Eine Katze kommt selten allein - Lydia Adamson - E-Book

Eine Katze kommt selten allein E-Book

Lydia Adamson

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Beschreibung

Wie bringen Katzen nicht nur Menschen, sondern auch Pferde auf Trab? Alice Nestleton, ihres Zeichens erfolglose Schauspielerlin, muss sich ihr Geld als Catsitterin verdienen. Ihr Job führt sie nach Maine, wo sie hofft, über die Weihnachtstage Ruhe und Frieden zu finden. Doch statt acht ausgelassener Katzen erwartet sie ein mausetoter Hausherr. Der liebenswürdige Harry Starobin wurde erhängt - ohne Motiv, wie es scheint. Alice beschließt, diesem ominösen Vorfall auf den Grund zu gehen. Die Spur führt auf die Rennbahn, wo Alice sich unglücklich verliebt - und wo eine Katze offenbar mehr als neun Leben hat...

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Über Lydia Adamson

Lydia Adamson ist das Pseudonym einer bekannten Krimiautorin. Bisher im Aufbau Taschenbuch Verlag erschienen: »Eine Katze kommt selten allein«, »Eine Katze macht Theater«, »Eine Katze im Wolfspelz«, »Eine Katze bittet zum Tee«, »Eine Katze hinter den Kulissen«, »Eine Katze sitzt im Glashaus«, »Eine Katze schlägt den Takt«, »Eine Katze tanzt aus der Reihe«, »Eine Katze ist kein Engel«, »Eine Katze lädt zur Weihnachtsgans«, »Eine Katze auf dem Laufsteg«, »Eine Katze kommt selten allein«.

Informationen zum Buch

Wie bringen Katzen nicht nur Menschen, sondern auch Pferde auf Trab?

Alice Nestleton, ihres Zeichens erfolglose Schauspierlin, muß sich ihr Geld als Catsitterin verdienen. Ihr Job führt sie nach Maine, wo sie hofft, über die Weihnachtstage Ruhe und Frieden zu finden. Doch statt acht ausgelassener Katzen erwartet sie ein mausetoter Hausherr. Der liebenswürdige Harry Starobin wurde erhängt - ohne Motiv, wie es scheint. Alice beschließt, diesem ominösen Vorfall auf den Grund zu gehen. Die Spur führt auf die Rennbahn, wo Alice sich unglücklich verliebt – und wo eine Katze offenbar mehr als neun Leben hat.

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Lydia Adamson

Eine Katze kommt selten allein

Kriminalroman

Aus dem Amerikanischen von Wolfgang Neuhaus

Inhaltsübersicht

Über Lydia Adamson

Informationen zum Buch

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Impressum

1

Es war am Tag vor Weihnachten, einen Tag nach meinem einundvierzigsten Geburtstag. Ich saß auf dem Fußboden meiner Wohnung, in Jeans, einem weißen Seemannspullover und pelzgefütterten Hausschuhen.

Ich hatte gerade mit meiner alljährlichen Grübelei über die Wahrscheinlichkeit des Friedens auf Erden, der Liebe unter den Menschen und all den anderen weihnachtlichen Illusionen angefangen, als das Telefon fröhlich klingelte. Schwungvoll nahm ich den Hörer ab. Eine tiefe Stimme gab sich als Mr. Harmon vom Verein zur Verhinderung von Grausamkeiten an Mensch und Tier zu erkennen.

»Spreche ich mit Alice Nestleton?« fragte Mr. Harmon.

»Am Apparat«, erwiderte ich verdutzt.

»Man hat soeben Ihre Katze aufgegriffen. Sie hat in einem Hundesalon einen Ladendiebstahl begangen«, sagte Mr. Harmon mit schroffer Stimme. »Nun? Was wollen Sie, als die Besitzerin des Tieres, in dieser Sache unternehmen?«

Bevor ich auf diese sehr seltsame Anschuldigung etwas erwidern konnte, veränderte sich die Stimme, und ich erkannte, daß Harry Starobin am Apparat war. Der alte Harry hatte wieder mal einen seiner Scherze gemacht.

»Keine Angst, Alice«, sagte er. »Deine Katzen wüßten nicht mal, wie man einen Ladendiebstahl begeht, würde man sie in einem Fischgeschäft aussetzen. Bist du schon reisefertig? Wir erwarten dich.«

»Ich bin soweit fertig, Harry«, erwiderte ich; dann hörte ich zu, als er mir erklärte, wo ich er mich abholen wollte, wie jedesmal. Dann legte er ohne ein weiteres Wort auf, wie jedesmal. Ich ließ den Hörer in die Gabel fallen und fühlte mich eigenartig, wie jedesmal nach einem von Harrys seltenen Anrufen. Ich kam mir wie ein Kind vor, das irgend etwas angestellt hat. Warum fühlte ich mich so? Verärgert über mich selbst, machte ich, daß ich in die Gänge kam. Schließlich stand Weihnachten vor der Tür.

