wir?« die leere Prosecco-Flasche schwenkte. »Ich muss gleich morgen früh meine erste Kolumne schreiben und sie den Lesern vorstellen. Kann mir keinen Kater leisten.«

»Na, dann viel Glück, EFBW!« Rio drückte mich. »Du weißt, du bist in Ordnung, ob Single oder nicht, klar?«

Oh Gott, solche Bridget-Jones-Sätze muss sich jede Single-Frau ständig anhören.

»Danke, Rio«, sagte ich und drückte sie ebenfalls. »Ich hab ja noch Monate Zeit. Das wird schon …«

Glaubte ich mir selbst? In dem Moment ja, denn ich war betrunken und müde. Es musste einfach klappen, nicht wahr? Andernfalls wäre schließlich meine Karriere im Eimer.

»Fragen wir Siri!«, schlug Willow vor. »Siri, wird Genie bis Weihnachten einen Freund haben?«, lallte sie in ihr iPhone. Es piepte und überlegte ein bisschen.

»Verlassen Sie sich nicht darauf!«, antwortete es wie ein weiblicher Stephen Hawking.

»Charmant!«, meinte ich, steckte mir eine Cashewnuss in den Mund und versuchte, mir keine Sorgen zu machen. Schließlich blieben mir ja noch sechs Monate Zeit, minus ein paar Tage, und das schien doch reichlich zu sein, zumindest um jemanden zu finden, der sich als mein Freund ausgab, damit Tabitha den Mund hielt und ich journalistisch anspruchsvollere Artikel schreiben durfte.

Auf meinem Heimweg über die Essex Road kam mir ein beglückender Gedanke: Im Kühlschrank stand noch ein Rest von meinem Nudelgericht, und den würde ich mir vor dem Schlafengehen in der Mikrowelle aufwärmen. Der und ein Glas Wasser dazu und ich würde am Morgen einen halbwegs klaren Kopf haben. »Einsame Abendessen, Genie!«, hörte ich Tabitha sagen. Natürlich konnten wir uns über ihre EFBW-Herausforderung lustig machen, aber tief im Innern wusste ich auch, mir blieb gar keine Wahl. Fürs Erste jedoch kam es mir vor, als hätte ich massig Zeit. Da kann noch viel passieren, fand ich, und vielleicht würde sich alles von selbst ergeben.

Wie Willow immer sagt: »Es passiert, wenn’s passiert.« Das ist ihr Mantra für ihr eigenes Liebesleben. Sie hält nicht nach einem Mann Ausschau, sondern wiederholt nur diesen Satz und steckt sich die nächste Süßigkeit in den Mund, um dann noch etwas Lipgloss aufzutragen. »Warum etwas kontrollieren wollen, was sich nicht kontrollieren lässt? Es wird passieren, wenn’s passiert.« Leicht gesagt, wenn man a) kein gebrochenes Herz und b) für sein Single-Dasein keine Deadline hat.

Vor meiner Wohnung blickte ich kurz auf meinen silbernen Ring, den ich an der rechten Hand trug. »Nein, den habe ich mir selbst angesteckt!«, scherze ich immer, wenn Leute fragen, ob das ein Verlobungsring ist. Ist einfacher, als zu warten, bis mir jemand anders einen Ring ansteckt.