Bushy, mein Maine-Coon-Kater, schlief auf der gehäkelten Wolldecke, die über dem kastanienbraunen Samtsofa ausgebreitet war.

»Mach die Augen auf, Bushy«, sagte ich. »Hier ist dein Weihnachtsgeschenk.«

Ein Augenlid hob sich, schloß sich wieder. Eine Pfote zuckte. Bushy war offensichtlich nicht interessiert.

Ich machte die Schachtel auf und ließ Bushys Geschenk neben ihn auf das Sofa fallen. »Fröhliche Weihnachten, Bushy«, sagte ich und kraulte zärtlich eins seiner wunderschönen Ohren, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Bushy schlug die Augen auf, zuckte mit den Ohren und starrte auf den Basketball. »Das ist kein x-beliebiger Basketball, du dummer Kater. Das ist ein ganz besonderer Ball. Guck dir mal an, wie schön er ist.«

Ich hatte das häßliche Ding bei Schwartz entdeckt, dem größten Spielwarenladen New Yorks. In den Gummiball waren farbige, scheußliche Muster geprägt. In dem Augenblick, als ich den Ball gesehen hatte, wußte ich, daß er Bushy gefallen würde. Der Ball war eine psychedelische Kugel. Ein Ball aus dem Weltraum. Aus einer anderen Dimension. Er würde perfekt zu Bushys spleenigem Charakter passen. Ich konnte mir richtig vorstellen, wie er den Ball durchs Zimmer pfefferte.

Als Bushy sich nicht rührte, rollte ich den Ball übers Sofa, bis er vor Bushys Nase lag. Er beschnupperte ihn, gähnte und drehte sich auf den Rücken, so daß seine Beine wie die eines toten Vogels in die Höhe gestreckt waren. Dann schlief er weiter.

Soviel zu dem Geschenk. Na ja, ich hatte ja noch Pancho.

Ich brachte Panchos Geschenk in die Küche. Es war eine kleine Plastikschüssel mit Saffranreis. Aus unerfindlichen Gründen hatte Pancho eine Leidenschaft für indische Speisen entwickelt. Allerdings war auch Pancho eine sehr seltsame Katze.

Ich hatte ihn drei Jahre zuvor beim Verein gegen den Mißbrauch der Tiere adoptiert, als er ungefähr sechs Monate alt gewesen war. Panchos Fell war vollkommen grau. Seine Augen waren gelb. Seine Barthaare waren rostfarben. Ihm fehlte ein Stück vom Schwanz, und an der rechten Weiche hatte er eine große, häßliche Narbe.

Pancho schien nur ein Lebensziel zu haben: seinen Feinden zu entkommen. Von diesem Gedanken erfüllt, verbrachte er seine Tage und Nächte damit, durch meine Wohnung zu flitzen. Er liebte Schränke und Bücherregale und Fenstersimse. Je höher, je besser.

Ich nahm den Deckel von der Plastikschüssel und stellte sie ins Spülbecken. »Fröhliche Weihnachten, Pancho«, rief ich.

Für einen Augenblick hörte ich nichts; dann ein Zischen und eine Sekunde später sah ich einen grauen Schemen, der von Schrankdach zu Schrankdach huschte. Und zack – schon hockte Pancho im Spülbecken, das Maul im Reis vergraben.

Ich machte mich daran, das kleine gegrillte Hähnchen auszupacken, das ich zum Abendessen gekauft hatte. Um sechs Uhr erwartete ich Carla Fried. Ein schöneres Weihnachtsgeschenk als Carlas Besuch hätte ich gar nicht bekommen können. Sie war eine alte, liebe Freundin, die ich seit Jahren nicht gesehen hatte. Auf dem College waren wir in einem Zimmer untergebracht gewesen. Wir hatten gemeinsam Schauspiel studiert. Dann waren wir nach New York gezogen und hatten bis zu meiner Heirat zusammengewohnt; nach meiner Scheidung dann noch einmal, allerdings nur für kurze Zeit.

Ich freute mich riesig auf Carlas Besuch; ich konnte es gar nicht abwarten, mit ihr über das Theater zu reden. Wie sehr hatte ich mich nach Gesprächen über Schauspielerei gesehnt, seit ich einsamer und einsamer geworden war! Warum ich einsam war? Na ja, ich hatte den Ruf, ›schwierig‹ und ›schrullig‹ und ein ›bißchen verrückt‹ zu sein.

Der Grund dafür war die schlichte Tatsache, daß mich das herkömmliche amerikanische Theaterleben nicht mehr interessierte. Ich sehnte mich nach etwas Neuem; irgend etwas im Grenzbereich. Ich war auf der Suche nach einem Avantgarde-Theater, das noch gar nicht existierte – und weil das so war, hatten sich viele alte Freunde von mir entfremdet. Meine Leidenschaft für das Außergewöhnliche hatte dazu geführt, daß ich bei einer Reihe eigenwilliger Inszenierungen exzentrischer Theaterregisseure kurze Gastspiele gab. Ein Gutes hatte die Sache allerdings: Da Akademiker sich stets durch die Avantgarde angezogen fühlen, bekam ich hin und wieder die Gelegenheit, als Dozentin an theaterwissenschaftlichen Fakultäten zu lehren.

Ob es an meiner Vorliebe für die Avantgarde gelegen hatte, daß mir als Schauspielerin der Durchbruch versagt geblieben war? Wer weiß. Mein Exgatte pflegte zu sagen, daß ich den Sprung nach oben sowieso nie geschafft hätte, da ich auf ›seltsame Weise zu schön‹ sei; die Verkörperung der sexuellen Phantasien eines jeden Mannes, eine Figur von Virginia Woolf, die sich in einem durchsichtigen Laura-Ashley-Kleid durch eine düstere, wilde Moorlandschaft bewegt. Ich war hochgewachsen, mit goldblondem Haar, bemitleidenswert dünn und stets verfügbar: zur einen Hälfte Vamp, zur anderen Hälfte Kindfrau. Jedenfalls hatte mein Exmann sich so ausgedrückt.

Ich legte das gegrillte Hähnchen auf einen Pappteller und hüllte es in Zellophanpapier ein. Anschließend machte ich Tomatensalat mit Zwiebeln und deckte den Tisch.

Dann wurde es Zeit, meine Siebensachen zu packen.

Die Katzen und ich fuhren morgen früh nach Old Brookville, Long Island. Dort sollte ich, wie jedes Jahr, drei Tage als Catsitter arbeiten. Mit anderen Worten: die Katzen von Harry und Jo Starobin füttern, auf sie aufpassen und so weiter und so fort.

Nun gibt es solche und solche Catsitter-Jobs. Die meisten beschränken sich auf tägliche kurze Besuche bei Katzen, die in Wohnungen leben, deren Besitzer auf Geschäftsreise oder in Urlaub sind. Ich hole die Post aus dem Briefkasten. Ich mache die Tür auf. Ich füttere die Katze. Ich gebe den Blumen Wasser. Ich rede mit der Katze. Und dann gehe ich wieder.

Mein alljährlicher Catsitter-Job bei den Starobins war etwas ganz anderes. Auf Harrys alter Farm schlief ich mit meinen eigenen Katzen in einem kleinen Cottage, brachte allerdings die meiste Zeit damit zu, die acht Himalayan-Katzen der Starobins zu versorgen, die im Haupthaus der Farm lebten. Jahr für Jahr verbrachten die Starobins das Weihnachtsfest in Virginia; sobald ich bei ihnen war, fuhren sie los. Es war ein lukrativer Job; er machte Spaß und verschaffte mir die Gelegenheit, mal aus Manhattan rauszukommen. Außerdem mochte ich die Starobins. Als ich sie kennengelernt hatte, waren sie mir auf Anhieb sympathisch gewesen – ich hatte sie unter sehr schmerzlichen Umständen kennengelernt.

Einer meiner Freunde – er lehrte als Dramatiker an der New Yorker Uni – hatte Selbstmord begangen. Jedenfalls behauptete das die Polizei. Ich glaubte nicht daran, denn ich hatte ungefähr zehn Tage vor seinem Tod mit ihm gesprochen, und er hatte überhaupt keinen deprimierten Eindruck auf mich gemacht. Jedenfalls fuhr ich sofort nach Stony Brook und erbot mich, das Büro und die Wohnung meines verstorbenen Freundes sauberzumachen, da er keine lebenden Verwandten hatte. Und dabei entdeckte ich, daß es kein Selbstmord gewesen war. Er hatte einen männlichen Studenten verführt. Der junge Bursche hatte meinen Freund ermordet und dessen Selbstmord vorgetäuscht. Als ich mehrere Briefe des Studenten fand, die er an meinen Freund geschrieben hatte, zeigte ich sie der Polizei, woraufhin der Student vernommen wurde. Er gestand zwar den Mord, behauptete jedoch, das Opfer einer homosexuellen Vergewaltigung gewesen zu sein. Als es zur Verhandlung kam, glaubten die Geschworenen dem Studenten. Sie verurteilten ihn wegen Totschlags im Affekt zu läppischen achtzehn Monaten Gefängnis.

Mein ermordeter Freund hatte zwei niedliche Katzen hinterlassen. Von einem Professor am Institut für Theaterwissenschaften erfuhr ich, daß ein Ehepaar mit Namen Starobin ganz gewiß ein neues Heim für die Katzen finden würde – wenn es jemanden gab, der das rasch und problemlos erledigen könne, dann die Starobins. Der Professor hatte recht. Harry und Jo Starobin fanden ein neues Zuhause für die Katzen. Und als sie erfuhren, daß ich eine Schauspielerin war, die ihren Lebensunterhalt hauptsächlich durch Catsitten verdiente, gaben sie mir den Job.

Ich nahm zwei Vuitton-Reisetaschen – Geschenke eines alten Bewunderers – aus dem Schrank, brachte sie ins Schlafzimmer, stellte sie aufs Bett und fing an zu packen: zuerst kamen die Handtücher, dann Schuhe, dann Toilettenartikel, dann Katzenfutter, dann meine Kleidung, dann ein paar Glenn-Gould-Musikkassetten, dann eine neue Biographie über Eleanora Duse. Dann machte ich Pause. Ich hatte noch mehr zu packen, aber ich war müde. Ich ging durch den langen Flur ins Wohnzimmer, legte mich neben Bushy und dessen psychedelische Kugel aufs Sofa und schlief ein.

Ein paar Minuten nach sechs Uhr abends weckte mich die Türklingel. Ich sprang auf, rannte los, um den Knopf des Türöffners zu drücken, und trat dabei unabsichtlich gegen Bushys neues Spielzeug, das quer durchs Zimmer flog, bis es klirrend gegen eine Lampe prallte. Ich war von meinem Nickerchen noch so benommen, daß ich mich für einen Augenblick fragte, wie so ein häßlicher Basketball in meine Wohnung gekommen war; dann stellte ich mir verwundert die Frage, warum ich nirgends einen Christbaum entdecken konnte, bis mir einfiel, daß ich ja keinen Weihnachtsbaum mehr kaufte, weil die Katzen die Nadeln fraßen. Ich hatte offenbar sehr tief geschlafen.

Ich öffnete die Tür, trat auf den Flur und ging zum Treppenhaus, um nachzuschauen, ob es sich bei meinem Besucher tatsächlich um Carla handelte. Falls es jemand anders sein sollte – in meiner Nachbarschaft war alles möglich –, würde ich mich schleunigst in die Sicherheit meiner Wohnung zurückziehen.

Ich lehnte mich über das Geländer und sah auf dem Treppenabsatz im zweiten Stock eine Frau. »Bist du das, Carla?«

»Nein«, rief sie zu mir hoch. »Der Nikolaus.«

Ich beobachtete, wie sie die letzten beiden Treppen hinaufstieg. Ja, es war Carla, aber sie sah anders aus als früher.

Ich hatte Carla Fried als extravagante junge Frau in Erinnerung. Ihre Kleidung, ihr Auftreten und ihre Ansichten waren immer ziemlich extravagant gewesen. Aber die Frau, die jetzt auf mich zukam, trug einen nüchternen Geschäftsanzug mit allem Drum und Dran, sogar mit Krawatte. Über einem Arm lag ein teurer Mantel aus Kalbsleder. Ich wußte natürlich, daß Carla inzwischen Leiterin einer gefeierten Theatertruppe in Montreal war; aber das war denn doch ein bißchen viel des Guten.

Doch meine kritische Distanz schwand dahin, als Carla schwungvoll die letzten Stufen nahm. Wir umarmten uns wie Teenager und lachten und schluchzten zugleich.

Dann zog ich Carla in meine Wohnung, nahm Bushy auf den Arm und drückte Carla das langhaarige, rotweiße Bündel an die Brust. Carla kuschelte Bushy an sich. Er blickte total perplex drein.

»Und das ist Pancho«, sagte ich und zeigte auf meinen zweiten Liebling. Er saß in Angriffshaltung auf dem Tisch, in gefährlicher Nähe zum gegrillten Hähnchen.

»Es ist so lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben«, sagte Carla und setzte sich aufs Sofa. Sie war ein bißchen pummelig geworden und hatte ihr langes schwarzes Haar zu einem altjüngferlichen Knoten gebunden. Außer Lidschatten trug sie kein Make-up.

»Trinkst du immer noch Heineken-Bier?« fragte ich.

»Immer.«

Ich ging in die Küche und kam mit einer Flasche zurück, ohne Glas, denn ich konnte mich erinnern, daß Carla ihr Bier immer schon lieber aus der Flasche getrunken hatte.

In dem Augenblick, als ich neben ihr saß, fingen wir auch schon an, über alte Freunde zu plappern, über alte Geschichten und ehemalige Liebhaber; über Männer, Theater, Wohnungen, Essen, das Wetter, die Politik; über Montreal und New York; über Gott und die Welt.

Unser Geschnatter endete so plötzlich, wie es angefangen hatte. Carla lehnte sich zurück und nuckelte an der Flasche. Ihr Gesicht war immer noch wunderschön, doch ich konnte die ersten grauen Haare in ihrer Knotenfrisur entdecken.

»Wo hast du dich einquartiert, Carla?« fragte ich.

»Im Gramercy-Park-Hotel.«

»Oh, vom Feinsten«, bemerkte ich und fügte hinzu: »Du kannst gern ein paar Tage bei mir wohnen. Ich reise morgen früh ab.«

»Warum?«

»Ein Catsitter-Job auf Long Island.«

»Ach ja, ich habe davon gehört.«

»Du hast davon gehört?«

»Na ja, als ich letztes Jahr in Chicago gewesen bin, hat Jane mir erzählt, daß du Catsitterin geworden bist, weil deine Vorlieben, was das Theater angeht, ein bißchen ins Verrückte abgeglitten sind.«

Ich lachte. »Katzen und Verrückte habe ich schon immer gemocht, Carla.«

»Es fällt mir wirklich schwer, mir vorzustellen, daß du in einem bemalten Trikot über die Bühne hüpfst, während neben dir eine nackte Frau Cello spielt und ein halb Bekloppter dem Publikum wüste Beschimpfungen an den Kopf wirft.«

»Die Zeiten ändern sich, wie auch der Geschmack«, stellte ich fest und zeigte auf ihr neues Outfit. Sie spielte die Beleidigte; dann warf sie ein Kissen nach mir.

»Ich habe noch was gehört, Alice. Daß du dich neuerdings mit Verbrechen beschäftigst.«

»Meinst du Ladendiebstahl?«

»Ich meine Tyler.«

Tyler war mein schwuler Freund aus Stony Brook, der von dem Studenten ermordet worden war.

»Das war eine sehr seltsame Geschichte, Carla. Die Polizei rief mich an und sagte mir, Tyler hätte Selbstmord begangen – sich die Pulsadern aufgeschnitten. Aber nur zehn Tage vor seinem angeblichen Selbstmord hatte ich mit ihm gesprochen, und da ging es ihm wirklich gut. Außerdem wußte ich, daß Tyler sich nie und nimmer die Pulsadern aufgeschnitten hätte. Er konnte auf den Tod kein Blut sehen – entschuldige den dummen Ausspruch. Jedenfalls bin ich nach dem Anruf der Polizei zu Tylers Wohnung gefahren, um dort sauberzumachen. Da habe ich dann Briefe gefunden, die der Student an Tyler geschrieben hatte – sehr eindeutige Briefe. Ich habe zwei und zwei zusammengezählt und bin zur Polizei gegangen. Und dann stellte sich heraus, daß Tyler und der junge Mann Liebhaber gewesen waren und daß Tyler den Preis dafür bezahlt hatte, daß es zwischen den beiden nicht mehr klappte.«

»Das ist aber eine komische Ausdrucksweise, Alice.«

»Welche Ausdrucksweise?«

»Daß es ›zwischen den beiden nicht mehr klappte‹.«

»Na ja, jedenfalls hat der Student ihn ermordet.«

»Wieso hat die Polizei es für Selbstmord gehalten?«

»Weil Tylers Handgelenke mit einer Rasierklinge aufgeschlitzt waren. Der Student hatte Tyler zuerst in der Badewanne ertränkt und ihm anschließend sofort die Pulsadern geöffnet. Gräßlich, aber einfallsreich. Die Polizei hielt die Sache für einen ganz normalen Selbstmord mit dem üblichen Verlauf: der Betreffende schneidet sich die Pulsadern auf; dann tritt der Blutverlust ein, dann die Bewußtlosigkeit und dann der Tod durch Ertrinken.«

»Igitt.«

»Genau.«

»Tyler war ein wunderbarer Mann«, sagte Carla. »Kannst du dich noch an den Essay erinnern, den er über Pinters Geburtstagsparty geschrieben hat?«

»Über Die Heimkehr«, verbesserte ich sie.

»Na ja, jedenfalls solltest du mich mal in Montreal besuchen, wenn du etwas für scheußliche Morde übrig hast. Metzeleien gehören zu den Besonderheiten in zweisprachigen Gesellschaften.«

»Carla! Ich habe nichts für scheußliche Morde übrig.«

»Bist du schon mal bei uns im Norden gewesen?«

»Nein.«

»Es ist wirklich sehr schön dort.«

»Du meinst, für dich ist es schön dort, nicht wahr?«

Carla nickte und sagte lachend: »In letzter Zeit sogar noch schöner. Hast du schon mal von Thomas Waring gehört?«

»Nein.«

»Waring ist ein spleeniger kanadischer Millionär. Er hat nicht alle Tassen im Schrank. Der Kerl glaubt, er könnte sich Kultur kaufen – einfach alles kaufen. Deshalb hat er mir anderthalb Millionen gegeben.«

»Dir . . . gegeben?«

»Genau. Mir gegeben. Schlicht und einfach gegeben. Er hat mir eine Million fünfhunderttausend Dollar gegeben, für die ich im nächsten Jahr drei Theaterstücke herausbringen soll. Macht eine halbe Million pro Stück. Kannst du dir vorstellen, was das für uns bedeutet? Die letzten drei Jahre mußte ich meine Inszenierungen für ’nen Apfel und ein Ei machen.«

»Was möchtest du denn aufführen?«

»Zuerst Romeo und Julia – im nächsten Herbst. Und rate mal, wen wir uns als Regisseur an Land gezogen haben.«

»Grotkowski«, sagte ich im Scherz.

Carla lachte und klatschte in die Hände; sie erinnerte sich offenbar an die hitzigen Streitgespräche, die wir über diesen polnischen Regisseur geführt hatten, als dieser seine Theorien in Amerika verbreitete.

»Nein«, sagte Carla, »Grotkowski nicht. Aber du bist nahe dran. Versuch es noch mal.«

»Ich geb’s auf.«

»Portobello«, sagte sie.

»Giovanni Portobello?«

»Genau der.«

»Das ist ja phantastisch«, sagte ich. Am Hunter College hatte ich Vorlesungen von Portobello besucht. Er war ein winziger, mißgebildeter Mann, der so leise redete, daß man ihn kaum hören konnte. Aber seine Ideen waren aufregend. Beispielsweise vertrat er die Meinung, daß Shakespeare so volkstümlich sei, so tief im Bewußtsein der Öffentlichkeit verankert, daß seine Stücke gar keine Theaterstücke mehr wären, sondern so etwas wie Gassenhauer. Nach Portobellos Ansicht mußte Shakespeare dem Publikum auf eine Weise nahegebracht werden, daß eine vollkommene Authentizität von Kostümen und Sprache gewahrt blieb; andererseits veränderte er eine oder mehrere Hauptfiguren radikal – ja, Portobello deformierte sie in gewisser Weise –, so daß dem Publikum bei seinen ansonsten durch und durch herkömmlichen Inszenierungen eine Art intellektueller Stromschlag versetzt wurde. Zwei von König Lears Töchtern, zum Beispiel, hatte Portobello wie Berliner Nutten aus den zwanziger Jahren kostümiert, während alles andere streng elisabethanisch blieb. Und das war für Portobello erst der Anfang; in seinen Theorien ging er noch sehr viel weiter.

»Freut mich, daß es dir gefällt, Alice«, sagte Carla.

»Tja, aber dir kann es ja egal sein, ob mir gefällt, was du tust«, erwiderte ich.

»Das stimmt. Bis jetzt. Denn ich möchte dich gern als Schauspielerin engagieren.«

Die Kehle war mir wie zugeschnürt. Zuerst konnte ich gar nichts erwidern. Mit so etwas hätte ich nie im Leben gerechnet. Ich fühlte mich ganz seltsam, als würde ein fetter Käfer meinen Arm hinaufkrabbeln. »Hast du schon Hunger?« fragte ich schließlich.

Sie hielt die Flasche in die Höhe, um mir zu verstehen zu geben, daß sie lieber erst ihr Bier austrinken wollte.

Ich stand auf und trat ans Fenster auf der anderen Seite des Zimmers. Die Straße tief unten war vereist. Erst jetzt wurde mir so richtig klar, wie phantastisch Carlas Angebot war. Mir traten die Tränen in die Augen. Als ich ein junges Mädchen auf einer Milchfarm in Minnesota gewesen war und vom Theater geträumt hatte, waren alle meine Sehnsüchte auf ein einziges Ziel gerichtet: Julia. Die Rolle aller Rollen, wie es sie nie zuvor gegeben hatte und nie wieder geben würde. Bei Julia sind Liebe und Tod und Erotik und Verdrängung in einem Körper vereint . . . sozusagen. Ich wollte nicht, daß Carla meine Tränen sah, obwohl sie natürlich Verständnis dafür haben würde, daß ich vor Freude weinte. Wie konnte man eine wirkliche Schauspielerin sein, ohne die Julia gespielt zu haben? Ganz von selbst gingen mir die Dialoge durch den Kopf. Was für ein phantastisches Geschenk Carla mir gemacht hatte! Die Julia!

Dann hörte ich sie sagen: »Die Rolle der Wärterin ist wundervoll, Alice. Sie ist dir wie auf den Leib geschrieben.«

Die Enttäuschung kam so plötzlich und mit grausamer Gewalt, daß ich mich am Fensterrahmen festhalten mußte. Nicht die Julia. Die Wärterin. Beinahe schämte ich mich ob meiner Überheblichkeit und der Wahnvorstellung, die Julia spielen zu dürfen. Ja, hatte ich denn den Verstand verloren? Wie konnte eine Frau von einundvierzig Jahren ernsthaft damit rechnen, daß ihr die Rolle der Julia angeboten wurde?

Ich drehte mich zu Carla um und sagte mit der fröhlichsten, freudigsten Stimme, die ich zustande brachte: »Laß uns jetzt essen, Carla.«

2

Die Reise am Weihnachtsmorgen nahm einen unglücklichen Anfang. Ich wollte gerade meine Wohnung verlassen, um zum nächsten Bahnhof der Long-Island-Eisenbahn zu gehen, als ich feststellte, daß ich zwei Reisetaschen und zwei Katzenkörbe nicht gleichzeitig tragen konnte. Also packte ich die Reisetaschen wieder aus und stopfte meinen Kram in einen großen Seesack, den ich am Riemen über der Schulter tragen konnte, so daß beide Hände frei blieben, um die eingesperrten Katzen zu transportieren.

Der Seesack war ein alter Freund. Eine Tante von mir – eine von diesen schrulligen alten Frauen, wie man sie nur in ländlich-bäuerlichen Gegenden antrifft – hatte mir den Sack vor Jahren geschenkt, als ich mich als junges Mädchen an der Schauspielschule des Tyron-Guthrie-Theaters in Minneapolis eingeschrieben hatte, um den ersten Schritt auf die Bretter zu tun, die die Welt bedeuten. Der Seesack hatte mit der Zeit so arg gelitten, daß ich mit ihm einmal im Jahr in den Waschsalon ging, um ihn bleich zu bekommen.

An der Penn Station drängten sich alte Frauen mit Einkaufstaschen, in denen sich eingepackte Weihnachtsgeschenke befanden; ich sah Pärchen in enger Umarmung, die unter einem schweren Kater zu leiden schienen; ich sah Gruppen fremdsprachiger Leute, die auf ihren Gepäckstücken saßen und lautstark palaverten, und Hunderte heimatloser Menschen, die bei fünf Grad Kälte hierher gekommen waren und an den Wänden der geheizten Bahnhofshalle standen – ein ironischer Beitrag zum Fest der Liebe.

Ich kaufte mir meine Fahrkarte, suchte den richtigen Bahnsteig und wartete auf den 8-Uhr-22-Zug nach Hicksville. Wie immer begann Bushy in seinem Katzenkorb zu randalieren – er kratzte, miaute und beklagte sich. Bushy haßte das Reisen. Pancho hingegen war ruhig; er saß grüblerisch in seinem Kasten und starrte stur vor sich hin.

Nachdem der Zug in den Bahnhof eingefahren war und wir einsteigen konnten, entschied ich mich für einen der Doppelsitze am Ende des Waggons, damit ich die Katzenkörbe so hinstellen konnte, daß die beiden Insassen sich gegenseitig beobachten konnten. Das würde Bushy ein bißchen beruhigen – wenn er seinen Koller bekam, konnte er dabei wenigstens Pancho anfauchen.

Der Zug fuhr los, und ich machte es mir im warmen Waggon gemütlich.

Jedesmal, wenn ich zu den Starobins fuhr, kam ich mir wie ein kleines Mädchen vor, das ein Geburtstagsgeschenk abholen geht. Die Starobins waren ein wundervolles altes Ehepaar. Harry war neunundsiebzig Jahre alt. Er besaß einen langen, dünnen, zerbrechlichen Körper, eine dichte Mähne schneeweißen Haares und ein dermaßen faltiges Gesicht, daß es aussah, als wäre es mit einer Harke bearbeitet worden. Er war ein kämpferischer alter Mann, der Katzen und Pferde und Schmetterlinge und alle anderen Arten seltsamer Lebewesen liebte. Harry war ein bekannter Preisrichter bei Katzen-Schönheitswettbewerben, und ich war noch keinem Menschen begegnet, der mehr über Katzen wußte als er. Ihm zuzuschauen, wenn er mit seinen Himalayans spielte, war ein außergewöhnliches, schwindelerregendes Vergnügen.

Immer, wenn ich an Harry Starobin dachte, wurde mir klar, daß ich mich tief in meinem perfiden Hirn danach sehnte, Harry möge der gute Vater/schlechte Vater sein, den ich nie gehabt hatte. Das war ziemlich beunruhigend.

Was Jo Starobin betraf – sie paßte zu Harry. Jo war eine kleine Frau mit kurz geschnittenem weißem Haar, immer hektisch und voller Unrast, die Harry in aller Öffentlichkeit fröhlich attackierte und sich wüst mit ihm stritt, um sich dann in aller Öffentlichkeit mit ihm zu versöhnen. Ich kannte kein anderes Paar dieses Alters, dem Sex noch so viel Spaß zu machen schien, als wären sie frisch verheiratet.

Und was das Anwesen der Starobins betraf – es sah so aus, als hätte jemand einen russischen Bauernhof aus dem neunzehnten Jahrhundert in das sehr noble Old Brookville versetzt. Die Gebäude verfielen; der Anstrich blätterte ab; die Teppiche waren dünn und abgelaufen; die Pferde waren alt, und einen Viehbestand gab es nicht. Mangels bezahlter Rechnungen waren die Heizung abgedreht und der Telefonanschluß stillgelegt worden. Die Starobins waren offensichtlich reich an Grundbesitz, jedoch sehr arm an Bargeld; aber es schien ihnen nicht das geringste auszumachen. Normalerweise brauchten sie sechs Monate, bis sie mir den vollen Lohn für meinen Catsitter-Job bezahlt hatten; andererseits fiel die Bezahlung sehr großzügig aus. Bei den Starobins war alles großzügig.

Dann schlief ich ein. Als ich aufwachte, dachte ich über Carlas Angebot nach, in ihrer Portobello-Produktion die Wärterin zu spielen, Julias Ex-Amme. Ich hatte Carla versprochen, mir die Sache durch den Kopf gehen zu lassen – und das wollte ich wirklich. Ich bemerkte, daß Bushy in seinem Käfig wieder mal aufsässig wurde, und so trommelte ich mit den Fingern auf den Deckel des Kastens, um den Kater zu beruhigen.

Schließlich rief eine unpersönliche, gelangweilte Stimme: »Hiiicksville.« Ich packte meinen Seesack und die beiden Katzenkäfige, verließ den Zug, stieg die lange Treppe vom Bahnsteig hinunter, überquerte die Schnellstraße und gelangte auf den Parkplatz, wo Harry Starobin jedesmal auf mich wartete.

Harry war nicht da. Ich wartete fünf, zehn, zwanzig Minuten, doch von Harry oder seinem klapprigen Kombi war weit und breit nichts zu sehen. Im Kopf ging ich noch einmal Harrys Anweisungen durch, um sicherzugehen, daß ich nichts verkehrt gemacht hatte. Nimm am ersten Weihnachtstag den 8-Uhr-22-Zug nach Hicksville. Verlasse den Bahnhof auf der Ostseite. Geh vom Bahnhof aus zum nördlichen Parkplatz am Supermarkt gegenüber der Schnellstraße. Genau das hatte ich getan. Wo steckte Harry?

Um Viertel nach zehn stieg ich in ein Taxi und ließ mich zu den Starobins fahren. Das war nicht einfach, denn ich kannte ihre Anschrift nicht. Ich wußte aber, wie das Anwesen zu finden war, wenn ich erst an eine bestimmte Tankstelle gelangt war, unter einer bestimmten Hängeampel hindurch und so weiter. Deshalb mußte der Taxifahrer zahlreiche Umwege machen und sehr langsam fahren. Schließlich wurde es dem Mann zuviel. Er war so wütend, daß er mich, meinen Seesack und die Katzen auf die Straße warf – gleich neben dem Briefkasten der Starobins.

Ich schaute mich um. Alles sah aus wie immer. Ich ging ein paar Schritte die Straße hinauf; dann stand ich vor der kiesbestreuten Zufahrt, die zum Haupthaus führte. Das alte, langhaarige Faktotum der Starobins, dessen Name ich immer vergaß, zerhackte mit einer Schaufel Eis. Er starrte mich an. Dann hackte er weiter. Er war schon ein komischer alter Vogel. Der baufällige Stall, den man über einen gesonderten Pfad erreichen konnte, existierte immer noch, links neben dem Haus. Ein uralter Karrengaul stand vor dem Stalltor und ließ sich genüßlich abbürsten. Der Atem stieg als weißer Dampf aus seinen Nüstern. Die junge Frau, die das Pferd striegelte, winkte mir zu. Ich winkte zurück. Sie war das Stallmädchen und hieß Ginger, wenn ich mich recht erinnerte.

Das Cottage, in dem ich wohnen sollte, stand rechts neben dem Haupthaus und war über einen schmalen Pfad zu erreichen. Ich nahm die Körbe mit Bushy und Pancho und ging auf die Hütte zu. Der Pfad war erst vor kurzem von Eis und Schnee befreit worden; doch es gab noch ein paar kleine Eisflächen, denen man vorsichtig ausweichen mußte.